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Testamentsauslegung bezüglich des Ausschlusses des Adoptivkindes von der Erbfolge

OLG Karlsruhe – Az.: 14 Wx 76/11 – Beschluss vom 30.05.2012

1) Die Beschwerde der Beteiligten Nr. 1, der Frau E. H., gegen den Beschluss des Nachlassgerichtes (Notariat …….– NG…….) vom 16.09.2011 wird zurückgewiesen.

2) Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,– festgesetzt.

Gründe

I.

Die Erblasserin, die am …1922 in G. geborene, am …2011 in …, Baden, verstorbene E. G., geb. K., wurde auf Grund eines mit ihrem am 24.01.1990 vorverstorbenen Ehemann F. G. errichteten gemeinschaftlichen Testamentes dessen Alleinerbe. Erbrechtliche Verfügungsbeschränkungen des Längstlebenden wurden nicht vereinbart. Die Erblasserin hatte keine leiblichen Abkömmlinge. Die Eheleute G. haben jedoch die am 07.06.1961 in E. (ehemalige DDR) geborene E. G. (verheiratete H.), die Beteiligte Nr. 1, am …1972 an Kindes statt angenommen.

Mit eigenhändigem Testament vom …2008 (AS 35) setzte die Erblasserin ihre  am …1941 geb. Schwester R. W., geb. K., als ihre Alleinerbin ein; ein Ersatzerbe wurde nicht benannt. Die Schwester verstarb bereits am …2010. Die Erblasserin und deren zweite Schwester, die am …1926 geb. A. P., geb. K., die Beteiligte Nr. 2, wurden zu je ½ auf Grund gesetzlicher Erbfolge Miterbinnen der vorverstorbenen Frau W. (AS 9).

Die Beteiligte Nr. 1 hat einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheines gestellt, der sie als gesetzliche Alleinerbin der Erblasserin ausweisen sollte. Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, der Wegfall der eingesetzten Erbin infolge Vorversterbens habe die gesetzliche Erbfolge ausgelöst, denn ein Ersatzerbe sei weder bestimmt worden noch auch nur ein Wille der Erblasserin diese Frage betreffend durch Auslegung zu ermitteln.

Nach Durchführung einer Beweisaufnahme (Vernehmung von drei Zeugen – AS 161 ff) wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag mit Beschluss vom 16.09.2011 zurück. Das Gericht führt zur Begründung u. a. aus, die Antragstellerin sei nicht (gesetzliche) Alleinerbin geworden, weil die erforderliche und mögliche ergänzende Testamentsauslegung ergebe, dass die Schwester A. P. (ersatzweise, anstelle der eingesetzten jüngeren Schwester) Alleinerbin geworden sei. Es komme bei der Auslegung nicht auf den vermuteten wirklichen Willen der Erblasserin an. Es müsse vielmehr der hypothetische Wille erforscht werden, den die Erblasserin vermutlich gehabt haben würde, wenn sie zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung die künftige Entwicklung vorausschauend in Betracht gezogen hätte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zunächst fest, dass die Erblasserin den Willen gehabt habe, ihrer Adoptivtochter, der Beteiligten Nr. 1, nichts zu hinterlassen. Diesem Ziel habe auch die Einsetzung der Schwester R. gedient. Schließlich sei davon auszugehen, dass die Erblasserin auch zu Ihrer anderen Schwester, Frau A. P., ein gutes Verhältnis gehabt habe. Dafür, dass nach dem Verhalten der Erblasserin außer den beiden Schwestern andere Erben in Betracht gekommen wären, hätten sich keine Hinweise ergeben. Aus der Gesamtschau folge mithin der Schluss, dass die Erblasserin ihre Schwester A. als Erbin eingesetzt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass Ihre Schwester R. vorversterben würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlussinhalts wird auf die Ausführungen des Nachlassgerichtes Bezug genommen.

Gegen diesen dem Vertreter der Beteiligten Nr. 1 am 21.09.2012 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21.10.2011 beim Nachlassgericht eingegangene Beschwerde der Beteiligten Nr. 1, mit der geltend gemacht wird, die Testamentsauslegung des Nachlassgerichtes sei fehlerhaft. Das Nachlassgericht habe einen mutmaßlichen Willen der Erblasserin gesehen, der von den maßgeblichen Umständen nicht gestützt werde. Die Erblasserin habe nämlich in Kenntnis des Wegfalls der eingesetzten Erbin über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg gerade nicht reagiert und so ausdrücklich keine Notwendigkeit einer Ersatzerbenbestimmung gesehen. Auch ein besonders inniges Verhältnis der Erblasserin zu ihren Schwestern habe nicht bestanden; Grund für die Erbeinsetzung der R. W. sei vielmehr allein der Umstand gewesen, dass diese in finanziellen Dingen besonders kundig gewesen sei. Schließlich lasse sich auch ein Wille der Erblasserin, die Beschwerdeführerin zu enterben, dem Testament vom …2008 überhaupt nicht entnehmen. Mithin sei der Beschluss des Nachlassgerichtes Müllheim vom 16.09.2011 aufzuheben.

