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Testamentsauslegung – Erbeinsetzung von Abkömmlingen

Postmortale Vollmacht und Vermächtnis: Ein komplexer Erbfall entschlüsselt

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat am 10. Mai 2023 ein Urteil gefällt, das sich mit der komplexen Thematik der postmortalen Vollmacht und der Annahme eines Vermächtnisses in einer Erbengemeinschaft befasst. Im Kern ging es um die Frage, ob ein Miterbe, der durch eine postmortale Vollmacht legitimiert ist, ein ihm als Vermächtnis zugesprochenes Grundstück veräußern und den Kaufpreis für sich selbst vereinnahmen darf. Die Kläger, Mitglieder der Erbengemeinschaft, hatten den Beklagten auf Herausgabe des Kaufpreises verklagt, da sie der Meinung waren, dass dieser den Verkaufserlös nicht für sich behalten dürfe.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 U 57/22 >>>

Die Rolle der postmortalen Vollmacht

Der Beklagte hatte von der Erblasserin eine sogenannte postmortale Vollmacht erhalten, die ihm erlaubte, sie in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten, auch nach ihrem Tod. Diese Vollmacht beinhaltete auch die Befugnis, Grundstücke zu veräußern. Nach dem Tod der Erblasserin verkaufte der Beklagte ein Grundstück und wies den Käufer an, den Kaufpreis auf sein eigenes Konto zu überweisen. Das Gericht sah in diesem Vorgehen die Annahme des Vermächtnisses und die berechtigte Erfüllung des ihm infolgedessen ersatzweise angefallenen Zahlungsanspruchs gegen den Grundstückserwerber.

Vermächtnis und dessen Annahme

Die Erblasserin hatte in einem Erbvertrag festgelegt, dass das besagte Grundstück dem Beklagten als Vermächtnis zufallen sollte. Der Beklagte war zudem zum Testamentsvollstrecker berufen worden. Das Gericht stellte fest, dass die Veräußerung des Grundstücks und die Anweisung, den Kaufpreis auf sein eigenes Konto zu überweisen, als Annahme des Vermächtnisses zu werten sei. Dies galt auch, wenn der Beklagte die Transaktion im Namen der Erbengemeinschaft und nicht als Testamentsvollstrecker durchgeführt hatte.

Ausgleichung lebzeitiger Zuwendungen

Ein weiterer Streitpunkt war die Ausgleichung lebzeitiger Zuwendungen. Die Kläger hatten von der Erblasserin zu Lebzeiten Grundstücke geschenkt bekommen und forderten nun vom Beklagten eine Ausgleichszahlung. Der Beklagte rechnete jedoch mit angeblichen Forderungen aus Schuldscheinen auf. Das Gericht wies die Berufung der Kläger zurück und entschied, dass die Kosten des Berufungsverfahrens den Klägern zur Last fallen.

Keine Revision zugelassen

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und die Revision wurde nicht zugelassen. Damit bleibt die Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken in diesem komplizierten Erbfall bestehen, und der Beklagte darf den Kaufpreis für das veräußerte Grundstück behalten.


Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 U 57/22 – Urteil vom 10.05.2023

Leitsatz

1. Hat der durch postmortale Bevollmächtigung legitimierte Miterbe ein ihm als Vermächtnis angefallenes Nachlassgrundstück namens der Erbengemeinschaft veräußert und den Erwerber angewiesen, den Kaufpreis auf sein eigenes Bankkonto zu überweisen, so liegt darin die Annahme des Vermächtnisses und die berechtigte Erfüllung des ihm infolgedessen ersatzweise angefallenen Zahlungsanspruchs gegen den Grundstückserwerber, ungeachtet der ihm weiterhin eingeräumten Befugnis, die Erfüllung des Vermächtnisses auch als Testamentsvollstrecker zu bewirken.

2. Zu den Voraussetzungen einer Ausgleichung lebzeitiger Zuwendungen im Falle der gewillkürten Erbfolge.

I. Die Berufung der Kläger gegen das am 22. Juni 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 16 O 178/21 – wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens – einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers – fallen den Klägern zur Last.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Kläger haben mit ihrer Klage erstinstanzlich Zahlung in Höhe von 105.200,15 Euro zugunsten einer aus den Parteien bestehenden Erbengemeinschaft nach der am … 2019 verstorbenen gemeinsamen Mutter, R. H., geltend gemacht, die von den Parteien des Rechtsstreites zu gleichen Teilen beerbt wurde. Mit ihrer Berufung verfolgen sie diesen Anspruch nur noch in Ansehung eines vermeintlich zu Unrecht vereinnahmten Kaufpreises aus der Veräußerung eines Hausgrundstückes in Höhe von 86.000,- Euro weiter. Außerdem begehren sie weiterhin die Feststellung, dass der Beklagte wegen weiterer, ihm zu Lebzeiten zugewandter Grundstücke der Erblasserin anlässlich der Erbauseinandersetzung Beträge in Höhe von 9.084,- Euro an die Klägerin zu 1) und von 7.029,- Euro an den Kläger zu 2) auszugleichen habe.

Der Beklagte war aufgrund einer am 14. Mai 2018 von dem Streithelfer beurkundeten „General- und Vorsorgevollmacht“ (UR. Nr. ……….des Notars J. M., Bl. 138 ff. GA) dazu bevollmächtigt worden, die Erblasserin und ihren am 9. Januar 2019 vorverstorbenen Ehemann insbesondere in allen persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten, u.a. mit der Befugnis, Grundbesitz zu veräußern und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen und zu beantragen. Die Vollmacht sollte durch den Tod des Vollmachtgebers nicht erlöschen; der Bevollmächtigte war von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit worden. Ebenfalls am 14. Mai 2018 hatten die Erblasserin und ihr Ehemann einen Erbvertrag geschlossen (UR Nr. ………des Notars J. M., Bl. 6 ff. GA), in dem beide sich gegenseitig, der Erstversterbende den länger Lebenden, zum alleinigen und unbeschränkten Erben und die Parteien zu je 1/3 zu Erben des länger Lebenden eingesetzt und außerdem – in Ziff. V. der Urkunde – folgende „Vermächtnisanordnung“ getroffen hatten:

1. Im Grundbuch des Amtsgerichts Saarbrücken – Saarländisches Grundbuchamt – von Haupersweiler Blatt 1081 ist Frau R. H., allein, unter anderem als Eigentümer des folgenden Grundbesitzes eingetragen:

Gemarkung, Ifd. Nr. 1, , …, groß 1660 qm.

Bei dem vorbezeichneten Grundstück handelt es sich um das Hausanwesen mit der postalischen Anschrift ….

2. Der Längerlebende von uns – und für den Fall, dass wir gleichzeitig versterben, Frau R. H. allein – vermacht unserem Sohn M. H., vorgenannt, zum Voraus und ohne Anrechnung auf seinen Erbteil den vorstehend genannten Grundbesitz zu alleinigem Recht und Eigentum.

3. Mitvermacht sind alle Eigentümerrechte und -ansprüche an Grundpfandrechten, welche auf dem vermachten Grundbesitz lasten. Etwaige an dem vermachten Grundbesitz lastende Schulden im Sinne des § 2166 BGB, soweit es sich hierbei zugleich um Nachlassverbindlichkeiten handelt, hat der Vermächtnisnehmer zur Entlastung der Erben zu übernehmen.

4. Kosten der Vermächtniserfüllung und eine eventuell anfallende Steuer sind von dem Vermächtnisnehmer zu tragen.

5. Das Vermächtnis ist kein Verschaffungsvermächtnis. Es entsteht daher nicht, wenn der vorbezeichnete Grundbesitz sich nicht im Nachlass befindet.

