LG Itzehoe, Az.: 6 O 229/16, Urteil vom 07.02.2017
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Auf die Widerklage des Beklagten zu 1 wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1. neben den weiteren Erben, d.h. der Beklagten zu 2., Frau I. H. und Herrn M. H. Miterbe zu 1/4 der am 11.02.2014 in H. verstorbenen Frau E. E., geborene H. aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 15.11.2011 (UR-Nr. … des Notars D. B. mit Amtssitz in H.) geworden ist.
3. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckendenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss: Der Streitwert wird auf 40.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Erbrecht und begehren zum Teil wechselseitig die Feststellung desselben.
Am 11.02.2014 verstarb Frau E. E., geborene H. (nachfolgend: Erblasserin). Sie lebte bis zum Versterben ihres Ehemannes, Herrn U. E., am 04.07.2010 mit diesem in kinderloser Ehe. Die Klägerinnen sind die Schwestern von Herrn U. E.. Weitere Geschwister hatte dieser nicht. Die Erblasserin hatte insgesamt drei Geschwister: I. H., geb. H., M. H. und A. H., der bereits im Jahr 2009 verstarb.
Unter dem 25.05.1994 errichteten die Eheleute E. ein handschriftliches Testament. Dieses formuliert:
„Wir, U. und E. E., setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.“
Weiter errichteten die Eheleute eine handschriftliche Erklärung mit Datum vom 06.02.1996, die als „Nachtrag“ bezeichnet ist und folgenden Inhalt hat:
„Nach dem Ableben des zuletzt verstorbenen Ehegatten geht das Vermögen je zur Hälfte an die Geschwister
G. K. geb. E.
F. J. geb. E.
I. H. geb. H.
M. H.“
Die Erblasserin ließ sodann zur UR-Nr … des Notars D. B. in H. am 15.11.2011 ein Testament beurkunden, in dem es auszugsweise heißt:
„§ 1
Ich widerrufe hiermit meine etwaigen früheren letztwilligen Verfügungen. Hierzu merke ich an, dass mein verstorbener Ehemann und ich uns darüber einig waren, dass der Testamentsnachtrag vom 06. Februar 1996 (AG Meldorf 44 IV 352/10) für den Längstlebenden von uns nicht verbindlich sein sollte. Der Längstlebende von uns sollte völlig frei sein, insbesondere auch von Todes wegen uneingeschränkt neu verfügen können.
§ 2
Zu meinen Erben setze ich zu gleichen Teil ein
1. meinen Bruder M. H., …
2. meine Schwester I. H., …
3. meine Cousine U. K., …
4. Herrn C. B., ….
Ersatzerben sollen deren jeweilige Abkömmlinge zu gleichen Teilen sein. Sollte ein Erbe ohne Abkömmlinge versterben, wächst sein Anteil den anderen Erben an.
Weitere Verfügungen will ich nicht treffen. Den Wert der Verhandlung gebe ich im Kosteninteresse an mit 50.000,00 €.“
Auf Anlage B 3, Bl. 52 d.A. wird ergänzend verwiesen.
Auf Antrag der Klägerin zu 1 erteilte das Nachlassgericht (Amtsgericht Meldorf) zum Az. 44 IV 135/14 einen Erbschein, der die Klägerinnen gemeinsam zur Hälfte sowie Frau I. H. und Herrn M. H. gemeinsam zur Hälfte als Miterben der Erblasserin ausweist. Der Beklagte zu 1. beantragte daraufhin, diesen Erbschein als unrichtig einzuziehen. Diesen Antrag wies das Nachlassgericht zurück. Auf die hiergegen eingelegte Beschwerde änderte das Beschwerdegericht, das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, mit Beschluss vom 11.01.2016 den Beschluss des Nachlassgerichts dahingehend, dass es das Nachlassgericht anwies, den Erbschein einzuziehen, da dieser unrichtig sei. Auf Anlage B 4, Bl. 55 d.A. wird ergänzend Bezug genommen.
