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Testamentsauslegung – Erbeinsetzung nach Quote

OLG Stuttgart 8. Zivilsenat, Az.: 8 W 198/16, Beschluss vom 11.06.2018

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 2 wird der Beschluss des Notariats I Herrenberg – Nachlassgericht – vom 03.05.2016, Az. 1 NG 15/2014, aufgehoben.

2. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 vom 25.11.2015 wird zurückgewiesen.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 2 zurückgewiesen.

4. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

5. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 131.125,01 festgesetzt.

Gründe

I.

Testamentsauslegung - Erbeinsetzung nach Quote
Symbolfoto: Africa Studio /Shutterstock.com

Die am 02.03.2014 verstorbene Erblasserin war verwitwet. Ihr Ehemann XXX ist am 22.02.2011 vorverstorben. Aus der Ehe sind die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 als Abkömmlinge hervorgegangen.

Die Erblasserin hat am 28.04.2011 vor Notar XXX, Notariat Herrenberg, ein Testament errichtet (Bl. 10 d.A.), durch das sie ihre Kinder – die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 – mit einem Erbteil von je 1/3 zu ihren Erben berufen hat.

Am 28.08.2012 hat die Erblasserin ein privatschriftliches Testament mit folgendem Inhalt errichtet (Bl. 12 d.A.):

Testament

Mein letzter Wille

Ich XXX

Rentnerin, wohnhaft XXX

geb. am XXX

Die beglaubigte Abschrift im Notariat Herrenberg/Urkundenrolle 1 UR 259/2011 Aktenzeichen 1 ZU 287/2011 verliert hiermit seine Gültigkeit.

Zu meinen Erben berufe ich meine Kinder

1. Meine Tochter Frau XXX wohnhaft XXX geb. am XXX

XXX soll folgende Flurstücke XXX erben.

Flurstücknummern: 402, 403, 1357, 1358, 1359, 1567, 1568, 2720, 2953, 2955, 3009/3, 3012, 3013/1, 3012/2, 3014

2. Mein Sohn XXX wohnhaft XXX geb. am XXX

XXX soll die Hälfte am Grundstück Schatten 3, Flurstück 762/2 samt Gebäude und Inventar sowie folgende Flurstücke auf Gemarkung 081640 Flur 1 XXX Flurstücknummern 134, 1205, 1287, 1288, 1533, 1617, und Gemarkung 081644 XXX Flurstücknummern 1586, 1617/2, 1617/3, 4106, 4241, 4912, erben.

3. Mein Sohn XXX wohnhaft XXX geb. XXX

xxx soll die Hälfte am Grundstück Schatten 3 Flurstück 762/2 samt Gebäude und Inventar, sowie folgende Flurstücke auf Gemarkung 081640 Flur 1 XXX Flurstücknummern 669, 670, 671, 1179, 1199, 1200, 1338, 1456 und Gemarkung 081644 XXX erben.

Das Barvermögen soll zu einem Drittel je Kind verteilt werden.

