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Testament für den Fall das der Erblasser nicht aus dem Urlaub zurückkommt – Bedingung?

Das Landgericht Hagen hat entschieden, dass der Kläger, als Sohn der verstorbenen Erblasserin, Anspruch auf detaillierte Auskunft über den Nachlass hat. Dies umfasst Informationen zu allen Aktiva und Passiva sowie relevante Schenkungen und ausgleichungspflichtige Zuwendungen. Das Testament, das die Erblasserin handschriftlich verfasste, galt für ihren Todesfall – unabhängig davon, ob sie aus dem Urlaub zurückkam oder nicht. Die Beklagte, ihre Tochter, wurde als Alleinerbin eingesetzt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 O 265/22   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Erblasserin und Testament: Die Erblasserin verfasste ein handschriftliches Testament, das für ihren Todesfall galt, unabhängig von einer Rückkehr aus dem Urlaub.
  2. Alleinerbin: Die Tochter der Erblasserin wurde als Alleinerbin für das Haus eingesetzt.
  3. Auskunftsanspruch: Der Kläger, der Sohn der Erblasserin, hat Anspruch auf Auskunft über den Nachlassbestand.
  4. Nachlassbestand: Die Auskunft muss alle Aktiva und Passiva des Nachlasses umfassen, einschließlich Immobilien, Schmuck, Fahrzeuge und Bankkonten.
  5. Schenkungen und Zuwendungen: Informationen über Schenkungen der letzten zehn Jahre und ausgleichungspflichtige Zuwendungen sind ebenfalls offen zu legen.
  6. Wertermittlung des Hauses: Die Beklagte muss den Wert des Hausgrundstücks durch ein Sachverständigengutachten ermitteln.
  7. Teilurteil: Das Urteil ist ein Teilurteil und damit vorläufig vollstreckbar.
  8. Testamentsgültigkeit: Das Testament wurde in seiner Gültigkeit bestätigt, unabhängig von der spezifischen Formulierung bezüglich des Urlaubs der Erblasserin.

Testament und Erbfolge: Rechtliche Herausforderungen und Lösungen

In der Welt des Erbrechts spielen Testamente eine zentrale Rolle. Sie bestimmen, wie das Vermögen einer verstorbenen Person, des Erblassers, verteilt wird. Häufig entstehen jedoch juristische Auseinandersetzungen, wenn die Inhalte des Testaments oder die Rechte der Erben infrage gestellt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Auskunftspflicht über den Nachlass, der oft aus verschiedenen Vermögenswerten wie Immobilien, Schmuck oder Bankkonten besteht. In einigen Fällen müssen darüber hinaus Wertermittlungen bestimmter Nachlassgegenstände vorgenommen werden, um den genauen Wert des Erbes festzustellen. Für diejenigen, die von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, stellt sich zudem die Frage nach dem Pflichtteilsanspruch.

Die juristische Aufarbeitung solcher Fälle erfordert eine genaue Analyse der testamentarischen Verfügungen sowie eine Bewertung der Rechte und Ansprüche aller beteiligten Parteien. Der folgende Text befasst sich mit einem konkreten Fall, in dem diese Themen im Mittelpunkt stehen. Erfahren Sie, wie das Gericht entschieden hat und welche Implikationen dies für ähnliche Fälle im Erbrecht haben könnte. Ein spannender Einblick in die Komplexität des Erbrechts erwartet Sie.

Testament mit Urlaubsklausel: Ein juristisches Rätsel

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Landgericht Hagen, Aktenzeichen 4 O 265/22, stand ein ungewöhnliches Testament im Mittelpunkt einer erb- und pflichtteilsrechtlichen Auseinandersetzung. Dieses Testament wurde von der verstorbenen N. verfasst und enthielt eine Klausel, die auf den ersten Blick wie eine Bedingung wirkte: Es sollte gelten, „für den Fall, dass ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme“. Die Erblasserin hatte das Dokument zunächst im Jahr 1998 und später erneut im Jahr 2000 unterzeichnet, was die rechtliche Bewertung der Testamentssituation noch komplizierter machte.

Pflichtteilsanspruch und Auskunftsrecht im Fokus

Kern der gerichtlichen Auseinandersetzung war der Pflichtteilsanspruch des Klägers, des Sohnes der Erblasserin. Er argumentierte, dass das Testament für den eingetretenen Erbfall gelte und die Beklagte, seine Schwester, praktisch als Alleinerbin eingesetzt habe. Diese Ansicht führte zu seinem Pflichtteilsanspruch und dem korrespondierenden Auskunftsanspruch über den Nachlass, der umfassend von Immobilien bis zu Bankkonten reichte. Der Kläger forderte insbesondere Auskunft über Aktiva und Passiva des Nachlasses sowie Wertermittlungen bestimmter Nachlassgegenstände, einschließlich eines Hausgrundstücks.

Testamentauslegung: Bedingung oder Anlass?

Die entscheidende Frage war, ob das Testament tatsächlich eine Bedingung für seine Gültigkeit enthielt oder ob die Urlaubsklausel lediglich den Anlass für die Testamentserrichtung beschrieb. Das Gericht folgte einer Auslegung, wonach die Klausel nicht als echte Bedingung zu verstehen war. Es stellte fest, dass die Erblasserin das Testament auch nach den Urlauben der Jahre 1998 und 2000 weiterhin gelten ließ, was darauf hindeutete, dass sie es unabhängig von ihren Reisen als maßgeblich für ihre Erbfolge ansah.

Rechtliche Konsequenzen: Auskunftspflicht und Wertermittlung

Das Gericht entschied, dass der Kläger als pflichtteilsberechtigter Nichterbe einen Anspruch auf Auskunft über den Nachlass hat, um seinen Pflichtteil geltend machen zu können. Dies umfasste sämtliche Aktiva und Passiva sowie Schenkungen der Erblasserin innerhalb der letzten zehn Jahre vor ihrem Tod. Zusätzlich wurde die Beklagte verurteilt, den Wert des umstrittenen Hausgrundstücks per Sachverständigengutachten zu ermitteln. Dieses Urteil verdeutlicht die Komplexität und Bedeutung präziser Formulierungen in Testamenten sowie die weitreichenden Folgen, die sich aus ihrer Auslegung ergeben können.

