OLG Köln – Az.: I-2 U 14/16 – Urteil vom 27.07.2016
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 8.1.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn, 1 O 280/15, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, darin einzuwilligen und seine Zustimmung zu erteilen, dass die Teilungsversteigerung des im Grundbuch von I Blatt 917 eingetragenen Grundstücks, lfd. Nr. 5, Flur 10, Flurstück 185, Hof- und Gebäudefläche, I2–straße 87, 87/A nur zulässig ist mit der Maßgabe, dass ausschließlich Gebote der jeweiligen Miteigentümer, d.h. des Klägers und des Beklagten für das o.a. Grundstück im Versteigerungstermin zugelassen werden.Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Parteien sind die Kinder des am 19.11. oder 20.11.1988 verstorbenen Erblassers G M, den sie zu jeweils ½ Anteil beerbt haben. Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau hatten mit privatschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 21.8.1979 folgendes bestimmt:
“ … Wir Eheleute setzen uns als gegenseitige Erben ein, nach dem Tode des letztlebenden erben die Söhne L und I3 das noch verbleibende Vermögen. Es darf nicht an Dritte verkauft noch vererbt werden. Erben können nur die Kinder die aus der Ehe unserer Söhne hervorgehen, solange die Söhne leben sind sie alleinige Eigentümer, beide müssen Gewinn und Kosten teilen, sowie das Eigentum pflegen … “
In dem gemeinschaftlichem Erbschein der Parteien vom 17.07.1989 sind die Brüder als Vorerben ausgewiesen, wobei die Nacherbfolge mit dem Tode des jeweiligen Vorerben eintreten soll. Als Nacherben sind die jeweils aus den Ehen der Parteien hervorgegangenen Kinder in dem Erbschein aufgeführt; wobei der Beklagte eine Tochter und der Kläger eine Tochter und einen Sohn hat.
Nachdem das Barvermögen 1992 auseinandergesetzt worden ist und ein weiteres Grundstück, das dem Kläger im Wege des Vermächtnisses – mit einer ergänzenden Verfügung vom 28.7.1982 – zugedacht worden ist, 1993 übertragen wurde, besteht der Nachlass im Wesentlichen nur noch aus dem streitbefangenen Grundbesitz. Die Immobilie wird aktuell unmittelbar durch die Erbengemeinschaft verwaltet. Der Beklagte betreibt die Teilungsversteigerung dieses Grundbesitzes.
Mit Beschluss vom 21.09.2015 hat das Landgericht die von dem Beklagten betriebene Teilungsversteigerung einstweilen eingestellt. Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, dass der eingangs zitierte Passus des Testamentes vom 21.8.1979 als Anordnung der Erblasser, die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bis zum Eintritt des Nacherbfalles auszuschließen, anzusehen sei. Er hat behauptet, es sei der Wunsch der Eltern gewesen, das Grundstück den Nacherben zur Verfügung zu stellen und das Familienheim als Einheit zu erhalten.
Der Kläger hat beantragt, die von dem Beklagten vor dem Amtsgericht Bonn unter dem Aktenzeichen 023 K 076/15 betriebene Teilungsversteigerung des im Grundbuch von I Blatt 917 eingetragenen Grundstücks, Flurstück Nr. 5, Gemarkung I, Flur 10, Flurstück 185, Hof- und Gebäudefläche, I2straße 87, 87 A, groß: 11,53 a, für unzulässig zu erklären.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Widerklagend hat der Beklagte beantragt, den Kläger zu verurteilen, dass dieser darin einwilligt und seine Zustimmung erteilt, dass die Teilungsversteigerung des im Grundbuch von I Blatt 917 eingetragenen Grundstücks, lfd. Nr. 5, Flur 10, Flurstück 185, Hof- und Gebäudefläche, I2straße 87, 87/A nur zulässig ist mit der Maßgabe, dass ausschließlich Gebote der jeweiligen Miteigentümer, d.h. des Klägers und des Beklagten für das o.a. Grundstück im Versteigerungstermin zugelassen werden.
Der Kläger hat bezüglich der erhobenen Widerklage beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte ist dem Klägervorbringen mit Sach- und Rechtsausführungen entgegengetreten. Er hat insbesondere die Ansicht vertreten, es bestünde die Möglichkeit, abweichende Versteigerungsbedingungen dahingehend zu beantragen, das Gebote nur von den jeweiligen Eigentümern zulässig seien.
Das Landgericht hat der Klage mit Urteil vom 8.1.2016, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO), stattgegeben und die Widerklage „abgewiesen“ (Bl. 105 ff. d.A.). Außerdem hat die Kammer mit Ergänzungsurteil vom 12.02.2016 (Bl. 132 f. d. A.) die Teilungsversteigerung weiterhin einstweilen eingestellt.
Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass die Anordnung in dem Testament, wonach die Söhne das noch verbleibende Vermögen erben sollen und weder an Dritte verkaufen noch vererben dürfen, den klaren Willen des Erblassers zum Ausdruck bringe, dass die Vermögensgegenstände der Familie zugutekommen sollen und ein Verkauf an Dritte ausgeschlossen sei. Eine derartige Regelung sei aber als Auseinandersetzungsverbot im Sinne von § 2044 Abs. 1 S. 1 BGB auszulegen. Eine Teilungsversteigerung widerspreche insofern dem dokumentierten Willen des Erblassers, als die Prüfung der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen einer Bewertung des zuständigen Rechtspflegers des Vollstreckungsgerichts unterworfen sei.
Die Widerklage sei im Übrigen unzulässig, da sie keinen selbstständigen Streitgegenstand enthalte.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er begehrt mit seiner Berufung die vollständige Klageabweisung und verfolgt weiterhin seinen Widerklagantrag.
Der Beklagte vertritt insbesondere die Auffassung, der Widerklageantrag sei zulässig, da er über die schlichte Negation des Klagantrages hinaus den Kläger auf Abgabe einer Willenserklärung in Anspruch nehme. Im Übrigen habe die Kammer rechtsfehlerhaft ein Auseinandersetzungsverbot angenommen. Es solle lediglich die Veräußerung an Dritte verhindert werden, die Möglichkeit, das Familienvermögen in der Familie zu erhalten, bestünde gerade durch eine eingeschränkte Teilungsversteigerung.
Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils nach den Schlussanträgen des Beklagten zur Klage und Widerklage zu erkennen.
Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.
Die nach §§ 180, 181 ZVG vom Beklagten eingeleitete Zwangsversteigerung zur Aufhebung der Erbengemeinschaft ist – nach der vom Senat angekündigten umfassenden Beratung der in der Hauptverhandlung angesprochenen rechtlichen Gesichtspunkte bzw. Hinweise – als zulässig und die vom Kläger erhobene Drittwiderspruchsklage damit als unbegründet anzusehen.
1. Zunächst hat die Kammer zu Recht die Zulässigkeit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 Abs. 1 ZPO bejaht. Da im Rahmen des vollstreckungsrechtlichen Verfahrens nach den §§ 180, 181 ZVG nicht überprüft wird, ob materiell-rechtliche Vorschriften der Versteigerung entgegenstehen, muss der Miteigentümer, der mit der Versteigerung nicht einverstanden ist, seine Rechte in analoger Anwendung der §§ 768, 771 ZPO auf dem Klagewege verfolgen (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 4.2.2014, 12 U 144/13, NJW-RR 2014, 782; Münchner Kommentar zur ZPO K. Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl. 2012, § 771 Rn. 19).
2. Die Drittwiderspruchsklage ist jedoch unbegründet.
Entgegen der Einschätzung des Landgerichts ist nicht von einem Auseinandersetzungsverbot, sondern von einer – befreiten – Vorerbschaft auszugehen.a. Verfügt der Erblasser, dass Grundbesitz nicht zu verkaufen ist, um diesen den Enkeln zu erhalten und befristet er dieses Verbot (hier möglicherweise bis zum Eintritt des Nacherbfalls), so kann dies zwar für ein Auseinandersetzungsverbot sprechen (vgl. LG München FamRZ 1998, 1538). Entscheidend ist insoweit, ob der Erblasser den zweimaligen Anfall der Erbschaft gewollt hat oder ohne zweite Erbeinsetzung nur eine Befristung geregelt hat. In dem vorgenannten vom Landgericht München entschiedenen Fall gab es eine Befristung von 20 Jahren und keine eindeutige zweite Erbeinsetzung. Hieraus hat das Beschwerdegericht dann auf ein Auseinandersetzungsverbot geschlossen. Diese Grundsätze lassen sich auf den vorliegenden Sachverhalt aber nicht übertragen. Die Erblasser haben keine eindeutige Befristung aufgenommen. Es ist bereits unklar, ob das Verbot beim Tod des ersten Sohnes oder erst beim Tod des zweiten Sohnes hätte enden sollen. Weiter ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass es den Erblassern gerade auf die Nutzung des Nachlasses durch die Erbengemeinschaft und nicht durch die jeweiligen Erben ankam. Ersichtlich ging es um den Erhalt des Vermögens in Familienhand, wobei das Vermögen nach dem Tode der Söhne auf zwei Stämme aufgeteilt werden sollte.
b. Die Anordnung von Vor- und Nacherbschaft setzt nicht voraus, dass der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung eben diese Ausdrücke verwendet. Maßgebend ist der in der letztwilligen Verfügung zu Tage getretene Wille, die Erbschaft zunächst dem Erst- und anschließend dem Zweitberufenen zuzuwenden. Wegen der Möglichkeit einer weitgehenden Befreiung des Vorerben von den im BGB vorgesehenen Beschränkungen (§ 2136) scheitert die Annahme von Vor- und Nacherbschaft auch nicht daran, dass der Erblasser dem zunächst Eingesetzten am Nachlass eine sehr freie Stellung eingeräumt hat (vgl. hierzu Grunsky in Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 2100 Rn. 7; BayObLG, FamRZ 1990, 562). Das Ziel, den Nachlass in der Familie zu halten, wird aber zuverlässig erreicht durch die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft (vgl. auch BayObLG FamRZ 1986, 606), was im Übrigen nicht nur vom Nachlassgericht, sondern auch von den Parteien so gesehen wurde, die einen entsprechenden Erbschein beantragt – und erhalten – haben. Wären die Parteien von einem Auseinandersetzungsverbot ausgegangen, hätte bereits keine Teilung des Barvermögens erfolgen dürfen. Anhaltspunkte dafür, dass sich ein Auseinandersetzungsverbot nur auf die Immobilie bezogen hätte, wie vom Kläger vorgetragen, finden sich in dem Testament nicht; vielmehr haben die Erblasser den umfassenden Begriff des „verbleibenden Vermögens“ gewählt.
