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Testamentsauslegung bei bedingter Erbeinsetzung: Gesetzliche Erbfolge?

Ein handschriftliches Testament existierte nur als Fotokopie, und die Erbeinsetzung war an die unscharfe Bedingung eines gemeinsamen Unglücks geknüpft. Trotz des klaren Wortlauts mussten die Richter entscheiden, ob die Bedingung tatsächlich zur Unwirksamkeit der gesamten letztwilligen Verfügung führte.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 33 Wx 25/25 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht München
  • Datum: 08.10.2025
  • Aktenzeichen: 33 Wx 25/25 e
  • Verfahren: Beschwerdeverfahren im Erbrecht
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Testamentsauslegung, Beweisrecht

  • Das Problem: Nach dem Tod der unverheirateten Erblasserin stritten sich der Nachlasspfleger ihres verstorbenen Bruders und eine Freundin um das Erbe. Die Freundin legte nur die Kopie eines Testaments vor, das sie als Alleinerbin benannte.
  • Die Rechtsfrage: Kann eine Kopie das Original-Testament beweisen? Und war die Erbeinsetzung der Freundin nur gültig, wenn die Erblasserin und ihr Bruder gemeinsam auf einer Reise starben?
  • Die Antwort: Ja, die Kopie reichte wegen Zeugenaussagen und Fotos als Nachweis für die ursprüngliche Errichtung aus. Das Gericht legte die Formulierung des Testaments jedoch als echte Bedingung aus. Da die Bedingung (Tod auf Reisen) nicht eingetreten war, erbte der Bruder die Erblasserin nach gesetzlicher Erbfolge.
  • Die Bedeutung: Das Urteil bestätigt, dass nicht auffindbare Testamente durch starke Indizien nachgewiesen werden können. Es stellt aber klar, dass Formulierungen wie „Sollte etwas passieren“ häufig als echte Bedingung und nicht nur als Anlass für das Testament gewertet werden.

Kann eine Testamentskopie ein Original ersetzen – und was, wenn das Erbe an eine Reise geknüpft ist?

Ein Testament taucht auf, doch es ist nur eine Kopie. Das Original bleibt unauffindbar. Zusätzlich ist die entscheidende Anweisung an eine Bedingung geknüpft: Das Erbe soll nur fließen, falls der Erblasserin und ihrem Bruder „auf den Reisen etwas passiert“. Doch was bedeutet das genau? In einem Beschluss vom 08. Oktober 2025 musste das Oberlandesgericht München (Az. 33 Wx 25/25 e) zwei fundamentale Fragen des Erbrechts klären: Wie beweist man die Gültigkeit eines Testaments ohne Original? Und wann ist eine Formulierung nur der Anlass für ein Testament – und wann eine knallharte Bedingung, von der alles abhängt?

Was genau war passiert?

Die Geschichte beginnt mit einer Familie ohne direkte Nachkommen. Eine 1936 geborene Frau verstarb im Jahr 2019, sie war ledig und kinderlos. Ihr einziger naher Verwandter war ihr neun Jahre jüngerer Bruder. Nach dem Tod seiner Schwester nahm er die Erbschaft an, verstarb jedoch nur ein Jahr später ebenfalls ledig und kinderlos. Für seinen Nachlass wurde ein Nachlasspfleger bestellt, dessen Aufgabe es war, die Erben zu ermitteln und das Vermögen zu sichern.

Der Fall nahm eine unerwartete Wendung, als Anfang 2022 eine Frau dem Nachlassgericht die Kopie eines handschriftlichen Testaments der Verstorbenen vorlegte. Das Schriftstück war auf den 12. November 2007 datiert und trug die Unterschrift der Erblasserin. Der Inhalt war kurz und prägnant:

„Mein letzter Wille. Sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren, ist Frau [Name der Frau] meine Alleinerbin. München, den 12.11.07“

Ein Zeigefinger deutet präzise auf die kritische Klausel der scharfen Fotografie eines zerknitterten Testaments auf dem Smartphone-Display.
OLG München prüft Gültigkeit einer Testamentskopie und Auslegung ungewöhnlicher Reisebedingung. | Symbolbild: KI

