Oberlandesgericht Hamm, Az.: 15 W 142/15,Beschluss vom 11.09.2015
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2) trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 1).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 45.000 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat auf der Grundlage des § 2220 Abs.1 BGB den Beteiligten zu 4) zu Recht zum Testamentsvollstrecker ernannt, da das Testament vom 05.02.2013 ein entsprechendes Ersuchen enthält. Diese letztwillige Anordnung steht nicht im Widerspruch zu dem gemeinschaftlichen Testament der Eheleute S vom 28.07.1987. Dabei kann dahinstehen, ob die Anordnung einer Testamentsvollstreckung durch letztwillige Verfügung des überlebenden Ehegatten die Rechte eines durch wechselbezügliche Verfügung in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament bestimmten Schlusserben stets beeinträchtigt. Maßgebend ist vorliegend, dass sich dem Ehegattentestament keine Schlusserbeneinsetzung entnehmen lässt, an welche die Erblasserin gebunden gewesen wäre. Eine ausdrückliche Schlusserbeneinsetzung fehlt. Auch eine Auslegung des Testaments im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung ist nach den dem Senat möglichen Feststellungen ausgeschlossen.
Die Testamentsauslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Dabei ist zwar vom Wortlaut auszugehen. Dieser ist jedoch nicht bindend. Vielmehr sind der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben hat, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH NJW 1993, 256 m.w.N.). Maßgeblich ist insoweit allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe (BGH FamRZ 1987, 475, 476; Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2084 Rn. 1). Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen (BGH NJW 1993, 256 m.w.N.). Solche Umstände können vor oder auch nach der Errichtung des Testamentes liegen. Dazu gehört das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2084 BGB Rdnr. 2 m.w.N.). Kann sich der Richter auch unter Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen des Erblassers nicht überzeugen, muss er sich mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht (BGH NJW 1993, 256).
Das Ehegattentestament bietet für eine Auslegung im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung zwei Ansatzpunkte. Dies ist einmal der Verweis auf die Geltung der gesetzlichen Erbfolge nach dem Letztversterbenden und zum anderen die nachfolgende Pflichtteilsstrafklausel. Jede Regelung für sich genommen trägt die Annahme einer Schlusserbeneinsetzung jedoch nicht.
Der Satz „Nach dem Tod des Letztversterbenden soll die gesetzliche Erbfolge eintreten.“ ist nach dem Wortsinn einem alternativen Verständnis zugänglich. Ob eine solche Bestimmung eine Erbeinsetzung nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge oder nur eine Anerkennung des gesetzlichen Erbrechts oder nur eine Abstandnahme von der Einsetzung testamentarischer Erben enthält, muss unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls im Wege der Auslegung bestimmt werden (vgl. BayObLGZ 1964, 94, 97). Allein aus dem Wortlaut heraus lässt sich die insoweit bestehende Unklarheit nicht beseitigen, da auch und gerade die Formulierung „soll … eintreten“ einem alternativen Verständnis zugänglich ist. In einem eher juristischen Sprachgebrauch dient eine Soll-Bestimmung dazu, ein gefordertes oder erwünschtes Verhalten oder Ergebnis zu umschreiben, ohne dass hierin ein zwingendes Gebot liegt. Dies würde gegen eine testamentarische Erbeinsetzung sprechen, da die gesetzliche Erbfolge ohnehin der Regelfall ist. Andererseits kann nicht verkannt werden, dass „soll“ allgemeinsprachlich mitunter auch im Sinne einer zwingenden Anordnung benutzt wird. Im Ausgangspunkt ist aber festzustellen, dass die hier konkret gewählte Formulierung deutlich schwächer ist als etwa in der Fallkonstellation, die der soeben herangezogenen Entscheidung des BayObLG zugrunde lag, in der die Ehegatten von einer gegenseitigen Erbeinsetzung abgesehen und bestimmt hatten: „Der Nachlass eines jeden von uns soll sich nach der gesetzlichen Erbfolgeordnung vererben.“
Hinsichtlich der sog. Pflichtteilsstrafklausel ist allgemein anerkannt, dass diese zwar Ansatzpunkt für die Auslegung im Sinne einer Schlusserbeneinsetzung sein kann, die Pflichtteilsstrafklausel selbst hierfür aber regelmäßig nicht ausreicht, da sich ihr Sinn eben auch in der bloßen Sanktionierung einer Inanspruchnahme des überlebenden Ehegatten erschöpfen kann (OLG München NJW-RR 2015, 775 Textziff. 12; OLG Düsseldorf ZEV 2014, 308 Textziff. 25; Senat NJW-RR 2004, 1520 Textziff. 27).
