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Testamentarische Verfügung zu Grundstücksverkauf – Teilungsverbot

OLG Karlsruhe – Az.: 11 U 7/21 – Urteil vom 09.02.2022

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 04.02.2021, Az. 7 O 149/20, abgeändert:

Die mit Beschluss des Amtsgerichts – Vollstreckungsgerichts – Karlsruhe, Az. 3 K 108/19, vom 21.02.2020 angeordnete Zwangsversteigerung des ideellen Bruchteils zu 1/2 des Grundbesitzes mit der Grundbuchbezeichnung: Grundbuch von Karlsruhe Nummer Bestandsverzeichnis lfd. … Gebäude- und Freifläche … eingetragene Eigentümer zur lfd. Nr. 2 … in Erbengemeinschaft zu 1/2, wird für unzulässig erklärt.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Die Parteien streiten als Mitglieder der Erbengemeinschaft nach Frau … (im Folgenden: Erblasserin) um die Zulässigkeit der Teilungsversteigerung des zum Nachlass gehörenden Miteigentumsanteils an dem Grundstück … Karlsruhe.

Die im Jahr 1914 geborene Erblasserin verstarb am 22.06.2012. Sie hinterließ zwei Töchter und deren Kinder: die Klägerin und ihren Sohn … sowie die am 26.09.2012 nachverstorbene … und deren Kinde (Beklagter), … und …. Der Ehemann der Erblasserin ist am 16.10.1970 vorverstorben. Der noch nicht vollständig auseinandergesetzte Nachlass der Erblasserin besteht im Wesentlichen aus dem hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück … K.

Die Erblasserin beerbte ihren Ehemann auf der Grundlage eines gemeinschaftlichen notariellen Testaments vom 02.06.1964 (Beiakte …) als befreite Vorerbin. Nacherben des Erstversterbenden sollten die beiden Töchter zu je 1/2, wiederum als befreite Vorerben werden. Nacherben und Ersatznacherben sollten jeweils die Abkömmlinge entsprechend der gesetzlichen Erbfolgeregelung sein. Der überlebende Ehegatte sollte frei sein, über sein Vermögen zu Lebzeiten und von Todes wegen zu verfügen.

Ferner liegt eine letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 29.10.1995 vor, die folgenden Wortlaut hat:

„Mein letzter Wille … 1.

Ich … setze meine Tochter … und … zu gleichen Teilen als befreite Vorerben meines Immobilienbesitzes ein. Nacherben, auch meines zu Lebzeiten an meine Töchter verschenkten Immobilienbesitzes,

(Nacherben meiner Töchter) sollen zu gleichen Teilen sein deren leibliche Kinder und … zwar nur … und …. Auch meine Enkel sollen, wie meine Töchter, bei Einstimmigkeit jederzeit den Grundbesitz beleihen oder verkaufen können, jedoch vererben können sie ihn nur an leibliche Kinder, nicht an Ehegatten, sonstige Personen oder Institutionen. Verstirbt einer meiner genannten Enkel ohne leibliche Kinder zu hinterlassen, fällt dessen Anteil zu gleichen Teilen an meine anderen Enkel.

Bei meinem Tod erhält jeder der genannten Enkel 5000,- DM.

K den 29.10.1995

Alles was ich sonst noch hinterlasse gehört je zur Hälfte meinen Töchtern … und … Ich setze meine Tochter … als meinen Testamentsvollstrecker ein. Nach deren Tod soll mein Enkel … Testamentsvollstreckung durchführen.

K, den 29.10.1995“

Frau … lehnte das Testamentsvollstreckeramt ab. Der deswegen als Testamentsvollstrecker verpflichtete wurde im Jahr 2014 aus dem Amt entlassen (Senat, Az. …). Das Nachlassgericht ging von einer Beendigung der Testamentsvollstreckung aus, da ein konkludentes Ersuchen, einen weiteren Testamentsvollstrecker zu ernennen, nicht ersichtlich sei. Es zog daher einen mit Testamentsvollstreckervermerk erteilten gemeinschaftlichen Erbschein ein und erteilte auf Grundlage des Testaments vom 29.10.1995 einen neuen Erbschein des Inhalts, dass die Erblasserin von der Klägerin zu 1/2 und ihren vier Enkeln Ma., Er. und Su. L. sowie De. C. zu je 1/8 beerbt worden und jeweils Nacherbfolge angeordnet ist (Einziehungsbeschluss v. 14.07.2016 und Erbschein v. 15.09.2016, Beiakte …). Im Jahr 2020 lehnte das Nachlassgericht die von der Klägerin angeregte und mit dem Antrag auf Einziehung des zuletzt ohne Testamentsvollstreckervermerk ausgestellten Erbscheins verbundene Ernennung eines Ersatztestamentsvollstreckers ab (AG – Nachlassgericht – Karlsruhe, B. v. …). Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Klägerin ist beim Senat anhängig (Az. …).

