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Testamentsauslegung – Beschränkung des Erbrechts auf leibliche Abkömmlinge

OLG München – Az.: 8 U 2653/11 – Urteil vom 26.01.2012

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 06.06.2011 aufgehoben.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil ist vorläufig ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1. Der Kläger verlangt von der Beklagten, seiner Nichte, Rückzahlung eines Geldbetrages, den er in Erfüllung eines notariellen Vertrages vom 14.03.2003 an die Beklagte bezahlt hatte. Gegenstand des genannten Vertrages war unter anderem die Übertragung einer Nacherbenanwartschaft der Beklagten auf den Kläger gegen Übertragung eines Bruchteils des Erbteils des Klägers aus der Erbmasse der verstorbenen … auf die Beklagte.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Ergänzend hat der Senat folgende Feststellungen getroffen:

Die Erblasserin … war bei Errichtung des Testaments vom 29.03.1969 anwaltlich beraten.

Der Kläger ist seit der Geburt der … davon ausgegangen, deren leiblicher Vater zu sein. Sicherheit erlangte er insoweit erst im Jahr 2009 im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren in Ungarn und in einem Gespräch mit dem bis dahin als leiblicher Vater geltenden Mann.

2. Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen folgendes ausgeführt:

Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Die auflösende Bedingung im notariellen Vertrag vom 14.03.2003 sei eingetreten. … sei als Abkömmling im Sinne des notariellen Vertrages anzusehen. Die Vertragsparteien hätten erkennbar Bezug genommen auf das Testament der … Bei diesem Testament falle auf, dass die Erblasserin entweder selbst rechtskundig gewesen sei oder rechtskundigen Rat eingeholt habe. An mehreren Stellen des Testaments seien Rechtsbegriffe verwendet worden. Den Formulierungen könne jedoch nicht entnommen werden, dass die Erblasserin nur biologische Abkömmlinge habe bedenken wollen. Denn dann hätte sie dies zum Ausdruck bringen können.

Der Kläger habe … gemäß § 1592 Nr. 2 BGB als Kind anerkannt. Diese Anerkennung löse auch entsprechende erbrechtliche Folgen aus. Abkömmling im Rechtssinne des § 1924 Abs. 1 BGB seien nicht nur Blutsverwandte.

Der Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung stehe auch nicht ein anderweitiges Vaterschaftsverhältnis entgegen. Denn das Urteil des ungarischen Stadtgerichts vom 10.11.2009 habe festgestellt, dass die bis dahin als leiblicher Vater geltende Person nicht der Vater der … sei. Gemäß § 108 Abs. 1 FamFG sei dieses Urteil ohne besonderes Anerkennungsverfahren in Deutschland anzuerkennen. Anerkennungshindernisse lägen nicht vor.

… sei als Abkömmling auch im Sinne des notariellen Vertrages hinzugetreten.

Das Vorgehen des Klägers sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, weil er bis zum Urteil des ungarischen Stadtgerichts eine Kindschaftsstellung der … zu ihm nicht habe durchsetzen können.

3. Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 20.06.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 29.06.2011, eingegangen bei Gericht am 30.06.2011 (Blatt 115 d. A.) Berufung eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 04.08.2011, eingegangen bei Gericht am 05.08.2011 (Blatt 120 ff d. A.) begründet.

Das Landgericht habe bei der Auslegung des Testaments der … gegen die anerkannten Grundsätze der Testamentsauslegung verstoßen, indem es nicht den autonomen und individuellen Willen der Erblasserin erforscht habe. Insbesondere habe sich das Landgericht nicht mit der Rechtslage im Zeitpunkt der Testamentserrichtung auseinander gesetzt. Eine Vaterschaftsanerkennung mit Statuswirkung, wie in § 1592 Nr. 2 BGB vorgesehen und vom Kläger praktiziert, sei nach damaligem Recht nicht möglich gewesen. Die Erblasserin habe deshalb nicht damit rechnen müssen, dass Nacherben allein durch rechtsgeschäftliche Anerkennung und ohne bestehende Blutsverwandtschaft „geschaffen“ werden können.

Bei der Testamentsauslegung habe das Landgericht auch die sich aus dem Testament selbst ergebenden Anknüpfungspunkte für ein gegenteiliges Auslegungsergebnis nicht gewürdigt.