6. Ersatzvermächtnisnehmer bestimmen wir nicht.

7. Zum Vollzug des Vermächtnisses wird der Vermächtnisnehmer zum Testamentsvollstrecker berufen, als welcher er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Für seine Tätigkeit steht dem Testamentsvollstrecker keine Vergütung zu und ihm sind auch keine Auslagen für seine Tätigkeit zu erstatten.

Nach dem Tode der beiden Eheleute veräußerte der Beklagte das vorstehend genannte Hausanwesen mit einem weiteren, von dem Streithelfer beurkundeten Kaufvertrag vom 13. Februar 2019 (UR Nr……….., Bl. 23 ff. GA) zum Preis von 86.000,- Euro, den er selbst vereinnahmte, an eine Frau B. B. und einen Herrn C. A. N.. Ausweislich der notariellen Urkunde wurde der Beklagte aus diesem Anlass „aufgrund der notariellen Vollmacht vom 14. Mai 2018 – UR-Nr. ………- des Notars…. für die Erben der verstorbenen Frau. geborene S.“ tätig.

Die Erblasserin hatte zu Lebzeiten im Rahmen von Schenkungsverträgen auf beide Kläger Grundbesitz unentgeltlich übertragen: Am 28. Dezember 1981 wandte sie der Klägerin zu 1) und deren Ehemann das im Grundbuch von………, Bl. 1081, lfd. Nr. 13, Flur 7, Nr. 46/21, 7,98 ar sowie lfd. Nr. 16, Flur 7 Nr. 46/24, 0,01 ar eingetragene Grundstück unentgeltlich zu (UR Nr. ………des Notars W. E., in Anlage zum Schriftsatz Bl. 171 ff. GA), am 26. Oktober 1987 dem Kläger zu 2) das im Grundbuch von ………..Bl. 1081, lfd. Nr. 12, Flur 7 Nr. 46/20, 7,35 ar sowie lft. Nr. 18, Flur 7, Nr. 50/2, 1,47 ar eingetragene Grundstück (UR Nr. …….desselben Notars). Außerdem schlossen die Erblasserin und ihr Ehemann mit dem Beklagten am 14. Mai 2018 einen notariellen Kaufvertrag über mehrere unbebaute Grundstücke in …….. zum Gesamtpreis von 6.673,90 Euro (UR Nr. ……….des Notars J. M., Anlage zum Schriftsatz der Kläger vom 27. April 2022); der Kaufpreis wurde am 30. Mai 2018 auf das Konto der Eheleute bei der … gezahlt. Der Beklagte hat gegenüber dem auf diese Zuwendungen gestützten vermeintlichen Ausgleichsanspruch der Kläger die Aufrechnung mit angeblichen Forderungen aus zwei ihm erteilten, auf den Namen der Erblasserin lautenden „Schuldscheinen“ vom 13. Januar 1994 und vom 13. März 2015 über Beträge in Höhe von 18.000,- DM und 28.000,- Euro (Bl. 45 f. GA) am 11. November 2019 erklärt (Bl. 44 GA); die Kläger haben in Ansehung dieser angeblichen Gegenforderungen die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 84 GA).

Die Kläger haben, soweit für das vorliegende Berufungsverfahren noch erheblich, die Ansicht vertreten, der Beklagte habe den anlässlich der Veräußerung des Hausanwesens im Namen der Erbengemeinschaft erzielten und – unstreitig – selbst vereinnahmten Kaufpreis an diese herauszugeben. Die Einigung mit den Erwerbern sei noch zu Lebzeiten der Erblasserin erfolgt; der Beklagte habe ausdrücklich erklärt, dass das Haus für die Erben verkauft und der Verkaufserlös unter den Erben aufgeteilt werde, infolgedessen sei ihm dieses nicht als Vermächtnis angefallen. Dieses habe er zu keiner Zeit angenommen; eine Annahme liege insbesondere auch nicht in der Veräußerung des Grundstücks, weil der Beklagte dabei ausdrücklich aufgrund der ihm erteilten Vollmacht für die Erbengemeinschaft und nicht in seiner Funktion als Testamentsvollstrecker gehandelt habe, dies stelle vielmehr eine Ausschlagung des Vermächtnisses dar. Auch der Streithelfer habe in seinem Schreiben vom 15. Juli 2021 bestätigt, dass ein Vollzug des Vermächtnisses nicht erfolgt sei. Da kein Verschaffungsvermächtnis vorliege, sei der Verkaufserlös nicht an die Stelle des Vermächtnisses getreten. Bei den zu Lebzeiten erfolgten Grundstücksübertragungen habe es sich um gemäß §§ 2050, 2052 BGB ausgleichspflichtige Schenkungen gehandelt. Die von dem Beklagten zum Preis von 6.673,90 Euro erworbenen Grundstücke hätten nach Auskunft der Gemeinde …….tatsächlich einen Wert von 40.043,40 Euro aufgewiesen, so dass von einer Teilschenkung in Höhe von 33.369,50 Euro auszugehen sei. Diesbezüglich liege eine Ausstattung im Sinne der §§ 2050 Abs. 1, 1624 BGB vor, denn der Beklagte habe Pferdehaltung praktiziert, für die er den Grundbesitz genutzt und erhalten habe, und die Übertragung habe dem Zweck gedient, die Pferdehaltung auszubauen und die Lebensstellung des Beklagten zu optimieren. Da die der Klägerin zu 1) zu Lebzeiten unentgeltlich zugewandten Grundstücke mit 8.170,- Euro und die dem Kläger zu 2) zugewandten Grundstücke mit 10.225,- Euro zu bewerten und folglich insgesamt Ausstattungen in Höhe von 51.764,50 Euro dem Nachlass fiktiv zuzuführen seien, stehe jeder Partei ein Betrag in Höhe von 17.254,- Euro zu, und es errechne sich angesichts der bereits erhaltenen Zuwendungen für die Klägerin zu 1) ein Ausgleichsbetrag in Höhe von 9.084,- Euro und für den Kläger zu 2) in Höhe von 7.029,- Euro. Da der Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 11. November 2019 und 19. Dezember 2019 die Ausgleichsverpflichtung der Parteien unstreitig gestellt habe, sei insoweit auch von einem deklaratorischen Schuldanerkenntnis dem Grunde nach auszugehen. Den vom Beklagten zur Begründung der Aufrechnung eingewandten Schuldscheinen, deren Echtheit in Abrede gestellt werden müsse, lägen in Wahrheit keine Zahlungsansprüche zugrunde.

Der Beklagte hat die Zuwendung des Hausanwesens als Vorausvermächtnis damit gerechtfertigt, dass er sich um die pflege- und hilfsbedürftigen Eltern gekümmert habe. Die Annahme und die Erfüllung des Vermächtnisses, die jeweils konkludent mit der Veräußerung des Anwesens erfolgt seien, habe er zulässigerweise auch im Namen der Erblasserin als deren Generalbevollmächtigter vornehmen können, ohne den länger währenden und kostspieligeren Weg über die Testamentsvollstreckung gehen zu müssen und dadurch Gefahr zu laufen, die gefundenen Interessenten für das schwer zu veräußernde Hausanwesen zu verlieren. Gegenüber dem Streithelfer habe er erklärt, den Kaufvertrag vollziehen zu wollen, um die ihm nach dem Vermächtnis zustehende Immobilie zu verwerten und sich deren wirtschaftlichen Wert anzueignen, und dadurch seinen Annahmewillen deutlich gemacht. Seiner in die notarielle Urkunde aufgenommenen Erklärung, er handle „für die Erben“, sei dagegen kein gesteigerter Erklärungswert beizumessen. Jedenfalls stehe dem Herausgabeverlangen der Kläger der Einwand der Treuwidrigkeit entgegen, weil diese dann unter Schadensersatzgesichtspunkten wegen der Unmöglichkeit der Vermächtniserfüllung zur umgehenden Rückerstattung des Erlangten verpflichtet wären. In Ansehung des an ihn veräußerten Grundstücks könne von einer ausgleichungspflichtigen Ausstattung keine Rede sein; er habe nur als Hobby ein Pferd gehalten, dies liege aber bereits mindestens 10 Jahre zurück. Dass er mit anwaltlichem Schreiben vom 11. November 2019 die Aufrechnung gegenüber eventuellen Forderungen der Kläger erklärt habe, ohne weiter auf deren Berechtigung einzugehen, bedeute nicht deren Anerkenntnis. Da er der Erblasserin und ihrem Ehemann in der Vergangenheit wiederholt größere Beträge geliehen habe, worüber die Erblasserin die beiden Schuldscheine ausgestellt habe, seien etwaige Ausgleichsansprüche der Kläger jedenfalls durch seine Aufrechnung erloschen.