Das Urteil des LG Hagen bietet einen tiefen Einblick in die juristischen Feinheiten des Erbrechts, insbesondere im Kontext von Testamenten mit potenziellen Bedingungsklauseln und den daraus resultierenden Rechten der Erben und Pflichtteilsberechtigten. Es unterstreicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Testamentsgestaltung und zeigt, wie unterschiedliche Interpretationen zu rechtlichen Auseinandersetzungen führen können, die letztlich vor Gericht geklärt werden müssen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Wie wird ein Testament ausgelegt, wenn es unklare oder bedingte Formulierungen enthält?

Die Auslegung eines Testaments, das unklare oder bedingte Formulierungen enthält, ist ein komplexer Prozess, der darauf abzielt, den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln. Dies kann insbesondere dann notwendig sein, wenn das Testament privatschriftlich ohne fachkundige Hilfe erstellt wurde und dadurch Unklarheiten oder Widersprüche in den Anordnungen des Erblassers entstanden sind.

Zunächst wird der Wortlaut des Testaments interpretiert, um zu prüfen, ob der Erblasserwille inhaltlich mit dem Testierten übereinstimmt. Hierbei können irrtümliche oder falsche Begriffe zu Problemen bei der Wortlautauslegung führen. Darüber hinaus können Andeutungen im Testament sowie Umstände, die sich außerhalb des schriftlich niedergelegten Testaments zugetragen haben, bei der Auslegung eine Rolle spielen.

Für die Auslegung des Testaments ist es notwendig, dass das Testament formwirksam errichtet wurde. Zudem kommt eine Auslegung nur in Betracht, wenn Unklarheiten in der Verfügung von Todes wegen gegeben sind. Des Weiteren muss sich der aus der Auslegung ergebende Wille, um das Formerfordernis zu erfüllen, zumindest in der Verfügung von Todes wegen angedeutet sein. Dies wird als Andeutungstheorie des Bundesgerichtshofs bezeichnet.

Bei bedingten Formulierungen im Testament kann der Erblasser bestimmen, dass sein Wunscherbe erben soll, wenn er sich in bestimmter Weise verhält. Beispielsweise könnte der Erblasser formulieren, dass ein bestimmter Neffe nicht Erbe wird, wenn er den Erblasser im Pflegefall nicht angemessen betreut und versorgt. In diesem Fall muss der Erblasser zusätzlich bestimmen, wer ersatzweise zum Zuge kommen soll. Dabei darf der Erblasser jedoch keine sittenwidrigen Bedingungen stellen.

Die Möglichkeiten der Auslegung sind sehr weit, jedoch zieht die Rechtsprechung mit der von ihr entwickelten „Andeutungstheorie“ eine Grenze. Nach dieser muss der wahre Wille des Erblassers im Testament zumindest angedeutet sein.

Um Unklarheiten, Zweifel und Widersprüchlichkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Text möglichst vollständig neu zu formulieren, wenn sich die Lebenssituation des Erblassers ändert. Es ist stets das Testament mit dem jeweils jüngsten Datum maßgebend.


Das vorliegende Urteil

LG Hagen – Az.: 4 O 265/22 – Urteil vom 02.06.2023

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 08.07.2021 verstorbenen N. zu erteilen, und zwar über sämtliche Aktiva wie Immobilien, Schmuck, Kfz, Teppiche, Münzen, Kunstgegenstände, Fotoapparate, Mobiliar, Wertpapiere, Bankkonten, Barvermögen, Beteiligungen, etc. und über die Passiva wie z.B. Darlehensverbindlichkeiten oder sonstige Verbindlichkeiten gegenüber Banken oder Dritten, Beerdigungskosten, etc. sowie über Schenkungen der Erblasserin innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall (§ 2325 BGB) sowie über ausgleichungspflichtige Zuwendungen im Sinne von §§ 2316, 2050 ff. BGB.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Wert des im Grundbuch von V. Blatt 1234 eingetragenen Hausgrundstückes X-Straße 1, V., durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zum Stichtag des 08.07.2021 zu ermitteln.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 EUR vorläufig vollstreckbar.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

Der Kläger macht im Wege der Stufenklage pflichtteilsrechtliche Ansprüche nach dem Tod der am 08.07.2021 mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in V. verstorbenen N. (nachfolgend: Erblasserin) geltend.

Die Erblasserin war bei ihrem Tod von ihrem Ehemann geschieden. Die Parteien sind die beiden einzigen Kinder der Erblasserin.

Die Erblasserin verfasste handschriftlich folgendes Testament:

Testament

Mein letzter Wille

Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte lege ich hiermit meinen letzten Willen fest. Das gilt für den Fall, daß ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme.

Als Alleinerbin für mein Haus V., X-Str. 1, setze ich meine Tochter ein, da mein Sohn das Haus X-Str. 2 von meinem Mann überschrieben wurde.

Sollten im Rahmen von Erbauseinandersetzungen zwischen meinen Kindern Schwierigkeiten entstehen, können meine Enkelkinder J. und T. ebenfalls Ansprüche auf das Haus X-Str. 1 erheben und zwar in Höhe von insgesamt DM 25.000,-. Als Gegenleistung brachte mein geschiedener Schwiegersohn Material und Umbauarbeiten ein, die bis heute nicht bezahlt wurden und für seine Kinder angerechnet werden sollten.

Die Lebensversicherungen gehen zu gleichen Teilen an meine Kinder.

Das Postsparbuch von ca. DM 13.000,- soll meine Tochter für Haus-Reparaturen erhalten (Nr. 01234).

Das Sparbuch Nr. 56789 gehört meiner Mutter.

Minki soll nicht in fremde Hände, laßt sie einschläfern.

Ich möchte ein kleines pflegeleichtes Urnengrab.

V., den 5.3.1998

N.

10.2.99 2000

N.

Das Testament wurde von der Erblasserin erstmals mit Datum vom 05.03.1998 und nochmals mit Datum vom 10.02.2000 unterzeichnet.

Die Erblasserin war sowohl nach dem 05.03.1998 als auch nach dem 10.02.2000 im Urlaub, wobei sie den Urlaub im Jahr 2000 mit ihrem Enkel T. verbrachte.

Bis zu ihrem Tod hat sie kein anderslautendes Testament errichtet und auch keine Änderungen mehr an dem Testament vom 10.02.2000 vorgenommen.