Der Beklagte betreibt aus einem Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 21.02.2020 (Az. … die Zwangsversteigerung zum Zweck der Aufhebung der Gemeinschaft (§ 180 ZVG). In diesem Verfahren gestellte Anträge der Klägerin auf einstweilige Einstellung bzw. Aussetzung des Verfahrens blieben erfolglos (AG – Vollstreckungsgericht – Karlsruhe, …

In dem vorliegenden Verfahren wendet sich die Klägerin mit der Drittwiderspruchsklage gegen die Teilungsversteigerung des Miteigentumsanteils. Sie ist der Auffassung, die von der Erblasserin testamentarisch festgelegte Einstimmigkeit bei der Beleihung und dem Verkauf von Grundbesitz sei als ein der Teilungsversteigerung entgegenstehendes Auseinandersetzungsverbot im Sinne des § 2044 BGB auszulegen. In erster Instanz hat sie hierzu unter anderem vorgetragen, der Erblasserin sei ein Verbleib des vorhandenen Grundbesitzes im Familienstamm und dessen einvernehmliche Veräußerung besonders wichtig gewesen und sich zum Beweis auf die Zeugen … und … berufen. Ferner hat die Klägerin eingewandt, dass die von der Erblasserin angeordnete Testamentsvollstreckung mit der Entlassung des … nicht beendet worden sei und der Teilungsversteigerung ebenfalls entgegenstehe. Die Erblasserin habe gewollt, dass der Testamentsvollstrecker nicht lediglich den Nachlass abwickle, sondern ihn über mehrere Generationen hinweg verwalte.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:

Die Teilungsversteigerung des ideellen Bruchteils zu ½ des folgenden Grundbesitzes:

Grundbuchbezeichnung: Amtsgericht Maulbronn Grundbuch von KarlsruheBezeichnung gemäß Bestandsverzeichnis, laufende Nr. 1, Gemarkung Karte

Eingetragene Eigentümer zur laufenden Nr. 2,

…, in Erbengemeinschaft zu ½,

wird für unzulässig erklärt.

Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, die Klage nach § 771 ZPO sei unzulässig und im Übrigen unbegründet. Die Erblasserin habe weder ein Auseinandersetzungsverbot noch eine Dauertestamentsvollstreckung gewollt. Immobilien seien für die Erblasserin eine Wertanlage gewesen und je nach kaufmännischer Zweckmäßigkeit gekauft bzw. verkauft worden. Die durch ein testamentarisches Auseinandersetzungsverbot erschwerte Abwicklung des Nachlasses der Schwester ihres Ehemannes, …., sei für die Erblasserin ein abschreckendes Beispiel gewesen. In ihrem eigenen Testament habe sie lediglich den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass die Erben wie bisher friedlich unter einem Dach wohnen sollen. Zudem habe sie mit der Nacherbfolge sicherstellen wollen, dass nur direkte Abkömmlinge und keine Ehepartner von dem Familienvermögen profitieren. Dem Einwand der Testamentsvollstreckung stehe die Rechtshängigkeit des nachlassgerichtlichen Verfahrens betreffend die Bestellung eines Ersatztestamentsvollstreckers (AG Karlsruhe Az. und OLG Karlsruhe, Az. … Wx) entgegen. Im Übrigen habe die Erblasserin die Testamentsvollstreckung nur den von ihr bestimmten Familienmitgliedern anvertrauen wollen.

Das Landgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom … abgewiesen. Die Klage sei zwar statthaft und im Übrigen zulässig; insbesondere greife keine Rechtshängigkeitssperre ein. Sie sei jedoch unbegründet. Eine Auslegung des streitgegenständlichen Testaments ergebe, dass die Erblasserin weder ein die Teilungsversteigerung hinderndes Auseinandersetzungsverbot noch eine Dauertestamentsvollstreckung angeordnet und das Nachlassgericht auch nicht um die Benennung eines Ersatztestamentsvollstreckers ersucht habe. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts, der tatsächlichen Feststellungen, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der Entscheidungsgründe wird auf dieses Urteil Bezug genommen.

Gegen das ihr am 09.02.2021 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 09.03.2021 beim Oberlandesgericht Karlsruhe eingegangenen Berufung, welche sie nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 09.05.2021 mit am 07.05.2021 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht das in seinem Wortlaut eindeutige Testament als auslegungsbedürftig angesehen. Zudem habe es zu strenge Anforderungen an ein Auseinandersetzungsverbot gestellt und dessen Anordnung mit nicht nachvollziehbarer Argumentation verneint. Die Erblasserin habe das Verbot, über das sich die Begünstigten nach der Rechtsprechung bei Einstimmigkeit hinwegsetzen könnten, gar nicht anders formulieren können. Zu sehen sei auch, dass ein ihr von der Erblasserin eingeräumtes, in dem Verfahren …, rechtskräftig festgestelltes lebenslanges Nutzungsrecht an der Dachgeschosswohnung des Anwesens einer Versteigerung nicht standhalten würde. Überdies habe das Landgericht die Zeugen nicht gehört, welche sie zum Beweis ihres entscheidungserheblichen Vorbringens benannt habe, der Erblasserin sei ein Verbleib des streitgegenständlichen Grundbesitzes im Familienstamm und dessen lediglich einvernehmliche Veräußerung besonders wichtig gewesen. In Bezug auf die Anordnung der Testamentsvollstreckung habe das Landgericht verkannt, dass es der Erblasserin auf die Bindung des Nachlasses an die Testamentsvollstreckung und die kaufmännischen und wirtschaftlichen Kenntnisse der eingesetzten Personen angekommen sei. Bei Kenntnis von deren bei Errichtung des Testaments nicht absehbarem Wegfall hätte die Erblasserin mit Blick auf die komplexe Situation sowohl bezogen auf die Erben als auch auf die Nachlassgegenstände vernünftigerweise eine weitere Testamentsvollstreckung und die Ernennung eines Ersatztestamentsvollstreckers durch das Gericht gewollt.

