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Testamentarische Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat entschieden, dass die testamentarische Einsetzung eines Berufsbetreuers als Alleinerben rechtlich zulässig ist. Trotz der Unterstützung des Berufsbetreuers bei der Erstellung des Testaments liegt keine Sittenwidrigkeit vor, da die Testierfreiheit des Erblassers geschützt wird. Das Gericht hob den Beschluss des Amtsgerichts Schwabach auf und wies das Nachlassgericht an, dem Berufsbetreuer einen Erbschein als Alleinerben zu erteilen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 15 Wx 988/23

✔ Kurz und knapp


  • Das Testament ist formgültig, da der Erblasser die wesentlichen Verfügungen eigenhändig ergänzt hat.
  • Die Einsetzung des Berufsbetreuers als Erbe ist nicht sittenwidrig und damit nichtig gemäß § 134 BGB.
  • §§ 14 HeimG und 30 BtOG (neu) finden keine Anwendung, letzterer führt nicht zur Nichtigkeit des Testaments.
  • Die Testierfreiheit des Erblassers hat bei der Sittenwidrigkeitsprüfung hohes Gewicht.
  • Eine Sittenwidrigkeit ist nur in krassen Ausnahmefällen anzunehmen.
  • Der Beschwerdeführer ist testamentarischer Alleinerbe, der Erbschein ist zu erteilen.
  • Die Beschwerde hatte Erfolg, der angefochtene Beschluss wurde aufgehoben.

Berufsbetreuer als Alleinerbe: OLG Nürnberg gibt grünes Licht

Die Errichtung eines Testaments ist ein wesentlicher rechtlicher Schritt, um den eigenen letzten Willen festzulegen und das Vermögen nach dem Tod zu regeln. Im Erbrecht spielt dabei die Frage eine wichtige Rolle, wer als Erbe eingesetzt wird. Eine besondere Konstellation ergibt sich, wenn ein Berufsbetreuer als Alleinerbe eingesetzt wird. Hier müssen verschiedene rechtliche Aspekte berücksichtigt werden, um die Wirksamkeit einer solchen Erbeinsetzung zu beurteilen. Im Fokus stehen dabei insbesondere Formvorschriften sowie mögliche Interessenskonflikte, die bei der Bestellung eines Berufsbetreuers als Erben auftreten können. Inwiefern solche Erbeinsetzungen rechtlich zulässig sind und welche Kriterien dabei zu beachten sind, soll im Folgenden anhand eines aktuellen Gerichtsfalls näher beleuchtet werden.

✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Nürnberg


Testamentarische Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben: Der Fall im Detail

Testament zugunsten BerufsbetreuerDer vorliegende Fall betrifft die testamentarische Einsetzung eines Berufsbetreuers als Alleinerben. Der unverheiratete Erblasser, der keine Nachkommen hatte, verfasste ein Testament mit Hilfe seines Berufsbetreuers. Der Berufsbetreuer, der den Erblasser bei der Erstellung des Testaments unterstützte, formulierte einen maschinenschriftlichen Text vor, den der Erblasser handschriftlich ergänzte.

Der Testamentsinhalt umfasste die Einsetzung des Berufsbetreuers als Alleinerben sowie die Benennung der zu vererbenden Vermögenswerte, die auf zwei Konten bei der Sparda-Bank und der Sparkasse lagen. Dieses Testament wurde am 26. November 2021 in amtliche Verwahrung gegeben. Am 29. Juni 2022 beantragte der Berufsbetreuer die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist. Das Amtsgericht Schwabach wies diesen Antrag jedoch zunächst wegen Sittenwidrigkeit und Formunwirksamkeit zurück.

Gerichtliche Entscheidung: Aufhebung des Ersturteils

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg hat auf die Beschwerde des Berufsbetreuers den Beschluss des Amtsgerichts Schwabach aufgehoben. Das OLG entschied, dass das Testament vom 11. Mai 2021 nicht formungültig sei. Das Amtsgericht Schwabach hatte festgestellt, dass der Berufsbetreuer ein vorgefertigtes Formular verwendet habe, das der Erblasser eigenhändig ergänzte. Laut § 2247 Abs. 1 BGB muss der Erblasser seine letztwilligen Verfügungen eigenhändig niederschreiben. Im vorliegenden Fall waren die handschriftlichen Ergänzungen des Erblassers ausreichend, um die Formvorschriften zu erfüllen.

Das OLG stellte klar, dass die vorgedruckten Teile des Testaments keine rechtlich relevanten Verfügungen enthielten. Sie dienten lediglich der Identifikation und beinhalteten keine eigenständigen testamentarischen Anordnungen. Daher war das Testament formell wirksam.