Die ursprünglich gegen den Beklagten zu 1. und Frau U. K. als Beklagte zu 2. erhobene Klage vom 23.06.2016 konnte letzterer nicht zugestellt werden, da diese bereits zuvor am 27.10.2015 verstorben war. Alleinerbin der Frau K. ist die nunmehr in diesem Rechtsstreit als Beklage zu 2 bezeichnete Frau A. Z.. Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts haben die Klägerinnen mit Schriftsatz vom 01.09.2016 insoweit die Klagerücknahme erklärt und mit Schriftsatz vom 12.09.2016 die Klage gegen die jetzige Beklagte zu 2 erhoben.
Die Klägerinnen sind der Auffassung, das Testament vom 15.11.2011 sei jedenfalls insoweit unwirksam, wie es die wechselbezüglichen Verfügungen vom 25.05.1994 bzw. vom 06.02.1996 beeinträchtige. Diese Verfügungen, insbesondere die Erbeinsetzungen der Klägerinnen, seien wechselbezüglich zu weiteren Verfügungen, auch wenn sie nicht ausdrücklich so bezeichnet werden. Es sei wegen der Bezeichnung als „Nachtrag“ auch klar, dass die Verfügung vom 06.02.1996 in Beziehung stehe zur Verfügung vom 25.05.1994. Die Wechselbezüglichkeit folge auch daraus, dass die Eheleute als Erben jeweils ihre Verwandtenstämme eingesetzt haben. Hingegen sei eine Auslegung dahingehend, dass eine Verteilung nur an Personen erfolgen sollte, die den Eheleuten jeweils gleich lieb seien, nicht möglich. Dies deshalb, weil die Erblasserin noch einen weiteren Bruder hatte, der gerade nicht zum Erben eingesetzt worden ist. Zur Auslegung der letztwilligen Verfügung könne vorliegend auch nicht auf Erklärungen der Erblasserin im Jahr 2011 zurückgegriffen werden, da diese einseitig im Interesse der Erblasserin abgegeben seien. Die Wechselbezüglichkeit der Verfügung hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung der Verwandten des Ehemannes vom 06.02.1996 ergebe sich jedenfalls aus der Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB.
Die Klägerinnen beantragen, festzustellen, dass die am 11.02.2014 in H. verstorbene Frau E. E., geborene H., von der Klägerin zu 1. und 2. aufgrund der Verfügung vom 06.02.2016 in Verbindung mit dem gemeinschaftlichen, privatschriftlichen Testament vom 25.05.1994 zu je 1/4 beerbt worden ist und Frau I. H., … und Herr M. H., …, ebenfalls Erben zu 1/4 nach der Erblasserin geworden sind.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 1. beantragt widerklagend, festzustellen, dass der Beklagte zu 1. neben den weiteren Erben, d.h. der Beklagten zu 2., Frau I. H. und Herrn M. H. Miterbe zu 1/4 der am 11.02.2014 in H. verstorbenen Frau E. E., geborene H. aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 15.11.2011 (UR-NR. … des Notars D. B. mit Amtssitz in H.) geworden ist.
Die Klägerinnen beantragen, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagten meinen, eine Wechselbezüglichkeit sei den Verfügungen vom 25.05.1994 bzw. 06.02.1996 nicht zu entnehmen. Maßgeblich für die Erbeinsetzung sei deshalb das Testament vom 15.11.2011. Eine Wechselbezüglichkeit sei weder angeordnet, noch lasse sich eine solche durch Auslegung ermitteln. Die Auslegung der Verfügungen ergebe vielmehr, dass eine Wechselbezüglichkeit gerade nicht gewollt sei. Dies ergebe sich auch aus der entsprechenden Erklärung der Erblasserin im Zusammenhang mit dem Testament vom 15.11.2011. Schließlich folge eine Wechselbezüglichkeit auch nicht aus der Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB. Die Voraussetzungen dieser Norm seien nicht erfüllt. Jedenfalls in der Verfügung vom 06.02.1996 hätten die Ehegatten auch keine gegenseitigen Zuwendungen gemacht. Ein Gesamtbetrachtung der Verfügungen von 25.05.1994 und vom 06.02.1996 sei nicht angezeigt. Beide Verfügungen seien nicht auf demselben Papier gefertigt und liegen zudem zeitlich deutlich auseinander.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Die Widerklage ist zulässig und begründet.