Die Klägerin beantragt (AS II/23 f., 138), unter Abänderung des am 04.02.2021 verkündeten Urteils des Landgerichts Karlsruhe, Az. … wie folgt zu erkennen:

Die Teilungsversteigerung des ideellen Bruchteils zu 1/2 des Grundbesitzes mit der Grundbuchbezeichnung:

Amtsgericht Maulbronn Grundbuch von K …; Bezeichnung gemäß Bestandsverzeichnis, laufende Nr. 1, in Erbengemeinschaft zu 1/2, wird für unzulässig erklärt.

Der Beklagte beantragt (AS 11/57, 138):

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 04.02.2021 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend. Ergänzend hat er den Zeugen … benannt, der die Immobiliengeschäfte der Familie gemanagt und am Tag vor Errichtung des verfahrensgegenständlichen Testaments, dem 28.10.1995, als Pfleger für die damals noch minderjährigen bzw. ungeborenen Nachkommen der Klägerin und ihrer Schwester an dem Verkauf des Anwesens … K aus dem Nachlass der Schwägerin … mitgewirkt habe. Herr habe mit der Erblasserin darüber gesprochen, wie unsinnig ein Auseinandersetzungsverbot sei und wie unglücklich Erben dadurch geknebelt werden könnten, auch wenn sie das gar nicht wollten. Die Erblasserin habe auf keinen Fall den gleichen Fehler machen wollen und deshalb am 29.10.1995 auf Empfehlung des Zeugen das vorliegende Testament verfasst. Dabei habe sie das Testament ihrer Schwägerin teilweise als Vorlage benutzt, allerdings mit befreiter Vorerbeneinsetzung und ohne den Zusatz, dass der Immobilienbesitz nicht veräußert werden dürfe. Mit der Formulierung, dass die Töchter bzw. Enkel „bei Einstimmigkeit jederzeit den Grundbesitz beleihen oder verkaufen können“, habe die Erblasserin lediglich klarstellen wollen, dass ein freihändiger Verkauf nur gemeinsam zustande kommen dürfe. Ein Auseinandersetzungsverbot habe damit nicht verbunden sein sollen. Die Erblasserin habe das Testamentsvollstreckeramt auch unter keinen Umständen einem fremden Dritten überlassen wollen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat die Teilungsversteigerung mit Beschluss vom 31.05.2021 einstweilen eingestellt, die Klägerin und, in Vertretung des Beklagten, Herrn … persönlich angehört sowie Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Wegen des Ergebnisses der Anhörung und Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 09.02.2022 (…) Bezug genommen. Den Parteien wurde Gelegenheit gegeben, sich zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme ergänzend schriftsätzlich zu äußern. Wegen ihrer Stellungnahmen wird auf die im Anschluss an die Berufungsverhandlung eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Akten Amtsgericht – Nachlassgericht – Karlsruhe, Az. … mit Oberlandesgericht Karlsruhe, Az. … und … waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

B.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat in der Sache Erfolg.

I.

Zutreffend hat das Landgericht die Klage als zulässig angesehen.

1. Die Klage ist als unechte Drittwiderspruchsklage statthaft. Die Klägerin will erreichen, dass die nach §§ 180 f. ZVG vom Beklagten eingeleitete Teilungsversteigerung zur Aufhebung der Gemeinschaft für unzulässig erklärt wird. Da im Rahmen des vollstreckungsrechtlichen Verfahrens nach den §§ 180, 181 ZVG nicht überprüft wird, ob materiell-rechtliche Vorschriften der Zwangsversteigerung entgegenstehen, kann der Miteigentümer, der mit der Versteigerung nicht einverstanden ist, seine Rechte in analoger Anwendung der §§ 768, 771 ZPO auf dem Klagewege durchsetzen (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 04.02.2014 – 12 U 144/13; Preuß, in: BeckOK ZPO, 01.12.2021, § 771 Rn. 4; K. Schmidt/Brinkmann, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 771 Rn. 5; zur GbR: BGHZ 197, 262 m.w.N.). Soweit die Teilungsversteigerung entgegen den Anordnungen des Erblassers im Sinne des § 2044 BGB betrieben wird, kann daher jeder Miterbe im Wege der Klage nach § 771 ZPO widersprechen (Rißmann/Szalai, in: BeckOGK, Stand 01.04.2021, § 2044 BGB Rn. 29).