Sittenwidrigkeit des Testaments: Keine Nichtigkeit festgestellt

Das Gericht prüfte auch die Frage der Sittenwidrigkeit des Testaments und entschied, dass kein Verstoß gegen § 134 BGB vorliege. Weder § 14 HeimG, der für Mitarbeiter in Heimen gilt, noch der erst ab dem 1. Januar 2023 gültige § 30 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) seien auf den vorliegenden Fall anwendbar.

Selbst ein Verstoß gegen § 30 BtOG würde nicht zur Unwirksamkeit des Testaments führen, sondern nur zur Unzulässigkeit der Annahme der Erbschaft durch den Berufsbetreuer. Diese gesetzgeberische Wertung zielt darauf ab, die Testierfreiheit des Erblassers zu schützen. Die Sittenwidrigkeit eines Testaments könne nur in extremen Ausnahmefällen angenommen werden, was hier nicht der Fall sei.

Anweisungen und Kostenregelung des Gerichts

Das OLG Nürnberg hob den Beschluss des Amtsgerichts Schwabach auf und wies das Nachlassgericht an, dem Beschwerdeführer einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweist. Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wurde abgesehen, und auch außergerichtliche Kosten wurden nicht erstattet. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.

Diese Entscheidung beruht auf der Feststellung, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung des Erbscheins erfüllt sind. Das OLG betonte, dass es keine Gründe gebe, von der Erhebung der üblichen Kosten für die Erbscheinserteilung im erstinstanzlichen Verfahren abzusehen. Die Entscheidung des OLG Nürnberg hat verdeutlicht, dass die Testierfreiheit des Erblassers in solchen Fällen weitgehend geschützt wird und nur in extremen Ausnahmefällen eingeschränkt werden kann.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das OLG Nürnberg stärkt mit seiner Entscheidung die Testierfreiheit des Erblassers. Trotz der Mitwirkung des Berufsbetreuers bei der Testamentserstellung liegt keine Sittenwidrigkeit vor, da die eigenhändigen Ergänzungen des Erblassers die Formvorschriften erfüllen. Die Einsetzung des Betreuers als Alleinerben ist somit rechtswirksam. Dieses Urteil verdeutlicht, dass die Testierfreiheit nur in extremen Ausnahmefällen eingeschränkt werden kann und weitgehend geschützt wird.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Testamentarische Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben


Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Testament rechtlich gültig ist?

Ein Testament muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um rechtlich gültig zu sein. Zunächst muss der Erblasser testierfähig sein, was bedeutet, dass er mindestens 16 Jahre alt ist und nicht unter einer Geisteskrankheit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung leidet. Ein Testament kann entweder eigenhändig oder notariell errichtet werden.

Ein eigenhändiges Testament muss vollständig handschriftlich vom Erblasser verfasst und unterschrieben sein. Es sollte den vollständigen Namen des Verfassers, Geburtsort sowie Ort und Datum der Erstellung enthalten. Obwohl das Fehlen von Ort und Datum die Gültigkeit nicht zwingend beeinträchtigt, kann dies zu Zweifeln führen, insbesondere wenn mehrere Testamente existieren. Eine klare Überschrift wie „Testament“ oder „Mein letzter Wille“ ist empfehlenswert, um die Testierfähigkeit zu belegen und Missverständnisse zu vermeiden.

Ein notarielles Testament wird von einem Notar erstellt und beurkundet. Der Notar sorgt dafür, dass das Testament rechtssicher formuliert und amtlich verwahrt wird. Dies bietet zusätzliche Sicherheit, da der Notar den Erblasser umfassend belehrt und aufklärt.

Ein Testament kann jederzeit geändert oder widerrufen werden. Es ist wichtig, dass die Formulierungen im Testament klar und eindeutig sind, um Missverständnisse zu vermeiden. Ein Verstoß gegen die Formvorschriften kann zur Unwirksamkeit des Testaments führen.

Besondere Vorsicht ist geboten, wenn ein Berufsbetreuer als Erbe eingesetzt wird. Dies kann unter bestimmten Umständen sittenwidrig und damit nichtig sein, insbesondere wenn der Erblasser unter unzulässiger Einflussnahme des Betreuers stand. Die Rechtsprechung prüft in solchen Fällen die konkreten Umstände der Testamentserrichtung, um die Selbstbestimmtheit der Entscheidung zu gewährleisten.


Unter welchen Umständen kann ein Testament als sittenwidrig erachtet werden?

Ein Testament kann unter bestimmten Umständen als sittenwidrig erachtet werden, was zu seiner Nichtigkeit führt. Die Sittenwidrigkeit eines Testaments wird anhand der Grundsätze der guten Sitten und des ordre public beurteilt. Diese Grundsätze basieren auf den moralischen Vorstellungen und dem Anstandsgefühl der Gesellschaft. Ein Testament ist sittenwidrig, wenn es gegen diese moralischen und rechtlichen Normen verstößt.