I.
Es kann dahinstehen, ob die Klage bereits wegen eines fehlenden Feststellungsinteresse unzulässig ist. Das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist nur zwingende Zulässigkeitsvoraussetzung für begründete, nicht aber für unbegründete Feststellungsklagen. Nach den Grundsätzen der qualifizierten Prozessvoraussetzungen reicht es bei unbegründeten Feststellungsklagen bereits aus, wenn die Klagepartei das rechtliche Interesse jedenfalls schlüssig vorträgt und ein etwaiges Feststellungsinteresse jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Diese Einschränkung des Grundsatzes des prozessualen Vorrangs der Zulässigkeit vor der Begründetheit findet ihre Berechtigung darin, dass eine Prüfung des Feststellungsinteresses bei unbegründeten Feststellungsklagen nicht sinnvoll ist. Diese Zulässigkeitsvoraussetzung soll nur verhindern, dass Rechtsverhältnisse zum Gegenstand einer Klage gemacht werden, die einer Feststellung nicht bedürfen oder auf einfacherem Wege geklärt werden können. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch ohne Bedeutung, wenn die Klage ohnehin unbegründet ist. In diesen Fällen ist ein Sachurteil, das umfassendere Rechtskraft schafft als ein Prozessurteil, prozessökonomisch sinnvoller. Ein Feststellungsklage kann deshalb auch bei fehlendem Feststellungsinteresse als unbegründet abgewiesen werden (BGH, Urteil v. 27.10.2009 – XI ZR 225/08).
II.
Die Klage ist unbegründet
1.
Die Klägerinnen sind nicht aufgrund letztwilliger Verfügung vom 06.02.1996 Erben nach der Erblasserin geworden. Die Erblasserin hat ihre letztwillige Verfügung vom 06.02.1996, nach der die Klägerinnen als Erben eingesetzt worden sind, mit letztwilliger Verfügung vom 15.11.2011 gem. §§ 2253, 2254 BGB widerrufen. Dieser Widerruf war auch wirksam. Insbesondere war die Erblasserin nach § 2271 Abs. 1, 2 BGB nicht am Widerruf gehindert. Die hier maßgeblichen Verfügungen im Testament vom 06.02.1996 sind keine wechselbezüglichen Verfügungen gewesen, deren Widerruf mit dem Tod des anderen Ehegatten nicht mehr möglich ist. Eine Wechselbezüglichkeit dieser Verfügungen zueinander oder zu einer Verfügung aus dem Testament vom 25.05.1994 lässt sich durch Auslegung weder eindeutig bejahen noch verneinen, § 2270 Abs. 1 BGB (hierzu nachfolgend unter b). Auch führt die Anwendung der Zweifelsregelung gemäß § 2270 Abs. 2 BGB nicht dazu, dass die Verfügungen als wechselbezüglich gelten (hierzu nachfolgend unter c). Bei im Ergebnis verbleibenden Zweifeln gehen diese zu Lasten der Klägerinnen (hierzu nachfolgend unter d).