2. Auch der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit greift nicht durch. Gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO kann die Streitsache während der Dauer der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden. Dies soll verhindern, dass sich der Beklagte in derselben Sache in mehreren Verfahren verteidigen muss und einander widersprechende Urteile ergehen (vgl. BGH, NJW 2001, S. 3713). Der Begriff „Streitsache“ bezeichnet in diesem Zusammenhang den mit der Klage geltend gemachten prozessualen Anspruch, d.h. den nach dem Klageantrag und dem dazu vorgetragenen Lebenssachverhalt zu bestimmenden Streitgegenstand (vgl. Bacher, in: BeckOK ZPO, Stand 01.09.2021, § 261 Rn. 2; zum Streitgegenstandsbegriff: BGH, NJW 2001, S. 3713; Wendtland, in: BeckOK ZPO, Stand 01.09.2021, § 2 Rn. 4). Klagen mit verschiedenen Rechtsschutzzielen begründen grundsätzlich auch bei identischem Sachverhalt unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. Becker-Eberhard, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 261 Rn. 62). Soweit eine Identität der Streitgegenstände gegeben ist, kann die Rechtshängigkeitssperre auch im Verhältnis zu Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingreifen, für die – was hier nicht der Fall ist – das FamFG die Anwendung von § 261 ZPO ausdrücklich anordnet. Ob die Sperre darüber hinaus für solche Antragsverfahren eingreift, in denen eine der materiellen Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht oder auch nur der Zweck der Rechtswegsperre ein Eingreifen rechtfertigt (vgl. Becker-Eberhard, a.a.O., § 261 Rn. 48 f.), bedarf keiner Entscheidung, da beides hier nicht zutrifft. Die Klägerin verfolgt mit der Widerspruchsklage einerseits und dem Ersuchen um Bestimmung eines Testamentsvollstreckers und Erteilung eines Erbscheins mit Testamentsvollstreckervermerk andererseits unterschiedliche Rechtsschutzziele, sodass sich bereits eine Identität der Streitsache nicht feststellen lässt. Es besteht auch nicht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, da das nachlassgerichtliche Verfahren nicht auf den Erlass einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung gerichtet ist (allgemein: Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 45 Rn. 26; zum Erbscheinsverfahren: Engelhardt, a.a.O., § 45 Rn. 28; zur Ernennung des Testamentsvollstreckers: Reimann, in: Staudinger (2016), BGB, § 2200 Rn. 24).

II.

Die Klage ist auch begründet, da die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Aufhebung der Gemeinschaft nicht erfüllt sind.

1. Gemäß § 2042 Abs. 1 BGB hat jeder Miterbe das Recht, jederzeit die Auseinandersetzung zu verlangen. In Bezug auf Nachlassgrundstücke kann die Auseinandersetzung im Wege der Teilungsversteigerung nach § 180 ZVG erfolgen, wenn die Versteigerung die Gesamtauseinandersetzung der Erbengemeinschaft bezweckt (§ 753 BGB; vgl. BGH, FamRZ 1999, S. 433; Böttcher, ZVG, 6. Aufl. 2016, § 180 Rn. 15b). Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Gemeinschaft im Verfahren nach § 180 ZVG ergeben sich aus den materiell-rechtlichen Bestimmungen. Kann nach deren Maßgabe die Aufhebung der Gemeinschaft nicht betrieben werden, ist auch die Teilungsversteigerung nicht zulässig (vgl. Stumpe/Simon, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, § 180 ZVG Rn. 28). Sofern der Erblasser die Auseinandersetzung in Bezug auf den Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände für immer oder auf Zeit ausgeschlossen hat (§ 2044 Abs. 1 BGB), kann die Aufhebung daher nur verlangt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt (§ 2044 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 749 Abs. 2 Satz 1 BGB; vgl. Stumpe/Simon, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, § 180 ZVG Rn. 9; Böttcher, ZVG, 6. Aufl. 2016, § 180 Rn. 15).

2. Hier steht der Teilungsversteigerung entgegen, dass sie einer von der Erblasserin getroffenen Bestimmung über die Auseinandersetzung (§ 2044 Abs. 1 Satz 1 BGB) und der darin liegenden negativen Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) widerspricht.

a) Gemäß § 2044 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen die jederzeitige Auseinandersetzung ausschließen oder, im Sinne eines „erst-Recht-Schlusses“, erschweren (vgl. RGZ 110, S. 270 ; Rißmann/Szalai, in: BeckOGK, Stand 01.04.2021, § 2044 BGB Rn. 1; Ann, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 2044 Rn. 5). Dabei liegt in einem Veräußerungsverbot in der Regel zugleich ein gegenständlich beschränkter Auseinandersetzungsausschluss (vgl. Ann, in: Münchener Kommentar BGB, 8. Aufl. 2020, § 2044 Rn. 5; Muscheler, ZEV 2010. S. 340 ). In der Anordnung, dass die Miterben die Teilung nur einstimmig vornehmen können, kann ein sog. mildes, die Minderheit schützendes Teilungsverbot enthalten sein, das zugleich eine negative Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) und ein Vorausvermächtnis zu Gunsten der anderen Miterben darstellt (vgl. R. Kössinger, in: Nieder/Kössinger, Handbuch der Testamentsgestaltung, 5. Aufl. 2015, § 15 Rn. 250 f.; Flechtner, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, § 2044 BGB Rn. 3). Abzugrenzen ist im Rahmen der Testamentsauslegung in jedem Fall, ob es sich nicht nur, wie vom Beklagten behauptet, um eine rechtlich unverbindliche Bitte oder einen Ratschlag handelt (vgl. Krätzschel, in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Aufl. 2019, § 10 Rn. 101; R. Kössinger, a.a.O., § 15 Rn. 247).

b) Die vorliegend von der Erblasserin in Ziff. 1 ihres Testaments bestimmte Möglichkeit, den Grundbesitz bei Einstimmigkeit jederzeit beleihen oder verkaufen zu können, bedarf vor diesem Hintergrund der Auslegung. Die Auslegungsbedürftigkeit ergibt sich schon aus den divergierenden Interpretationen dieser Anordnung durch die Parteien im Sinne einer verbindlichen Einschränkung bzw. Ausschließung der Auseinandersetzung oder eines unverbindlichen Wunsches.