Die schriftsätzlichen Ausführungen der Beteiligten zur Auslegung der beiden vorgenannten Klauseln sind aus Sicht des Senats insgesamt nicht zielführend. Sie kranken sämtlich daran, dass sie abstrakt bleiben und keinen Durchgriff auf die tatsächlichen Vorstellungen oder wenigstens die Vorstellungswelt der Testatoren zur Zeit der Testamentserrichtung zulassen. Dies gilt auch, soweit die Beteiligte zu 2) im Schriftsatz vom 24.06.2015 darauf verwiesen hat, dass das Vermögen der Eheleute 1987 praktisch ausnahmslos aus dem Verdienst des Ehemannes gestammt habe. Die Herkunft des potentiellen Nachlasses ist für die hier zu klärende Frage häufig dann von Bedeutung, wenn wesentliche Vermögensgegenstände von einem der Ehegatten ererbt und schon zuvor in seiner Familie über Generationen weitergegeben wurden. Hingegen war und ist die Anschauung, dass bei einer sog. Hausfrauenehe das während der Ehezeit erwirtschaftete Vermögen als gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden soll, auch in der Generation der Erblasserin und ihres Ehemannes bereits weit verbreitet gewesen (so bereits Senat FGPrax 1995, 116 Textziff. 38). Dass der Ehemann der Erblasserin eine andere Sichtweise gehabt hat, lässt sich auch auf der Grundlage des Vortrags der Beteiligten nicht positiv feststellen. Vielmehr deutet sich ein ebensolches Verständnis in dem Testament jedenfalls insoweit an, als in dem ersten Satz von „unserem Nachlass“ die Rede ist. Auch hier bleiben die tatsächlichen Vorstellungen der Testatoren also letztlich unklar.
Der Senat hat daher erwogen, ob sich eine Schlusserbeneinsetzung hier aus der Testamentsurkunde durch die Kombination der beiden oben genannten Anhaltspunkte ableiten lässt. Nach den tatsächlichen Feststellungen, die der Senat aufgrund der persönlichen Anhörung der Beteiligten im Termin vom 02.07.2015 treffen kann, erscheint dem Senat dies im vorliegenden Fall jedoch ebenfalls nicht tragfähig. Vielmehr hält es der Senat für überwiegend wahrscheinlich, dass die Eheleute in dem gemeinschaftlichen Testament keine Schlusserben einsetzen wollten. Maßgebend dafür sind die folgenden Überlegungen:
Zunächst weist das Testament, unbeschadet der Tatsache, dass es hinsichtlich einer möglichen Schlusserbeneinsetzung mehrdeutig ist, eine für ein privatschriftliches Testament durchaus überdurchschnittliche sprachliche Qualität auf. Es trifft, anders als etwa das Testament der Erblasserin, den Grundsatz der Universalsukzession, beschränkt sich auf drei Aussagen und verwendet die juristisch geprägten Begriffe ausnahmslos zutreffend. Seine Erklärung findet dies in den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten zu 1) und 2) im Anhörungstermin vor dem Senat. Danach war der Ehemann der Erblasserin zunächst Beamter des gehobenen Dienstes im Auswärtigen Amt und wurde durch entsprechende Fortbildungen für den konsularischen Dienst auch mit entsprechenden rechtlichen Grundlagen, also auch der Beurkundung von letztwilligen Verfügungen vertraut gemacht, die er in seiner Zeit als Konsul in Marseille auch tatsächlich vornahm. Letztlich gelang dem Ehemann der Erblasserin auch der Laufbahnaufstieg und er war als Botschafter tätig.