a)
Verfügungen in einem von Ehegatten gemeinschaftlich errichteten Testament sind dann wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Es kommt nach § 2270 Abs. 1 BGB darauf an, dass die Verfügung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der andere Ehegatte eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat und deshalb nach dem Willen des gemeinschaftlich Testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll. Die Frage, ob ein Testament wechselbezügliche Verfügungen in diesem Sinne enthält, muss dabei für jede einzelne Verfügung gesondert im Verhältnis zu den anderen Verfügungen untersucht werden. Findet sich in dem gemeinschaftlichen Testament keine ausdrückliche Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss diese Frage durch individuelle Auslegung nach den §§ 133, 2084 BGB beantwortet werden. Es kommt auf den überstimmenden Willen beider Ehegatten zur Zeit der Testamentserrichtung an. Verbleiben Zweifel, ob eine Verfügung zu einer anderen wechselbezüglich ist, enthält § 2270 Abs. 2 BGB für zwei dort konkret genannte Fallkonstellationen eine Zweifelsregel. Greift die Zweifelsregel aber nicht ein und verbleiben Zweifel an der Wechselbezüglichkeit, geht dies zu Lasten desjenigen, der sein Erbrecht auf die Wechselbezüglichkeit stützt, dieser trägt die Feststellungslast (vgl. zu diesen Grundsätzen nur Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl. 2015, § 2270 Rn. 4 m.w.N.). Wechselbezügliche Verfügungen können mithin nur angenommen werden, wenn der Wille der Erblasser, solche wechselbezüglichen Verfügungen zu treffen, auch festgestellt werden kann, ggf. unter Heranziehung der Zweifelsregel des § 2270 Abs. 2 BGB (vgl. OLG München , Urteil v. 10.12.2008 – 20 U 2303/08).
b)
Nach diesen Maßstäben kann eine Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzungen im Testament vom 06.02.1996 nicht mit der notwendigen Sicherheit angenommen werden.
aa) Beide Ehegatten haben am 06.02.1996 ein formwirksames, §§ 2247, 2265, 2267 BGB, gemeinschaftliches Testament errichtet und dort Verfügungen in Form von Schlusserbeinsetzungen getroffenen. Eine ausdrückliche Anordnung einer Wechselbezüglichkeit oder einer Abhängigkeit der getroffenen Verfügungen enthält die Erbeinsetzung vom 06.02.1996 nicht. Auch im Wege der Auslegung lässt sich ein solcher Wille nicht zweifelsfrei feststellen. Die Ehegatten haben verfügt, dass das Vermögen der Ehegatten nach dem Verstreben des Überlebenden jeweils zur Hälfte jeweils zwei Geschwistern eines Ehegatten zukommen soll. Zwar ist denkbar, dass beiden Ehegatten bei dieser Verteilung des Vermögens das gleiche Motiv – die hälftige Verteilung der Vermögensmasse auf je einen Familienstamm – zugrunde lag. Ein übereinstimmendes Motiv allein kann jedoch allenfalls indiziell für die Annahme von Wechselbezüglichkeit sein, reicht für sich allein aber nicht aus (BayObLG, Beschluss v. 16.05.2001 – 1Z BR 2/01; Staudinger/Kanzleiter (2006), § 2270 Rn. 24). Über ein unterstelltes gemeinsames Motiv hinaus müssen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die eine Verfügung mit der Wirksamkeit der anderen Verfügung stehen und fallen sollte. Solche Anhaltspunkte zur Auslegung des Testaments vom 06.02.1996 liegen indes nicht vor. Das Testament enthält keine weiteren Regelungen oder Bezugnahmen und auch sonst keinen Hinweis darauf, dass die Verfügungen zueinander in Wechselbezüglichkeit stehen sollen. Allein die Tatsache, dass jeweils als Schlusserben Verwandte des Ehegatten eingesetzt werden, genügt für die Annahme der Wechselbezüglichkeit nicht (OLG Schleswig, Beschluss vom 11.01.2016 – 3 Wx 95/15; OLG München, Urteil vom 10.12.2008 – 20 U 2303/08). Denn es gibt keinen Erfahrungssatz, dass die Einsetzung auch von Verwandten des anderen Ehegatten stets nur deshalb erfolgt, weil umgekehrt der andere Ehegatte seinerseits Verwandte des testierenden Ehegatten als Schlusserben einsetzt. So haben vorliegend gerade auch die ebenfalls als Erben eingesetzten Geschwister der Erblasserin im Erbscheinsverfahren bekundet, die Erbeinsetzung sei erfolgt, weil den Erblassern alle