Mit dem zur Berufung angefallenen Urteil (Bl. 280 ff. GA), auf dessen Inhalt auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es, soweit hier noch von Interesse, ausgeführt: Der begehrten Herausgabe des Veräußerungserlöses stehe entgegen, dass der Beklagte durch die Veräußerung des Hausanwesens konkludent auch das ihm zugewandte Vermächtnis angenommen und für die Erbengemeinschaft erfüllt habe. Die Feststellungsklage sei zwar zulässig, in der Sache scheitere sie jedoch daran, dass die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen eine Ausgleichung zu erfolgen habe, nicht gegeben seien, insbesondere habe in der Zuwendung des Grundstücks keine Ausstattung im Sinne des § 2050 Abs. 1 BGB gelegen.

Mit ihrer dagegen eingelegten Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren auf Auskehr des Erlöses aus dem Hausverkauf und auf Feststellung der Ausgleichungspflicht des Beklagten weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres früheren Vorbringens beharren sie auf ihrer Rechtsauffassung, wonach der Beklagte durch die ausdrücklich im Namen der Erben getätigte Veräußerung des Hausanwesens das Vermächtnis nicht angenommen habe, und deshalb der Erlös aus diesem Verkauf der Erbengemeinschaft gebühre. Auch eine Ausgleichungspflicht, die sich hier schon aus der Zweifelsregelung des § 2052 BGB ergebe, habe das Landgericht zu Unrecht verneint.

Die Kläger beantragen (Bl. 332 GA): das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 22. Juni 2022 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,

1. an die Erbengemeinschaft der am … 2019 verstorbenen., bestehend aus den Erben I. T., …, G. H., … und M. H., … einen Betrag in Höhe von 86.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. festzustellen, dass der Beklagte bei einer Auseinandersetzung des Nachlasses der Erbengemeinschaft der am … 2019 verstorbenen R. H. verpflichtet ist, einen Betrag in Höhe von 9.084,- Euro an die Klägerin zu 1) und einen Betrag in Höhe von 7.029,- Euro an den Kläger zu 2) auszugleichen.

Der Beklagte beantragt (Bl. 340 GA), die Berufung zurückzuweisen.

Der Streithelfer schließt sich dem Antrag der Beklagtenseite an (Bl. 380 GA).

Beide verteidigen das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 9. Februar 2022 und 1. Juni 2022 (Bl. 154 ff., 267 ff. GA) sowie des Senats vom 26. April 2023 (BI. 396 ff. GA) verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässige Berufung der Kläger bleibt in der Sache ohne Erfolg. Im Umfange der Anfechtung beruht das erstinstanzliche Urteil weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, den Klägern günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO); vielmehr hat das Landgericht ihre diesbezügliche Klage zu Recht abgewiesen.

1.

Soweit die Kläger mit ihrer Berufung zulässigerweise (§ 2039 BGB) zugunsten der Erbengemeinschaft auf Rückzahlung des aus der Veräußerung des Hausanwesens erlangten Erlöses antragen, besteht ein solcher Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Der Beklagte, dem das in Rede stehende Grundstück als Vorausvermächtnis angefallen ist, war berechtigt, den unter Einsatz der ihm erteilten Generalvollmacht erzielten Veräußerungserlös zur Erfüllung seines an die Stelle des Vermächtnisgegenstandes getretenen Anspruchs auf Herausgabe des Ersatzes (§ 285 Abs. 1 BGB) zu verwenden und den entsprechenden Geldbetrag seinem eigenen Vermögen zuzuführen.

a)

Als Rechtsgrundlage des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs auf Rückzahlung vereinnahmter Geldbeträge an die ungeteilte Erbengemeinschaft hat das Landgericht zu Recht vorrangig auf das zuletzt zwischen der Erblasserin und dem Beklagten bestehende Auftragsverhältnis (§§ 662 ff., 1922 BGB) abgestellt, das der Bevollmächtigung zugrunde lag und das den Beklagten als Beauftragten gemäß § 667 BGB dazu verpflichtete, alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, an den Auftraggeber herauszugeben; insoweit müssen erlangte Geldmittel auch dann herausgegeben werden, wenn sie beim Beauftragten zwar nicht mehr vorhanden sind, aber nicht zu dem vorgesehenen Zweck verwendet wurden (BGH, Urteil vom 10. Oktober 1996 – III ZR 205/95, NJW 1997, 47; Urteil vom 4. November 2002 – II ZR 210/00, NZG 2003, 215). Nach dem Tode der Erblasserin ist dieser Anspruch gemäß §§ 1922 Abs. 1, 1942 Abs. 1 BGB auf deren Erben übergegangen; die Kläger können deshalb – als Mitglieder der Erbengemeinschaft – diesen Anspruch im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft nach § 2039 BGB für die Erbengemeinschaft geltend machen.

aa)

Gemäß § 662 BGB liegt ein Auftrag vor, wenn sich der Beauftragte verpflichtet, ein ihm vom Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen. Die Entscheidung, ob ein Auftragsverhältnis oder ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswille anzunehmen ist, erfolgt im Wege der Auslegung im konkreten Einzelfall nach Treu und Glauben unter Rücksicht auf die Umstände und die Verkehrssitte (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1991 – III ZR 4/91, NJW 1992, 498). Es kommt darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Zusage des Leistenden verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann dem Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein rechtlicher Bindungswille zugrunde gelegt werden (BGH, Urteil vom 14. November 1991 – III ZR 4/91, NJW 1992, 498; Senat, Urteil vom 5. Dezember 2012 – 5 U 17/12-3). Ein solcher Rechtsbindungswille ist hier sowohl für die Erblasserin als auch für den Beklagten anzunehmen. Bei der Erteilung einer – wie hier – umfassenden Vollmacht (UR 481/2018 des Notars J. M., u.a. Bl. 138 ff. GA) wird in der Regel nicht von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis, sondern von einem Auftragsverhältnis auszugehen sein; eine abweichende Bewertung kann nur ausnahmsweise auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls in Betracht kommen (Senat, Urteil vom 6. Juni 2018 – 5 U 63/17; OLG Brandenburg, RNotZ 2014, 374; OLG Schleswig, FamRZ 2014, 1397; OLG Karlsruhe, FamZR 2017, 1873; Grüneberg, in: Grüneberg, BGB 82. Aufl., Einf. v. § 662 Rn. 7). Die hier erteilte notarielle Vollmacht vom 14. Mai 2018 berechtigte den Beklagten zu allen Vertretungshandlungen in vermögensrechtlicher Hinsicht und erfasste insbesondere auch die persönliche Fürsorge; dadurch wurde dem Beklagten eine umfassende Rechtsstellung – vergleichbar der eines Betreuers – eingeräumt (vgl. Senat, Urteile 5. Dezember 2012 – 5 U 17/12-3 und vom 6. Juni 2018 – 5 U 63/17). Dafür, dass zwischen den Parteien keine vertraglichen Bindungen geschaffen werden sollten, die das der – umfassenden – Bevollmächtigung zugrunde liegende Rechtsverhältnis regeln und insbesondere auch Auskunfts- und Rechenschaftspflichten des Beklagten begründen sollten, bestehen keine Anhaltspunkte; dies, zumal die Erblasserin wie auch der Beklagte nach dem Inhalt der notariellen Urkunde davon ausgingen, dass die Tätigkeit des Beklagten gerade zu einem Zeitpunkt Bedeutung erlangen würde, in dem sie selbst außerstande sein würde, auf den Lauf der Dinge Einfluss zu nehmen (vgl. Senat, Urteile vom 5. Dezember 2012 – 5 U 17/12-3 und vom 6. Juni 2018 – 5 U 63/17; OLG Brandenburg, RNotZ 2014, 374; OLG Schleswig, FamRZ 2014, 1397).