Die Frau, die die Kopie vorlegte, behauptete, sie habe das Original bereits 2020 an das Gericht geschickt. In den Akten war davon jedoch keine Spur zu finden. Nun standen sich zwei Parteien gegenüber: Der Nachlasspfleger des Bruders, der von der gesetzlichen Erbfolge ausging und einen Erbschein für den Bruder als Alleinerben beantragte. Und die im Testament benannte Frau, die sich als rechtmäßige Alleinerbin sah. Das erstinstanzliche Amtsgericht München wies den Antrag des Nachlasspflegers ab, woraufhin dieser Beschwerde beim Oberlandesgericht einlegte.

Welche juristischen Hürden mussten die Richter überwinden?

Das OLG München stand vor einem Dilemma, das sich in zwei zentrale juristische Probleme aufteilte. Beide mussten gelöst werden, um den wahren letzten Willen der Verstorbenen zu ermitteln.

Die erste Hürde war die Form. Ein privatschriftliches Testament ist nur dann gültig, wenn es vom Erblasser vollständig von Hand geschrieben und unterschrieben wurde, so will es § 2247 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Eine bloße Kopie erfüllt diese strengen Anforderungen naturgemäß nicht. Die Richter mussten also klären, ob diese Kopie, zusammen mit anderen Beweismitteln, ausreichen kann, um mit der für das Gericht notwendigen Sicherheit nachzuweisen, dass ein formgültiges Original tatsächlich existiert hat.

Die zweite Hürde war der Inhalt. Selbst wenn man von der Existenz eines gültigen Testaments ausging, blieb die entscheidende Frage seiner Auslegung. Die Formulierung „Sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren“ konnte auf zwei Arten verstanden werden:

  1. Als echte Bedingung: Die Einsetzung der Frau als Erbin sollte nur und ausschließlich für den Fall gelten, dass die Schwester und ihr Bruder gemeinsam oder kurz nacheinander auf einer Reise ums Leben kommen. Da dies nicht geschah, wäre die Bedingung nicht eingetreten und das Testament für den tatsächlichen Todesfall wirkungslos. Dann würde die gesetzliche Erbfolge greifen, und der Bruder wäre Alleinerbe.
  2. Als bloße Motivaussage: Die anstehenden Reisen waren lediglich der Anlass oder der Beweggrund für die Erblasserin, ihren letzten Willen niederzuschreiben. Die Erbeinsetzung sollte aber generell und unabhängig vom Schicksal auf den Reisen gelten. In diesem Fall wäre die im Testament benannte Frau die Alleinerbin.

Hinzu kam die Frage des Widerrufs. Nach § 2255 BGB gilt ein Testament als widerrufen, wenn der Erblasser es in der Absicht, es aufzuheben, vernichtet. Da das Original unauffindbar war, musste das Gericht auch prüfen, ob die Erblasserin es vielleicht selbst zerstört und damit ihren Willen geändert hatte.

Warum entschied das OLG München zugunsten der gesetzlichen Erbfolge?

Der Senat analysierte die beiden Hauptprobleme – Form und Auslegung – akribisch und kam zu einem klaren Ergebnis, das die Entscheidung der Vorinstanz aufhob. Die Argumentation der Richter folgte einer stringenten Logik, die sich in drei Schritten nachvollziehen lässt.

Die Testamentskopie: Ein gültiger Beweis trotz fehlendem Original?

Zunächst widmete sich das Gericht der Frage, ob die vorgelegte Kopie als Nachweis für ein formgültig errichtetes Testament ausreicht. Die Richter stellten klar, dass an einen solchen Beweis strenge Anforderungen zu stellen sind. Eine Kopie allein genügt nicht. Es bedarf weiterer Indizien, die das Gericht in freier Beweiswürdigung davon überzeugen, dass ein Original existierte.