Grundsätze der Sittenwidrigkeit

Ein Testament wird als sittenwidrig angesehen, wenn es unter Ausnutzung einer psychischen Zwangslage oder Beeinträchtigung des Erblassers erstellt wurde. Dies ist der Fall, wenn der Erblasser geistig behindert oder leicht manipulierbar ist und ein Dritter diese Situation ausnutzt, um sich als Erbe einsetzen zu lassen. Ein typisches Beispiel ist die Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben, wenn dieser seine Stellung und seinen Einfluss missbraucht, um den Erblasser zu beeinflussen und zu manipulieren.

Einzelfallprüfung

Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit erfolgt immer im Einzelfall. Gerichte prüfen die konkreten Umstände der Testamentserrichtung, um festzustellen, ob eine unzulässige Beeinflussung oder Ausnutzung vorliegt. Ein Testament kann sittenwidrig sein, wenn der Erblasser unter Druck gesetzt oder manipuliert wurde, um eine bestimmte Verfügung zu treffen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Berufsbetreuer seine gerichtlich verliehene Stellung nutzt, um gezielt auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, ihn als Erben einzusetzen.

Beispiele für Sittenwidrigkeit

Ein Testament kann auch sittenwidrig sein, wenn es gegen gesetzliche Verbote verstößt oder moralisch verwerfliche Bedingungen enthält. Beispiele hierfür sind Testamente, die Erben zu bestimmten Handlungen zwingen, wie etwa die Heirat einer bestimmten Person oder regelmäßige Besuche beim Erblasser. Solche Bedingungen sind in der Regel nicht zulässig und führen zur Nichtigkeit des Testaments.

Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat in verschiedenen Fällen die Sittenwidrigkeit von Testamenten bestätigt. So hat das Oberlandesgericht Celle entschieden, dass ein Testament sittenwidrig ist, wenn ein Berufsbetreuer seine Stellung ausnutzt, um sich selbst als Erben einzusetzen. In einem Fall wurde die Einsetzung einer Berufsbetreuerin als Erbin für sittenwidrig erklärt, da sie die Einsamkeit und Hilflosigkeit des Erblassers ausgenutzt hatte.

Die Sittenwidrigkeit eines Testaments wird nur in extremen Ausnahmefällen angenommen. Entscheidend sind die konkreten Umstände der Testamentserrichtung und die Frage, ob der Erblasser in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt wurde. Ein Testament, das unter Ausnutzung einer psychischen Zwangslage oder Beeinträchtigung erstellt wurde, ist sittenwidrig und somit nichtig.


Welche Rolle spielt die Testierfreiheit bei der Erstellung eines Testaments?

Die Testierfreiheit ist ein zentrales Prinzip des Erbrechts und ermöglicht es dem Erblasser, frei über sein Vermögen zu verfügen und seine Erben selbst zu bestimmen. Dieses Recht ist in Deutschland durch Artikel 14 des Grundgesetzes geschützt und gibt dem Erblasser die größtmögliche Handlungsfreiheit bei der Regelung seiner Vermögensnachfolge. Der Erblasser kann somit entscheiden, wer sein Vermögen nach seinem Tod erhalten soll, ohne dass er dabei vernünftige oder nachvollziehbare Gründe angeben muss.

Einschränkungen der Testierfreiheit

Trotz der weitreichenden Freiheit des Erblassers gibt es bestimmte gesetzliche Einschränkungen. Eine der bedeutendsten Einschränkungen ist das Pflichtteilsrecht, das in den §§ 2303 ff. BGB geregelt ist. Dieses Recht sichert den nächsten Angehörigen und dem Ehepartner des Erblassers einen Mindestanteil am Nachlass, selbst wenn sie im Testament nicht bedacht wurden. Darüber hinaus gibt es erbrechtliche Instrumente, die der Erblasser nutzen muss, wie in den §§ 1922 ff. BGB normiert, was als erbrechtlicher Typenzwang bezeichnet wird.

Sittenwidrigkeit und gesetzliche Verbote

Ein Testament kann auch dann unwirksam sein, wenn es gegen die guten Sitten oder gesetzliche Verbote verstößt. Ein Beispiel hierfür ist die Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben. Die Rechtsprechung hat in mehreren Fällen entschieden, dass ein Testament sittenwidrig und damit nichtig sein kann, wenn der Berufsbetreuer die Hilflosigkeit des Betreuten ausnutzt, um sich selbst als Erben einsetzen zu lassen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betreuer kurz nach seiner Bestellung einen Notartermin zur Testamentserrichtung organisiert und dabei anwesend ist.