Schlusserben „gleich lieb“ gewesen seien. Ob dies tatsächlich der Fall war, kann indes ebenso offen bleiben. Gerade weil die Gründe für eine solche Schlusserbeneinsetzung vielfältig sein können, bedarf es zusätzlicher Indizien dafür, dass die Erbeinsetzung wechselbezüglich sein soll. Solche Indizien sind hier nicht ersichtlich. Ob darüber hinaus im konkreten Fall auch die Äußerungen der Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemannes als auslegungsrelevanter Umstand berücksichtigt werden kann (bejahend: OLG Schleswig, Beschluss v. 11.01.2016 – 3 Wx 95/15), kann dahinstehen. Derartigen Äußerungen dürfte jedenfalls dann, wenn – wie hier – zwischen Errichtung des Testaments am 02.06.1996 und Äußerung des Willens – schriftlich niedergelegt im Testament vom 15.11.2011 – mehrere Jahre liegen und die Äußerung sich beinahe wörtlich darauf beschränkt, eine Wechselbezüglichkeit zu verneinen, allenfalls ein geringes Gewicht beizumessen sein. Wenn die nachträgliche Errichtung eines einseitigen, etwaigen wechselbezüglichen Verfügungen widersprechenden Testaments nicht als Indiz gegen die Wechselbezüglichkeit gesehen werden kann (Münchener Kommentar/Musielak, BGB, 6. Auflage 2013, § 2270 Rn. 7), spricht Einiges dafür, einer im Zusammenhang mit der Errichtung eines solchen Testaments kundgetanen einseitigen Erklärung, wonach nicht von einer Wechselbezüglichkeit auszugehen sei, nur geringe Indizwirkung für eine Auslegung gegen die Wechselbezüglichkeit zuzusprechen. Vorliegend bestehen jedoch unabhängig von der Äußerung der Erblasserin im November 2011 schon keine hinreichenden Anhaltspunkte, um eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen im Testament vom 06.02.1996 zueinander jedenfalls zweifelsfrei annehmen zu können.
bb) Auch eine Wechselbezüglichkeit zwischen der Schlusserbeneinsetzung der Klägerinnen durch die Erblasserin zu ihrer eigenen Einsetzung als Erbin des Ehemannes im Testament vom 25.05.1994 kann nicht eindeutig bejaht werden. Zwar stünde einer Wechselbezüglichkeit insoweit nicht entgegen, dass die Erbeinsetzung der Erblasserin durch ihren Ehegatten am 25.05.1994 und damit zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu welchem die jeweiligen Geschwister gerade noch nicht als Schlusserben bestimmt worden waren. Die Wechselbezüglichkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann bejaht werden, wenn die in Wechselbezüglichkeit zueinander stehenden Verfügungen in zeitlich einander nachfolgenden, weiteren letztwilligen Verfügungen getroffen werden. Die Wirkungen des § 2270 Abs. 1 BGB können mithin auch nachträglich durch ein anderes gemeinschaftliches Testament herbeigeführt werden (BeckOK BGB/Litzenburger, Stand: 01.11.2016, § 2270 Rn. 9a m.w.N.). Erforderlich ist in diesem Fall aber, dass dem späteren gemeinschaftlichen Testament ein Hinweis auf den Willen der Eheleute entnommen werden kann, dass das frühere gemeinschaftliche Testament im Sinne einer Wechselbezüglichkeit der seinerzeit angeordneten gegenseitigen Erbeinsetzung der Eheleute mit der Einsetzung von Schlusserben ergänzt werden soll. Dies liegt insbesondere dann nahe, wenn ein enger zeitlichen Zusammenhang der in verschiedenen Testamenten enthaltenen Verfügungen vorliegt und das spätere Testament auch inhaltlich Bezug nimmt auf das frühere (vgl. BayObLG, Beschluss v. 26.01.1999 – 1Z BR 44/98). Ein solcher Wille der Erblasser ist vorliegend nicht mit ausreichender Deutlichkeit ersichtlich. Anhaltspunkt für eine Verknüpfung beider Testamente ist insoweit allein die Bezeichnung des Testaments vom 06.02.1996 als „Nachtrag“. Dies allein genügt ebenso wenig wie die Tatsache, dass sich beide Testament möglicherweise inhaltlich ergänzen. Es sind vielmehr darüber hinaus Anhaltspunkte dafür notwendig, dass die ohne Rücksicht auf die spätere Verfügung getroffene gegenseitige Erbeinsetzung nunmehr dergestalt modifiziert werden soll, dass diese nunmehr zur nachträglichen Verfügung dergestalt in Anhängigkeit steht, dass sie mit der Wirksamkeit dieser stehen und fallen soll. (OLG Schleswig, Beschluss v. 11.01.2016 – 3 Wx 95/15).