Bei der nach Maßgabe von § 133 BGB vorzunehmenden Testamentsauslegung ist in erster Linie der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen, ohne dass am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Es müssen daher nicht nur der gesamte Text der Verfügung, sondern auch alle anderen zugänglichen Umstände außerhalb der Urkunde ausgewertet werden, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlich sind. Abzustellen ist dabei stets auf den Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung. Danach eingetretene Umstände können nur Bedeutung erlangen, soweit sie Rückschlüsse hierauf zulassen (vgl. BGH, ZEV 2013, S. 36 ).

Bei der Auslegung geht es mithin nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er zum Ausdruck bringen wollte. Gerade deshalb ordnet § 133 BGB an, den Wortsinn der benutzten Ausdrücke unter Heranziehung aller Umstände zu „hinterfragen“. Nur dann kann die Auslegung der Erklärung durch den Richter gerade die Bedeutung auffinden und ihr die rechtliche Wirkung zukommen lassen, die der Erklärende seiner Willenserklärung „wirklich“ beilegen wollte. Dabei ist der Erblasserwille als sogenannte innere Tatsache dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich und geht, wenn er feststeht und formgerecht erklärt ist, jeder anderen Interpretation vor (vgl. BGH, NJW 1993, S. 256 m.w.N.).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Erblasserin in dem Testament vom 29.10.1995 ein mildes, die Minderheit schützendes Teilungsverbot anordnen wollte.

aa) Eine Auslegung des Wortlauts unter Berücksichtigung von Wortsinn, Aufbau und Kontext der streitigen Bestimmung innerhalb des Testaments führt zu dem Ergebnis, dass die Erblasserin nicht nur den unverbindlichen Wunsch nach einem einstimmigen Handeln ihrer Erben niedergelegt, sondern das Prinzip der Einstimmigkeit verbindlich vorgegeben hat.

Nach dem Wortlaut der Verfügung soll Grundbesitz bei Einstimmigkeit jederzeit beliehen oder verkauft, indes nur an leibliche Kinder der Enkel vererbt werden können und im Fall des kinderlosen Versterbens zu gleichen Teilen an die anderen Enkel fallen.

(1) Diese Anordnung lässt die Vorstellung der Erblasserin erkennen, dass Grundbesitz, der nicht verkauft wird, über die Generation der Enkel hinaus in der Familie verbleiben soll. Die Erblasserin ging sogar davon aus, dass selbst von ihr zu Lebzeiten an Familienmitglieder verschenkte Immobilien nur in der Familie weiterzugeben sind, wie aus dem Einschub „auch meines zu Lebzeiten an meine Töchter verschenkten Immobilienbesitzes“ hervorgeht.

Ausschließen wollte die Erblasserin hingegen eine Weitergabe von Grundbesitz im Wege der Erbfolge an Personen, die nicht zu den leiblichen Nachkommen und damit zur Familie im engeren Sinn zählen. Der Unterschied zu den von ihr erlaubten Rechtsgeschäften – Beleihung und Verkauf – liegt darin, dass die jeweiligen Erben beim Beleihen oder Verkaufen von Grundbesitz eine Gegenleistung erhalten, welche die Beschränkung oder den Verlust des Eigentums wirtschaftlich ausgleicht. Die Entscheidung, Immobilienbesitz zu belasten oder sich gegen eine Gegenleistung von ihm zu trennen, sollte aber nur „bei Einstimmigkeit“ möglich sein, mithin weder einem einzelnen Erben noch der Mehrheit der Erben obliegen, sondern letztlich dem Willen der durch die jeweiligen Erben repräsentierten gesamten Familie entsprechen.

(2) Diese Regelungsziele sind allein mit der Anordnung von Vor- und Nacherbschaften nicht verlässlich zu erreichen. Bereits aus diesem Grund liegt es nahe, dass die Erblasserin den Bestimmungen zum Verkaufen, Beleihen und Vererben von Immobilienbesitz die Bedeutung einer ergänzenden und die Erben bindenden Regelung beigemessen hat. Auch die von der Erblasserin verwendeten Wörter „sollen“ und „können“ (z.B. „meine Enkel sollen“, „jedoch vererben können sie ihn nur“) legen nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Verständnis dahin nahe, dass die Erblasserin nicht nur einen unverbindlichen Wunsch äußern, sondern den Handlungsspielraum ihrer Erben festlegen wollte. Für diese Auffassung spricht ferner der Kontext der Regelung. Die Passage zum Verkaufen, Beleihen und Vererben von Immobilienbesitz steht ohne textliche Trennung im Anschluss an die Regelung von Vor- und Nacherbschaft und nimmt sprachlich auf diese Bezug („Auch meine Enkel sollen …“). Unmittelbar anschließend folgen weitere Verfügungen für den Fall des kinderlosen Versterbens eines Enkels und ein Geldvermächtnis. Dass die Erblasserin ihre Vorstellungen zum Verkaufen, Beleihen und Vererben von Immobilienbesitz zwar in erbrechtliche Verfügungen eingebettet, sie aber gleichwohl, ohne dies kenntlich zu machen, nur als unverbindlichen Wunsch verstanden hat, erscheint fernliegend.