bb)

Soweit es damit vorliegend Sache des Beklagten war, darzulegen und ggf. nachzuweisen, dass er den in Ausübung seiner Befugnisse unstreitig erlangten Betrag in Höhe von 86.000,- Euro aus dem namens der Erbengemeinschaft bewerkstelligten Hausverkauf auftragsgemäß verwendet hat (zur Darlegungs- und Beweislast des Beauftragten für die auftragsgemäße Verwendung des Erlangten BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 – III ZR 336/89, NJW-RR 1991, 575; Urteil vom 21. Juni 2012 – III ZR 290/11, juris; Senat, Urteil vom 6. Juni 2018 – 5 U 63/17; OLG Schleswig, FamRZ 2014, 1397), ist dies hier aber unzweifelhaft geschehen. Der Senat folgt der Einschätzung des Landgerichts, dass der Beklagte berechtigt war, diesen Betrag seinem eigenen Vermögen zuzuführen; dies richtigerweise nämlich, um auf diese Weise eine eigene Geldforderung in dieser Höhe gegen den Nachlass zu erfüllen, die ihm als Ersatz (§ 285 Abs. 1 BGB) dafür gebührte, dass das ihm mit Erbvertrag vom 14. Mai 2018 (UR Nr. 480/2018 des Notars J. M.) als Vorausvermächtnis zugewandte Hausanwesen, das ihm mit dem Tode seiner Mutter angefallen war, im Anschluss an seine Veräußerung nicht mehr zur Erfüllung des Vermächtnisanspruchs zur Verfügung stand.

(1)

Die Voraussetzungen einer Herausgabepflicht nach § 285 Abs. 1 BGB waren in Ansehung des streitbefangenen Geldbetrages bei dessen Erhalt durch den Beklagten unzweifelhaft gegeben. Diese Bestimmung verpflichtet den Schuldner (hier: die Erben), der infolge des Umstands, auf Grund dessen er die an sich geschuldete Leistung nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht zu erbringen braucht, für den geschuldeten Gegenstand einen Ersatz oder einen Ersatzanspruch erlangt, zur Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder zur Abtretung des Ersatzanspruchs an den Gläubiger (hier: den Beklagten).

(a)

Dem Beklagten stand nach dem Erbfall – hier: dem Tode seiner am … 2019 letztverstorbenen Mutter – gegen die Erbengemeinschaft ein Vermächtnisanspruch (§ 2174 BGB) zu, der diese fortan dazu verpflichtete, das alleinige Eigentum an dem betroffenen Hausanwesen in Haupersweiler (Blatt 1081, ldf. Nr. 1, Flur 8, Flurstück 2) auf den Beklagten zu übertragen. Dass die Eltern der Parteien im Rahmen des Erbvertrages unter Ziff. V. eine wirksame Vermächtnisanordnung getroffen haben, durch die das Anwesen dem Beklagten zum Voraus und ohne Anrechnung auf seinen Erbteil zu alleinigem Recht und Eigentum zugewandt worden ist, unterliegt keinem Zweifel und wird auch von der Berufung nicht in Abrede gestellt. Mit Recht geht das Landgericht weiterhin davon aus, dass das Vermächtnis dem Beklagten mit dem Tode seiner Mutter angefallen ist (§ 2176 BGB), weil es zu diesem Zeitpunkt noch im Nachlass vorhanden und seine Veräußerung, wie sie sodann mit Vertrag vom 13. Februar 2019 rechtswirksam erfolgte, unbeschadet des Hinweises der Kläger auf eine – rechtlich nicht bindende – „Einigung“ mit den Erwerbern noch zu Lebzeiten der Erblasserin zum Zeitpunkt des Erbfalles nicht vollzogen war. Deshalb spielt es auch keine Rolle, dass es sich bei der Zuwendung nicht um ein „Verschaffungsvermächtnis“ gehandelt hat, wie die Kläger weiter einwenden; denn darauf käme es nur an, wenn der vermachte Gegenstand „zur Zeit des Erbfalles“ (§ 2170 Abs. 1 BGB) nicht mehr zur Erbschaft gehört hätte. Hier verhält es sich jedoch umgekehrt: Zum Zeitpunkt des Erbfalles und des Anfalles befand sich das vermachte Grundeigentum noch im Nachlass, erst später wurde es durch den Kläger unter Verwendung der ihm erteilten „Generalvollmacht“ mit Wirkung für den Nachlass veräußert.

(b)

Entgegen der Ansicht der Kläger hat der Beklagte dadurch, dass er nach dem Tode seiner Mutter die Veräußerung des Anwesens namens der Erben betrieb und den Veräußerungserlös seinem Vermögen zuführte, ohne zuvor mithilfe der ihm durch den Erbvertrag zugewandten Befugnisse eines Testamentsvollstreckers die Übertragung des Eigentums auf sich bewirkt zu haben, das Vermächtnis nicht ausgeschlagen (§§ 2180 Abs. 1, 3, 1953 Abs. 1 BGB). Vielmehr ist mit dem Landgericht davon auszugehen, dass der Beklagte, indem er auf diese Weise vorging, das ihm zugewandte Vermächtnis stillschweigend angenommen hat.

(aa)

Das Vermächtnis wird gemäß § 2180 Abs. 2 Satz 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem Beschwerten ausgeschlagen. Diese Erklärung, die erst nach dem Eintritt des Erbfalls abgegeben werden kann (§ 2180 Abs. 2 Satz 2 BGB), ist – anders als die Erbausschlagung, § 1945 BGB – nicht formbedürftig und kann auch durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck kommen (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2000 – IV ZR 99/99, NJW 2001, 520). Dementsprechend kann die Mitwirkung an einem Übertragungsvertrag ggf. als Ausschlagung eines Vermächtnisses ausgelegt werden, wenn der Vermächtnisgegenstand offensichtlich nicht in Erfüllung der Vermächtnisanordnung, sondern unter abweichenden Bedingungen mit dem Rechtsgrund eines neuen Schenkungsversprechens übertragen wird (Reymann, in: jurisPK-BGB 9. Aufl., § 2180 BGB Rn. 26; Staudinger/Otte (2019) BGB § 2180, Rn. 10; Planck, BGB 1. und 2. Aufl., § 2180 Anm. 2). Auch die Annahme des Vermächtnisses mit der Folge, dass es dann nicht mehr ausgeschlagen werden kann (§ 2180 Abs. 1 BGB), kann durch stillschweigendes Handeln, etwa die Ingebrauchnahme des zugewendeten Gegenstandes, erfolgen (BGH, Urteil vom 12. Januar 2011 – IV ZR 230/09, NJW 2011, 1353; OLG Colmar, OLGE 4, 442, 443; Weidlich, in: Grüneberg, a.a.O., § 2180 Rn. 1; Staudinger/Otte (2019) BGB § 2180, Rn. 10). Für den Beschwerten muss erkennbar zum Ausdruck gebracht werden, dass der Begünstigte das Vermächtnis annimmt (vgl. OLG Stuttgart, ZEV 1998, 24; OLG Karlsruhe, ErbR 2017, 573); das bloße Wohnenbleiben in einer durch Vermächtnis zugewandten Wohnung allein etwa lässt nicht ohne weiteres auf eine konkludente Annahmeerklärung schließen (BGH, Urteil vom 12. Januar 2011 – IV ZR 230/09, NJW 2011, 1353; OLG Oldenburg, FamRZ 1999, 1618). Besteht Streit darüber, ob das Vermächtnis ausgeschlagen wurde, so trifft die Beweislast hierfür den beklagten Erben (Horn, in: Kroiß/Ann/Mayer, NK-BGB Erbrecht 6. Aufl., § 2180 Rn. 12; Schmitz, in: Baumgärtel/Laumen/Prütting, Handbuch der Beweislast 4. Aufl., § 2180 Rn. 1 f.; allgemein Weidlich, in: Grüneberg, a.a.O., § 1944 Rn. 8).