XXX den 28.8.2012

XXX

Durch Schriftsatz an das Notariat I Herrenberg – Nachlassgericht – vom 23.07.2015 haben die Beteiligten Ziff. 1 und 2 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Beteiligte Ziff. 3 mit einem Erbteil von 16,12 %, der Beteiligte Ziff. 1 mit einem Erbteil von 42,41 % und der Beteiligte Ziff. 2 mit einem Erbteil von 41,47 % Erben der Erblasserin geworden sind. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Erblasserin habe ihr notarielles Testament vom 28.04.2011 durch das eigenhändige Testament vom 28.08.2012 in vollem Umfang aufgehoben. Aufgehoben habe sie damit insbesondere die Erbeinsetzung der drei Kinder zu je einem Drittel. Denn dies sei der einzige wesentliche Inhalt des notariellen Testaments vom 28.04.2011 gewesen. Durch das eigenhändige Testament vom 28.08.2012 habe die Erblasserin praktisch ihr gesamtes Vermögen nach Gegenständen unter ihren drei Kindern aufgeteilt. Ein solches Vorgehen sei nach der Rechtsprechung entgegen dem Wortlaut des § 2087 Abs. 2 BGB regelmäßig als Erbeinsetzung anzusehen. Die jeweiligen Erbquoten ergäben sich dann aus dem Verhältnis des Wertes der zugewendeten Vermögensteile zum Wert des gesamten Nachlasses. Die Auslegungsregel des § 2091 BGB sei nicht anwendbar, wenn der Erblasser die Größe der Erbteile ausdrücklich oder mittelbar bestimmt habe. Die ausdrückliche Bestimmung im eigenhändigen Testament, dass das Barvermögen zu einem Drittel je Kind verteilt werden solle, zeige ebenfalls, dass es der Erblasserin auf die Verteilung ihres gesamten Vermögens angekommen sei und sie bezüglich der im Einzelnen zugeordneten Grundstücke keinen Ausgleich zwischen den Kindern gewollt habe. Eine gleichmäßige Erbeinsetzung ihrer Kinder habe sie damit ausgeschlossen. Die Erblasserin habe ihnen – den Beteiligten Ziff. 1 und 2 – wertvollere Teile ihres Vermögens zugedacht als der Beteiligten Ziff. 3. Sie habe gewusst, dass das Grundstück Schatten 3 als innerörtliche Hofstelle wertvoller ist als die landwirtschaftlichen Flächen im Außenbereich. Der Wert sei immer wieder thematisiert worden, unter anderem auch in Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung durch das Finanzamt. Auch seien im Auftrag der Erblasserin und ihres Ehemannes bereits 1994 Wertgutachten erstellt worden. Hätte die Erblasserin lediglich eine Teilungsanordnung verfügen wollen, wäre die Aufhebung des früheren notariellen Testaments nicht erforderlich gewesen. Der Umstand, dass die Erblasserin einige wenige landwirtschaftliche Grundstücke vergessen beziehungsweise ungenau bezeichnet habe, führe zu keiner anderen Auslegung. Es sei klar erkennbar, dass es der Wille der Erblasserin gewesen sei, durch ihr eigenhändiges Testament ihr gesamtes Vermögen auf ihre drei Kinder zu verteilen. Nicht ausdrücklich erwähnt seien in dem Testament lediglich 2,5 % des Wertes des Nachlasses. Dass die Erblasserin in dem eigenhändigen Testament nicht erwähnt habe, dass sich die im Einzelnen aufgeführten und ihren Kindern zugewiesenen Grundstücke bereits in der ungeteilten Erbengemeinschaft nach ihrem am 22.02.2011 verstorbenen Ehemann befunden haben, mit dem sie im Güterstand der Gütergemeinschaft verheiratet gewesen sei, führe ebenfalls zu keiner anderen Auslegung ihres eigenhändigen Testaments.

Die Beteiligte Ziff. 3 ist dem Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 und 2 entgegengetreten. Sie trägt vor, die Erblasserin habe in ihrem privatschriftlichen Testament eine Teilungsanordnung getroffen und jeweils die Hälfte am Grundstück Schatten 3 in XXX den Beteiligten Ziff. 1 und 2 zugewiesen. Hierzu sei sie rechtlich jedoch nicht in der Lage gewesen, da das Grundstück in XXX ihr nur zu 5/8 gehört habe auf Grund des Erbes nach dem vorverstorbenen Ehemann. 3/8 des Grundstücks Schatten 3 seien eigentumsrechtlich den Parteien des Erbscheinsverfahrens zuzuordnen. Die Anordnung im Testament sei mithin so undurchführbar. Die Erblasserin habe immer die Absicht gehabt, alle 3 Kinder gleichzustellen. An dieser Auffassung habe sich nichts geändert. Zwischen dem notariellen Testament vom 28.04.2013 und dem privatschriftlichen Testament vom 28.08.2012 habe sich nichts ereignet, was diese Auffassung habe ändern können, insbesondere hätten keine Vermögensverfügungen aus dem Vermögen der Erblasserin zugunsten einer der Abkömmlinge stattgefunden. Der Erblasserin sei mit Sicherheit nicht klar gewesen, dass die Zuweisung der einzelnen Grundstücke zu einem erheblichen Wertunterschied führen würde. Mit Sicherheit habe die Erblasserin eine Vorlage der Beteiligten Ziff. 1 und 2 entsprechend abgeschrieben. Die Erblasserin sei mit Sicherheit nicht davon ausgegangen, dass das Grundstück Schatten 3 so werthaltig sei. Sie habe vom Garten gesprochen und sicherlich nicht daran gedacht, dass auch das hinter dem Haus liegende Gartengrundstück eventuell Bauland sein könnte, was erst nach dem Tod der Erblasserin geklärt worden sei.