Im vorliegenden Fall sah der Senat diese Anforderungen als erfüllt an. Mehrere Beweismittel stützten die Annahme:

  • Die Zeugenaussagen: Vier Zeugen wurden vernommen. Zwei von ihnen gaben glaubhaft an, das Originaltestament mit eigenen Augen gesehen zu haben. Ihre Aussagen waren für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig.
  • Die Fotografie: Auf dem Mobiltelefon der als Erbin benannten Frau befand sich ein Foto des Testaments. Dieses Bild zeigte das Papier mit Knicken und Löchern, was ihre Darstellung untermauerte, sie habe das Originaldokument tatsächlich in Händen gehalten.
  • Die Unbestrittenheit der Handschrift: Niemand im Verfahren hatte bezweifelt, dass die Handschrift auf der Kopie tatsächlich die der Erblasserin war.

Diese Indizienkette reichte dem Gericht aus, um mit der erforderlichen Gewissheit festzustellen: Ja, die Erblasserin hatte am 12. November 2007 ein eigenhändiges und formgültiges Testament errichtet.

Widerrufen oder nur verschwunden? Die Frage der Vernichtung

Damit war der Weg frei für die nächste Prüfung: Wurde dieses Testament später von der Erblasserin widerrufen, indem sie es vernichtete (§ 2255 BGB)? Die bloße Unauffindbarkeit des Originals begründet noch keine Vermutung für einen Widerruf. Die Partei, die sich auf den Widerruf beruft, muss diesen beweisen. Das Gericht muss die positive Überzeugung gewinnen, dass das Testament in Widerrufsabsicht vernichtet wurde.

Auch hier reichte die Beweislage für eine solche Überzeugung nicht aus. Die Darstellung der im Testament bedachten Frau, sie habe das Original an das Nachlassgericht geschickt, erschien dem Senat zumindest plausibel. Es war daher ebenso gut möglich, dass das Dokument auf dem Postweg verloren gegangen war. Da ein Widerruf nicht mit der nötigen Sicherheit nachgewiesen werden konnte, ging das Gericht davon aus, dass das Testament bis zum Tod der Erblasserin gültig geblieben war.

Der springende Punkt: War die Erbeinsetzung an eine echte Bedingung geknüpft?

Nun kam das Gericht zum Kern des Falles: der Auslegung der entscheidenden Klausel. Um den wahren Willen der Erblasserin zu ermitteln, betrachteten die Richter die gesamten Lebensumstände zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung im Jahr 2007:

  • Die Erblasserin war damals 71 Jahre alt, unverheiratet und kinderlos.
  • Ihr einziger enger Verwandter war ihr neun Jahre jüngerer Bruder, der sie umsorgte und sogar eine Bankvollmacht besaß.

Vor diesem Hintergrund erschien es dem Gericht absolut lebensnah, dass die Erblasserin im Normalfall davon ausging, von ihrem jüngeren Bruder beerbt zu werden. Die gesetzliche Erbfolge war für sie der erwartbare und vermutlich auch gewünschte Regelfall.

Die Formulierung „Sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren“ deutete nach Ansicht des Gerichts darauf hin, dass die Erblasserin eine Vorsorge für einen ganz bestimmten Sonderfall treffen wollte: das Szenario eines gemeinsamen Unglücks, bei dem auch ihr Bruder als gesetzlicher Erbe ausfallen würde. Es ging ihr nicht primär um ihr eigenes Ableben, sondern um den unwahrscheinlichen, aber katastrophalen Fall, dass die familiäre Erbfolge durch ein gemeinsames Schicksal unterbrochen wird.

Das Gericht folgerte daraus, dass es sich um eine echte Bedingung handelte. Die Erbeinsetzung der Frau war ausschließlich an das Eintreten dieses spezifischen Ereignisses geknüpft. Da die Erblasserin und ihr Bruder nicht auf einer gemeinsamen Reise verstarben, trat diese Bedingung nie ein. Die testamentarische Anordnung wurde somit niemals wirksam. Folglich griff die gesetzliche Erbfolge. Der alleinige gesetzliche Erbe war zum Zeitpunkt ihres Todes ihr Bruder. Sein Nachlasspfleger hatte daher zu Recht den Erbschein für ihn beantragt.

Was bedeutet dieses Urteil für Ihre eigene Nachlassplanung?

