Erbschaftsstreit und Fiskalerbrecht: Oberlandesgericht Brandenburg hebt Amtsgerichtsentscheidung auf
In einem komplexen Erbschaftsfall hat das Oberlandesgericht Brandenburg kürzlich eine Entscheidung des Amtsgerichts Oranienburg aufgehoben. Im Kern des Streits stand die Frage der Rechtsnachfolge nach dem Tod einer Erblasserin. Diese hatte in ihrem Testament festgelegt, dass zwei bestimmte Beteiligte „die verbliebenen Sachwerte und das restliche Vermögen zu dreiviertel erben sollen“. Das Amtsgericht hatte daraufhin einen Teilerbschein ausgestellt, der die Beteiligten als Erben zu je 3/8 auswies. Später wurde jedoch das Fiskalerbrecht des Landes Brandenburg zu 1/4 des Nachlasses festgestellt, gegen das die Beteiligten Beschwerde einlegten. Das Hauptproblem lag in der Zuständigkeit der Entscheidung und der Auslegung des Testaments.
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Übersicht
Zuständigkeitsfrage: Rechtspflegerin oder Nachlassrichter?
Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hatte die Entscheidung über das Fiskalerbrecht getroffen. Laut Oberlandesgericht war sie dazu jedoch nicht berechtigt. Gemäß § 3 Nr. 2 c RPflG sind dem Rechtspfleger die Geschäfte in Nachlasssachen nur vorbehaltlich bestimmter Ausnahmen übertragen. Da eine Verfügung von Todes wegen vorlag, hätte der Nachlassrichter die Entscheidung treffen müssen. Dieser hatte jedoch keine entsprechende Übertragung der Zuständigkeit vorgenommen.
Testament und ergänzende Auslegung
Die Beteiligten argumentierten, dass sie durch eine „ergänzende Auslegung“ des Testaments nach § 2089 BGB Erben des Gesamtnachlasses geworden seien. Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Rechtspflegerin das Beschwerdevorbringen hätte nutzen müssen, um das Verfahren dem Nachlassrichter zur Entscheidung vorzulegen. Die Auslegung des Testaments und die Anwendung von § 2089 BGB wären demnach entscheidend.
Unwirksame Entscheidung und Rechtsmittel
Da die Rechtspflegerin ein ihr gesetzlich nicht übertragenes Geschäft wahrgenommen hatte, wurde ihre Entscheidung als unwirksam angesehen. Das Oberlandesgericht hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an den Nachlassrichter zurück. Es betonte, dass eine eigene Sachentscheidung nicht möglich sei, da keine wirksame Entscheidung des Amtsgerichts vorlag.
Rückverweisung an das Ausgangsgericht
Das Oberlandesgericht entschied, dass die Sache an das Ausgangsgericht zurückzuverweisen ist, da keine wirksame Sachentscheidung vorlag. Es unterstrich die Notwendigkeit einer korrekten Zuständigkeitszuweisung und einer sorgfältigen Auslegung des Testaments, um eine gerechte Erbfolge sicherzustellen.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburgisch – Az.: 3 W 129/19 – Beschluss vom 17.12.2019
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 28.10.2019, Az. 52 VI 390/19, aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Erteilung des angefochtenen Feststellungsbeschlusses an den Nachlassrichter des Amtsgerichts Oranienburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in einem Erbscheinverfahren über die Rechtsnachfolge nach der Erblasserin. Die Erblasserin hat mit Testament vom 18.05.2012 verfügt, dass die Beteiligten zu 1 und 2 nach ihrem Tod „die verblieben Sachwerte und das restliche Vermögen zu dreiviertel erben sollen“. Weitere Bestimmungen enthält das Testament nicht.
Das Amtsgericht – Nachlassrichter – hat auf entsprechenden Antrag den Beteiligten zu 1 und 2 am 28.06.2019 zunächst einen Teilerbschein ausgestellt, der sie aufgrund des vorliegenden Testaments als Erben zu je 3/8 nach der Erblasserin ausweist.
Die weitere Bearbeitung der Nachlasssache hat sodann – ohne entsprechenden richterlichen Übertragungsvermerk – die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts übernommen, die mit dem angefochtenen Beschluss nach ergebnislos gebliebener öffentlicher Aufforderung das Fiskalerbrecht des Landes Brandenburg zu 1/4 des Nachlasses festgestellt hat. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrer Beschwerde und machen insofern geltend, Erben des Gesamtnachlasses geworden zu sein, was eine „ergänzende Auslegung“ der verfahrensgegenständlichen letztwilligen Verfügung im Sinne von § 2089 BGB ergebe.
Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 20.11.2019 dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Das zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat einen vorläufigen Erfolg.
Die Rechtspflegerin war zu der angefochtenen, auf § 1964 BGB beruhenden Entscheidung funktional nicht zuständig.
Gemäß § 3 Nr. 2 c RPflG sind dem Rechtspfleger die Geschäfte in Nachlasssachen nur vorbehaltlich der in § 14 bis § 19 b desselben Gesetzes aufgeführten Ausnahmevorschriften übertragen, die nach den gesetzlichen Vorschriften vom (Nachlass-)Richter vorzunehmen sind. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG bleibt dem Nachlassrichter die Erteilung von Erbscheinen u.a. vorbehalten, sofern eine Verfügung von Todes wegen vorliegt. Wenn trotz einer Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfolge maßgeblich ist und deutsches Erbrecht anzuwenden ist, kann der Richter indes die Erteilung des Erbscheines gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 RPflG dem Rechtspfleger (zurück-)übertragen. Von der zu weitergehenden Regelungen berechtigenden Verordnungsermächtigung im Rahmen des § 19 Abs. 1 Nr. 5 RPflG hat das Land Brandenburg bislang keinen Gebrauch gemacht.
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden hätte der Nachlassrichter des Amtsgerichts die Entscheidung zur Feststellung des Fiskalerbrechts treffen müssen. Es lag nämlich eine letztwillige Verfügung der Erblasserin vor, die sich zwar jedenfalls nicht ausdrücklich über die Verteilung des vorliegend streitigen restlichen Viertels ihres Nachlasses verhielt, aber, wie das Zusammenspiel zwischen § 2088 BGB und § 2089 BGB zeigt, für die Feststellung der Erbfolge eine Rolle spielen konnte. Dies galt umso mehr, als sich die Beteiligten zu 1 und 2 jedenfalls im Beschwerdeverfahren explizit auf die Regelung gemäß § 2089 BGB berufen haben, wobei es insofern auf eine Auslegung des Testaments der Erblasserin ankommt. Danach hätte die Rechtspflegerin jedenfalls das Beschwerdevorbringen zum Anlass nehmen müssen, das Verfahren dem Nachlassrichter zur Entscheidung vorzulegen.
Der Nachlassrichter hat von seiner Befugnis nach § 16 Abs. 3 Nr. 2 RPflG bislang keinen Gebrauch gemacht. Die Rechtspflegerin hat ihm die Verfahrensakte zwar mit Verfügung vom 18.11.2019 (Bl. 47 GA) vorgelegt (“… 3. Richtervorlage“). Er hat jedoch mit Verfügung vom 19.11.2019 seinerseits lediglich ausgeführt, dass es sich bei dem eingelegten Rechtsmittel nicht um eine Rechtspflegererinnerung, sondern um eine Beschwerde gemäß §§ 58 ff FamFG handele und die Abhilfe daher „dem Entscheider“ obliege, verbunden mit dem Rat, er würde der Beschwerde nicht abhelfen. Darin ist keine Übertragung der Erbscheinsache auf die Rechtspflegerin zu erblicken, denn der Amtsrichter hat seine eigene Zuständigkeit im Beschwerdeverfahren nicht einmal erwogen, sondern ist von einer originären Zuständigkeit der Rechtspflegerin ausgegangen, wie sich gerade aus der Formulierung ergibt, die Abhilfe obliege „dem Entscheider“.
Nimmt ein Rechtspfleger ein ihm nach dem Gesetz nicht übertragenes und auch nicht übertragbares Geschäft wahr, ist seine Entscheidung nach § 8 Abs. 4 S. 1 RPflG unwirksam und in einem Rechtsmittelverfahren – unabhängig von ihrer etwaigen innerlichen Richtigkeit – aufzuheben (vgl. OLG Hamm FamRZ 2017, 764 m.w.N.). Zu einer eigenen Sachentscheidung, die mutmaßlich allerdings zum Nachteil der Beschwerdeführer ausgegangen wäre, da angesichts fehlender Ermittlungsansätze zur Feststellung eines entsprechenden Erblasserwillens kein Raum für die von ihnen beanspruchte Testamentsauslegung zu bestehen scheint, war der Senat danach nicht befugt. Die Sache ist vielmehr, da keine wirksame Sachentscheidung vorliegt, nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG an das Ausgangsgericht zurückzuverweisen.