Eine Auslegung des privatschriftlichen Testaments dahingehend, dass die Erblasserin die Erben nach verschiedenen Erbquoten bestimmen wollte, scheide aus. Vielmehr habe die Erblasserin eine Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB verfügt. Aus dem Wortlaut des handschriftlichen Testaments ergebe sich nicht, dass verschiedene Erbquoten gebildet werden sollten. Vielmehr sollten alle drei Kinder erben. Einige Grundstücke seien von der Erblasserin gar nicht erwähnt worden, sie habe nicht ihr gesamtes Vermögen verteilt. Vorausvermächtnisse seien nicht verfügt, sie würden auch gemäß § 2169 BGB scheitern, da die Erblasserin nicht Alleineigentümerin der Grundstücke gewesen sei. Auch beim Barvermögen sei zu beachten, dass vermutlich nur 5/8 in den Nachlass fielen. Da von einer Teilungsanordnung auszugehen sei, sei bei Wertunterschieden der begünstigte Miterbe zum Ausgleich verpflichtet. Eine Benachteiligungsabsicht zu Lasten der Beteiligten Ziff. 3 sei bei der Erblasserin nicht erkennbar.

Unter dem 25.11.2015 hat die Beteiligte Ziff. 3 ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach sie und die Beteiligten Ziff. 1 und 2 je zu einem Drittel des Nachlasses Erben der Erblasserin geworden sind. Die Beteiligte Ziff. 3 verweist auf § 2091 BGB und vertritt die Auffassung, die von der Erblasserin im privatschriftlichen Testament vom 28.08.2012 getroffenen Anordnungen seien rechtlich als Teilungsanordnung im Sinne des § 2048 BGB zu qualifizieren und stellten keine Erbeinsetzung dar. Für eine Auslegung im Sinne einer Erbeinsetzung zu gleichen Teilen gemäß § 2091 BGB sprächen zum Einen der Wortlaut und der Aufbau des Testaments – ausdrückliche Berufung aller drei Kinder auf einer gleichberechtigten Gliederungsebene – sowie der Umstand, dass das Barvermögen nach dem Willen der Erblasserin zu 1/3 je Kind verteilt werden solle. Dies spreche ebenfalls für eine grundsätzliche Gleichbehandlungsabsicht der Erblasserin.

Die Beteiligten Ziff. 1 und 2 sind dem Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 entgegengetreten.

Durch Beschluss vom 03. März (handschriftlich mit Bleistift korrigiert: Mai) 2016 hat das Notariat I Herrenberg die im Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 vom 25.11.2015 genannten Tatsachen für festgestellt erachtet. Der Beschluss enthält – abgesehen von einer pauschalen Verweisung auf den Erbscheinsantrag – keine Begründung.