Das Testament, welches die Beklagte nach dem Erbfall beim Nachlassgericht ablieferte, wurde vom Nachlassgericht am 27.07.2021 eröffnet und dem Kläger mit Schreiben vom selben Tage bekannt gegeben.

Der Kläger hat zu Protokoll des Nachlassgerichts am 06.09.2021 die Erbschaft aus jedem Berufungsgrund ausgeschlagen.

Die Erblasserin war bei ihrem Tod Eigentümerin des Hausgrundstückes X-Straße 1. Dabei handelt es sich um den überwiegenden Wert des Nachlasses.

Der Kläger ließ die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 20.10.2021 unter Fristsetzung zum 05.11.2021 zur Vorlage eines Nachlassverzeichnisses auffordern.

Der Kläger ist der Ansicht, das Testament vom 05.03.1998/10.02.2000 gelte für den eingetretenen Erbfall und enthalte eine Teilungsordnung hinsichtlich des Hauses sowie weitere ihn belastende Anordnungen. Über die Teilungsanordnung habe die Erblasserin die Beklagte „praktisch als Alleinerbin“ eingesetzt. Gegebenenfalls sei aufgrund seiner Ausschlagung sein nichtehelicher Sohn Miterbe neben der Beklagten geworden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen,

I. in der ersten Stufe

1. Auskunft über den Bestand des Nachlasses

über sämtliche Aktiva wie Immobilien, Schmuck, Kfz, Teppiche, Münzen, Kunstgegenstände, Fotoapparate, Mobiliar, Wertpapiere, Bankkonten, Barvermögen, Beteiligungen, etc. und

über die Passiva wie z.B. Darlehensverbindlichkeiten oder sonstige Verbindlichkeiten gegenüber Banken oder Dritten, Beerdigungskosten, etc.

sowie über Schenkungen der Erblasserin innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall (§ 2325 BGB) sowie über ausgleichungspflichtige Zuwendungen im Sinne von §§ 2316, 2050 ff. BGB,

der am 08.07.2021 verstorbenen N. zu erteilen,

2. den Wert des im Grundbuch von V. Blatt 1234 eingetragenen Hausgrundstückes X-Straße 1, V., durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens zum Stichtag des 08.07.2021 zu ermitteln,

II. in der zweiten Stufe zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angegeben hat, als sie dazu im Stande ist,

III. in der dritten Stufe an den Kläger den Pflichtteil in Höhe von ¼ des sich aus der Auskunft ergebenden Nachlasswertes zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Testament habe nur für Urlaube im Jahr 1998 und 2000 gegolten. Es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten. Der Kläger sei deshalb nicht durch Testament von der Erbfolge ausgeschlossen. Aufgrund der erklärten Erbausschlagung, die den ihm angefallenen gesetzlichen Erbteil erfasse, könne er keinen Pflichtteil nach § 2306 BGB geltend machen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässigerweise als Stufenklage gem. § 254 ZPO erhobene Klage ist insgesamt zulässig und über sie war auf der ersten Stufe durch Teilurteil nach § 301 ZPO zu entscheiden.

Im hier vorliegenden Fall, in dem zugleich mit der Auskunft einzig zu einem bestimmten Gegenstand Wertermittlung verlangt wird, war gleichzeitig über den Auskunftsanspruch und den Wertermittlungsanspruch zu entscheiden. Denn beide Ansprüche sind zur Entscheidung reif und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen steht der Entscheidung nicht entgegen.

Ein Teilurteil ist allerdings grundsätzlich nur zulässig, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge abweichender Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ausgeschlossen ist. Eine Gefahr sich widersprechender Entscheidungen ist namentlich dann gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Das gilt auch insoweit, als es um die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen geht, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden (BGH, Urt. v. 30.11.2012 – V ZR 245/11, NJW 2013, 1009 Rn. 9; BGH, Urt. v. 11.5.2011 – VIII ZR 42/10, NJW 2011, 2736 mwN).

Bei einer Stufenklage iSd § 254 ZPO – wie vorliegend – ist eine Vorabentscheidung durch Teilurteil über die vorbereitenden Informationsansprüche allerdings auch dann zulässig, wenn eine Widerspruchsfreiheit zu den späteren Stufen der Stufenklage nicht gewährleistet ist (BGH, Urt. v. 08.11.2005 – XI ZR 90/05, NJW 2006, 217; BGH, Urt. v. 26.04.1989 – IVb ZR 48/88, NJW 1989, 2821). Denn die Gefahr, dass die Entscheidung über eine vorrangige Stufe in Widerspruch zur Entscheidung auf den weiteren Stufen treten kann, ist der Stufenklage immanent. Über aufeinander aufbauende Stufen einer Stufenklage kann nicht anders als sukzessiv durch Teilurteil entschieden werden.

Nach diesen Maßstäben ist ein Teilurteil über den Auskunftsanspruch zulässig.

Ferner steht nach dem Vorgenannten auch einem Teilurteil zugleich über den Wertermittlungsanspruch die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen nicht entgegen.

Wird im Rahmen der Stufenklage auch ein Antrag auf Wertermittlung gestellt, so steht dieser zwar, wenn die Gegenstände und der Stichtag der Wertermittlung noch nicht konkretisiert sind, regelmäßig als eigene, auf die Auskunftsstufe aufbauende weitere Stufe im Stufenverhältnis zum Auskunftsantrag, weil die Konkretisierung der Gegenstände, zu denen Wertermittlung verlangt wird, von dem Ergebnis der Auskunft abhängig gemacht wird. Werden in einem derartigen Antrag bereits ein oder mehrere Gegenstände (zB Grundstücke) konkret bezeichnet und wird daneben die Bezeichnung weiterer Gegenstände vorbehalten, kann jedenfalls in einem solchen Fall nicht bereits mit dem Auskunftsurteil zugleich (teilweise) über den Wertermittlungsanspruch entschieden werden. Denn mit einer Verurteilung zur Ermittlung des Wertes über nur einen Teil des in der 2. Stufe der Klage geltend gemachten allgemeinen Wertermittlungsanspruchs würde, wenn sich der Auskunftsberechtigte zulässigerweise schon in der Antragstellung vorbehält, nach Erledigung der Auskunftsstufe die Ermittlung des Wertes weiterer Nachlassgegenstände zu verlangen, vorab über einen Teil des bereits anhängigen Wertermittlungsanspruchs entschieden. Geschieht dies, wird sich die Frage, ob ein Wertermittlungsanspruch als solcher besteht, erneut bei nachfolgender Konkretisierung der Wertermittlungsstufe stellen, so dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen innerhalb der Wertermittlungsstufe bestehen würde (OLG Düsseldorf, Urt. v. 09.07.2021 – 7 U 110/20, ZEV 2022, 280).