Die Entscheidung des OLG München ist eine wertvolle Lektion für jeden, der ein Testament verfasst oder mit einem unklaren letzten Willen konfrontiert ist. Sie zeigt, wie schnell Unklarheiten zu langwierigen und teuren Rechtsstreitigkeiten führen können. Die folgenden Punkte helfen Ihnen, solche Fallstricke zu vermeiden.

Checkliste: So vermeiden Sie Unklarheiten bei Ihrem Testament

  • Sichere Verwahrung des Originals: Der sicherste Weg ist die amtliche Verwahrung beim Nachlassgericht oder die Hinterlegung bei einem Notar. So ist garantiert, dass Ihr letzter Wille gefunden und nicht in Zweifel gezogen wird. Eine Kopie im Safe ist eine gute Ergänzung, sollte aber nie das Original ersetzen.
  • Formulieren Sie unmissverständlich: Vermeiden Sie unbedingt Formulierungen, die als Bedingung missverstanden werden könnten. Wenn Sie eine Person als Erben einsetzen wollen, schreiben Sie es direkt und ohne Umschweife.
    • Schlecht: „Weil ich bald eine große Operation habe, soll mein Freund Max mein Erbe sein.“
    • Gut: „Ich setze meinen Freund Max zu meinem Alleinerben ein.“
  • Unterscheiden Sie klar zwischen Motiv und Bedingung: Wenn Sie den Anlass für Ihr Testament erwähnen möchten, trennen Sie dies sprachlich klar von der eigentlichen Erbeinsetzung.
    • Beispiel: „Ich mache mir anlässlich meiner bevorstehenden Weltreise Gedanken über meinen Nachlass. Unabhängig vom Ausgang dieser Reise bestimme ich hiermit Folgendes: Mein Alleinerbe ist…“
  • Regelmäßig überprüfen und anpassen: Lebensumstände ändern sich. Ein Testament aus dem Jahr 2007 spiegelte möglicherweise nicht mehr den Willen der Erblasserin im Jahr 2019 wider. Überprüfen Sie Ihren letzten Willen alle paar Jahre und passen Sie ihn bei Bedarf an neue Gegebenheiten an (z.B. Geburt von Enkeln, Scheidung, neue Partnerschaften).
  • Bedenken Sie den „Normalfall“: Das Gericht hat den Willen der Erblasserin so ausgelegt, wie er im Kontext ihrer Lebenssituation am plausibelsten erschien. Stellen Sie sicher, dass Ihr Testament den von Ihnen gewünschten „Normalfall“ klar regelt und eventuelle Ausnahmen als solche eindeutig kennzeichnet.

Die Urteilslogik

Die Auslegung einer mehrdeutigen Formulierung entscheidet darüber, ob ein letzter Wille überhaupt wirksam wird oder die gesetzliche Erbfolge greift.

  • Beweiskraft der Testamentskopie: Fehlt das Original eines eigenhändigen Testaments, muss die Partei, die sich auf die Verfügung beruft, dessen formgültige Errichtung durch eine lückenlose Indizienkette, insbesondere durch Zeugenaussagen oder physische Belege wie Fotos, nachweisen.
  • Beweislast beim Widerruf: Die bloße Unauffindbarkeit eines Testaments begründet keine automatische Vermutung für seinen Widerruf; die Partei, die einen Widerruf geltend macht, muss positiv beweisen, dass der Erblasser das Dokument in Vernichtungsabsicht beseitigt hat.
  • Bedingung verdrängt Motiv: Formuliert ein Erblasser seine Erbeinsetzung an einen spezifischen, unwahrscheinlichen Unglücksfall (Katastrophenfall) geknüpft, interpretieren Gerichte dies als eine echte Bedingung, die nur bei deren Eintritt die ansonsten erwartbare gesetzliche Erbfolge durchbricht.

Ein Testament bleibt unwirksam, wenn seine zentralen Anordnungen an eine Bedingung geknüpft waren, die zum Zeitpunkt des Todes nicht eingetreten ist.