Außerdem hätte das Landgericht bei Annahme des Erfordernisses einer leiblichen Abstammung von der Erblasserin zwingend zum Ergebnis kommen müssen, dass … nicht im Sinne des notariellen Vertrages „hinzugetreten“ ist.

Schließlich habe sich der Kläger treuwidrig verhalten, weil er zwar die Existenz der … offenbart habe, nicht jedoch, dass er von deren leiblicher Abstammung ausgehe.

4. Die Beklagte hat zuletzt beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise auf die Widerklage abändernd,

1. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte € 6.128,50 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Hilfswiderklage in 1. Instanz zu bezahlen sowie

2. den Kläger weiter zu verurteilen, an die Beklagte weitere € 13.885,06 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Berufung zu bezahlen, sowie

3. den Kläger weiter zu verurteilen, die Beklagte von den weiteren Kosten des Rechtsstreit freizustellen, sowie

4. festzustellen, dass der Kläger der Beklagten zum Ersatz aller weiteren durch den mit notarieller Urkunde Nr. 322/2003 vom 14.03.2003 zwischen den Parteien vor dem Notar … in … geschlossenen Vertrag verursachten Kosten verpflichtet ist.

Der Kläger hat beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen, hilfsweise, die Widerklage kostenpflichtig abzuweisen.

5. Der Kläger verteidigt naturgemäß das angegriffene Urteil und hält der Beklagten entgegen, dass auch nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung für die Erbenstellung eines Abkömmlings nicht unbedingt eine leibliche Verwandtschaft zum Erblasser erforderlich war, weil die Erbenstellung des Abkömmlings durch die Blutsverwandtschaft des Erblassers zum vorversterbenden Erben genügt habe. Das Testament sei deshalb dahin auszulegen, dass der Begriff des Abkömmlings im rechtlichen Sinne zu verstehen sei, in weitestgehender Anlehnung an die gesetzliche Erbfolge. Hierfür spreche auch, dass die gesamte testamentarische Regelung vom Leitbild der Gleichbehandlung aller Erben getragen gewesen sei.

Die Beklagte verkenne auch die Bedeutung des in Ungarn ergangenen Urteils. Dort sei unter Beteiligung der Mutter, des damaligen rechtlichen Vaters, des Kindes und des Klägers festgestellt worden, dass der Kläger der biologische Vater von … sei. Die Vaterschaftsanerkennung durch den Kläger wirke inter omnes und führe zur Vaterschaftsvermutung des § 1600 c BGB. Mit Anerkennung der Vaterschaft sei der Kläger rechtlicher und leiblicher Vater von … geworden.

Die von der Beklagten vertretene Auffassung, dass ein bereits existentes biologisches Kind, dessen Verwandtschaft zum Kläger als Abkömmling im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder festgestellt noch anerkannt war, von der vertraglichen Bestimmung des Hinzutretens nicht erfasst sei, sei weder mit den Grundsätzen des deutschen Familienrechts noch mit den Bestimmungen der Erblasserin vereinbar.

Mit dem notariellen Vertrag vom 17.01.2003, Anlage K 3, hätten die Beteiligten auch nicht eheliche Kinder und adoptierte Kinder als Abkömmlinge anerkannt.

Der von der Beklagten erhobene Vorwurf des Verstoßes gegen Treu und Glauben sei ungerechtfertigt. Der Kläger habe, so lange eine sozial-familiäre Beziehung zwischen ihm und … nicht bestand, keine Vaterschaftsanerkennung betreiben können. Im Übrigen begehre der Kläger für sich und seinen Stamm gemäß dem verbliebenen Willen der Erblasserin nur das, was auch den anderen Stämmen zustehe.

6. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll vom 26.01.2012 (Blatt 191/194 d. A.) Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet, denn das Landgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

1. Der Senat teilt die auch in den Berufungsurteilen der Parallelverfahren zum Tragen gekommene Auffassung, wonach die Parteien des Vertrages vom 14.03.2003 (Anlage K 4), insbesondere dort bei Abschnitt B II mit „Abkömmlinge“ nur leibliche Abkömmlinge gemeint haben (vgl. die den Parteien und Parteivertretern bekannten Endurteile in den Verfahren Az.: 21 U 1469/11, 18 U 1179/11, 18 U 1313/11, alle Oberlandesgericht München, und 19 U 54/11, Oberlandesgericht Stuttgart). Maßgeblich hierfür sind folgende Überlegungen:

a) Bereits der Wortlaut der Urkunde vom 14.03.2003 spricht für einen solchen Bedeutungsgehalt. So heißt es in der Urkunde bei Buchstabe A), Ziffer II, 3. „Nach Erklärung des Herrn … ist durch ärztlichen Eingriff gewährleistet, dass er keine Abkömmlinge erzeugen wird. Auch verspricht er den Beteiligten zu 2) bis 8) ehrenwörtlich, keine minderjährigen Kinder zu adoptieren.“

Der erste Satz dieses Abschnitts ist kaum anders zu verstehen, als dass mit „Abkömmlinge“ nur leibliche (also biologische) Abkömmlinge gemeint sind. Dies folgt bereits aus der Wahl des Wortes „erzeugen“, was deutlich auf die Herbeiführung einer biologischen Abstammung hindeutet. Dieses Verständnis wird bestätigt durch eine Zusammenschau mit Satz 2 dieses Abschnitts. Denn in diesem Satz geht es um die Herbeiführung einer – nur – rechtlichen Verwandtschaft, also eines rechtlichen Abkömmlings. Dies stellt ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass in Satz 1 nicht der rechtliche, sondern der biologische Abkömmling gemeint ist.

b) Hinzu kommt die Verknüpfung der genannten Urkunde vom 14.03.2003 mit derjenigen vom 17.01.2003 (Anlage K 3). Die zuletzt genannte Urkunde ist ausweislich A), Ziffer I des Vertrages vom 14.03.2003 Grundlage der genannten vertraglichen Vereinbarung und wird dort als Vorurkunde bezeichnet. In der Vorurkunde selbst ist unter Ziffer II c) cc) folgendes ausgeführt: „Die Beteiligten stellen klar, dass sie sich nicht darüber einig sind, ob zum Kreis der Nacherben im Sinne der Auslegung des Testaments auch minderjährige adoptierte Kinder gehören.“ Diese Uneinigkeit erklärt zwanglos, warum der Kläger in dem Vertrag vom 14.03.2003 den Beteiligten zu 2) bis 8) ehrenwörtlich versprach, keine minderjährigen Kinder zu adoptieren. Da der Kläger versprach, keine minderjährigen Kinder zu adoptieren, kann die Rückabwicklungsklausel in Ziffer II des Vertrags vom 14.03.2003 „wenn Abkömmlinge des Herrn … hinzutreten“ nur so verstanden werden, dass damit leibliche Kinder gemeint sind. Denn für den Fall einer Adoption, die der Kläger ausschloss, brauchte keine Vorsorge getroffen zu werden. Es sind keinerlei Gesichtspunkte ersichtlich, warum die Vertragsparteien andere Fälle der Schaffung eines rechtlichen Abkömmlings nicht ebenso behandeln wollten wie denjenigen der Adoption.

c) Schließlich ist, worüber die Parteien einig sind, zur Auslegung des streitgegenständlichen Vertrags das Testament heranzuziehen. Denn aus der Vorurkunde, die ihrerseits Grundlage des streitgegenständlichen Vertrags ist, wird ersichtlich, dass die Vertragsparteien sich in ihrem Verständnis des Begriffs „Abkömmling“ als Grundlage ihrer vertraglichen Vereinbarungen am Verständnis der Erblasserin im Testament orientieren wollten. Die Auslegung des Testaments ergibt, dass die Erblasserin mit dem Begriff „Abkömmlinge“ nur leibliche Abkömmlinge gemeint hat.

aa. Im Testament heißt es unter anderem „falls ein Erbe kinderlos bleibt“. Diese Wortwahl spricht dafür, dass die Erblasserin mit „Abkömmling“ nur einen leiblichen Abkömmling gemeint hat. Die Erblasserin hat hier offensichtlich einen nicht den erbrechtlichen Gesetzen entstammenden Begriff gewählt, dessen Bedeutungsgehalt sich auch heute noch weitgehend darin erschöpft, dass jemand keine leiblichen Kinder hat.