(bb)

Im Streitfall sieht der Senat keine Anhaltspunkte für die von den Klägern bereits in der Klageschrift vertretene Ansicht, der Beklagte habe dadurch, dass er das Hausanwesen namens der Erben veräußerte und den Erlös vereinnahmte, konkludent das ihm zugewandte Vermächtnis ausgeschlagen. Durch die nach dem Anfall im eigenen Namen betriebene Veräußerung des Anwesens brachte der Beklagte vielmehr – für die zugleich von ihm vertretenen Erben erkennbar – zum Ausdruck, das ihm zugewandte Grundvermögen für eigene Zwecke verwerten und den dabei erzielten Erlös seinem Vermögen zuführen zu wollen. Dass er sich dabei der rechtlichen Möglichkeiten bediente, die ihm die von der Erblasserin erteilte Generalvollmacht einräumte, und nicht den im notariellen Erbvertrag vorgesehenen Weg über die Testamentsvollstreckung (§§ 2197 ff. BGB) wählte, steht seinem unbedingten Annahmewillen nicht entgegen; jedenfalls lässt diese Wahl einen Willen, das Vermächtnis auszuschlagen, nicht erkennen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine postmortale Generalvollmacht selbständig neben der Testamentsvollstreckung stehen und dem Bevollmächtigten eigenständige Befugnisse verleihen kann (BGH, Beschluss vom 14. September 2022 – IV ZB 34/21, NJW 2022, 3436; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1357; OLG München, FamRZ 2012, 1004; Weidlich, in: Grüneberg, a.a.O.; Vor § 2197 Rn. 12). Greift der Begünstigte – wie hier – auf diese Möglichkeit zurück, um sich auf diese Weise durch Veräußerung des vermachten Gegenstandes unmittelbar in den Genuss des dadurch erzielten Erlöses zu bringen, liegt darin auch angesichts der damit verbundenen Zeit- und Kostenvorteile, auf die der Beklagte und sein Streithelfer zu Recht hingewiesen haben – ersichtlich – keine Ausschlagung des ihm zugewandten Vermächtnisses, sondern es kommt darin – ganz im Gegenteil – der eindeutige Wille zum Ausdruck, die Zuwendung anzunehmen und für das eigene Vermögen fruchtbar zu machen.

(c)

Der dem Beklagten danach zugefallene Vermächtnisanspruch nach § 2174 BGB ist nach dem Anfall gemäß § 275 Abs. 1 BGB untergegangen, mit der Folge, dass die Erbengemeinschaft die an sich geschuldete (Primär-)Leistung nicht mehr zu erbringen brauchte und sich der Beklagte auf evtl. Sekundäransprüche verweisen lassen muss. Die den Erben obliegende Verpflichtung, dem Beklagten das Eigentum an dem vermachten Grundstück zu verschaffen, ist dadurch unmöglich geworden, dass sie das Eigentum hieran infolge der vom Beklagten unter Verwendung der Generalvollmacht betriebenen rechtsgeschäftlichen Veräußerung verloren haben. Ist die Unmöglichkeit anspruchsbegründende Voraussetzung, entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Weiterveräußerung die Unmöglichkeit indiziert, solange der Schuldner – wie hier – nicht darlegt, dass er zur Erfüllung willens und in der Lage ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2015 – V ZR 217/14, NJW-RR 2016, 717). Anstelle des Grundstückseigentums hat die Erbengemeinschaft den in dem notariellen Vertrag vom 13. Februar 2019 als Gegenleistung vereinbarten, weisungsgemäß (vgl. § 362 Abs. 2 BGB) auf das Konto des Beklagten ausgezahlten Kaufpreis in Höhe von 86.000,- Euro erlangt. Dieser stellt einen Ersatz für den ursprünglich geschuldeten Gegenstand dar, zu dessen Herausgabe die Erben dem Beklagten an Stelle des ursprünglich geschuldeten Vermächtnisses fortan verpflichtet waren. Dass der Beklagte selbst die Veräußerung namens der Erben betrieben und dadurch die Unmöglichkeit herbeigeführt hat, steht dem nicht entgegen; § 285 BGB ist nämlich – anders als vom Beklagten ausdrücklich eingewandte Schadensersatzansprüche, vgl. §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB – ohne Rücksicht darauf anwendbar, ob eine der Parteien die Unmöglichkeit zu vertreten hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 1987 – IX ZR 77/86, WM 1987, 986; Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 285 Rn. 6).

(2)

Wie das Landgericht schließlich im Ergebnis richtig gesehen hat, war der Beklagte auch berechtigt, den durch die weisungsgemäße Zahlung auf sein Bankkonto erlangten Kaufpreis mit seiner an die Stelle des Vermächtnisanspruches getretenen Forderung auf Herausgabe des Ersatzes (§ 285 Abs. 1 BGB) zu verrechnen. In der namens der Erben erteilten Anweisung an die Grundstückserwerber, den Kaufpreis unmittelbar auf das eigene Bankkonto des Beklagten zu überweisen, lag zugleich die stillschweigende Erklärung gegenüber der von ihm vertretenen Erbengemeinschaft, dadurch zugleich auch den als Ersatz für das Vermächtnis erlangten Herausgabeanspruch des Beklagten zu erfüllen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Befugnis des Beklagten, diese Rechtshandlungen im Außenverhältnis wirksam vorzunehmen, ergab sich aus der ihm erteilten notariellen Vollmacht, die ihn von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite, über den Tod hinaus Geltung beanspruchte und insbesondere alle vermögensrechtlichen Angelegenheiten einschließlich der Veräußerung von Grundbesitz umfasste. Seine Berechtigung im Innenverhältnis zu den Erben folgt daraus, dass es sich bei dem Anspruch auf Auskehr des an die Stelle des vermachten Gegenstandes getretenen Veräußerungserlöses um eine Nachlassverbindlichkeit handelte, die grundsätzlich, so auch hier, vorab aus dem Nachlass zu berichtigen war (§ 2046 Abs. 1 BGB; vgl. SaarlOLG, Urteil vom 12. Juli 2007 – 8 U 515/06-136, NJW-RR 2007, 1659; Weidlich, in: Grüneberg, a.a.O., § 2046 Rn. 4).

b)

Andere Rechtsgrundlagen, die einen Anspruch der Erbengemeinschaft auf Rückzahlung des vom Beklagten vereinnahmten Veräußerungserlöses in Höhe von 86.000,- Euro begründen könnten, sind vor diesem Hintergrund nicht ersichtlich. Insbesondere schuldet der Beklagte den Erben auch keine Rückzahlung unter dem Gesichtspunkt des Erbschaftsbesitzes (§ 2018 BGB); denn er ist, unbeschadet der Frage, ob die weisungsgemäß auf sein Bankkonto erbrachte Zahlung diese Voraussetzung erfüllte, jedenfalls dazu berechtigt gewesen, sie mit seinem gegen den Nachlass bestehenden Anspruch aus § 285 Abs. 1 BGB zu verrechnen; auf die obigen Ausführungen wird ergänzend Bezug genommen. Auch im Übrigen enthält das Klagevorbringen keine Hinweise auf andere denkbare Anspruchsgrundlagen, die die geltend gemachte Forderung tragen könnten, solche sind auch nicht ersichtlich, insbesondere schließt das berechtigte Vorgehen des Beklagten etwaige deliktische oder bereicherungsrechtliche Ansprüche aus, so dass die Berufung insoweit erfolglos bleiben musste.