Gegen den ihnen am 09.05.2016 zugestellten Beschluss des Nachlassgerichts vom 05.03.2016 (03.03.2016) wenden sich die Beteiligten Ziff. 1 und 2 mit ihrer am 03.06.2016 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Mit Hinweis auf die von ihnen vertretene Auffassung zur Auslegung des privatschriftlichen Testaments der Erblasserin vom 28.08.2012 beantragen die Beteiligten Ziff. 1 und 2 im Beschwerdeverfahren, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Nachlassgericht anzuweisen, die im Erbscheinsantrag der Beschwerdeführer vom 23.07.2015 genannten Tatsachen für festgestellt zu erachten, hilfsweise, das Nachlassgericht anzuweisen, einen Erbschein des den Erbscheinsantrag berücksichtigenden Inhalts zu erteilen.

Die Beteiligte Ziff. 3 ist der Beschwerde entgegengetreten. Sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

Zur Sachverhaltsdarstellung im Einzelnen wird auf das schriftliche Vorbringen der Beteiligten sowie auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 352 ff., 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 2 hat, soweit sie auf die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses gerichtet ist, in der Sache Erfolg. Der Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 vom 25.11.2015 entspricht nicht der tatsächlich eingetretenen Erbfolge. Der angegriffene Beschluss des Nachlassgerichts, mit dem die erforderlichen Tatsachen für den Erlass eines solchen Erbscheins für festgestellt erachtet wurden, kann daher keinen Bestand haben.

1.

Die Begründung des angegriffenen Beschlusses des Nachlassgerichts, die sich auf eine bloße pauschalen Verweisung auf den Inhalts des Erbscheinsantrages vom 25.11.2015 beschränkt, genügt angesichts des bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung gegebenen kontroversen Sach- und Streitstandes nicht entfernt den gesetzlichen Anforderungen des § 38 Abs. 3 Satz 1 FamFG. Auch die Nichtabhilfeentscheidung des Nachlassgerichts vom 03.06.2016 enthält keinerlei weitere sachliche Begründung. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Begründung hat indes keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Beschlusses (vgl. Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 19. Auflage 2017, § 38 FamFG, Rdnr. 73).

2.

In der Sache vermag sich der Senat der dem Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 zugrunde liegenden Auslegung des privatschriftlichen Testaments der Erblasserin vom 28.08.2012, wonach die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 je mit einem Erbteil von einem Drittel Erben der Erblasserin geworden wären, nicht anzuschließen.

a)

Die dem Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 zugrunde liegende Erbfolge entspricht dem Inhalt des notariellen Testaments der Erblasserin vom 28.04.2011. Dieses Testament, dessen Inhalt sich auf die Erbeinsetzung der Beteiligten Ziff. 1 bis 3 nebst einer Regelung zur Berufung von Ersatzerben und zur Anwachsung beschränkt, hat die Erblasserin indes mit dem Eingangssatz ihres privatschriftlichen Testaments vom 28.08.2012 gerade ausdrücklich aufgehoben. Zwar hat die Erblasserin den einzelnen Verfügungen in diesem Testament den Satz vorangestellt, sie berufe ihre Kinder zu ihren Erben. Im Weiteren hat sie dann aber umfangreiche konkrete Vermögenszuordnungen auf die drei Kinder vorgenommen, die wertmäßig unstreitig nicht einer Drittelung des Nachlasses entsprechen. Es ist dabei davon auszugehen, dass die Erblasserin in Kenntnis der wertmäßigen Ungleichheit der den drei Kindern zugeordneten Vermögensgruppen testiert hat. Die Ungleichheit der Verteilung ergibt sich insbesondere daraus, dass den Beteiligten Ziff. 1 und 2 jeweils „die Hälfte am Grundstück Schatten 3“ in XXX zuwiesen hat. Die Erblasserin und ihr Ehemann hatten dieses über 23 Ar große Grundstück (Gebäude- und Freifläche) bereits im Jahre 1994 schätzen lassen (Anlage 7 zum Schriftsatz der Beteiligten Ziff. 1 und 2 vom 22.09.2015, Bl. 31 d.A.). Schon damals wurden Verkehrswerte von DM 689.900,00 für Wohnhaus, Scheune und Stall sowie DM 544.350,00 für Hühnerhaus, Maschinen- und Geräteschuppen ermittelt. Überdies war der Wert des Grundstücks auch Thema im Besteuerungsverfahren des Finanzamts Böblingen im Jahre 2003 betreffend die vorangegangene Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes. Es handelt sich um das einzige nicht landwirtschaftliche Grundstück im Nachlass.