Solche Anhaltspunkte liegen hier nicht vor. Bereits aus der Bezeichnung als „Nachtrag“ kann nicht mit hinreichender Sicherheit darauf geschlossen werden, dass sich das Testament vom 06.02.1996 auf das Testament vom 25.05.1994 bezieht. Denkbar – wenngleich bislang nicht im Raum stehend – ist nämlich auch, dass ein oder mehrere weitere gemeinschaftliche eigenhändige Testamente bestehen, auf die sich dieser „Nachtrag“ beziehen könnte. Einen ausdrücklichen Verweis oder auch nur einen Hinweis darauf, dass es sich um einen Nachtrag zum Testament vom 25.05.1994 handelt, enthält die Verfügung nicht. Demzufolge kann bereits nicht zweifelsfrei angenommen werden, dass es sich bei dem Nachtrag vom 06.02.1996 um eine Ergänzung des Testaments vom 25.05.1994 handelt. Demgegenüber spricht gegen eine nachträglich gewollte Wechselbezüglichkeit bereits, dass zwischen beiden Testamenten eine erhebliche Zeitspanne von mehr als 20 Monaten liegt. Je größer der zeitliche Abstand zwischen zwei Testament ist, desto unwahrscheinlicher ist eine Verknüpfung der dort getroffenen Verfügungen im Sinne einer Wechselbezüglichkeit (BayObLG, Beschluss v. 26.01.1999 – 1Z BR 44/98). Zwar verbietet sich bei dieser Betrachtung eine absolute Zeitgrenze, da auch der zeitliche Zusammenhang nur eines von mehreren auslegungsrelevanten Kriterien ist. Es liegt aber auf der Hand, dass ein als „Nachtrag“ bezeichnetes, zweites Testament, welches einige wenige Tage oder ggf. Wochen nach Errichtung des ersten Testaments verfasst wird, den Schluss auf die nachträglich gewollte Wechselbezüglichkeit eher zulässt als ein Testament, welches erst nach mehreren Monaten oder gar Jahren als „Nachtrag“ errichtet wird. Die hier vorliegende Zeitspanne von beinahe zwei Jahren spricht vor diesem Hintergrund nach Auffassung des Gerichts gegen eine wechselbezügliche Verknüpfung. Gleiches gilt für die Tatsache, dass der „Nachtrag“ auf einem separaten Papier niedergeschrieben ist und nicht – wie zuweilen in der Praxis zu beobachten – auf dem ursprünglichen Testament. Ob darüber hinaus auch die Äußerungen der Erblasserin bei Errichtung des Testaments vom 15.11.2011, niedergelegt in § 1 des Testaments, für die Auslegung der Wechselbezüglichkeit berücksichtigt werden können, mag auch insoweit dahinstehen. Bereits die Gesamtschau der übrigen fehlenden Indizien für eine Wechselbezüglichkeit sowie der vorhandenen Indizien gegen eine Wechselbezüglichkeit führt dazu, dass von einer wechselbezüglichen Verknüpfung der Einsetzung der Erblasserin als Erbin ihres Ehemannes und der Schlusserbeneinsetzung der Geschwister des Ehemannes durch die Erblasserin nicht zweifelsfrei ausgegangen werden kann.