Die Konstellation einer auf die Auskunftsstufe aufbauenden eigenständigen Wertermittlungsstufe – mithin eines noch nicht konkretisierten, aber bereits „unbeziffert“ anhängig gemachten Wertermittlungsanspruchs – ist allerdings zu unterscheiden von dem Fall, dass neben der Auskunft ausschließlich Wertermittlung hinsichtlich eines bestimmten – unstreitig zum Nachlass gehörenden – Gegenstandes verlangt wird. In letzterem Fall stehen Auskunfts- und Wertermittlungsverlangen prozessual nicht in einem Stufenverhältnis zueinander, sondern – wegen bereits erfolgter Konkretisierung des Wertermittlungsbegehrens – ausschließlich im Sinne der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) nebeneinander und bilden zusammen die erste Stufe der Stufenklage. In einem solchen Fall ist ein gleichzeitiges Teilurteil über den Auskunftsanspruch und den konkret bestimmten Wertermittlungsanspruch zulässig, weil neben die Gefahr der Widersprüchlichkeit der Entscheidung zu nachfolgenden Stufen (insbesondere zur Leistungsstufe), die der Stufenklage immanent und stets hinzunehmen ist, durch die gleichzeitige Entscheidung keine zusätzliche Gefahr der Widersprüchlichkeit (wie im Falle einer nur teilkonkretisierten Wertermittlungsstufe als nächste Stufe nach der Auskunftsstufe) tritt. Dass die hypothetische Möglichkeit besteht, dass nach erfolgter Erteilung der Auskunft weitere werthaltige Gegenstände bekannt werden, zu denen sich nachträglich weiterer Bedarf nach einer Wertermittlung ergibt, und dass der Auskunftsberechtigte seine Klage im weiteren Verfahren dann um weitere Wertermittlungsansprüche erweitern könnte, ändert an der Zulässigkeit eines Teilurteils nichts. Denn maßgeblich für die Frage der Zulässigkeit eines Teilurteils ist die Prozesslage und der Umfang der Anträge, wie sie sich dem Gericht im Zeitpunkt des Erlasses des Teilurteils darstellen.

II. In der Sache ist die Klage auf der ersten Stufe hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs und hinsichtlich des Wertermittlungsanspruchs begründet.

1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses im beantragten Umfang gem. §§ 2314 Abs. 1 S. 1, 260 BGB zu.

a) Die Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch liegen vor.

Anspruchsberechtigt nach § 2314 BGB sind grundsätzlich nur pflichtteilsberechtigte Nichterben, also Abkömmlinge, Eltern und der Ehegatte des Erblassers, sofern sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurden (MüKoBGB/Lange, 9. Aufl. 2022, BGB § 2314 Rn. 65). Ebenso anspruchsberechtigt ist der nach § 2306 Abs. 1 BGB belastet eingesetzte pflichtteilsberechtigte Erbe, sofern er das ihm Zugewendete ausgeschlagen hat (BGH, Versäumnisurt. v. 30.11.2022 – IV ZR 60/22, NJW 2023, 452, 453; MüKoBGB/Lange, 9. Aufl. 2022, BGB § 2314 Rn. 65).

aa) Der Kläger gehört als Abkömmling – Sohn – der Erblasserin zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB.

bb) Der Kläger ist durch das Testament vom 05.03.1998/10.02.2000 von der Erbfolge ausgeschlossen, weil die Beklagte dadurch zur Alleinerbin eingesetzt wurde.

(1) Das Testament gilt für den vorliegenden Erbfall.

Denn es wurde nicht nur unter der – unstreitig nicht eingetretenen – Bedingung des Versterbens auf einer Urlaubsreise errichtet. Vielmehr ergibt die nach § 133 BGB vorzunehmende Auslegung des Testaments, dass die (wiederholten) Urlaubsreisen lediglich den im Testament erwähnten Anlass für die Testamentserrichtung bildeten, dieses aber unbedingt gelten sollte.

Bei Testamenten, welche die letztwillige Verfügung mit einem am Tag der Errichtung oder in einer bestimmten Situation (Reise, etc.) eintretenden Ereignis konditional verknüpfen, ist der Wille des Erblassers dahin zu erforschen, ob eine echte Bedingung für die Gültigkeit des Testamentes im Sinne der §§ 158 Abs. 1, 2074 BGB vorliegt oder ob es sich lediglich um die Mitteilung eines Beweggrundes oder des Anlasses für die Testamentserrichtung handelt, für deren Formulierung der Erblasser die Form eines Konditionalsatzes verwendet hat, ohne die Gültigkeit hiervon abhängig machen zu wollen (KG, Beschl. v. 24.04.2018 – 6 W 10/18, BeckRS 2018, 9285 Rn. 15; OLG München, Beschl. v. 15.05.2012 – 31 Wx 244/11, juris Rn. 12; MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 2074 Rn. 7; Staudinger/Otte (2019) BGB § 2074, Rn. 12).

Für eine echte Bedingung muss der Wille des Erblassers erkennbar sein, die Wirksamkeit der Verfügung mit dem angegebenen, von ihm selbst für ungewiss gehaltenen Umstand unmittelbar zu verknüpfen. Vielfach wird es sich hingegen nur um die Angabe eines Anlasses handeln („wenn ich während dieses Urlaubs, auf dieser Reise, bei dieser Operation sterbe, im Krieg falle“, „im Falle eines plötzlichen Todes der Ehegatten“), ohne dass die glückliche Rückkehr etwas an der Übereinstimmung der Verfügung mit dem Willen des Erblassers und damit an der unbedingten Geltung ändert (MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 2074 Rn. 7).