(3) Dieses Auslegungsergebnis wird durch die unter Ziff. 2 des Testaments getroffenen Anordnungen über die Testamentsvollstreckung gestützt. Die Erblasserin hat je ein Familienmitglied aus dem Kreis ihrer Kinder und Enkel zum Testamentsvollstrecker bestimmt, dieses aber aufgrund seiner Einsetzung zum Miterben durch die für Erben geltende Voraussetzung der Einstimmigkeit auch in seiner Verfügungsbefugnis als Testamentsvollstrecker (§ 2205 Satz 2 BGB) beschränkt. Diese Verknüpfung legt es nahe, dass die Erblasserin die Einstimmigkeit verbindlich anordnen und durch eine Person aus dem Kreis der Erben als Testamentsvollstrecker überwachen lassen wollte. Für die Verbindlichkeit spricht im Übrigen auch die zeitliche, zwei Generationen betreffende Geltungsdauer der Anordnung.

bb) Die nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme unter Berücksichtigung der schriftsätzlichen Stellungnahmen zum Beweisergebnis festzustellenden Umstände außerhalb der Testamentsurkunde rechtfertigen keine andere Auslegung. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin kein mildes Teilungsverbot, sondern einen unverbindlichen Wunsch oder eine Empfehlung aussprechen wollte, haben sich nicht ergeben.

(1) (a) Nach den weitgehend übereinstimmenden und im Übrigen jedenfalls unwidersprochen gebliebenen Angaben der Parteien und des vom Senat angehörten Herrn hat die Erblasserin das streitgegenständliche Testament vor folgendem familiären und wirtschaftlichen Hintergrund abgefasst:

Ursprünglicher Wohnsitz der Eheleute … war ein Anwesen am … in K, in dem der Ehemann der Erblasserin ein Groß- und Einzelhandelsunternehmen geführt hat. Im Zeitraum 1959/1960 erwarben die Eheleute das der Familie fortan als Wohn- und Unternehmenssitz dienende Mehrfamilienhaus …. Auch bei Errichtung des Testaments im Jahr 1995 befand sich im Erdgeschoss das unter der Leitung von Frau … fortgeführte Geschäft, in den beiden darüber liegenden Stockwerken wohnten die Erblasserin und Frau …, ursprünglich mit dem Beklagten und seinen Geschwistern, sowie im Dachgeschoss die Klägerin mit ihrem Sohn, dem damals 18 Jahre alten Zeugen …. Der Zeuge war seinen Angaben zufolge bis Dezember 1995 mit der Klägerin verheiratet gewesen und zu Beginn des Jahres 1995 nach Frankfurt verzogen.

Bei Errichtung des Testaments bestand das Vermögen der Erblasserin im Wesentlichen aus Grundbesitz. Die Erblasserin war Eigentümerin der Immobilie …, in Bezug auf den Miteigentumsanteil ihres verstorbenen Ehemannes als dessen befreite Vorerbin. Zudem gehörten ihr landwirtschaftliche, aus ihrer Familie stammende Flächen, aus dem Nachlass ihres Ehemannes ein in den 50er Jahren erworbenes Mehrfamilienhaus in der in Bad Herrenalb und das von ihr im Jahr 1994 gekaufte Hausgrundstück in K. Der Wohnraum in dem Mehrfamilienhaus in der war vermietet mit Ausnahme einer Wohnung, die der Erblasserin und ihrer Familie seit jeher als Ferienwohnung diente; das Anwesen veräußerte die Erblasserin in den Jahren 1996 oder 1997 an Dritte. In das Haus in der … waren der Beklagte und bereits vor Errichtung des Testaments eingezogen; nach der Errichtung des Testaments verkaufte die Erblasserin das Anwesen an ihre vier Enkel und bewohnte es später selbst zusammen mit ihrer Tochter …. Das Haus am … hatte die Erblasserin ebenso wie ein weiteres in der … in K. bereits vor Errichtung des streitgegenständlichen Testaments verkauft.

(b) Vor diesem Hintergrund ist die von dem Beklagten geschilderte Bereitschaft der Erblasserin, Immobilien zu verkaufen und zu kaufen, ebenso nachvollziehbar wie die Annahme, dass sie ihren Erben diese Möglichkeit nicht nehmen wollte.