Konkrete Fälle und Rechtsprechung

In einem Fall, den das Oberlandesgericht Celle im Januar 2024 entschied, wurde ein Testament als sittenwidrig und nichtig erklärt, weil die Berufsbetreuerin die Erblasserin, die sich in einem schlechten Gesundheitszustand und in einer psychischen Zwangslage befand, dazu brachte, sie als Alleinerbin einzusetzen. Die Erblasserin hatte keine Angehörigen mehr und war kurz nach dem Tod ihrer Tochter in einer besonders verletzlichen Situation. Ein weiteres Beispiel ist ein Fall, den das Oberlandesgericht Nürnberg im Juli 2023 entschied. Hier wurde das Testament eines Betreuten, der seinen Berufsbetreuer als Alleinerben einsetzte, als formwirksam und nicht sittenwidrig anerkannt, da der Betreuer lediglich unterstützend tätig war und keine unzulässige Beeinflussung nachgewiesen werden konnte.

Die Testierfreiheit ermöglicht es dem Erblasser, frei über sein Vermögen zu verfügen und seine Erben selbst zu bestimmen. Diese Freiheit wird jedoch durch das Pflichtteilsrecht und die guten Sitten eingeschränkt. Ein Testament kann sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn der Erblasser in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt wurde, insbesondere durch die Ausnutzung einer psychischen Zwangslage durch einen Berufsbetreuer. Die Rechtsprechung prüft solche Fälle stets im Einzelfall, um die Selbstbestimmtheit des Erblassers zu gewährleisten.


Welche Auswirkungen hat die Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben auf dessen Tätigkeit?

Die Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben hat erhebliche Auswirkungen auf dessen Tätigkeit und kann zu rechtlichen und beruflichen Konsequenzen führen. Grundsätzlich ist es Berufsbetreuern seit dem Inkrafttreten des § 30 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) im Jahr 2023 untersagt, von ihren Betreuten Vermögenszuwendungen anzunehmen. Dies schließt auch Erbschaften ein, um Interessenkonflikte und Missbrauch zu vermeiden.

Interessenkonflikte und Berufspflichten

Ein Berufsbetreuer hat die Aufgabe, die Interessen des Betreuten zu wahren und zu schützen. Wenn ein Berufsbetreuer als Erbe eingesetzt wird, kann dies zu einem Interessenkonflikt führen, da der Betreuer möglicherweise Entscheidungen trifft, die eher seinen eigenen Interessen als denen des Betreuten dienen. Um solche Konflikte zu vermeiden, sieht das Gesetz vor, dass Berufsbetreuer die ihnen angetragene Erbschaft ausschlagen müssen. Tun sie dies nicht, verstoßen sie gegen ihre Berufspflichten, was zur Folge haben kann, dass ihre Registrierung als Berufsbetreuer widerrufen wird.

Rechtliche Konsequenzen

Die Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben hat keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Testaments selbst. Das Testament bleibt grundsätzlich wirksam, auch wenn es gegen § 30 BtOG verstößt. Der Berufsbetreuer muss jedoch eine Abwägung vornehmen, ob er die Erbschaft annimmt und damit gegen seine Berufspflichten verstößt oder ob er die Erbschaft ausschlägt, um seine berufliche Integrität zu wahren.

Sittenwidrigkeit und Nichtigkeit

Ein Testament, das einen Berufsbetreuer als Erben einsetzt, kann sittenwidrig und damit nichtig sein, wenn der Betreuer seine Stellung ausnutzt, um den Betreuten zu beeinflussen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Betreuer die Einsamkeit und Hilflosigkeit des Betreuten ausnutzt, um sich selbst als Erben einsetzen zu lassen. Die Rechtsprechung hat in mehreren Fällen entschieden, dass solche Testamente sittenwidrig sind, da sie gegen die guten Sitten verstoßen.

Beispiele aus der Rechtsprechung

Das Oberlandesgericht Celle hat in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass die Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben sittenwidrig sein kann, wenn der Betreuer seine Machtposition missbraucht. In einem Fall wurde ein Testament für nichtig erklärt, weil die Berufsbetreuerin die Erblasserin in einer psychischen Zwangslage beeinflusst hatte. Die Erblasserin war 92 Jahre alt, alleinstehend und gesundheitlich stark eingeschränkt, was die Beeinflussung durch die Betreuerin erleichterte.