Mag der Ehemann der Erblasserin danach auch nicht als versierter Erbrechtler gelten können, so kann man doch mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass er das, was er geschrieben hat, auch so verstanden und so gemeint hat. Hier gewinnt dann der sprachliche Aufbau des Testaments an Bedeutung. Denn es fällt auf, dass der erste Satz prägnant die wechselseitige Erbeinsetzung formuliert. Während es nun nahegelegen hätte, eine gewollte Schlusserbeinsetzung der Töchter ebenso klar niederzuschreiben, formuliert der Vater der Beteiligten, dass nach dem Tod des Letztversterbenden die gesetzliche Erbfolge eintreten solle. Dies wirkt gerade bei einem erbrechtlich vorgebildeten Verfasser und im Vergleich mit dem ersten Satz deutlich zurückgenommen und distanziert, zumal die beiden Töchter hier nicht einmal erwähnt werden. Dies legt ein Verständnis des Satzes nahe, wonach es sich um einen bloßen Verweis auf die von Gesetzes wegen eintretende Erbfolge handelt und nicht um gewillkürte Erbeinsetzung nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge.
Hierfür spricht auch, dass überhaupt kein Anlass bestand, im Falle einer gewollten Schlusserbeneinsetzung anstelle der ausdrücklichen Einsetzung der beiden Töchter auf die gesetzliche Erbfolge zu verweisen, wenn denn die Schlusserbeneinsetzung der beiden Töchter gewollt gewesen wäre. Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung standen die Beteiligten als gesetzliche Erben des überlebenden Ehegatten fest. Weitere leibliche Kinder waren nicht zu erwarten. Eine gewillkürte Erbeinsetzung nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge hätte vielmehr die Möglichkeit eröffnet, dass der überlebende Ehegatte durch Adoption oder Wiederheirat weitere Personen in den Kreis der gesetzlichen Erben hätte berufen können. Lediglich eine neue letztwillige Verfügung wäre ihm verwehrt gewesen. Eine sichere Begünstigung der beiden Beteiligten war so also gerade nicht zu erreichen. Hinzu kommt, dass bei dem Ehemann der Erblasserin aufgrund seiner erbrechtlichen Vorbildung davon ausgegangen werden kann, dass es ihm ohne Weiteres möglich gewesen wäre, eine erbrechtliche Bindung des überlebenden Ehegatten wesentlich deutlicher in die Formulierungen einfließen zu lassen, wenn denn eine solche Bindung bei der Testamentserrichtung tatsächlich gewollt gewesen wäre.
Ist nach alledem davon auszugehen, dass der zweite Satz des Ehegattentestaments keine Schlusserbeneinsetzung enthält, sondern einen bloßen Verweis auf die von Gesetzes wegen eintretende Erbfolge, dann war die Erblasserin frei, eine abweichende letztwillige Verfügung zu treffen. An diesem Ergebnis ändert § 2270 Abs.2 BGB nichts. Denn diese Vorschrift setzt, soweit hier von Interesse, voraus, dass in dem Ehegattentestament eine Verfügung zugunsten eines nahen Angehörigen eines der Ehegatten enthalten ist. Sie kann daher nicht Feststellung ersetzen, dass eine solche Verfügung vorliegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, von der dort vorgesehenen Regel abzuweichen, dass die Beteiligte zu 2) die Kosten ihres sachlich ohne Erfolg gebliebenen Rechtsmittels zu tragen hat.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 61 Abs.1, 65 GNotKG. Der Senat schätzt den Nachlasswert auf 450.000 €. Gemäß § 65 GNotKG sind hiervon 10% in Ansatz zu bringen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs.2 FamFG) liegen nicht vor.