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Experten Kommentar

Viele schreiben ihren letzten Willen, wenn sie gerade in Sorge sind, etwa vor einer Reise oder einer Operation. Das OLG München liefert hier die harte Lehre über den fundamentalen Unterschied zwischen einem bloßen Schreib-Anlass und einer echten, rechtlich bindenden Bedingung. Wer seine Erbeinsetzung an eine Phrase wie „wenn uns etwas passiert“ knüpft, riskiert, dass diese Regelung nur für den absoluten Katastrophenfall gilt. Ist die Katastrophe ausgeblieben, ist das Testament trotz aller Klarheit unwirksam. Im Zweifel greift dann immer die gesetzliche Erbfolge, weil das Gericht den gewünschten „Normalfall“ als Regelfall annimmt.


Das Bild zeigt auf der linken Seite einen großen Text mit "ERBRECHT FAQ Häufig gestellte Fragen" vor einem roten Hintergrund. Auf der rechten Seite sind eine Waage, eine Schriftrolle mit dem Wort "Testament", ein Buch mit der Aufschrift "BGB", eine Taschenuhr und eine Perlenkette zu sehen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Reicht eine Testamentskopie als Beweis aus, wenn das Original unauffindbar ist?

Nein, eine bloße Kopie eines Testaments reicht vor Gericht nicht als Beweis aus, da sie die strengen Formvorschriften des § 2247 BGB nicht erfüllt. Das Nachlassgericht muss die zweifelsfreie Existenz eines formgültig errichteten Originals feststellen. Die Kopie dient dabei lediglich als zentrales Indiz, das durch eine Kette externer Beweismittel gestützt werden muss.

An den Nachweis eines verschwundenen Testaments stellt die Rechtsprechung besonders strenge Anforderungen. Der Erbe muss beweisen, dass das Schriftstück vom Erblasser eigenhändig verfasst und unterschrieben wurde und bis zu dessen Tod gültig blieb. Wer sich allein auf die Echtheit der Handschrift auf der Kopie verlässt, begeht einen teuren Fehler. Ohne glaubhafte, externe Bestätigung durch Zeugen, die das physische Dokument gesehen haben, gilt das Testament als nicht nachweisbar errichtet.

Als Beweismittel dient eine sogenannte Indizienkette. Sie benötigen Zeugen, die das physische Original tatsächlich mit eigenen Augen gesehen haben, und deren Aussagen das Gericht überzeugen. Das Oberlandesgericht München akzeptierte in einem Fall Zeugenaussagen in Kombination mit einem Foto des Dokuments. Dieses Bild zeigte physische Merkmale wie Knicke oder Löcher, welche die tatsächliche Existenz des Originaldokuments untermauerten.

Sichern Sie sofort alle digitalen Kopien und protokollieren Sie umgehend alle Zeugen (Name, Kontakt, Datum), die das Originaldokument bestätigt haben.


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Wie kann ich die Gültigkeit eines handschriftlichen Testaments ohne Original beweisen?

Ohne das Originaldokument muss das Gericht durch eine Indizienkette eine positive Überzeugung von der formgültigen Errichtung des Testaments gewinnen. Sie müssen dabei nicht nur den Inhalt der Kopie bestätigen, sondern vor allem die tatsächliche physische Existenz des eigenhändig verfassten Originals nachweisen. Das Nachlassgericht legt an diesen Beweis strenge Maßstäbe an und benötigt mehr als nur eine einfache Kopie.

Der wichtigste Schritt ist der Zeugenbeweis. Ermitteln Sie Personen, die das Originaltestament mit eigenen Augen gesehen und dessen eigenhändige Errichtung durch den Erblasser bezeugen können. Es reicht nicht aus, wenn Zeugen nur vom Hörensagen wissen, dass ein Testament existierte. Das Gericht stützt sich nur auf glaubhafte Aussagen, welche die formelle Einhaltung des § 2247 BGB bestätigen und die Existenz des physischen Schriftstücks belegen.

Ergänzend müssen Sie materielle Beweise vorlegen, welche die Glaubhaftigkeit der Kopie erhöhen. Dazu dienen Fotos oder Scans des Originals, die physische Merkmale wie Knicke, Löcher oder spezifische Beschädigungen auf dem Papier zeigen. Im OLG-Fall belegte ein solches Foto, dass das Dokument tatsächlich physisch existierte und nicht nur ein Entwurf war. Zudem liefert die unangefochtene Echtheit der Handschrift auf der Kopie ein starkes Indiz für die formelle Gültigkeit.