c)
Ein wechselbezügliches Verhältnis der Verfügungen ist vorliegend auch nicht „im Zweifel“ anzunehmen, § 2270 Abs. 2 BGB. Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB ist zwar im Grundsatz anwendbar, weil durch die Auslegung kein eindeutiges Ergebnis erzielt werden konnte. Indes führt der Rückgriff auf § 2270 Abs. 2 BGB – soweit möglich – zu keinem anderen Ergebnis.
aa) Die Schlusserbeneinsetzung der jeweiligen Geschwister war bereits deshalb nicht im Zweifel wechselbezüglich zueinander nach § 2270 Abs. 2 Alt. 1 BGB, weil sich die Ehegatten insoweit im Testament vom 06.02.1996 nicht gegenseitig bedacht haben. Auch nach § 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB kann eine Wechselbezüglichkeit im Zweifel nicht angenommen werden. Eine solche Annahme setzt voraus, dass dem einen Ehegatten vom anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht. Vorliegend fehlt es bereits an der ersten Voraussetzung. Der Nachtrag vom 06.02.1996 enthält lediglich die Schlusserbeneinsetzung der jeweiligen Geschwister, eine Zuwendung des einen Ehegatten an den anderen Ehegatte regelt der Nachtrag nicht.
bb) Auch kann eine wechselbezügliche Verknüpfung nicht nach § 2270 Abs. 2 BGB – in Betracht käme insoweit allenfalls § 2270 Abs. 2 Alt. 2 BGB – im Zweifel zwischen der Einsetzung der Erblasserin als Erbin ihres Ehemannes im Testament vom 25.05.1994 und der Einsetzung der Klägerinnen als Schlusserben im Testament vom 06.02.1996 angenommen werden. Voraussetzung der Anwendung von § 2270 Abs. 2 BGB ist bei verschiedenen, zeitlich und räumlich auseinanderliegenden Testamenten gerade, dass eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen im Rahmen der Auslegung ermittelt werden kann (BayObLG, Beschluss v. 26.01.1999 – 1Z BR 44/98) Es ist deshalb stets vorrangig zu prüfen, ob dem späteren gemeinschaftlichen Testament entnommen werden kann, dass die frühere Verfügung, die denklogisch ohne Abhängigkeit von der erst späteren Verfügung getroffen worden ist, nunmehr in wechselbezüglicher Abhängigkeit stehen soll. Eine solche Auslegung ist jedoch vorliegend nicht möglich, sodass § 2270 Abs. 2 BGB insoweit nicht zur Anwendung gelangen kann (vgl. hierzu OLG Schleswig, Beschluss v. 11.01.2016 – 3 Wx 95/15 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
d)
Verbleiben mithin hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit der hier maßgeblichen, im Testament vom 06.02.1996 getroffenen Verfügungen zu mindestens einer anderen letztwilligen Verfügung Zweifel, so gehen diese Zweifel zu Lasten desjenigen, der sich auf die Wechselbezüglichkeit beruft (BayObLG, Beschluss v. 29.01.1993 – 1Z BR 80/92; Palandt/Weidlich, 74. Auflage 2015, § 2270 Rn. 4). Außerhalb der Zweifelsregelung des § 2270 Abs. 2 BGB, dessen Anwendung hier nicht zur Bejahung der Wechselbezüglichkeit führt, genügen bloße Wahrscheinlichkeiten für die Annahme der Wechselbezüglichkeit gerade nicht (OLG München, Urteil vom 10.12.2008 – 20 U 2303/08).
2.
Die Klage ist auch unbegründet, soweit die Feststellung begehrt wird, dass Frau H. und Herr H. Erben auf der Grundlage der Verfügung vom 06.02.1996 in Verbindung mit dem Testament vom 25.05.1994 geworden sind. Die maßgebliche letztwillige Verfügung der Erblasserin war die Verfügung vom 15.11.2011, nicht die Verfügung vom 06.02.1996 (s.o.). Allenfalls auf dieser Grundlage können Frau H. und Herr H. Erben nach der Erblasserin geworden sind.