Zu sehen ist allerdings, dass alle der Erblasserin bei Errichtung des Testaments gehörenden Immobilien nicht nur einen wirtschaftlichen, sondern auch einen persönlichen Bezug zu ihrem Leben haben, da sie entweder aus Familienbesitz stammten oder von der Erblasserin und ihrer Familie als Wohn- und Geschäftsräume genutzt worden sind oder künftig genutzt werden sollten. Lediglich das von der Erblasserin später an Dritte verkaufte Mietshaus in Bad Herrenalb wurde von der Familie nur noch wenig genutzt und hatte damit eher den Charakter eines reinen Wirtschaftsobjekts. In Bezug auf den übrigen Immobilienbesitz erscheint es plausibel, dass die Erblasserin die Immobilien für die Familie erhalten und eine Verfügung über diese nur gestatten wollte, wenn ihre ausschließlich aus dem Kreis der Familienmitglieder bestimmten Erben dies einstimmig beschließen.

(2) Für eine Auslegung im Sinn eines milden Teilungsverbots spricht auch die Rechtslage in Bezug auf die von der Klägerin bei Errichtung des Testaments bewohnte Dachgeschosswohnung.

(a) Die Klägerin ist aufgrund eines mit der Erblasserin Ende der 1980er Jahre geschlossenen und für die Erbengemeinschaft verbindlichen Leihvertrags berechtigt, die Dachgeschosswohnung sowie einen Keller und einen Stellplatz im Anwesen … bis zu ihrem Tod unentgeltlich zu nutzen; zudem stehen ihr Mieteinnahmen aus einer Fremdvermietung der Wohnung zu. Dies ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten, die Parteien bindenden Urteile des Landgerichts und Oberlandesgerichts Karlsruhe (Anl. BK 2 bis BK 4, AH Kl. II/2 ff.: … B. v. 01.10.2020).

(b) Die Erblasserin konnte nur mit einer die Erben bindenden Vorgabe der Einstimmigkeit sicherstellen, dass das dinglich nicht abgesicherte Nutzungsrecht Bestand hat, solange die Klägerin dies wünscht. Es ist möglich und keineswegs femliegend, dass die in Immobiliengeschäften nicht unerfahrene Erblasserin diese Sach- und Rechtslage erfasst und bei Errichtung des Testaments bedacht hat.

(3) Es ist auch plausibel, dass die Erblasserin eine hinreichend konkrete Vorstellung von den rechtlichen Wirkungen der von ihr angeordneten Vor- und Nacherbschaft gehabt und die Notwendigkeit gesehen hat, insbesondere die von ihr gewünschte Einstimmigkeit ergänzend festzulegen. Denn das vor einem Notar errichtete gemeinschaftliche Testament der Erblasserin und ihres Ehemannes enthält eine vergleichbare Erbfolgeregelung und die Erblasserin war bereits seit vielen Jahren (befreite) Vorerbin nach ihrem Ehemann.

(4) Das Auslegungsergebnis wird schließlich weder durch die Angaben der vernommenen Zeugen noch das Testament der Schwägerin in Zweifel gezogen.

(a) (aa) Der Zeuge … hat die Erblasserin als eine bodenständige Frau beschrieben, die auf die Einheit der Familie bedacht gewesen sei. Die Klägerin und er hätten für ihre Ehe den Güterstand der Gütertrennung vereinbart, da sowohl die Klägerin als auch die Erblasserin ein Interesse an einem Verbleib des Anwesens … im Familienbesitz gehabt hätten. Die Erblasserin habe geäußert, dass dieses Haus der Familienstammsitz bleiben und darüber einheitlich entschieden werden solle. Aus diesem Grund hätten die Klägerin und er Ende der 80er Jahre das Dachgeschoss ausgebaut.

(bb) Der in dem Anwesen aufgewachsene, dort bis zu seinem Wegzug im Jahr 2006 lebende Zeuge hat angegeben, es habe ein richtiger Familienverbund über die eigene Kernfamilie hinaus bestanden. Beispielsweise habe die Erblasserin für alle Enkel nach der Schule gekocht und es habe bei ihr ein sonntägliches Essen der Familie gegeben. Er denke schon, dass das Haus in der … ebenso wie das Haus in der … für die Erblasserin eine Art Familienstammsitz gewesen und es ihr wichtig gewesen sei, dass die Dinge in der Familie liegen. Als er sich entschlossen habe, aus der auszuziehen, habe die Erblasserin ihm erklärt, dass er jederzeit in die Wohnung zurückkommen könne. Bei der Feier zu seinem 30. Geburtstag habe die Erblasserin zum Ausdruck gebracht, dass die Enkelkinder über dieses Haus nur gemeinsam würden verfügen können.

(cc) Das Testament der Schwägerin … vom 20.02.1978 (Anl. B5, AH Bekl. I) hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

„Testament

Ich setze hiermit die Töchter meines

verstorbenen Bruders

als meine Erben ein.

Nach deren Ableben bestimme ich die Kinder meiner Nichten, da ich will, daß ganze Erbe in Familienbesitz bleibt und nicht veräußert wird (…)“.