Sichern Sie umgehend alle digitalen Kopien und Fotos des Originals und erstellen Sie einen Zeitstempel-Nachweis, der belegt, wann Sie das Dokument in Händen hielten.


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Wann gilt eine Formulierung im Testament als bindende Bedingung und nicht nur als Motiv?

Die Unterscheidung zwischen einer bindenden Bedingung und einem bloßen Anlass (Motiv) hängt vom rekonstruierten Gesamtwillen des Erblassers ab. Eine Formulierung wird zur bindenden Bedingung, wenn sie primär einen unwahrscheinlichen Sonderfall regeln soll, nicht aber den normalen Todesfall. Die Erbeinsetzung wird dann nur wirksam, wenn dieses spezifische, ungewöhnliche Szenario tatsächlich eintritt. Gerichte prüfen, ob die Klausel die gesetzliche Erbfolge nur für diesen Ausnahmefall unterbrechen sollte.

Um den wahren Willen festzustellen, untersuchen Gerichte die gesamten persönlichen Lebensumstände zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Entscheidend ist, wie das Verhältnis zu den gesetzlichen Erben gestaltet war und welche Vorsorge die Erblasserin für den Regelfall getroffen hatte. Wenn die Testiererin davon ausging, dass die gesetzliche Erbfolge ohnehin den gewünschten Normalfall abdeckt, spricht dies gegen eine generelle Erbeinsetzung. Die Klausel gilt in solchen Fällen oft lediglich als Beweggrund oder Motiv für die Niederschrift.

Ein Beispiel lieferte das Oberlandesgericht München in einem Fall, bei dem die Erblasserin schrieb: „Sollte mir und meinem Bruder etwas passieren.“ Das Gericht deutete diese Formulierung als klare Bedingung für den gemeinsamen Ausfall beider Geschwister während einer Reise. Da nur die Erblasserin starb und der Bruder sie gesetzlich beerbte, war der Sonderfall nie eingetreten. Das Testament war somit für den Normalfall des Ablebens nicht wirksam, weshalb die gesetzliche Erbfolge griff.

Prüfen Sie alle „Sollte…“ oder „Falls…“ Klauseln in Ihrem Testament kritisch, um sicherzustellen, dass sie nicht versehentlich den gewünschten Normalfall unzureichend regeln.


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Wann wird ein unauffindbares Testament juristisch als vom Erblasser widerrufen betrachtet?

Die bloße Unauffindbarkeit eines Testaments führt nicht automatisch zu seiner Ungültigkeit. Gerichte nehmen in einem solchen Fall nicht an, dass der Erblasser seinen letzten Willen widerrufen hat. Die Beweislast liegt vielmehr bei der Partei, die behauptet, der Erblasser habe das unauffindbare Testament in Aufhebungsabsicht vernichtet. Der Widerruf wird nur dann angenommen, wenn diese Vernichtungsabsicht positiv nachgewiesen werden kann.

Gemäß § 2255 BGB gilt ein unauffindbares Testament nur als widerrufen, wenn der Erblasser es in der eindeutigen Absicht zerstört hat, die Verfügung aufzuheben. Die Gegenpartei muss dem Gericht die positive Überzeugung vermitteln, dass das Original bewusst vernichtet wurde. Können Sie alternative, plausible Erklärungen für das Fehlen vorbringen, entkräften Sie damit die Widerrufsvermutung. Ein Beispiel: Wenn Sie belegen können, dass der Erblasser das Original vor seinem Tod versendet hat, aber es auf dem Verlust auf dem Postweg verschwunden ist, liegt kein wirksamer Widerruf vor.