Angaben insbesondere in privatschriftlichen letztwilligen Verfügungen wie „sollte mir bei …. etwas zustoßen“, „sollte mir während meines Urlaubes etwas passieren“ haben dabei regelmäßig lediglich die Bedeutung eines Hinweises auf den Beweggrund für die Errichtung der letztwilligen Verfügung, wobei dieses Auslegungsergebnis insbesondere durch den außerhalb der Testamentsurkunde liegenden Umstand gestützt werden kann, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung über den in dem Testament bezeichneten aktuellen Anlass hinaus hat bestehen lassen und dass demgegenüber Anhaltspunkte für die Annahme fehlen, die getroffenen Anordnungen sollten nur für den kurzfristigen Zeitraum des Urlaubs gelten (OLG Hamm, Beschl. v. 10.06.1996 – 15 W 63/96, juris Rn. 21; BayObLG, Beschl. v. 03.09.1981 – BReg 1 Z 56/81, MDR 1982, 145). Lässt der Inhalt der Anordnungen keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt des Erblassers erkennen, ist anzunehmen, dass die Anordnungen auch dann gelten sollen, wenn der Erblasser unter anderen Umständen stirbt als denjenigen, die Anlass für die Errichtung des Testamentes waren (KG, Beschl. v. 24.04.2018 – 6 W 10/18, BeckRS 2018, 9285 Rn. 16; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 06.07.2015 – 3 Wx 38/15, juris Rn. 40; OLG München, Beschl. v. 15.05.2012 – 31 Wx 244/11, juris Rn. 12; Staudinger/Otte (2019) BGB § 2074, Rn. 12).

So wurde in der Rechtsprechung bei Bezug von Testamenten zu Urlaubsreisen oder befürchteten Unglücken vielfach eine bloße Motivangabe und keine echte Bedingung angenommen (OLG Hamm, Beschl. v. 10.06.1996 – 15 W 63/96, juris Rn. 4, 21: „Sollte einer von uns … von unserer Urlaubsreise nicht zurückkehren“; KG, Beschl. v. 24.04.2018 – 6 W 10/18, BeckRS 2018, 9285 Rn. 4, 17: „Für den Fall, das ich heute, am 26.11.99 tödlich verunglücke…“; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 06.07. 2015 – 3 Wx 38/15, juris Rn. 15, 40: „Dies Testament gilt nur bei einem Unfall oder sollte ich nicht aus Rußland wiederkommen.“; BayObLG, Beschl. v. 03.09.1981 – BReg 1 Z 56/81, MDR 1982, 145: „Falls ich während meines Urlaubs sterben sollte“; anders das BayObLG in einem besonderen Fall: BayObLG, Beschl. v. 24.01.2003 – 1Z BR 14/02, juris Rn. 30: „Wir … fahren in Urlaub … Sollte jedoch was unvorhergesehenes passieren, …“).

Nach diesen Maßstäben ist auch das vorliegende Testament dahin auszulegen, dass mit der Erwähnung der Geltung des Testaments „für den Fall, daß ich nicht aus meinem Urlaub zurückkomme“ lediglich der Anlass für die Testamentserrichtung beschrieben wird, das Testament nicht aber unter eine echte Bedingung gestellt werden sollte.

Der Wortlaut ist insoweit im Ausgangspunkt für beide Auslegungen offen. Davon, dass das Testament „nur“ in dem Fall gelten sollte, dass die Erblasserin aus dem Urlaub nicht zurückkommt, ist keine Rede.

Für die Auslegung des Testaments dahingehend, dass es keine echte Bedingung für den Fall des Versterbens auf einer Urlaubsreise enthält, sondern die Formulierung lediglich den Anlass für die Testamentserrichtung beschreibt, spricht in erster Linie, dass die inhaltlichen Reglungen keinen Anhaltspunkt dafür geben, die Erblasserin habe gerade für den Fall eines Todes im Urlaub eine besondere Vorstellung über die Regelung ihrer Erbfolge gehabt, während sie für den Fall des Todes außerhalb des Urlaubes sich eine andere – ggf. die gesetzliche – Erbfolgeregelung vorstellte. Insoweit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die getroffenen Anordnungen nur für den kurzfristigen Zeitraum des Urlaubs gelten sollten (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 10.06.1996 – 15 W 63/96, juris Rn. 21; BayObLG, Beschl. v. 03.09.1981 – BReg 1 Z 56/81, MDR 1982, 145). Insbesondere lässt der Inhalt der Anordnungen keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt der Erblasserin erkennen (vgl. KG, Beschl. v. 24.04.2018 – 6 W 10/18, BeckRS 2018, 9285 Rn. 16; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 06.07.2015 – 3 Wx 38/15, juris Rn. 40; OLG München, Beschl. v. 15.05.2012 – 31 Wx 244/11, juris Rn. 12). Im Gegenteil begründet die Erblasserin die Zuwendung des wesentlichen Nachlasswertes – in Form ihres Hauses – mit dem von dem Urlaubsantritt völlig losgelösten Umstand, dass der Kläger bereits von seinem Vater ein Hausgrundstück erhalten hatte. Dass die Erblasserin diesen Umstand gerade nur für den Fall ihres Versterbens im Urlaub für relevant gehalten haben könnte, liegt fern. Ebenso lassen auch die Anordnungen zugunsten der Enkel erkennen, dass diese völlig unabhängig davon getroffen wurden, ob die Erblasserin im Urlaub oder außerhalb eines Urlaubs verstirbt. Denn diese Zuwendungen werden mit Investitionen des Schwiegersohnes in das Haus begründet, die ihrerseits sichtlich in keinem Zusammenhang mit einem etwaigen Tod der Erblasserin während eines Urlaubs stehen.

Dass die Erblasserin die Testamentsurkunde ein zweites Mal, nämlich unter dem 10.02.2000, nochmals unterzeichnet hat, spricht nicht gegen das vorgenannte, aus dem Inhalt des Testaments folgende Verständnis. Selbst wenn die Erblasserin auch nach dem 10.02.2000 eine weitere Urlaubsreise angetreten hat, was zwischen den Parteien nicht im Streit steht, lässt sich die erneute Unterzeichnung nicht so verstehen, die Erblasserin sei von einer singulären Geltung des Testaments für ihren Urlaub im Jahr 1998 ausgegangen und habe durch erneute Unterzeichnung nun eine singuläre Geltung für den Fall eines Versterbens auf einer Urlaubsreise nach dem 10.02.2000 gewollt. Vielmehr folgt schon aus dem Stehenlassen des Testaments auch nach der Reise im Jahr 1998, dass die Erblasserin das Testament auch nach Rückkehr von der Reise im Jahr 1998 nicht für hinfällig hielt. Insoweit kann die erneute Unterzeichnung im Jahr 2000 dahin verstanden werden, dass sie dies lediglich sicherheitshalber durch erneute Unterschrift klarstellen wollte.