III.
Die Widerklage ist zulässig. Der Widerklage fehlt insbesondere nicht das notwendige Feststellungsinteresse, weil bereits zuvor ein umfangreiches Erbscheinsverfahren durchgeführt worden ist. Dem Erbschein kommt keine materielle Rechtskraft zu. Das Prozessgericht ist auch nicht an das Ergebnis des Erbscheinsverfahrens gebunden (BGH, Urteil v. 14.04.2010 – IV ZR 135/08). Das Feststellungsinteresse besteht auch hinsichtlich der Feststellung der Erbrechts der übrigen Miterben. Die Feststellung, auf welcher Grundlage und zu welcher Quote die übrigen Miterben Erbe geworden sind, erleichtert die erbrechtliche Auseinandersetzung und ist geeignet, weiteren Streit hierüber zu vermeiden.
IV.
Die Widerklage ist begründet.
Die maßgebliche letztwillige Verfügung der Erblasserin ist das Testament vom 15.11.2011, da die Erblasserin die Schlusserbeinsetzung der Klägerinnen im Testament vom 06.02.1996 wirksam widerrufen konnte und dies getan hat, § 2254 BGB (hierzu bereits oben unter II.). Mit dem Testament vom 15.11.2011 hat die Erblasserin daher wirksam bestimmt, dass der Beklagte zu 1. (Widerkläger) neben den weiteren Miterben I. H., M. H. sowie A. Z. als Rechtsnachfolgerin der im Testament benannten U. K. zu 1/4 Erbe der Erblasserin werden soll.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Anwendung von § 100 Abs. 4 ZPO kam nicht in Betracht, wenngleich die Klägerinnen auch Widerbeklagte sind. Die analoge Anwendung des § 100 Abs. 4 ZPO auf mehrere unterliegende Kläger wird allgemein abgelehnt (Münchener Kommentar/Schulz, ZPO, 5. Auflage 2016, § 100 Rn. 12). Dies muss auch für den Fall gelten, dass eine Partei neben der Klägerrolle eine weitere prozessuale Rolle einnimmt. Bei einer Kumulation von prozessualen Rollen ist deshalb auf die prozessuale Stellung zurückzugreifen, welche die Partei bei der Begründung des Prozessrechtsverhältnisses innehatte. Ein Ausspruch über die Kosten hinsichtlich der zunächst beklagten Frau U. K. war nicht erforderlich, da bei einer – wie hier – Klagerücknahme vor Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses regelmäßig keine Kosten entstehen (BGH, Beschluss v. 12.05.2004 – XII ZB 226/03)
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 1, 2 ZPO.
VI.
Der Streitwert bestimmt sich gem. § 3 ZPO nach richterlichem Ermessen. Der Ermessensausübung zugrunde zu legen sind dabei die Angaben der Klägerinnen in der Klageschrift in Verbindung mit den Angaben der Erblasserin im Testament vom 15.11.2011. Zwar haben die Parteien übereinstimmend erklärt, dass der insoweit angegebene Streitwert als zu gering angesehen wird, da das tatsächliche Erbe deutlich darüber liegen dürfte. Indes fehlt es dem Gericht abseits der Angaben im Erbscheinsverfahren und der Angabe des vorläufigen Gegenstandswertes in der Klageschrift an sonstigen tauglichen Schätzungsgrundlagen. Maßgebend ist daher der im Testament vom 15.11.2011 angegebene Wert des Erbes von 50.000,00 €, wobei nicht übersehen wird, dass die Angabe „im Kosteninteresse“ erfolgte. Wegen der begehrten Feststellung sind 80% dieses Wertes als Streitwert anzusetzen. Eine Zusammenrechnung von Klage und Widerklage nach § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG scheidet aus, da Klage und Widerklage ersichtlich denselben Gegenstand, die Feststellung des Erbrechts nach der Erblasserin, betreffen, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.