2.

Die vom Landgericht mit Recht für zulässig erachtete Feststellungsklage ist ebenfalls unbegründet. Nach dem in zweiter Instanz maßgeblichen Sach- und Streitstand ist eine rechtliche Verpflichtung des Beklagten, wegen der im Jahre 2018 erworbenen Grundstücke Beträge in Höhe von 9.084,- Euro bzw. 7.029,- Euro an die Kläger auszugleichen, nicht ersichtlich, so dass die von ihnen begehrte Feststellung nicht auszusprechen war.

a)

Für die Feststellung, der Beklagte habe bei der Auseinandersetzung des Nachlasses Beträge in Höhe von 9.084,- Euro an die Klägerin zu 1) und von 7.029,- Euro an den Kläger zu 2) auszugleichen, besteht freilich ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Anerkanntermaßen kann ein Miterbe zum Zwecke der Auseinandersetzung eine Klage auf Feststellung einzelner Streitpunkte erheben, wenn eine solche Feststellung der Klärung der für die Auseinandersetzung maßgebenden Grundlagen dient (BGH, Urteil vom 17. Januar 1951 – II ZR 16/50, BGHZ 1, 65; Urteil vom 27. Juni 1990 – IV ZR 104/89, NJW-RR 1990, 1220). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, weil die von den Klägern begehrte Feststellung über das Bestehen und den Umfang einer Ausgleichungspflicht geeignet ist, die spätere Auseinandersetzung erheblich zu entlasten.

b)

Mit Recht hat das Landgericht das Feststellungsbegehren jedoch mangels Bestehens einer Ausgleichungspflicht für unbegründet erachtet. Eine solche Verpflichtung folgt hier weder aus einer entsprechenden rechtsgeschäftlichen Vereinbarung unter Miterben bzw. – erst recht – einer Zusage („Anerkenntnis“) des Beklagten, noch aus dem Gesetz (§§ 2050, 2052 BGB).

aa)

Wie in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt wird, sind privatautonome Vereinbarungen unter Miterben über das Bestehen oder Nichtbestehen von Ausgleichungspflichten grundsätzlich zulässig und rechtlich unbedenklich (RG, Urteil vom 29. Oktober 1935 – VII 84/35, RGZ 149, 129, 131; Fest, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2050 Rn. 20 ff., 31, 37; Staudinger/Löhnig (2020) BGB § 2050, Rn. 4). Denn die gesetzlichen Ausgleichungsvorschriften bestehen zum Schutz der Ausgleichungsberechtigten und sind daher nicht zwingend; folglich können die Miterben einverständlich ganz oder teilweise davon abweichen und insbesondere auch durch Vertrag eine gesetzlich nicht bestehende Ausgleichungspflicht begründen (RG, Urteil vom 20. November 1919 – IV 246/19, Das Recht 1920 Nr. 927; Fest, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2050 Rn. 23). Dementsprechend wäre es dem Beklagten zwar unbenommen gewesen, seinen Geschwistern nach dem Erbfall, auch zur Vorbereitung einer gütlichen Auseinandersetzung (vgl. § 779 BGB), eine Ausgleichung der mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Mai 2018 erworbenen Grundstücke ohne Rücksicht auf die tatsächliche Rechtslage anzutragen, ohne dass es darüber hinausgehend des Nachweises eines echten (deklaratorischen oder konstitutiven) „Anerkenntnisses“ bedürfte. Jedoch lässt sich den beiden von den Klägern zu diesem Zweck eingewandten anwaltlichen Schreiben vom 11. November und 19. Dezember 2019 bei sachgerechter Auslegung aus der maßgeblichen Empfängerperspektive (§§ 133, 157 BGB) kein Wille des Beklagten (§ 166 Abs. 1 BGB) entnehmen, ungeachtet der Voraussetzungen der §§ 2050, 2052 BGB den Klägern eine Ausgleichung von ihm erlangter Zuwendungen anzubieten, wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil richtig erkannt hat. Aus dem zeitlich ersten Schreiben vom 11. November 2019 folgt lediglich, dass die Beteiligten schon seinerzeit über verschiedene, im Rahmen einer Auseinandersetzung zu berücksichtigender Einzelpositionen stritten, wobei der Beklagte zum Zwecke der Berechnung seines vermeintlichen Überschusses für die von ihm erlangten Grundstücke von einer „Teilschenkung“ in Höhe von 33.369,50 Euro ausgegangen ist, der er allerdings verschiedene Gegenforderungen, darunter auch frühere Grundstückszuwendungen an die Kläger, entgegensetzen wollte. Ebenso wenig wie diese Berechnung, auf die sich die Kläger ersichtlich nicht eingelassen haben, lässt auch die in dem weiteren Schreiben vom 19. Dezember 2019 gewählte Formulierung, „diese Beträge“ seien „in der Tat im Rahmen der Erbauseinandersetzung zu berücksichtigen“, mit ausreichender Sicherheit auf den Willen schließen, ohne Rücksicht auf die Rechtslage eine Ausgleichungspflicht (nur) zu Lasten des Beklagten vertraglich zu begründen oder diese gar einseitig zuzugestehen. Mangels entsprechender Willensbekundung liegt daher weder eine entsprechende Vereinbarung unter Miterben, noch ein Anerkenntnis des Beklagten vor. Der Senat nimmt ergänzend auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (LGU, S. 18 f. = Bl. 297 f. GA) Bezug, die dies zutreffend erläutern und denen die Berufung, von bloßen Wiederholungen ihrer abweichenden Rechtsansicht abgesehen, nichts Substantielles entgegenzusetzen vermag.

bb)

Auch eine gesetzliche Ausgleichungspflicht des Beklagten nach den §§ 2050, 2052 BGB hat das Landgericht in Ansehung des mit notariellem Kaufvertrag vom 18. Mai 2018 (UR 479/2018) erlangten Grundbesitzes zu Recht verneint. Die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen, wonach die Voraussetzungen einer Ausgleichungspflicht des § 2050 BGB in allen drei Alternativen nicht vorliegen, sind auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens nicht zu beanstanden.

