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Testamentsauslegung – Fortgeltung des Testaments bei Nichteintritt der Bedingung

Ein handschriftliches Testament, verfasst kurz vor einer Reise, wird zum Zankapfel in einem Erbstreit. Die entscheidende Frage: War die Formulierung „Dies Testament gilt nur bei einem Unfall oder sollte ich nicht aus Rußland wiederkommen“ eine echte Bedingung oder nur ein Motiv? Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein entschied: Die Worte sind bindend, das Testament ungültig.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Erblasser hatte ein Testament verfasst, das Bedingungen für die Erbfolge festlegte, die nicht eingetreten sind.
  • Es entstand Streit über die Auslegung des Testaments und die damit verbundenen Ansprüche auf das Erbe.
  • Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins wurde gestellt, um die Beteiligte zu 1 als Alleinerbin auszuweisen.
  • Die Gegner des Antrags argumentierten, dass die im Testament enthaltene Bedingung die gesetzliche Erbfolge zur Folge hätte.
  • Das Nachlassgericht wies den Erbscheinantrag als unbegründet zurück und verweigerte somit die Alleinerbenstellung.
  • Das Gericht stellte fest, dass die Formulierung im Testament mehr als nur das Motiv des Erblassers wiedergibt, sondern eine rechtliche Bedingung darstellt.
  • Auf die Umstände der Testamentserrichtung bezogene Formulierungen können im Erbrecht als Bedingungen angesehen werden.
  • Die Entscheidung des Gerichts zeigt, dass die Auslegung von Testamenten komplex sein kann und von den genauen Formulierungen abhängt.
  • Die Folgen dieser Entscheidung führen zu Unsicherheiten für die Beteiligte zu 1, da sie nicht als Erbin anerkannt wird.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer klaren und eindeutigen Testamentsformulierung, um zukünftige Streitigkeiten zu vermeiden.

Urteil zur Testamentsauslegung: Herausforderungen ohne Bedingungserfüllung

Die Testamentsauslegung ist ein zentrales Thema im Erbrecht, das sich mit der Frage befasst, wie letztwillige Verfügungen zu verstehen sind. Ein Testament ist häufig nicht nur eine Sammlung von Wünschen, sondern auch ein rechtlich bindendes Dokument, dessen Interpretation erhebliche Auswirkungen auf die Erbfolge haben kann. Besondere Herausforderungen entstehen, wenn Testamente an Bedingungen geknüpft sind, die nicht eintreten. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang das Testament weiterhin gilt.

Ein häufiges Beispiel sind Testamente, die bestimmte Ereignisse oder Verhaltensweisen als Voraussetzungen für den Erbanspruch festlegen. Kommt es jedoch nicht zur Erfüllung dieser Bedingungen, müssen Gerichte klären, ob das Testament dennoch in Teilen oder insgesamt wirksam bleibt. Diese rechtlichen Fragestellungen sind für Erblasser und Erben von großer Bedeutung, da sie direkt über die Verteilung des Erbes entscheiden können.

Im Folgenden wird ein konkreter Fall betrachtet, der sich genau mit dieser Thematik auseinandersetzt und dessen Urteil wichtige Erkenntnisse zur Testamentsauslegung in Situationen ohne Bedingungserfüllung liefert.

Der Fall vor Gericht


Testamentarische Verfügung mit Geltungseinschränkung: Ein komplexer Erbfall aus Schleswig-Holstein

Im Zentrum eines erbrechtlichen Verfahrens vor dem Oberlandesgericht Schleswig-Holstein stand ein handschriftliches Testament aus dem Jahr 1994. Der Erblasser, ein Landwirt, hatte dieses kurz vor einer Reise nach Russland verfasst. In dem Dokument setzte er seine damalige Lebensgefährtin als Erbin seines Hauses ein und traf weitere detaillierte Verfügungen über sein Vermögen, einschließlich der Verteilung eines möglichen Verkaufserlöses und der Regelung von Schulden.

Bedingung oder Motiv? Die entscheidende Formulierung

Der springende Punkt in diesem Fall war eine Formulierung am Ende des Testaments: „Dies Testament gilt nur bei einem Unfall oder sollte ich nicht aus Rußland wiederkommen. Ein Totenschein braucht nicht vorliegen.“ Diese Worte führten zu einer juristischen Auseinandersetzung darüber, ob es sich hierbei um eine echte Bedingung für die Gültigkeit des Testaments handelte oder lediglich um eine Erklärung des Anlasses für dessen Errichtung.