Als mitentscheidender Umstand dafür, dass das Testament nicht nur für eine (oder zwei) Urlaubsreise(n) gelten sollte, spricht neben dem Inhalt der Regelungen, die keinerlei Bezug zu Todesart oder Todeszeitpunkt aufweisen, dass die Erblasserin das Testament schließlich noch weitere 21 Jahre stehenlassen hat, ohne es zu ändern oder anderweitig zu testieren.

Nach alledem ist das Testament dahin auszulegen, dass dessen Geltung nicht bedingt durch den Tod auf einer Urlaubsreise war, sondern dass die Erblasserin lediglich den Anlass für die Testamentserrichtung erwähnt hat und das Testament insgesamt für ihre Erbfolge maßgeblich sein sollte.

(2) Inhaltlich ist das Testament gem. § 133 BGB dahin auszulegen, dass darin die Beklagte zur Alleinerbin eingesetzt und der Kläger von der Erbfolge ausgeschlossen wurde.

Der Wortlaut des Testaments ist insoweit offen. Einerseits spricht die Erblasserin davon, sie setze die Beklagte als „Alleinerbin für mein Haus“ ein, was für eine Alleinerbeinsetzung sprechen könnte, andererseits erwähnt sie „Erbauseinandersetzungen zwischen meinen Kindern“, was für die Einsetzung mehrerer Miterben und einer zwischen ihnen notwendigen Erbauseinandersetzung nach §§ 2042 ff. BGB sprechen könnte. Insoweit hat die Erblasserin allerdings ersichtlich die Begriffe nicht im Rechtssinne, sondern laienhaft verstanden, weil eine auf einen Gegenstand bezogene Erbeinsetzung rechtstechnisch nicht möglich ist und weil die Formulierung „Erbauseinandersetzungen“ aus dem Kontext heraus erkennbar nicht die gesetzlich geregelte Erbauseinandersetzung zwischen Miterben nach §§ 2042 ff. BGB im rechtstechnischen Sinne meint, sondern Streitigkeiten und Schwierigkeiten zwischen den Geschwistern bei der Verteilung des Nachlasses, die nicht von der konkreten Rechtsstellung der Kinder – als Erben oder bloße Vermächtnisnehmer – abhängen.

Der Sache nach hat die Erblasserin in ihrem Testament ihr Vermögen unter den Kindern – und Enkeln – gegenständlich verteilen wollen, indem sie ihren Kindern einzelne Gegenstände – allein oder hälftig – zugeteilt und auch Ansprüche ihrer Enkel auf einen bestimmten Geldbetrag geregelt hat.

Nach der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Bedachte, dem nur einzelne Gegenstände zugewendet worden sind, Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet worden ist. Vorrangig vor der genannten Auslegungsregel ist indes die individuelle Auslegung des Testaments nach § 133 BGB vorzunehmen, um festzustellen, ob eine Erbeinsetzung oder nur ein Vermächtnis iSv § 1939 BGB gewollt ist. Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB greift dann nicht ein, wenn die Auslegung des Testaments ergibt, dass trotz Zuwendung nur einzelner Gegenstände eine Erbeinsetzung der mit diesen Gegenständen Bedachten anzunehmen ist. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn der Erblasser sein Vermögen vollständig den einzelnen Vermögensgegenständen nach verteilt hat, wenn er dem Bedachten die Gegenstände zugewendet hat, die nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bilden, oder nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Verwandten oder seinen Ehegatten als gesetzliche Erben ausschließen wollte (BGH, Urt. v. 19.01.2000 – IV ZR 157/98, ZEV 2000, 195, 196; BGH, Urt. v. 19.01.1972 – IV ZR 1208/68, DNotZ 1972, 500 und v. 22.03.1972 – IV ZR 134/70, FamRZ 1972, 561).

Verfügt der Erblasser nur über vergleichsweise geringe Werte seines Vermögens, zB eine bestimmte Geldsumme, einen Gegenstand (zB Schmuck, Hausrat, Pkw) oder einen Bruchteil vom Reinertrag des Nachlasses, ist – sofern keine anderen Anhaltspunkte bestehen – von Vermächtnissen auszugehen, auch wenn der Bedachte ausdrücklich als Erbe bezeichnet wird oder diesem mehrere Gegenstände gebündelt zugewendet werden (MüKoBGB/Rudy, 9. Aufl. 2022, BGB § 2087 Rn. 7).

Wendet der Erblasser dem Bedachten demgegenüber den Gegenstand oder die Gegenstände zu, die nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bilden, will er ihm regelmäßig die Stellung des Erben einräumen (MüKoBGB/Rudy, 9. Aufl. 2022, BGB § 2087 Rn. 8,9). Dabei kann die Zuwendung des wertmäßigen Hauptnachlassgegenstands, etwa eines Hausgrundstücks, als Erbeinsetzung des Bedachten anzusehen sein, wenn der Nachlass dadurch im Wesentlichen erschöpft wird oder der objektive Wert das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat (BGH, Beschl. v. 12.07.2017 – IV ZB 15/16, NJW-RR 2017, 1035, 1037 Rn. 29; BayObLG, Beschl. v. 08. 06.2005 – 1Z BR 110/04, NJW-RR 2005, 1245, 1246).

Vorliegend ist angesichts der von der Erblasserin vorgenommenen, vollständigen Verteilung ihres Nachlasses durch das Testament zunächst im Ausgangspunkt auszuschließen, dass die Erblasserin ausschließlich Vermächtnisse anordnen und keine Erben bestimmten wollte, mit der Folge des Eintritts gesetzlicher Erbfolge hinsichtlich eines durch Vermächtnisse vollständig ausgehöhlten und überschuldeten Nachlasses.

Vielmehr ist das Testament dahin auszulegen, dass in der Zuwendung des Hausgrundstückes eine Alleinerbeinsetzung zugunsten der Beklagten zu sehen ist.

Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es sich bei dem Hausgrundstück um den wesentlichen Nachlasswert handelt, wobei der Beklagten zusätzlich die Hälfte der – betragsmäßig nicht einmal genannten – Lebensversicherungen und allein ein Postsparbuch mit 13.000 DM zugewandt wurde. Dabei ist anzunehmen, dass es sich bei der Zuwendung des Hauses auch und gerade nach der Vorstellung der Erblasserin – was für die Auslegung nach § 133 BGB entscheidend ist – um den wertmäßigen Hauptgegenstand handelte und der Zuwendung desselben für die Erbfolge entscheidende Bedeutung zukommen sollte. Insoweit ist auch zu sehen, dass die Erblasserin im Zusammenhang mit dem Haus im Testament allein die Beklagte als Erbin („Alleinerbin“) bezeichnet, was zwar nicht rechtstechnisch zu verstehen ist, aber doch deutlich macht, dass die Erblasserin der Zuwendung des Hauses besondere Bedeutung gegeben hat. Dabei kommt die Bedeutung der Zuwendung auch dadurch zum Ausdruck, dass die Erblasserin den Grund für die Zuwendung hervorhebt und noch weitere sich auf das Haus beziehende Anordnungen trifft. Hierbei handelt es sich zum einen um die die Enkel betreffenden Zuwendungen, welche von der Erblasserin mit bedeutenden Investitionen seitens des Schwiegersohnes in das Haus begründet werden. Zum anderen begründet die Erblasserin auch die Zuwendung des Postsparbuches an die Beklagte allein damit, dieses erhalte die Beklagte für Hausreparaturen, womit zum Ausdruck kommt, dass der Erblasserin in besonderer Weise – wie vielen älteren Menschen – am Erhalt ihres Hauses gelegen war. Demgegenüber wird die Aufteilung der Lebensversicherungen – die einzige anteilige Zuwendung an den Kläger – nur beiläufig erwähnt und es wird nicht einmal deren Wert oder eine nähere Bezeichnung mitgeteilt, so dass diese Zuwendung aus Sicht der Erblasserin für diese ersichtlich keine große Bedeutung hatte. Diese Lebensversicherungen bestanden nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten im Termin vom 02.06.2023 schon lange vor dem Erbfall nicht mehr. Auf die Frage, ob diese Lebensversicherungen überhaupt zum Nachlass gehört hätten und nicht Drittbezugsberechtigungen bestanden, kommt es deshalb nicht an.

Mithin sind die Anordnungen der Erblasserin als Alleinerbeinsetzung zugunsten der Beklagten auszulegen.

(3) Aufgrund der nach dem Vorgenannten testamentarisch eingetretenen Erbfolge zugunsten der Beklagten als Alleinerbin ist die vom Kläger erklärte Erbausschlagung von vornherein ohne rechtliche Bedeutung für die von ihm geltend gemachten pflichtteilsrechtlichen Ansprüche.

Auf die Ausschlagungserklärung des Klägers kommt es schon deshalb nicht an, weil ihm weder testamentarisch, noch gesetzlich ein Erbteil angefallen ist, auf den sich seine Ausschlagungserklärung hätte beziehen können. Die erklärte Erbausschlagung geht mithin aufgrund der testamentarischen Alleinerbeinsetzung der Beklagten ins Leere und berührt die durch den testamentarischen Ausschluss von der Erbfolge begründeten Pflichtteils- und Auskunftsansprüche nicht. Da mit dem Tod der Erblasserin dem Kläger keine Erbschaft angefallen ist, auf die sich seine Ausschlagungserklärung beziehen konnte, kommt es auf die streitige Frage der Wirkung einer jeden Berufungsgrund erfassenden Erbausschlagungserklärung im Falle einer Ausschlagung zum Zwecke der Geltendmachung des Pflichtteils nach § 2306 Abs. 1 BGB (dazu: MüKoBGB/Lange, 9. Aufl. 2022, BGB § 2306 Rn. 27) nicht an. Aufgrund des testamentarischen Ausschlusses von der Erbfolge ist zu Gunsten des Klägers lediglich ein Pflichtteilsanspruch entstanden (§ 2317 Abs. 1 BGB). Ein solcher unterliegt nicht der gegenüber dem Nachlassgericht zu erklärenden Erbausschlagung, sondern er kann lediglich gem. § 397 Abs. 1 BGB durch Erlassvertrag mit dem Schuldner (Erben) erlöschen. Ein Angebot des Pflichtteilsberechtigten auf Erlass seiner Pflichtteilsansprüche ist dabei schon dem Inhalt nach in einer Erbausschlagungserklärung nicht enthalten (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 02.09.2014 – 3 U 3/14, NJW-RR 2015, 390 Rn 13 ff.). Überdies konnte schon deshalb kein Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB zustande kommen, weil es hierfür an der nach § 130 Abs. 1 BGB notwendigen Abgabe einer hierauf gerichteten Willenserklärung fehlt. Denn bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen – wie die Erklärung von Angebot und Annahme eines (Erlass-)Vertrages – ist erforderlich, dass die Willenserklärung an den Erklärungsgegner gerichtet wird (MüKoBGB/Einsele, 9. Aufl. 2021, BGB § 130 Rn. 13), im Falle des Erlassvertrages mithin an die Erben. Die Erbausschlagungserklärung stellt indes schon nach der gesetzlichen Regelung der §§ 1945 Abs. 1, 1. Hs., 130 Abs. 3 BGB eine gegenüber dem Nachlassgericht abzugebende Erklärung dar und ist als Erklärung nicht an die Erben gerichtet. Sie kommt schon deshalb nicht als Angebot an die Erben auf Abschluss eines Erlassvertrages in Betracht.

cc) Selbst wenn aber – entgegen der vorstehend von der Kammer vorgenommenen Auslegung des Testaments – das Testament dahin auszulegen sein sollte, dass es auch eine Mit-Erbeinsetzung zugunsten des Klägers enthalten würde, stünde ihm der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB zu.

Denn in diesem Fall kann der Kläger seinen Pflichtteil nach § 2306 Abs. 1 BGB verlangen, wobei auch im Falle des § 2306 Abs. 1 BGB der Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 BGB besteht (BGH, Versäumnisurt. v. 30.11.2022 – IV ZR 60/22, NJW 2023, 452, 453; MüKoBGB/Lange, 9. Aufl. 2022, BGB § 2314 Rn. 65).

Wäre davon auszugehen, dass die Erblasserin in ihrem Testament nicht die Beklagte als Alleinerbin eingesetzt hat, sondern den Kläger und die Beklagte als Miterben, lägen die Voraussetzungen des § 2306 Abs. 1 BGB vor.