b)

Eine Erbeinsetzung auf konkrete vorhandene Vermögensgegenstände ist nach deutschem Erbrecht nicht möglich. Auch eine bloße Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB bei gleichzeitiger Einsetzung als Erben zu je einem Drittel kann entgegen der Auffassung der Beteiligten Ziff. 3 hier nicht angenommen werden. Eine rechnerische Dreiteilung ist im privatschriftlichen Testament der Erblasserin vom 28.08.2012 lediglich für das Barvermögen bestimmt. Auch aus Wortlaut und Aufbau des Testaments kann eine grundsätzliche Erbeinsetzung zu je einem Drittel nicht entnommen werden. Ein Wille, die Kinder ungeachtet der Zuordnung konkreter Gegenstände weiterhin zu je einem Drittel als Erben einzusetzen, wird im privatschriftlichen Testament vom 28.08.2012 nicht deutlich. Die Berufung aller drei Kinder auf einer „gleichberechtigten Berufungsebene“ ist für sich genommen nicht ausreichend, um eine Erbeinsetzung zu je einem Drittel anzunehmen. Wäre entsprechend der Auslegung der Beteiligten Ziff. 3 von der Erblasserin hinsichtlich der Grundstücke eine Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB mit Ausgleichspflicht bei zugrunde liegender Erbeinsetzung zu je einem Drittel gewollt gewesen, so hätte es nahe gelegen, die Beteiligte Ziff. 3 beim Barvermögen entsprechend stärker zu bedenken oder jedenfalls eine Pflicht zur Ausgleichung ausdrücklich festzuhalten. Bei der Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB will der Erblasser die Höhe der Erbteile und deren Wert nicht verschieben, sondern im Gegenteil unangetastet lassen (BGH FamRZ 1985, 62). Dass die Beteiligten Ziff. 1 und 2 zur Zahlung eines Ausgleichs aus ihrem eigenen Vermögen verpflichtet sein sollten (vgl. Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Auflage 2018, § 2048 BGB, Rdnr. 1), ist nicht festzustellen. Es ist daher hier von einer bewussten Begünstigung der Beteiligten Ziff. 1 und 2 auszugehen. Damit aber scheidet eine Teilungsanordnung auf dieser Basis aus. Denn eine „wertverschiebende“ Teilungsanordnung ist nicht möglich (BGH NJW-RR 1990, 391).

In einer sogenannten „wertverschiebenden“ Teilungsanordnung kann in Wirklichkeit ein Vorausvermächtnis gemäß § 2150 BGB liegen (BGH NJW-RR 1990, 391). Nachdem aber schon im Ausgangspunkt nicht ersichtlich ist, dass grundsätzlich eine Erbeinsetzung zu je einem Drittel im vorliegenden Fall weiterhin gewollt war, kann auch nicht angenommen werden, dass hinsichtlich der Grundstücke jeweils – nicht anzurechnende und nicht auszugleichende – Vorausvermächtnisse gewollt waren. Vielmehr ist dann, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung seine gesamten Vermögensgegenstände einzeln und in unterschiedlichem Wert seinen Kindern zugewendet hat, regelmäßig von der Anordnung unterschiedlicher Erbquoten und nicht von der Anordnung von Vorausvermächtnissen bei gleichen Erbquoten auszugehen (OLG München FamRZ 2010, 578). Vorausvermächtnisse wären, worauf die Beteiligte Ziff. 3 zutreffend hinweist – im vorliegenden Fall auch zumindest zum Teil unwirksam. Denn die Grundstücke fallen nur teilweise in den Nachlass der Erblasserin, die ursprünglich zusammen mit ihrem Ehemann XXX in Gütergemeinschaft Eigentümer der Grundstücke war. Ist der Erblasser wie hier Miterbe eines noch ungeteilten Nachlasses, so gehört zur Erbschaft des Erblassers nur dessen Erbteil, nicht aber einzelne Gegenstände oder ein Bruchteil einzelner Gegenstände (RGZ 105, 246; KG NJW 1964, 1808; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2169 BGB Rdnr. 1). Insoweit bestünde hier zumindest eine teilweise Unwirksamkeit von Vorausvermächtnissen gemäß § 2169 Abs. 1 BGB. Soweit auch das Gesamtgut der Gütergemeinschaft zwischen dem vorverstorbenen Ehemann und der Erblasserin noch nicht auseinandergesetzt ist, besteht auch insoweit noch eine Gesamthandgemeinschaft (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1482 BGB, Rdnr. 1).