Der Zeuge … berichtete hierzu, er sei an dem Verkauf eines zum Nachlass der Schwägerin … gehörenden Grundstücks als familiengerichtlich bestellter Vormund für noch ungeborene Erben bzw. möglicherweise später adoptierte Kinder beteiligt gewesen. Inwiefern das Testament der Schwägerin von der Erblasserin als Vorlage für ihr eigenes Testament benutzt worden war, vermochte der Zeuge nicht anzugeben. Er erinnerte sich aber, dass die notwendige Einschaltung des Vormundschaftsgerichts den Verkauf aus seiner Sicht erschwerte, worüber er mit der Erblasserin gesprochen und ihr gesagt habe, dass in einem Testament ein Verbot des Verkaufs von Grundstücken nicht festgelegt werden solle. Die Erblasserin habe dies verstanden und ihm mitgeteilt, dass sie dies selbst nicht machen wolle.

Darüber hinaus hat der Zeuge … ebenso wie die übrigen Zeugen die Erblasserin als eine Frau beschrieben, der die Familie wichtig gewesen sei. So erinnerte auch er sich, dass die Erblasserin für die Familie gemeinsame Mahlzeiten ausgerichtet habe, zu denen er teilweise eingeladen gewesen sei.

(b) Das Testament der Schwägerin … und die Angaben des Zeugen … stehen der Auslegung der streitigen Verfügung im Sinne eines milden, die Minderheit schützenden Teilungsverbots nicht entgegen. Frau … hat die Veräußerung des Erbes ausnahmslos ausgeschlossen und die von dem Zeugen … geschilderten Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Nachlasses beruhen gerade auf dem vollständigen Veräußerungsverbot. Ein mildes Teilungsverbot ist hiermit nicht vergleichbar, da die Auseinandersetzung des Nachlasses gerade nicht verboten, sondern lediglich durch die Anordnung der Einstimmigkeit erschwert wird. Auch im Übrigen sind die Angaben der Zeugen … mit dem Ergebnis der Auslegung in Einklang zu bringen, wobei es für den Senat in einer Gesamtschau aller Umstände nicht mehr entscheidend darauf ankommt, inwiefern die Erblasserin das Anwesen I… als Familienstammsitz angesehen oder den Wunsch nach einem einheitlichen Handeln tatsächlich gegenüber einzelnen Familienmitgliedern zum Ausdruck gebracht hat.

d) Der Antrag des Beklagten, das Anwesen … zum Zweck der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu versteigern, widerspricht dem von der Erblasserin angeordneten, milden Teilungsverbot. Er bedeutet zwar keinen Verkauf im Sinne einer rechtsgeschäftlichen Verfügung über das Grundstück, stellt jedoch die einzige für die Versteigerung erforderliche Rechtshandlung dar. Würde dem Antrag stattgegeben, würde das Versteigerungsverfahren ohne weiteres Zutun zum Zuschlag an den Meistbietenden und damit zum Verlust des Eigentums der Miterben an dem Grundstück führen, zu dem es nach der Bestimmung der Erblasserin gerade nur im Einvernehmen mit den Miterben kommen soll. Es ist daher gerechtfertigt, den Versteigerungsantrag eines Miterben, hier des Beklagten, im Rahmen der Zwangsversteigerung einer Verfügung über das Grundstück gleichzusetzen (vgl. BGHZ 181, 127), die nach dem Inhalt des Testaments mangels Einstimmigkeit nicht möglich ist.

e) Die dem Testament widersprechende Versteigerung ist auch nicht ausnahmsweise aus besonderen Gründen statthaft. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 2044 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 749 Abs. 2 Satz 1 BGB ist von dem insofern darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten weder dargetan noch sonst ersichtlich.

aa) In der Rechtsprechung wird die von einer Teilungsanordnung abweichende Veräußerung eines Nachlassgegenstands auch gegen den Willen eines begünstigten Erben nach Treu und Glauben zugelassen, wenn von dem Nachlass schwerer Schaden abgewendet werden muss. Dies ist etwa denkbar, wenn die Teilungsversteigerung der einzige Weg ist, um eine Nachlassinsolvenz abzuwenden und der begünstigte Erbe keinen vernünftigen Grund für eine Schonung eines ihm zugewandten Grundstücks anführen kann, wobei darlegungs- und beweispflichtig der die Versteigerung betreibende Erbe ist (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 04.02.2014 – 12 U 144/13).

bb) Einen derartigen Ausnahmefall hat der Beklagte nicht vorgetragen. Dass die Erbengemeinschaft seit Jahren zerstritten ist, rechtfertigt es nicht, sich zu Lasten der Klägerin über die Anordnungen der Erblasserin hinwegzusetzen.

3. Die Teilungsversteigerung ist mithin für unzulässig zu erklären, ohne dass es auf die weitere zwischen den Parteien streitige Frage einer der Zwangsversteigerung ggf. entgegenstehenden Testamentsvollstreckung ankommt. Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Erblasserin die Testamentsvollstreckung nach zutreffender Auslegung auf die im Testament benannten Personen beschränkt hat mit der Folge, dass die Testamentsvollstreckung mit der Entlassung von Herrn E2. L. beendet war und einer Teilungsversteigerung nicht entgegenstehen würde. Im Übrigen wäre die Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht auch nicht sachdienlich. Insofern wird auf die den Parteien zusammen mit diesem Urteil bekanntgegebene Entscheidung des Senats in dem Beschwerdeverfahren 11 W 81/20 (Wx) Bezug genommen.

Die nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze wurden vom Senat berücksichtigt; sie geben keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen (§ 156 ZPO).

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO) sind nicht erfüllt.

 

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