bb. Auch der im Testament nachfolgende Satz spricht für dieses Auslegungsergebnis. Dieser Satz hat folgenden Wortlaut: „Jedenfalls sollen Erben, Nacherben und Ersatzerben meines Nachlasses stets nur die Abkömmlinge meiner Tochter … sein.“ Damit hat die – anwaltlich beratene – Erblasserin zu erkennen gegeben, dass ihr bewusst war, dass es Personen geben konnte, die trotz der unzweifelhaften Abstammung des Klägers und seiner Brüder von der Tochter der Erblasserin zwar Abkömmlinge der Vorerben, nicht aber der Tochter wären. Bei einem anderen Verständnis wäre der Satz nicht erforderlich gewesen, enthielte jedenfalls nicht die nach seinem Wortlaut („jedenfalls“) bezweckte Klarstellung.

Denn wenn die Erblasserin mit dem Begriff „Abkömmlinge“ auch nicht-leibliche Abkömmlinge gemeint hätte, wären die Abkömmlinge der Vorerben stets auch als Abkömmlinge ihrer Tochter anzusehen.

cc. Dieses Verständnis des Testaments entspricht auch der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder mit Wirkung ab 1.7.1970 geltenden Rechtslage, wonach nichteheliche Kinder nur im Verhältnis zur Mutter und deren Verwandten als Abkömmlinge im Sinn des § 1705 BGB a. F. galten, hingegen durch die gesetzliche Fiktion in § 1589 Abs. 2 BGB a. F. als mit dem eigenen Vater nicht verwandt und damit nicht erbberechtigt nach ihm oder dessen Vorfahren waren (Palandt/Lauterbach, BGB, 27. Aufl., § 1589 Ziffer 3), was auch trotz Anerkennung der Vaterschaft galt (Palandt/Keidel, BGB, 27. Aufl., § 1924 Ziffer 3 b).

dd. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Erblasserin sei von einer Gleichbehandlung aller Enkel ausgegangen, wohingegen die Auslegung des Vertrages im Sinne der Beklagten ihn benachteilige. Denn die Enkel als Vorerben haben sich gemeinsam mit den Nach- und Ersatzerben über den Willen der Erblasserin hinweggesetzt, indem das Anwesen veräußert wurde. Ohne diese Veräußerung wäre der Kläger nicht schlechter gestanden, als seine Brüder, denn nach dem Testament standen allen Vorerben nur die Erträgnisse aus dem Anwesen zu. Da er selbst an der Veräußerung mitgewirkt hat, kann er diese Tatsache auch nicht der Beklagten (unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt auch immer) entgegen halten.

d) Vor dem Hintergrund des dargestellten Vertragsverständnisses sind die Umstände nicht eingetreten, die den Kläger zur Rückforderung des an die Beklagte bezahlten Geldbetrages berechtigen würden. Der Kläger ist den Beweis schuldig geblieben, dass ein leiblicher Abkömmling hinzugetreten ist. Dabei kann die Frage offen bleiben, wie die vertragliche Bestimmung „hinzutreten“ zu verstehen ist und ob ein solcher Sachverhalt nachgewiesen ist. Denn es fehlt die Voraussetzung eines leiblichen Abkömmlings. Die vom Kläger vorgetragene Auffassung, aufgrund des familienrechtlichen Urteils in Ungarn und aufgrund seiner Vaterschaftsanerkennung stehe für Jedermann seine leibliche Vaterschaft an … fest, ist unzutreffend. Der Senat macht sich insoweit die zutreffenden Ausführungen des 18.Senats des OLG München im Urteil zu Az. 18 U 1179/11, dort S. 9, zu eigen, wo es heißt: „Das Urteil des Stadtgerichts … (Anlage K 7) ersetzt einen solchen Nachweis selbst dann nicht, wenn man ihm dieselben Wirkungen zubilligt wie einem Urteil eines deutschen Gerichts. Es stellt nämlich im Tenor nur fest, dass … nicht der Vater der … ist. Dass nach den Angaben des Klägers und der Mutter der … im dortigen Verfahren der Kläger deren Vater sein soll, ist lediglich in den Urteilsgründen ausgeführt.