c)

Richtigerweise ist das privatschriftliche Testament der Erblasserin vom 28.08.2012 als Erbeinsetzung aller drei Kinder zu ungleichen Erbquoten auszulegen, die sich aus dem Wertverhältnis der jeweils zugewandten Vermögensgruppen im Verhältnis zum Gesamtnachlass ergeben. Verbunden ist diese Erbeinsetzung der Beteiligten mit einer Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB auf dieser Basis. Wie letztere mit ihrer rein schuldrechtlichen Natur hier letztlich in Anbetracht der noch fortbestehenden gesamthänderischen Bindung zur Geltung kommt, braucht im vorliegenden Rahmen nicht näher geklärt zu werden.

Hat ein Erblasser testamentarisch Einzelzuwendungen von Gegenständen oder Vermögensgruppen vorgenommen, die seiner Vorstellung nach praktisch sein gesamtes Vermögen ausmachen, ist regelmäßig von einer Erbeinsetzung auszugehen, da nicht angenommen werden kann, dass ein Erblasser seinen gesamten wesentlichen Nachlass verteilt, ohne einen Erben einsetzen zu wollen (OLG München NJW-RR 2007, 1162). Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin überdies in ihrem privatschriftlichen Testament vom 28.08.2012 ausdrücklich ausgeführt, sie berufe ihre Kinder zu ihren Erben. Demgemäß sind hier alle Kinder – die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 – zu Erben berufen worden. Hat der Erblasser über sein gesamtes im Zeitpunkt der Errichtung vorhandenes Vermögen in der Weise verfügt, dass er alle Bedachten einheitlich als Erben bezeichnet hat, so ist von einer Erbeinsetzung nach Quote auszugehen (OLG Düsseldorf NotBZ 2013, 389). In einem solchen Fall der erschöpfenden Zuwendung nach Vermögensgruppen sind die Erbteile anhand des wirtschaftlichen Wertverhältnisses der zugewandten Vermögensgruppen zum Gesamtnachlass zu ermitteln (BGH NJW-RR 1990, 391; BGH MDR 1960, 484; OLG München FamRZ 2010, 758; OLG Düsseldorf NotBZ 2013, 389).

Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin durch ihr privatschriftliches Testament vom 28.08.2012 praktisch über ihr gesamtes Vermögen verfügt, und zwar unabhängig von der zumindest teilweise noch vorhandenen gesamthänderischen Bindung. Lediglich wenige einzelne landwirtschaftliche Grundstücke, deren Wert die Beteiligten Ziff. 1 und 2 mit € 12.794,00 angeben, wurden in dem Testament nicht genannt, des Weiteren landwirtschaftliche Geräte und Hausrat mit einem bezifferten Wert von € 6.125,00, womit Gegenstände im Wert von etwa 2,5 % des Nachlasses nicht ausdrücklich erwähnt sind. Hinzu kämen – ebenfalls im Wert untergeordnet – gegebenenfalls die von der Beteiligten Ziff. 3 genannten Traktoren, deren Zugehörigkeit zum Nachlass allerdings streitig ist. Bei dieser Sachlage ist festzustellen, dass die Beteiligten Ziff. 1 bis 3 nach denjenigen Quoten, die sich aus dem Wertverhältnis der ihnen zugewandten Vermögensgruppen zum Gesamtnachlass ergeben, als Erben eingesetzt worden sind. Die Regelung des § 2091 BGB kommt, da die konkreten Erbquoten durch Auslegung ermittelt werden können, in diesen Fällen, nicht zur Anwendung (OLG München FamRZ 2010, 758). Da es der Erblasserin gerade darauf angekommen ist, den Bedachten die jeweils zugewendeten Gegenstände zukommen zu lassen, ist hier auf die Vermögensverhältnisse im Zeitpunkt des Erbfalls abzustellen (OLG Düsseldorf NotBZ 2013, 389). Bei der Wertermittlung wird zu berücksichtigen sein, dass das Grundstück Schatten 3 in XXX wie auch die übrigen Grundstücke nicht im Alleineigentum der Erblasserin standen, sondern jedenfalls teilweise gesamthänderisch gebunden waren und nach Lage der Dinge noch sind. Die Erbeinsetzungen werden durch eine zumindest teilweise gesamthänderische Bindung auch nicht gegenstandslos und damit unwirksam, wie dies das Bayerische Oberste Landesgericht in einem Fall entschieden hat, in dem ein Erblasser über ein zu keinem Zeitpunkt in seinem Eigentum stehendes Grundstück verfügt hatte (BayObLG FamRZ 2002, 1293). Im vorliegenden Fall war demgegenüber, auch soweit eine gesamthänderische Bindung besteht, eine dingliche Berechtigung der Erblasserin gegeben. Unabhängig vom Fortbestehen einer Gesamthandgemeinschaft bezüglich des Nachlasses des vorverstorbenen Ehemannes und gegebenenfalls zusätzlich einer noch bestehenden Gesamthandgemeinschaft infolge einer noch nicht auseinandergesetzten Gütergemeinschaft (gegebenenfalls gestaffelte Gesamthandsgemeinschaften, vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1482 BGB, Rdnr. 1) lassen sich aus den zugeordneten Gegenständen anhand der Wertverhältnisse die Erbteile ermitteln. Das privatschriftliche Testament vom 28.08.2012 kann insbesondere auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Zuordnungen der Grundstücke nur gelten sollten, wenn diese Aufteilung vollständig rechtlich möglich sein würde, und ansonsten wieder eine Dreiteilung erfolgen sollte. Dem Testierwillen der Erblasserin soll soweit wie möglich Geltung verschafft werden (§ 2084 BGB).

Letztlich brauchen die genauen Erbteile der Beteiligten Ziff. 1 bis 3 im vorliegenden Rahmen nicht bestimmt zu werden, da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens allein der Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 3 ist. Diesem liegt mit einer Erbquote von je einem Drittel jedenfalls nicht die zutreffende Erbfolge zugrunde.

d)

Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziff. 1 und 2 war demgemäß der Beschluss des Nachlassgerichts vom 03.05.2016 aufzuheben. Soweit mit der Beschwerde weitergehend beantragt worden ist, das Nachlassgericht anzuweisen, dem Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 und 2 Folge zu geben, war die Beschwerde zurückzuweisen. Das Nachlassgericht hat über den Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 und 2 noch keine Entscheidung getroffen. Dieser Erbscheinsantrag ist auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

3.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG, die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens auf §§ 61, 40 Abs. 1 GNotKG. Abgestellt wurde bei der Wertfestsetzung auf die Differenz zwischen der vom Nachlassgericht angenommenen Erbfolge zu je 1/3 und der von den Beschwerdeführern für richtig gehaltenen Erbfolge, wobei die von ihnen zugrunde gelegten Werte der Nachlassgegenstände herangezogen wurden. Die Festsetzung des Gegenstandswertes für das Verfahren erster Instanz obliegt dem Nachlassgericht.

Gründe für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG bestehen nicht.

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