II.

Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten Nr. 1 ist unbegründet.

Das Nachlassgericht hat zu Recht angenommen, dass die erforderliche und hier mögliche ergänzende Testamentsauslegung ergibt, dass die Schwester A. P. ersatzweise, nämlich anstelle der im Testat vom …2008 eingesetzten jüngeren Schwester R. W., Alleinerbin geworden sei. Die vom Nachlassgericht zur Begründung dieser Annahme aufgezeigten Argumente sind zutreffend. Der Senat nimmt auf die Ausführungen des Nachlassrichters – auch zur Rechtfertigung der vorliegenden Beschwerdeentscheidung – Bezug. Das Rechtsmittelvorbringen rechtfertigt keine abweichende Sichtweise. Insoweit ist nur Folgendes auszuführen veranlasst:

Das gegen die vom Nachlassgericht vorgenommene Ermittlung des mutmaßlichen Erblasserwillens ins Feld geführte Argument, die Erblasserin habe in Kenntnis des Wegfalls der eingesetzten Erbin nicht neu testiert, und das zeige deutlich, dass die Erblasserin seinerzeit keine gewillkürte Ersatzerbenbestimmung gewollt hätte, ist nicht geeignet, das vom Nachlassgericht angenommene Ergebnis entscheidend in Frage zu stellen. Wie der Nachlassrichter zutreffend ausführt, ist zweifelsfrei nachgewiesen, dass es dem festen Willen der Erblasserin entsprach, nicht von ihrer Adoptivtochter, der Beteiligten Nr. 1, zu der im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom …2008 seit Jahrzehnten kein persönliches Verhältnis mehr bestand, beerbt zu werden. An dieser Einstellung hatte i. ü. auch das Vorversterben der eingesetzten Erbin R. W. nichts geändert, wie der Inhalt der Aussage des Zeugen O. ergibt. Zu diesem Grundsachverhalt tritt nun hinzu, dass es keineswegs so war, dass die Erblasserin den Wegfall der R. W. als Erbin erkannt und reaktionslos hingenommen hätte. Im Gegenteil: Die Erblasserin setzte sich nach dem Tod der Schwester mit dem Zeugen O., ihrem Sparkassenberater, in Verbindung und besprach mit diesem (am 23.11.2010) die überraschend eingetretene Situation mit der Zielrichtung, eine Erbenstellung der Beteiligten Nr. 1 weiter zu verhindern. In diesem Zusammenhang wurde dann zunächst die Kontovollmacht, die die verstorbene Schwester besessen hatte, auf die Kinder der zweiten Schwester, die Zeugen U. und H. P., übertragen, der Abschluss eines Vertrages zugunsten Dritter erörtert und der Rat entgegengenommen, demnächst neu zu testieren. Wenn nun die Erblasserin in der verbliebenen Zeit bis zu ihrem Tode am …2011, also in den nächsten 2 Monaten und 10 Tagen weder einen Vertrag zugunsten Dritter schloss noch ein neues Testament errichtete, so kann dies verschiedenste Gründe haben, der beschriebene Umstand lässt indes nicht den Schluss zu, die Erblasserin habe den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge hingenommen und dies wiederum zeige, dass sie im (für die Auslegung maßgeblichen) Zeitpunkt der Errichtung ihres Testamentes vom …2008 eben nicht den mutmaßlichen Willen gehabt hätte, ihre zweite Schwester, zu der, wie die Gesamtumstände zeigen, durchaus ein freundliches Verhältnis bestand, als Ersatzerbin zu bestimmen. Immerhin konnte die Erblasserin nicht wissen, dass ihr nach dem Gespräch mit dem Zeugen O. nurmehr noch ein sehr kurzer Zeitraum für das Aufsetzen eines neuen Testamentes verbleiben sollte.

Insgesamt ergibt sich so, dass die angegriffene Entscheidung des Nachlassgerichtes richtig ist, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.

III.

Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 31 Abs. 1 Satz 1, § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1 KostO. Der Wert des Nachlasses wird auf € 5.000,00 geschätzt.

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