(1)

Die Bestimmung des § 2050 BGB, die unter den darin genannten Voraussetzungen Ausgleichungspflichten zu Lasten von Abkömmlingen vorsieht, die „als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen“, ist im vorliegenden Fall anwendbar; davon geht das angefochtene Urteil zu Recht aus. Diese Vorschrift greift zwar nicht unmittelbar ein, weil sie selbst die gesetzliche Erbfolge voraussetzt, während bei der – hier vorliegenden – gewillkürten Erbfolge grundsätzlich anzunehmen ist, dass der Erblasser die ihm sachgerecht erscheinende Aufteilung verfügt hat (vgl. nur Weidlich, in: Grüneberg, a.a.O., § 2050 Rn. 1 a.E.). Wegen der in § 2052 BGB angeordneten entsprechenden Geltung gilt sie im Zweifel aber auch dann, wenn der Erblasser die Abkömmlinge testamentarisch auf dasjenige als Erben eingesetzt hat, was sie auch als gesetzliche Erben erhalten würden. So liegt es hier: Die Parteien sind in dem notariellen Erbvertrag entsprechend der sonst Platz greifenden gesetzlichen Erbfolge jeweils zu einem Drittel zu Erben nach ihrer zuletzt verstorbenen gemeinsamen Mutter eingesetzt worden. Auch dass der Erbvertrag weiterhin die Anordnung eines Vorausvermächtnisses – nur – zugunsten des Beklagten enthält, steht der Anwendbarkeit des § 2052 BGB nicht von vornherein entgegen, weil diese Vorschrift nicht voraussetzt, dass die Abkömmlinge wirtschaftlich gleich viel erhalten, wie ihnen bei gesetzlicher Erbfolge gebührte und die Ausgleichungspflicht durch Hinterlassung eines Vorausvermächtnisses, was den Bedachten betrifft, nur insofern geändert wird, als für die Ausgleichung nur der Erbteil, nicht das Vermächtnis in Betracht kommt, dieses also ohne Rücksicht auf die Ausgleichungspflicht zum vollen Betrag entrichtet werden muss (RG, Urteil vom 1. Oktober 1917 – IV 182/17, RGZ 90, 419, 421; Staudinger/Löhnig (2020) BGB § 2052, Rn. 7). Die auf einer Vermutung für den Willen des Erblassers beruhende Auslegungsregel des § 2052 BGB kommt nur in Wegfall, wenn aus dem Testament oder aus anderen Umständen außerhalb des Testaments entnommen werden kann, dass der Erblasser bei der letztwilligen Bedenkung eine Ausgleichung nicht gewollt hat (RG, Urteil vom 1. Oktober 1917 – IV 182/17, RGZ 90, 419, 421; Weidlich, in: Grüneberg, a.a.O., § 2052 Rn. 1; Kregel, in: BGB-RGRK 12. Aufl., § 2052 Rn. 5). Solche Umstände sind hier jedoch nicht dargetan oder sonst ersichtlich; ganz im Gegenteil spricht die in der Zuwendung des Vorausvermächtnisses liegende Bevorzugung des Beklagten unter ausdrücklicher Einsetzung aller drei Abkömmlinge auf eine ihrem gesetzlichen Erbteil entsprechenden Erbquote für den Willen, dem Beklagten dadurch die Tragung einer angenommenen Ausgleichungslast zu erleichtern, ohne ihm die Ausgleichung seiner Vorempfänge zu erlassen (Fest, in: MünchKomm-BGB 9. Aufl., § 2052 Rn. 4; vgl. RG, Urteil vom 1. Oktober 1917 – IV 182/17, RGZ 90, 419, 422).

(2)

Das Landgericht hat ebenfalls richtig gesehen, dass die weiteren Voraussetzungen des – entsprechend anzuwendenden – § 2050 BGB nicht vorliegen.

(a)

Gemäß § 2050 Abs. 1 BGB sind Abkömmlinge, die als gesetzliche Erben zur Erbfolge gelangen, verpflichtet, dasjenige, was sie von dem Erblasser bei dessen Lebzeiten als Ausstattung erhalten haben, bei der Auseinandersetzung untereinander zur Ausgleichung zu bringen, soweit nicht der Erblasser bei der Zuwendung ein anderes angeordnet hat. Gemäß § 2050 Abs. 2 BGB sind Zuschüsse, die zu dem Zwecke gegeben worden sind, als Einkünfte verwendet zu werden, sowie Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf insoweit zur Ausgleichung zu bringen, als sie das den Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechende Maß überstiegen haben. Schließlich sind gemäß § 2050 Abs. 3 BGB andere Zuwendungen unter Lebenden zur Ausgleichung zu bringen, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat. Die Beweislast für das Bestehen der jeweiligen Ausgleichungspflicht trifft denjenigen, der – wie die Kläger – eine Anrechnung von Vorempfängen verlangt (Senat, Urteil vom 22. Juli 2022 – 5 U 83/21; Fest, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2050 Rn. 43; Kregel, in: RGRK, a.a.O., § 2050 Rn. 22); das ist auch mit Blick auf den vorprozessualen Schriftverkehr nicht anders, der nach dem oben Gesagten wohl verstandenermaßen (§§ 133, 157 BGB) kein irgendwie geartetes Zugeständnis einer Ausgleichungspflicht durch den Beklagten enthielt, sondern lediglich – erkennbar – Möglichkeiten einer evtl. gütlichen Einigung ausloten und vorbereiten sollte.

(b)

Hiervon ausgehend, ist im Streitfall, auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens, keine der drei gesetzlichen Alternativen des § 2050 BGB erwiesen:

(aa)

Wie das Landgericht nach eingehender Auseinandersetzung mit dem entsprechenden Vortrag der Kläger beanstandungsfrei (§ 529 Abs. 1 ZPO) festgestellt hat, bestehen zunächst keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, es habe sich bei den aufgrund des notariellen Kaufvertrages vom 14. Mai 2018 (UR Nr. 479/2018) übertragenen Grundstücken um eine von § 2050 Abs. 1 BGB erfasste „Ausstattung“ gehandelt.

(aaa)

Unter einer Ausstattung ist gemäß § 1624 Abs. 1 BGB dasjenige zu verstehen, was einem Kind mit Rücksicht auf seine Verheiratung oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder Erhaltung der Wirtschaft (ehelicher Haushalt) oder der Lebensstellung von Vater oder Mutter – im Rahmen des § 2050 Abs. 1 BGB vom Erblasser – zugewandt wird. Es handelt sich um eine von der Schenkung zu unterscheidende Art der unentgeltlichen Zuwendung („causa sui generis“); sie beruht auf einer – durch Auslegung zu ermittelnden – Einigung der Parteien darüber, dass aufgrund eines objektiven Ausstattungsanlasses mit der „behaltensfesten“ Zuwendung einer der genannten Ausstattungszwecke verfolgt wird (Senat, Urteil vom 22. Juli 2022 – 5 U 83/21; OLG Karlsruhe, ZEV 2011, 531; Ann in: MünchKommBGB, 8. Auflage 2020, § 2050 Rdn. 14 f.). Als Ausstattungsanlass kommen – neben den „klassischen“ Fällen wie Verheiratung oder Geschäftsgründung – auch finanzielle Hilfen in Betracht, sofern die Zuwendung sich nicht in einer Hilfe aus aktueller Not erschöpft, sondern der Begründung und Erhaltung der wirtschaftlichen Selbständigkeit des Abkömmlings dient oder zu dienen bestimmt ist (§ 1624 Abs. 1 BGB: „mit Rücksicht auf… die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder Erhaltung… der Lebensstellung“ gewährt; vgl. OLG Karlsruhe, ZEV 2011, 531). Es geht also um eine „Starthilfe“ im familiären wie auch im wirtschaftlichen Bereich (Senat, a.a.O.; Urteil vom 11. Juni 2014 – 5 U 50/13, m.w.N.) bzw. um den Erhalt der Selbständigkeit. Nicht entscheidend ist dabei, ob die Zuwendung notwendig ist, um die selbständige Lebensstellung des Empfängers zu begründen oder zu erhalten (BGH, Urteil vom 26. Mai 1965 – IV ZR 139/64, BGHZ 44, 91). Bei größeren Zuwendungen kann die Deutung als Ausstattung naheliegen, wenn die objektiven Voraussetzungen für eine Ausstattung gegeben sind und sich eine andere causa nicht feststellen lässt (Senat, Urteil vom 22. Juli 2022 – 5 U 83/21; OLG Karlsruhe, ZEV 2011, 531; Fest, in: MünchKomm-BGB, a.a.O., § 2050 Rn. 15).