Die Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben kann erhebliche Auswirkungen auf dessen Tätigkeit haben. Berufsbetreuer dürfen grundsätzlich keine Erbschaften von ihren Betreuten annehmen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Ein Verstoß gegen diese Regelung kann zur Nichtigkeit des Testaments führen, wenn die Einsetzung sittenwidrig ist. Zudem kann der Berufsbetreuer seine berufliche Zulassung verlieren, wenn er die Erbschaft annimmt. Die rechtlichen und beruflichen Konsequenzen machen deutlich, dass die Einsetzung eines Berufsbetreuers als Erben sorgfältig geprüft werden muss, um Missbrauch und Interessenkonflikte zu vermeiden.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 2247 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Der Paragraph regelt die eigenhändige Errichtung eines Testaments. Ein Testament muss vollständig vom Erblasser selbst geschrieben und unterschrieben werden, damit es formgültig ist. Im vorliegenden Fall wurde die Eigenhändigkeit der Ergänzungen des Erblassers bestätigt.
  • § 134 BGB (Gesetzliches Verbot): Hier wird festgelegt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig ist, wenn sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Das Testament verstößt nicht gegen § 134 BGB, da § 14 HeimG und § 30 BtOG nicht auf den Fall anwendbar sind.
  • § 14 HeimG (Heimgesetz): Verbietet Mitarbeitern von Heimen, von Bewohnern Erbschaften anzunehmen. Dieses Gesetz ist im vorliegenden Fall nicht relevant, da der Erblasser nicht in einem Heim lebte.
  • § 30 BtOG (Betreuungsorganisationsgesetz): Regelt die Annahme von Erbschaften durch Berufsbetreuer und stellt sicher, dass diese nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist. Der Gesetzgeber hat jedoch bewusst darauf verzichtet, eine Nichtigkeit des Testaments bei Verstößen gegen diese Regelung vorzusehen.
  • § 58 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit): Betrifft die Statthaftigkeit der Beschwerde im Verfahren. Die Beschwerde des Berufsbetreuers war nach § 58 FamFG zulässig.
  • §§ 63, 64 FamFG: Diese Paragraphen regeln die form- und fristgerechte Einlegung von Beschwerden im Familienrecht. Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerde fristgerecht eingereicht und war damit zulässig.
  • § 1922 BGB (Erbfolge): Der Paragraph regelt den Vermögensübergang im Todesfall. Das Erbe geht direkt auf den Erben über, was im vorliegenden Fall der Berufsbetreuer ist.
  • §§ 2078, 2079 BGB (Anfechtung einer letztwilligen Verfügung): Diese Paragraphen regeln die Anfechtung eines Testaments wegen Irrtums oder Drohung. Im Fall gab es keine konkreten Anhaltspunkte für Anfechtungsgründe nach diesen Vorschriften.
  • § 352e FamFG (Feststellungsbeschluss): Dieser Paragraph beschreibt die Notwendigkeit eines Feststellungsbeschlusses bei der Erteilung eines Erbscheins. Das OLG Nürnberg hat diesen Beschluss erlassen.
  • § 81 FamFG (Kostenentscheidung): Regelt die Kostenverteilung im Beschwerdeverfahren. Aufgrund des erfolgreichen Beschwerdeverfahrens wurden die Kosten dem Staat auferlegt und nicht dem Beschwerdeführer.
  • GNotKG (Gerichts- und Notarkostengesetz): Dieses Gesetz regelt die Gebühren für gerichtliche und notarielle Dienstleistungen. Im vorliegenden Fall wird die übliche Kostenpflicht für die Erbscheinserteilung beibehalten.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Nürnberg

OLG Nürnberg – Az.: 15 Wx 988/23 – Beschluss vom 19.07.2023

1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Schwabach vom 06.03.2023 aufgehoben.

2. Die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, werden für festgestellt erachtet.

3. Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Schwabach wird angewiesen, dem Beschwerdeführer einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben ausweist.

4. Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

5. Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.

Gründe

I.

Der am … verstorbene unverheiratete Erblasser hatte keine Abkömmlinge. Der Beschwerdeführer war zu dessen Berufsbetreuer bestellt worden.

Er hatte den Erblasser bei der Erstellung eines Textes für ein Testament unterstützt und dazu einen maschinenschriftlichen (Lücken-)Text vorformuliert und ausgedruckt, der lautete wie folgt:

„MEIN LETZTER WILLE _______________

_________________________________________, hiermit habe ich Hr. R. gebeten meinen Letzten Wunsch aufzuschreiben, weil ich nicht mehr so lange schreiben kann.

Ich K., wohnhaft …, in …, geb. am …

setzte hiermit ____________________________________

____________________________________

____________________________________

Ich habe keine weiteren Angehörigen und möchte deshalb, dass er nach meinem Tod über mein noch vorhandenes Vermögen bei der Sparda – Bank in xx

______________________________________

sowie

über das bei der Sparkasse xx ________________________ verfügen kann.

K.