Selbst wenn das Original verschwunden bleibt, ist das testamentarische Dokument weiterhin gültig, sofern seine ursprüngliche Existenz bewiesen werden konnte und der Nachweis der Vernichtungsabsicht fehlt. Fehlt der Nachweis der Widerrufsabsicht des Erblassers, geht das Gericht davon aus, dass das Testament bis zu seinem Tod wirksam blieb. Fehlen allerdings jegliche Spuren des Originals und können Sie keine plausible Alternativerklärung für das Verschwinden liefern, steigt das Risiko, dass das Gericht von einer bewussten Zerstörung ausgeht.

Dokumentieren Sie sofort alle Kommunikationswege (Postbelege, E-Mails mit Notaren oder Gerichten) der letzten Lebensjahre des Erblassers, um einen möglichen unbeabsichtigten Verlust des Originals belegen zu können.


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Wie formuliere ich mein Testament, um Unklarheiten und Rechtsstreitigkeiten über Bedingungen zu vermeiden?

Die oberste Priorität ist die strikte Trennung zwischen dem Anlass (Motiv) und der eigentlichen Erbeinsetzung. Juristische Streitigkeiten entstehen, wenn Richter nachträglich entscheiden müssen, ob eine Formulierung nur ein Grund oder eine bindende Bedingung war. Formulieren Sie die Erbeinsetzung deshalb immer bedingungslos und direkt, um Interpretationsspielräume zu eliminieren und maximale Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Vermeiden Sie kausale Konjunktionen wie „Weil“, „Da“ oder „Sollte mir etwas passieren“ direkt vor der testamentarischen Anordnung. Solche Worte deuten darauf hin, dass die Erbeinsetzung nur unter einer bestimmten Voraussetzung gelten soll. Schreiben Sie stattdessen direkt: „Ich setze meinen Freund Max zu meinem Alleinerben ein.“ Falls Sie den Anlass für Ihre Entscheidung dennoch erwähnen müssen, nutzen Sie eine juristisch klare Motiv-Trennungsformel. Fügen Sie beispielsweise den Satz „Unabhängig vom Ausgang dieser Überlegung bestimme ich hiermit Folgendes:“ vor der eigentlichen Verfügung ein.

Der häufigste Fehler liegt darin, den gewünschten „Normalfall“ nicht eindeutig zu regeln. Wenn Sie ein Testament nur wegen einer bevorstehenden Operation verfassen, könnte das Gericht später interpretieren, dass die Einsetzung nur für den Fall galt, dass Sie bei dieser Operation sterben. Tritt dieser spezifische Fall nicht ein, bleibt das Testament oft wirkungslos. Eine weitere essenzielle Maßnahme gegen Unklarheiten ist die amtliche Verwahrung des Originals beim Nachlassgericht oder Notar, was die Formgültigkeit und Unauffindbarkeit ausschließt.

Überprüfen Sie Ihr bestehendes Testament sofort auf alle Formulierungen, die mit „Weil“ oder „Für den Fall“ beginnen, und ersetzen Sie diese durch eine klare, bedingungslose Anordnung.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Auslegung des Testaments

Auslegung des Testaments ist der juristische Prozess, bei dem Gerichte den wahren Willen des Erblassers hinter unklaren oder mehrdeutigen Formulierungen ermitteln müssen. Dieser Vorgang ist notwendig, weil der letzte Wille nur dann zur Geltung kommen kann, wenn seine inhaltliche Bedeutung zweifelsfrei feststeht, wodurch die richterliche Entscheidungsfindung erst ermöglicht wird.

Beispiel:
Das OLG München musste im vorliegenden Erbrechtsstreit klären, ob die Klausel bezüglich der Reisen eine echte Bedingung oder lediglich eine Motivaussage darstellte, um die korrekte Auslegung des Testaments festzustellen.

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Eigenhändiges Testament

Ein eigenhändiges Testament erfüllt die strengen Formvorschriften des § 2247 BGB und ist nur gültig, wenn der Erblasser es von Anfang bis Ende vollständig handschriftlich verfasst und unterschrieben hat. Das Gesetz verfolgt damit das Ziel, Fälschungen zu verhindern und die Echtheit sowie die Ernsthaftigkeit des letzten Willens durch die persönliche Handschrift zu garantieren.