Als Miterbe wäre der Kläger jedenfalls durch die bezüglich des Hausgrundstückes getroffene Anordnung, die entweder als Teilungsanordnung oder – was eher anzunehmen wäre, weil die Erblasserin ersichtlich eine wertverschiebende Begünstigung der Beklagten wollte – als Vorausvermächtnis auszulegen ist, entweder beschränkt oder beschwert, wobei gleichsam auch die weiteren Anordnungen hinsichtlich des Postsparbuches und bezüglich der Zuwendungen an die Enkel Beschränkungen oder Beschwerungen der Erben darstellen.

Der Kläger hätte – sollte ihm aufgrund des Testaments mithin ein Erbteil angefallen sein – einen ihm testamentarisch angefallenen Erbteil auch formwirksam mit zu Protokoll des Nachlassgerichts abgegebener Erklärung ausgeschlagen, §§ 1942,1945 Abs. 1 BGB. Die Erklärung erfolgte am 06.09.2021 auch fristgerecht, weil die Ausschlagungsfrist jedenfalls nicht vor dem 07.09.2021 ablief. Die Ausschlagungsfrist beträgt sechs Wochen, § 1944 Abs. 1 BGB, wobei sie bei Berufung des Erben durch Verfügung von Todes wegen nicht vor Bekanntgabe der Verfügung von Todes wegen durch das Nachlassgericht beginnt, § 1944 Abs. 2 S. 2 BGB, und im Falle des § 2306 Abs. 1 BGB überdies erst mit Kenntnis von den Beschränkungen oder Beschwerungen. Für die für den Fristbeginn nach § 1944 Abs. 2 S. 2 BGB notwendige Bekanntgabe genügt nicht allein die Eröffnung des Testaments in einem Termin (ohne Ladung des Erben), sondern es muss die Kenntnis des Ausschlagungsberechtigten von der Eröffnung hinzutreten, damit ihm gegenüber die Ausschlagungsfrist beginnt. Für den frühesten Fristbeginn ist auf die mündliche oder schriftliche Bekanntgabe gegenüber dem Ausschlagungsberechtigten abzustellen (MüKoBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, BGB § 1944 Rn. 18). Da vorliegend indes die Erbausschlagung bereits innerhalb von sechs Wochen seit der am 27.07.2021 erfolgten Testamentseröffnung, nämlich noch vor dem 07.09.2021 erklärt wurde, kann dahinstehen, zu welchem späteren Zeitpunkt von einer Bekanntgabe gegenüber dem Kläger und der darauf beruhenden Kenntnis von den Beschränkungen und Beschwerungen auszugehen ist.

Infolge der Ausschlagung des testamentarisch zugewandten Erbteils wäre entweder Ersatzerbfolge zugunsten der Kinder des Klägers nach der Auslegungsregel des § 2069 BGB eingetreten oder Anwachsung des Erbteils zugunsten der Beklagten nach § 2094 Abs. 1 S. 1 BGB. Mithin ist auch im Falle der Ausschlagung durch den Kläger keine gesetzliche Erbfolge – auch nicht bezogen auf den Erbteil des Klägers – eingetreten.

Der Geltendmachung der Rechte nach § 2306 Abs. 1 BGB stünde dabei nicht entgegen, dass der Kläger die Erbschaft aus „jedem Berufungsgrund (gesetzliche Erbfolge, Testament, Erbvertrag) ausgeschlagen“ hat. Denn soweit die Erbausschlagung auch hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge erklärt wurde, ging diese Erklärung mangels Anfalls der Erbschaft kraft gesetzlicher Erbfolge ins Leere. Auch bei Auslegung des streitgegenständlichen Testaments im Sinne einer Einsetzung des Klägers als Miterbe kommt es deshalb auf die streitige Frage der Wirkung einer jeden Berufungsgrund erfassenden Erbausschlagungserklärung (dazu: MüKoBGB/Lange, 9. Aufl. 2022, BGB § 2306 Rn. 27) mangels Anfalls der Erbschaft kraft gesetzlicher Erbfolge nicht an. Lediglich im – hier auch nicht infolge Ausschlagung der Erbschaft als eingesetzter Erbe eingetretenen – Fall des Anfalls der Erbschaft kraft gesetzlicher Erbfolge stellt sich die Frage, ob der Ausschlagende durch Ausschlagung der ihm kraft gesetzlicher Erbfolge angefallenen Erbschaft nicht nur diese, sondern auch sein Recht, nach § 2306 Abs. 1 BGB den Pflichtteil geltend zu machen, verliert. Dies wäre allerdings nach zutreffender Ansicht nur bei Ausschlagung eines unbeschränkten und unbeschwerten gesetzlichen Erbteil der Fall (OLG Schleswig, Urt. v. 02.09.2014 – 3 U 3/14, NJW-RR 2015, 390 Rn 21 ff.; MüKoBGB/Lange, 9. Aufl. 2022, BGB § 2306 Rn. 27), wobei vorliegend selbst ein kraft gesetzlicher Erbfolge erworbener Erbteil jedenfalls durch die weiteren Anordnungen im Testament (insbesondere hinsichtlich des Hauses und der bedingten Geldvermächtnisse zugunsten der Enkel) beschwert wäre.

b) Der Auskunftsanspruch besteht auch in dem vom Kläger begehrten Umfang.

Sein Auskunftsanspruch erstreckt sich außer auf die realen Nachlassaktiva und -passiva auch auf den für die Berechnung seiner Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche relevanten fiktiven Nachlass (nämlich die nach §§ 2316, 2050 ff. BGB ausgleichungspflichtigen Zuwendungen und die pflichtteilsergänzungspflichtigen Schenkungen nach § 2325 BGB).

Der Form nach ist die hier verlangte Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S. 1 BGB durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses iSv § 260 Abs. 1 BGB zu erteilen.

2. Dem Kläger steht aus den vorgenannten Gründen auch ein Anspruch auf Wertermittlung bezüglich des unstreitig zum Nachlass gehörenden Hausgrundstücks nach § 2314 Abs. 1 S. 2, 2. Hs BGB zu, und zwar gem. § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB zu dem für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs maßgeblichen Stichtag des Erbfalls.

III. Die Kostenentscheidung war der Schlussentscheidung vorzubehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.

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