Auf den vorgedruckten Linien fügte der Erblasser handschriftlich das Datum „11.5.21“ ein und zu Beginn des Textes die Worte „Mein letzter Wille“. Nach „setzte hiermit“ ergänzte er die Worte „R. Straße xx, in xx, geb. xx als meinen Alleinerben ein“. Des Weiteren ergänzte er handschriftlich die IBAN seiner beiden Konten und schloss den Text mit seiner Unterschrift ab. Wegen der Einzelheiten wird auf das Testament (Bl. 33 d.A.) Bezug genommen. Das Testament wurde am 26.11.2021 in besondere amtliche Verwahrung genommen.

Am 29.06.2022 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben ausweist (Bl. 45/48 d.A.).

Der Antrag wurde vom Amtsgericht Schwabach zunächst mit Beschluss vom 17.10.2022 wegen Sittenwidrigkeit des Testaments zurückgewiesen (Bl. 67/68 d.A.). Diesen Beschluss hat der Senat aber im Beschwerdeverfahren Az. 15 W 3268/22 mit Beschluss vom 19.01.2023 wegen Tätigwerdens der funktionell unzuständigen Rechtspflegerin aufgehoben.

Mit Beschluss vom 06.02.2023 wies das Amtsgericht Schwabach den Antrag erneut zurück und begründete dies mit Formunwirksamkeit und Sittenwidrigkeit des Testaments. Wegen der Einzelheiten wird auf den angegriffenen Beschluss (Bl. 88/90 d.A.) Bezug genommen.

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 15.03.2023 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde vom 13.04.2023, eingegangen bei Gericht am selben Tage, mit der der Beschwerdeführer sich gegen die Argumentation des Erstgerichts wendet und Aufhebung des Beschlusses und Anweisung des Nachlassgerichts zur Erteilung des beantragten Erbscheins begehrt (Bl. 91/95 d.A.).

Das Amtsgericht Schwabach hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17.04.2023 nicht abgeholfen (Bl. 96 d.A.).

II.

Die nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64 FamFG).

Sie hat in der Sache auch Erfolg, da der Beschwerdeführer testamentarischer Alleinerbe geworden ist.

1. Das Testament vom 11.05.2021 ist nicht formungültig.

Zu Recht geht das Erstgericht davon aus, dass der Beschwerdeführer dem Erblasser ein von ihm mittels Computer vorgefertigtes Schriftstück überlassen hat, das mit „MEIN LETZTER WILLE“ überschrieben war und bereits die Person des Erblassers maschinenschriftlich (mit Name, Geburtsdatum und Adresse) eindeutig identifiziert hatte. Auch diese Aussage (“habe ich Hr. R. gebeten meinen Letzten Wunsch aufzuschreiben, weil ich nicht mehr so lange schreiben kann.“) ist nämlich bereits in dem Vordruck enthalten.

Soweit der Beschwerdeführer im Übrigen bestreitet, beim Ausfüllen des vorgefertigten Blanko-Formulars zugegen gewesen zu sein, er habe vielmehr erst einige Tage nach dem 05.11.2021 zwei versiegelte Umschläge erhalten, kann dies in formeller Hinsicht dahinstehen, da jedenfalls von einer eigenhändigen Erstellung der handschriftlichen Eintragungen in den Vordruck durch den Erblasser auszugehen ist (vgl. auch die Feststellung der Rechtspflegerin im Beschluss vom 17.10.22, Bl. 67 d.A.).

Die handschriftlichen Teile des Testaments lauten wie folgt:

„Mein letzter Wille, …

R. Straße xx, in xx, geb. xx als meinen Alleinerben ein….

DE .. …

DE .. …

E. K“.

Aufgrund dieses Sachverhalts kann aber von einer Formungültigkeit des Testaments nicht ausgegangen werden.

§ 2247 Abs. 1 BGB erfordert grundsätzlich eine eigenhändige Niederschrift, das bedeutet, „dass der Erblasser die gesamten Verfügungen persönlich und schriftlich verfassen muss. Beschränkt sich der Erblasser darauf, einen von einer anderen Person geschriebenen Testamentsentwurf lediglich eigenhändig zu unterschreiben, ist zwar die Unterschrift wirksam, der restliche Text des Testaments wegen des Formverstoßes (§ 125) dagegen nicht.“ (BeckOGK/Grziwotz, 1.4.2023, BGB § 2247 Rn. 21 m.w.N.).