(bbb)

Dies zugrunde legend, hat das Landgericht im Streitfall zu Recht angenommen, dass die vorgetragenen und sonst erkennbaren Umstände nicht mit ausreichender Sicherheit die Annahme rechtfertigen, die Erblasserin und ihr Ehemann hätten dem Beklagten die Grundstücke zur Erhaltung ihrer Lebensstellung oder zur Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zugewandt. Der Senat teilt die – von der Berufung nicht einmal ansatzweise in Zweifel gezogenen – Feststellungen der Erstrichterin, wonach insbesondere das zum Zeitpunkt der Zuwendung bereits fortgeschrittene Alter des Beklagten von 48 Jahren sowie der Umstand, dass dieser das Grundstück unstreitig nicht zu Wohnzwecken nutzt, maßgeblich gegen diese Annahme sprechen, zumal die weitere Behauptung der Kläger, die Übertragung habe dem Zweck gedient, dem Beklagten eine Pferdehaltung zu ermöglichen und so dessen Lebensstellung „zu optimieren“, bis zuletzt unbewiesen geblieben ist. Allein der Umstand, dass es sich bei der Übertragung des Eigentums, auch unter Berücksichtigung der erbrachten Gegenleistung, um eine „größere Zuwendung“ handelte, rechtfertigt dagegen nicht die Annahme, es habe damit ein besonderer Ausstattungszweck verfolgt werden sollen; denn dann wäre jede unentgeltliche Zuwendung an Abkömmlinge, die ein gewisses Maß überschreitet, als Ausstattung anzusehen und für § 2050 Abs. 3 BGB, der solche sonstigen Zuwendungen erfasst und mit Blick auf die Ausgleichungspflicht abweichend regelt, kein Raum mehr.

(b)

Eine Ausgleichungspflicht des Beklagten kann auch nicht auf § 2050 Abs. 2 BGB gestützt werden, wonach Zuschüsse, die zu dem Zwecke gegeben worden sind, als Einkünfte verwendet zu werden, sowie Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf insoweit zur Ausgleichung zu bringen sind, als sie das den Vermögensverhältnissen des Erblassers entsprechende Maß überstiegen haben. Denn bei der in Rede stehenden Grundstücksübertragung handelt es sich weder um Zuschüsse, die als Einkünfte verwendet werden sollen, noch um Aufwendungen für die Vorbildung zu einem Beruf. Dementsprechend wird diese Norm von der Berufung auch nicht weiter bemüht.

(c)

Schließlich hat das Landgericht zu Recht auch die Bestimmung des § 2050 Abs. 3 BGB nicht für einschlägig gehalten, wonach Zuwendungen unter Lebenden, die nicht unter § 2050 Abs. 1 und 2 BGB fallen, zur Ausgleichung zu bringen sind, wenn der Erblasser bei der Zuwendung die Ausgleichung angeordnet hat. Denn dass eine solche Anordnung hier bei der Zuwendung getroffen wurde, lässt sich nicht mit der erforderlichen hinreichenden Gewissheit feststellen.

(aaa)

Die nach § 2050 Abs. 3 BGB erforderliche besondere „Anordnung“ ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die zwar grundsätzlich keiner besonderen Form bedarf und auch konkludent erfolgen kann, es sei denn, sie ist Bestandteil eines Rechtsgeschäfts, das selbst formbedürftig ist (Senat, Urteil vom 22. Juli 2022 – 5 U 83/21; Lohmann, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB 4. Aufl., § 2050 Rn. 11). Sie muss aber spätestens gleichzeitig mit der Zuwendung dem Bedachten so zur Kenntnis gebracht werden, dass dieser die Zuwendung ablehnen oder durch ihre Annahme sein Einverständnis erklären kann (RG, Urteil vom 4. Januar 1908 – IV 251/07, RGZ 67, 306, 308; Staudinger/Löhnig (2020) BGB § 2050 Rdn. 40; Kregel, in: RGRK, a.a.O., § 2050 Rn. 18). Nachträglich kann die Ausgleichung dagegen nicht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden, sondern nur in Form einer Verfügung von Todes wegen angeordnet werden; sie enthält ein Vermächtnis, mit dem der Abkömmling, der die Zuwendung erhalten hat, zugunsten seiner Miterben beschwert wird (RG, a.a.O.; Urteil vom 6. Mai 1909 – IV 475/08, RGZ 71, 133, 135; Kregel, in: RGKR, a.a.O., § 2050 Rn. 19). Ob eine Ausgleichsanordnung gewollt ist, muss ggf. durch Auslegung festgestellt werden; dazu bedarf es der Ermittlung des Erblasserwillens, wobei auch außerhalb der Zuwendung liegende Umstände zu berücksichtigen sind (OLG Hamm, MDR 1966, 330; Fest, in: MünchKomm-BGB a.a.O., § 2050 Rn. 34; Flechtner, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht 4. Aufl., § 2050 Rn. 38; vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1981 – IVa ZR 185/80, BGHZ 82, 274, 278 zur Annahme einer Ausgleichsanordnung bei einer Vermögensübertragung im Wege der „vorweggenommenen Erbfolge“).

(bbb)

Im Streitfall ist ein solcher Wille der Erblasserin und ihres Ehemannes jedoch nicht feststellbar, was den insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägern zum Nachteil gereicht. Wie in dem angefochtenen Urteil richtig ausgeführt wird, enthält zunächst der notarielle Kaufvertrag vom 18. Mai 2019 (UR 479/20158) keine ausdrückliche Anordnung, und ebenso wenig lässt sich ein dahingehender Wille zum Zeitpunkt der Zuwendung unter Berücksichtigung auch der weiteren Umstände durch Auslegung ermitteln. Vergeblich verweisen die Kläger mit ihrer Berufung auf das am selben Tage – laut Urkundenrollen-Nummer nach Abschluss des Kaufvertrages – beurkundete notarielle Testament (UR 481/2018) und die darin enthaltene Erbeinsetzung aller drei Abkömmlinge zu gleichen Teilen, aus der sie auch unter Hinweis auf die gesetzliche Vermutung des § 2052 BGB auf eine Ausgleichungspflicht folgern wollen. Dies verkennt jedoch die Bedeutung dieser gesetzlichen Auslegungsregel und greift insgesamt zu kurz; denn allein die Einsetzung mehrerer Erben zu gleichen Teilen besitzt für sich genommen keinen eindeutigen Erklärungswert hinsichtlich der hier entscheidenden Frage, wie mit einer lebzeitigen Zuwendung bei der Auseinandersetzung zu verfahren ist. Deshalb kann daraus allein weder mit hinreichender Sicherheit gefolgert werden, die Erblasserin und ihr Ehemann hätten „bei der Zuwendung“ eine entsprechende Anordnung stillschweigend für den Beklagten erkennbar getroffen, noch ist darin eine dem – erst – kurz darauf notariell beurkundeten Erbvertrag immanente nachträgliche Anordnung einer Ausgleichungspflicht zu erblicken. Weil Zweifel verbleiben, dass dies von der Erblasserin und ihrem Ehemann gewollt war, muss die von den Klägern beanspruchte Ausgleichung auch unter dem Gesichtspunkt der „sonstigen Zuwendung“ gemäß § 2050 Abs. 3 BGB scheitern.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

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