c. Weiter ist aber auch von einer befreiten Vorerbschaft auszugehen. Die Anordnung der Befreiung (§ 2136 BGB) muss in der letztwilligen Verfügung des Erblassers enthalten sein, aber nicht zwingend ausdrücklich. Es genügt, wenn der Befreiungswille in der letztwilligen Verfügung selbst irgendwie, wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt, zum Ausdruck kommt (vgl. hierzu Palandt-Weidlich, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2136 Rn. 5; MünchKomm/Grunsky aaO., § 2136 Rn. 2.). Die von dem Kläger behauptete Absicht, die Immobilie in der Familie zu halten, legt zwar eine nicht befreiten Vorerbschaft nahe. Dagegen spricht jedoch aus der Sicht des Senats gerade der Wortlaut des Testaments. Die Formulierung „es soll nicht an Dritte verkauft noch vererbt werden“ bezieht sich ersichtlich auf den vorangegangenen Satz in dem Testament, wonach die Söhne nach dem Tod des länger lebenden Elternteils „das noch vorhandene Vermögen“ erben. Überzeugende Gründe dafür, dass die Erblasser eine nichtbefreite Vorerbschaft nur für die streitbefangene Immobilie, nicht aber für die in der ergänzenden Verfügung vom 28.7.1982 aufgeführte weitere Immobilie angeordnet hätten, drängen sich nicht auf. Der Hinweis des Klägers, bei dem streitbefangenen Grundbesitz handele es sich um das Familienheim, vermag eine unterschiedliche Behandlung in der Motivation der Erblasser nicht überzeugend zu erklären, zumal keine der Immobilien in der letztwilligen Verfügung vom 21.8.1979 ausdrücklich aufgeführt ist. Eine Erhaltung des Vermögens in Familienhand ist jedoch auch bei Annahme einer befreiten Vorerbschaft dadurch gewährleistet, dass sich die Nacherbenrechte gemäß § 2111 BGB im Wege der Surrogation an dem Erlös fortsetzen (vgl. hierzu auch OLG Hamm, FamRZ 2011, 273). Insoweit ist nicht von einer Beschränkung der Befugnisse des Erben auszugehen, mit der Folge, dass weder eine – analoge – Anwendung des § 2113 BGB, noch ein Ausschluss der Auseinandersetzungsversteigerung über § 242 BGB in Betracht kommen.
3. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist im Übrigen die vom Beklagten weiter erhobene Widerklage als zulässig anzusehen. Die Widerklage hat insofern einen eigenen Streitgegenstand als der Kläger die vollständige Unzulässigerklärung der Teilungsversteigerung begehrt, während der Beklagte die Zustimmung zur Beschränkung des Kreises der Bieter auf bestimmte Personen beantragt, also die Abgabe der Willenserklärung zu einer modifizierten Form der Teilungsversteigerung.
Da aus den vorgenannten Gründen von einer befreiten Vorerbschaft auszugehen ist, bestehen keine Bedenken gegen die vom Beklagten, als demjenigen Miterben, der die Auseinandersetzungsversteigerung betreibt, beantragte Beschränkung des Kreises der Bieter.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit stützt sich auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 2 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) sind nicht erfüllt. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch bedarf es einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Im Übrigen beruht die Beurteilung des Streitfalles nur auf einer Würdigung des Vorbringens zu den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 98.582 EUR
(für die Drittwiderspruchsklage und die Widerklage nach §§ 3, 5 ZPO:
30 % des Bodenrichtwertes von 328.605,00 EUR; bei 1.153 qm à 285 EUR; entscheidend ist bei der Drittwiderspruchsklage das Interesse des Klägers, dass die bestehende Gemeinschaft an den Grundstücken erhalten bleibt und eine Verschleuderung der Grundstücke vermieden wird (Senat, Beschluss v. 5.11.2008, 2 W 96/08); dieses Interesse des Klägers schätzt der Senat auf einen Bruchteil des Bodenrichtwertes als angenommenem Verkehrswert. Angemessen erscheint ein Betrag von 30 %, weil in dieser Höhe unter Beachtung der im Versteigerungsverfahren geltenden 7/10-Grenze ein Versteigerungsausfall möglich erscheint. Im Übrigen greift wegen der wirtschaftlichen Identität das Additionsverbot.).