Im Einzelnen gehört dazu, „daß der Verfügung außer der Person des Bedachten auch der Gegenstand des zugewendeten Vermögensvorteils hinreichend zu entnehmen ist.“ (BGH Urt. v. 29.5.1980 – IVa ZR 26/80, JR 1981, 24, Rn. 16). „Nachdem sich die Eigenhändigkeit auf das gesamte Testament bezieht, ist es bereits schädlich, wenn einzelne Teile davon oder einzelne Wörter mechanisch hergestellt werden. … Betroffen sind jedoch lediglich die Verfügungen des Erblassers. Andere Bestandteile des Testaments, die ohne rechtliche Relevanz sind, können auch auf andere Weise als eigenhändig ergänzt werden. … Nicht vom Formerfordernis der Eigenhändigkeit umfasst sind somit Teile des Testaments, die keine Verfügungen enthalten oder solche, die nicht zum Inhalt des Testaments nach § 2247 gehören. Beispiel hierfür ist die Überschrift bzw. Benennung als Testament, „Letzter Wille“ etc. Auch die Angabe des Namens des Testators ist nicht Inhalt des Testaments.“ (BeckOGK a.a.O. Rn. 27).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da die vorgedruckten Teile keine Verfügungen enthalten bzw. nur zur näheren Identifikation dienen. Die Überschrift und die Angaben zum Erblasser sind nach dem oben Gesagten nicht Inhalt des Testaments, genauso wenig die Mitteilung, dass keine weiteren Angehörigen vorhanden sind.

Eigenhändig ergänzt hat der Erblasser hingegen die Angaben zur Person des Erben und zu den zugewendeten Vermögenswerten, nämlich seine beiden Kontoguthaben. Zwar waren diese Angaben teilweise vorgedruckt, da nämlich die beiden kontoführenden Kreditinstitute (Sparda-Bank und Sparkasse) genannt waren. Jedoch ist auch dies unschädlich, da es sich hierbei nur um weitere Identifizierungshilfen handelte, nachdem sich die kontoführenden Kreditinstitute ohne diese vorgedruckte Angabe genauso anhand der in den beiden handschriftlich ergänzten IBAN-Nummern enthaltenen früheren Bankleitzahlen hätten ermitteln lassen.

2. Das Testament ist auch nicht nichtig.

Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB liegt schon deshalb nicht vor, da weder der für Mitarbeitern in Heimen und Pflegeeinrichtungen geltende § 14 HeimG noch der erst ab 01.01.2023 gültige § 30 Betreuungsorganisationsgesetz (BtOG) auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung finden.

Im Übrigen würde auch ein Verstoß gegen § 30 Abs. 1 S. 1 u. 2 BtOG, worauf der Senat bereits im Beschluss vom 19.01.2023 hingewiesen hat, nicht per se zur Unwirksamkeit einer entsprechenden letztwilligen Verfügung führen. Bei Prüfung dieser Frage ist nämlich die gesetzgeberische Wertung, die der Schaffung des § 30 BtOG zugrunde liegt, zu berücksichtigen. Dieser ist – anders als § 14 HeimG – vom Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik bewusst nicht als gesetzliche Verbotsnorm i.S.v. § 134 BGB mit Nichtigkeitsfolge ausgestaltet worden (vgl. Jürgens/Loer, 7. Aufl. 2023, BtOG § 30 Rn. 1: „Das Verbot für berufliche Betreuer ist anders konstruiert, sodass diese auch bei sogenannten „stillen“ Testierungen, also wenn sie von dem Testament zu Lebzeiten des Betreuten keine Kenntnis hatten, die Zuwendung dennoch nicht annehmen dürfen“). Vielmehr soll die Verfügung selbst im Hinblick auf die Testierfreiheit des Erblassers wirksam bleiben, der Betreuer darf das Zugewendete lediglich nicht annehmen. Tut er dies dennoch, obwohl er keine Ausnahmegenehmigung nach § 30 Abs. 3 BtOG erhalten hat, verstößt er gegen seine Berufspflichten, was in der Zukunft Folgen im Hinblick auf die Bewertung seiner Zuverlässigkeit haben kann – der bereits stattgefundene Vermögensübergang nach § 1922 Abs. 1 BGB bleibt aber wirksam (vgl. Leipold ZEV 2021, 485: „Völlig zahnlos ist das Annahmeverbot (die Ausschlagungspflicht) gleichwohl nicht. Das ergibt sich aus … § 27 BtOG … Die Gefahr, andernfalls nicht mehr als beruflicher Betreuer tätig sein zu können, wird den Betreuer wohl in vielen Fällen dazu bewegen, die erbrechtliche Zuwendung auszuschlagen.“; so auch Jürgens a.a.O.; Krätzschel/Falkner/Döbereiner NachlassR, § 7, Rn. 11a m.w.N.).