Die Anerkennung der Vaterschaft stellt keinen Nachweis der biologischen Abstammung dar. Sie begründet zwar nach § 1592 Ziffer 2 BGB die Vaterschaft im Rechtssinn mit Wirkung für und gegen alle, sagt aber über die biologische Vaterschaft nichts aus. Ihre Wirksamkeit hängt nach § 1598 Abs. 1 BGB ausschließlich von der Erfüllung bestimmter Form- und Zustimmungserfordernisse ab und würde auch durch eine bewusst wahrheitswidrige Anerkennung nicht berührt (Palandt/Brudermüller, BGB 71. Auflage, § 1598 Rn. 2). Die Nacherbenstellung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht an die rechtliche, sondern die biologische Abstammung gebunden. Für diese führt die Anerkennung nicht einmal zur Umkehr der Beweislast. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass ein Abstammungsnachweis ohne Mitwirkung der Betroffenen, hier insbesondere des Klägers, nicht geführt werden könnte.“

2. Zum Zweiten sind die vertraglichen Bedingungen für die Rückabwicklung gem. Abschnitt B. II. der Anlage K 4 auch deshalb nicht eingetreten, weil kein Abkömmling des Klägers „hinzugetreten“ ist. Vor dem Hintergrund der Erklärungen des Klägers in Abschnitt A. II. 3. des Vertrages, wonach gewährleistet sei, dass er keine Abkömmlinge erzeugen werde und verspreche, keine minderjährigen Kinder zu adoptieren, soll die Bestimmung des „Hinzutretens“ erkennbar nur die Fälle erfassen, in denen ein auch dem Kläger zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht bekannter leiblicher Abkömmling bekannt wird oder entgegen medizinischer Erkenntnisse der Kläger nach Vertragsschluss einen Abkömmling zeugen wird. Geschäftsgrundlage des Vertrages war, dass Abkömmlinge des Klägers nicht existent waren, und dass mit ihrem Erscheinen jedenfalls aufgrund willentlicher Veranlassung durch den Kläger auch nachträglich nicht zu rechnen war, so dass der kinderlose Kläger nicht wie seine Brüder mit seinen Abkömmlingen Vereinbarungen über den Erwerb der Nacherbenanwartschaften schließen konnte, um so die Verfügungsbefugnis über seinen Erbteil zu erlangen.

Tatsächlich war dem Kläger jedoch die Existenz der … bereits vor Vertragsschluss bekannt, so dass von einem „Hinzutreten“ keine Rede sein kann.

3. Schließlich scheitert ein vertraglicher Rückabwicklungsanspruch des Klägers auch an § 242 BGB. Denn der Kläger wäre im Rahmen des Vertrages im Hinblick auf die erkennbare Interessenlage der übrigen Vertragsparteien gehalten gewesen, die Tatsache zu offenbaren, dass er von der leiblichen Abstammung der … ausging, wenngleich er insoweit noch keine Sicherheit erlangt hatte. Indem er sich nun gerade auf diese Abstammung beruft, setzt er sich in Widerspruch zu seinen vertraglichen Erklärungen, was einen Fall des „venire contra factum proprium“ darstellt.

4. Soweit sich der Kläger zuletzt auch auf einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Altern. BGB wegen zumindest konkludent seinerseits erfolgtem Widerruf der von ihm als Schenkung gewerteten Zahlung an die Beklagte wegen groben Undanks beruft, kann dies den Klageanspruch ebenfalls nicht begründen. Der Senat schließt sich insoweit der vom 21. Senat des Oberlandesgerichts München (Az.: 21 U 1469/11) dargelegten Auffassung an, wonach sich die Beklagte, indem sie auf der Grundlage des Willens der Erblasserin … nicht als leiblichen Abkömmling des Klägers ohne Nachweis anerkannt hat, keiner schweren Verfehlung schuldig gemacht hat. Diese setzt nämlich subjektiv eine tadelnswerte, auf Undankbarkeit deutende Gesinnung voraus (BGH, Entscheidung vom 27.9.1991, Az. V ZR 55/90 Rn. 12, zitiert nach juris), die hier nicht vorliegt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, es handelt sich vielmehr um einen besonders gelagerten Einzelfall. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat ist bei der Auslegung des streitgegenständlichen Vertrags, der Vorurkunde und des Testaments den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gefolgt und hat im Ergebnis und in der Begründung im Einklang mit den in den Parallelverfahren entscheidungserheblichen Auffassungen entschieden.

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