Beispiel:
Obwohl im Fall des OLG München nur eine Kopie vorlag, konnten die Richter dank der schlüssigen Zeugenaussagen die Existenz eines formgültigen eigenhändigen Testaments aus dem Jahr 2007 bejahen.

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Freie Beweiswürdigung

Bei der freien Beweiswürdigung handelt es sich um das Recht und die Pflicht des Gerichts, aufgrund der gesamten Verhandlung und aller vorgelegten Beweise nach seiner eigenen Überzeugung zu entscheiden, ob eine behauptete Tatsache als wahr oder unwahr gilt. Dieses Prinzip ermöglicht es den Richtern, nicht nur starren Regeln zu folgen, sondern die Plausibilität und Glaubwürdigkeit von Zeugen und Indizien flexibel zu bewerten.

Beispiel:
Das Oberlandesgericht nutzte die freie Beweiswürdigung, um aus der Kombination von Fotografie und Zeugenaussagen die Gewissheit über die tatsächliche Existenz des verschwundenen Originaldokuments zu gewinnen.

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Indizienkette

Juristen sprechen von einer Indizienkette, wenn mehrere einzelne, für sich genommene Hinweiszeichen oder Umstände in ihrer Gesamtheit einen indirekten, aber schlüssigen Beweis für eine Tatsache erbringen, die nicht direkt belegt werden kann. Diese Methode wird angewandt, um dem Gericht die notwendige Gewissheit zu verschaffen, wenn beispielsweise das zentrale Beweismittel, wie das Originaltestament, fehlt.

Beispiel:
Im Erbfall stützte das OLG seine Entscheidung auf eine Indizienkette, die aus den glaubhaften Aussagen von vier Zeugen und einem Foto des geknickten Testaments auf dem Mobiltelefon der angeblichen Erbin bestand.

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Motivaussage

Eine Motivaussage im Testament ist die Beschreibung des persönlichen Beweggrunds des Erblassers, seinen letzten Willen niederzuschreiben, ohne dass die Gültigkeit der eigentlichen Erbeinsetzung davon abhängt. Sie dient lediglich der Erklärung des Anlasses und verhindert im Gegensatz zur bindenden Bedingung nicht die Wirksamkeit der Verfügung im Normalfall.

Beispiel:
Wäre die Formulierung „Sollte mir und meinem Bruder auf den Reisen etwas passieren“ nur eine Motivaussage gewesen, wäre die benannte Frau unabhängig vom tatsächlichen Todesfall der Erblasserin Alleinerbin geworden.

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Nachlasspfleger

Ein Nachlasspfleger ist ein vom Nachlassgericht bestellter amtlicher Vertreter, dessen zentrale Aufgabe es ist, das Vermögen des Verstorbenen zu sichern und die unbekannten Erben zu ermitteln, bis die tatsächlichen Erben feststehen. Diese Maßnahme schützt das Erbe vor Wertminderung und gewährleistet, dass die Rechte der rechtmäßigen Nachfolger gewahrt bleiben, solange die Erbfolge ungeklärt ist.

Beispiel:
Nachdem der gesetzliche Erbe, der Bruder der Erblasserin, ebenfalls verstarb, wurde für seinen Nachlass ein Nachlasspfleger eingesetzt, der im Gerichtsverfahren die gesetzliche Erbfolge durchsetzen wollte.

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Widerrufsabsicht

Die Widerrufsabsicht beschreibt den festen Willen des Erblassers, sein gültiges Testament gemäß § 2255 BGB durch die Vernichtung des physischen Dokuments unwirksam zu machen. Dieses juristische Konzept stellt sicher, dass ein Testament nur dann als aufgehoben gilt, wenn der Erblasser bewusst seine ursprüngliche Verfügung ändern wollte, nicht aber bei einem unbeabsichtigten Verlust.

Beispiel:
Da die Gegenpartei nicht beweisen konnte, dass die Erblasserin das Original in Widerrufsabsicht vernichtet hatte, ging das OLG davon aus, dass das Testament bis zu ihrem Tod gültig geblieben war.

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Das vorliegende Urteil


OLG München – Az.: 33 Wx 25/25 e – Beschluss vom 08.10.2025


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