Diese gesetzgeberische Wertung ist auch bei der Prüfung der Sittenwidrigkeit zu berücksichtigen. Denn die Motivation des Erblassers und sein Verhalten sind regelmäßig nicht als sittenwidrig zu bewerten, sondern allenfalls das Verhalten des Berufsbetreuers. Damit ist aber eine Einschränkung der Testierfreiheit durch Einordnung einer letztwilligen Verfügung als sittenwidrig und damit unwirksam nur in absoluten Ausnahmefällen zu rechtfertigen. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

Zwar hat das OLG Celle in der vom Erstgericht zitierten Entscheidung vom 07.01.2021 – 6 U 22/20 (NJW 2021, 1681) entschieden, dass im Einzelfall eine Sittenwidrigkeit eines Testaments vorliegen kann, wenn eine Berufsbetreuerin „ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einer von ihr herangezogenen Notarin in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen“. Die Entscheidung ist aber in der Kommentierung und Literatur mit nachvollziehbarer Begründung auf Ablehnung gestoßen, da die Verfügung des Erblassers als einseitiges Rechtsgeschäft und mangels subjektiven Elements auf seiner Seite kaum sittenwidrig sein könne und es zudem andere Möglichkeiten gebe, den Erblasser zu schützen, nämlich die bereits erwähnten gesetzlichen Verbote sowie die Anfechtungsregeln der §§ 2078, 2079 BGB (vgl. Anm. Wolffskeel v. Reichenberg, NJW 2021, 1686; Litzenburger FD-ErbR 2021, 437206, beck-online; Krätzschel/Falkner/Döbereiner NachlassR, § 7, Rn. 11a, je m.w.N.; zustimmend wohl Leipold a.a.O.).

Im Ergebnis kann dies hier aber dahinstehen, da ein so besonderer Einzelfall wie der dort entschiedene, in dem die Berufsbetreuerin den gerade erst von einem schweren Schlaganfall genesenden Erblasser, der noch unter der grundlegenden Veränderung seiner Lebensumstände durch Umzug ins Heim litt, zum Notar brachte, damit er das auf ihre Veranlassung hin entworfene Testament zu ihren Gunsten unterzeichne, hier nicht festgestellt ist. Die Entscheidung wurde daher auch vom Erstgericht nicht herangezogen.

Soweit aber das Nachlassgericht im hiesigen Fall dennoch Sittenwidrigkeit bejaht, weil der Berufsbetreuer dem alleinstehenden Erblasser ein vorgefertigtes Blankoformular zur eigenen Erbeinsetzung „untergeschoben“ habe, vermag dies vor dem oben aufgezeigten Hintergrund aber ebenfalls nicht zu überzeugen. Aufgrund der aufgezeigten, dem § 30 BtOG zugrunde liegenden gesetzgeberischen Wertung und dem damit bezweckten umfassenden Schutz der Testierfreiheit des Erblassers ist die Erbeinsetzung des Beschwerdeführers trotz der anzunehmenden Beeinflussung des Erblassers aufgrund des bestehenden Vertrauens- und Näheverhältnisses vorliegend bei der gebotenen Gesamtwürdigung der Umstände nicht als „mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren“ (vgl. z.B. BGH NJW 2008, 2027; NJW 2019, 3635 Rn. 24; st.Rspr.) einzuordnen. Es liegt vielmehr ein Fall vor, in dem die „Hilfestellung“ des Betreuers, nachdem sich konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Anfechtungsgründen nach §§ 2078, 2079 BGB nicht ergeben haben, hinzunehmen ist.

3. Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben. Daneben konnte der Senat bereits den nach § 352e Abs. 1 S. 1 FamFG zwingend erforderlichen Feststellungsbeschluss (vgl. Gietl/Längsfeld, JA 2014, 854) erlassen. Im Übrigen war das zuständige Nachlassgericht zur Erteilung des begehrten Erbscheins anzuweisen (BeckOK FamFG/Schlögel, 46. Ed. 2.4.2023, FamFG § 352e Rn. 18 m.w.N.).

III.

Eine Kostenentscheidung war aufgrund des ergangenen Feststellungsbeschlusses hinsichtlich der Kosten beider Instanzen durch das Beschwerdegericht zu treffen. Hierbei fand für die Kosten des Beschwerdeverfahrens § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG Anwendung, nachdem die Beschwerde insgesamt erfolgreich war. Hingegen besteht kein Anlass, von der Erhebung der üblichen Kosten für die begehrte Erbscheinserteilung nach dem GNotKG im erstinstanzlichen Verfahren abzusehen, so dass es diesbezüglich bei der Kostenpflicht des Antragstellers bleibt.

Die Feststellung zu den außergerichtlichen Kosten entspricht dem Grundsatz, dass in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit jeder Beteiligte im Regelfall seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat (BeckOK FamFG/Weber 41. Ed. 1.1.2022, FamFG § 81 Rn. 11).

Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren bleibt bis zur Festsetzung des Nachlasswerts durch das Nachlassgericht vorbehalten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern. Es handelt sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung, die über die hier konkret zu beurteilende Frage hinaus keine Bedeutung hat.

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