Der Weg durch die Instanzen

Die ehemalige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau des Erblassers beantragte nach dessen Tod im Jahr 2014 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Sie argumentierte, die umstrittene Formulierung sei nur der Ausdruck des Motivs für die Testamentserrichtung gewesen. Das Nachlassgericht wies diesen Antrag jedoch zurück und interpretierte die Worte als eine aufschiebende Bedingung gemäß §§ 158, 2074 BGB. Da der Erblasser weder bei einem Unfall noch in Russland verstorben war, sondern eines natürlichen Todes in Deutschland, sah das Gericht die Bedingung als nicht eingetreten an.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein bestätigte die Entscheidung des Nachlassgerichts. Es betonte, dass die Formulierung „Dies Testament gilt nur…“ eine klare und unmissverständliche Geltungsanordnung darstelle. Die Richter sahen darin eine echte Bedingung für die Wirksamkeit der testamentarischen Verfügungen, nicht bloß die Angabe eines Motivs. Sie berücksichtigten dabei auch den Kontext des gesamten Testaments, insbesondere die detaillierten Ausführungen zur aktuellen Vermögenssituation des Erblassers, die auf eine Regelung für den Fall eines baldigen Ablebens hindeuteten.

Konsequenzen für die Erbfolge

Da die im Testament festgelegte Bedingung nicht eingetreten war, entfaltete das Dokument keine rechtliche Wirkung. Somit trat die gesetzliche Erbfolge ein. Die Tatsache, dass der Erblasser nach seiner Rückkehr aus Russland die Ehe mit der ursprünglich bedachten Lebensgefährtin geschlossen und keine neue letztwillige Verfügung getroffen hatte, änderte nach Ansicht des Gerichts nichts an diesem Ergebnis.

Rechtliche Einordnung und Bedeutung

Der Fall verdeutlicht die Wichtigkeit präziser Formulierungen in Testamenten. Er zeigt, dass selbst scheinbar nebensächliche Äußerungen weitreichende Folgen für die Erbfolge haben können. Das Gericht betonte, dass bei der Auslegung eines Testaments der erkennbare Wille des Erblassers entscheidend sei. Ist dieser Wille darauf gerichtet, die Wirksamkeit der Verfügung mit einem bestimmten, für ungewiss gehaltenen Umstand zu verknüpfen, liegt eine echte Bedingung vor.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung unterstreicht die zentrale Bedeutung präziser Formulierungen in Testamenten. Die Aussage „Dies Testament gilt nur…“ wurde als echte Bedingung und nicht als bloßes Motiv interpretiert, was zur Unwirksamkeit des Testaments führte. Dies verdeutlicht, dass bei der Testamentsauslegung der erkennbare Wille des Erblassers entscheidend ist und selbst scheinbar nebensächliche Äußerungen weitreichende Folgen für die Erbfolge haben können.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit präziser Formulierungen in Ihrem Testament. Wenn Sie Bedingungen für die Gültigkeit Ihres letzten Willens festlegen, werden diese im Zweifelsfall wörtlich ausgelegt. Selbst wenn Sie später heiraten oder Ihre Lebensumstände sich ändern, bleibt ein bedingtes Testament unwirksam, wenn die Bedingung nicht eintritt. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten Sie Ihr Testament regelmäßig überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Formulieren Sie Ihre Wünsche klar und unmissverständlich, ohne sie an spezifische Ereignisse zu knüpfen, es sei denn, dies ist ausdrücklich Ihr Wille. Im Zweifelsfall ist es ratsam, fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen, um sicherzustellen, dass Ihr Erbe wie gewünscht verteilt wird.


FAQ – Häufige Fragen

In unserer FAQ-Rubrik finden Sie kompakte und informative Antworten zu häufigen Fragen rund um das Thema Erbrecht. Besonders beleuchtet wird die Testamentsauslegung, ein entscheidender Aspekt, der oft zu Missverständnissen führen kann. Lassen Sie sich von den präzisen Erläuterungen inspirieren und gewinnen Sie einen klaren Überblick über Ihre Rechte und Möglichkeiten.


Was passiert, wenn eine Bedingung im Testament nicht eintritt?

Wenn eine im Testament festgelegte Bedingung nicht eintritt, hängen die Folgen von der Art der Bedingung ab. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen.

Bei einer aufschiebenden Bedingung tritt die Rechtswirkung der testamentarischen Verfügung erst ein, wenn das festgelegte Ereignis eintritt. Beispielsweise könnte ein Erblasser bestimmen: „Mein Sohn erbt mein Haus, wenn er sein Studium abschließt.“ Tritt diese Bedingung nicht ein, weil der Sohn sein Studium abbricht, wird die Verfügung unwirksam. Das bedeutet, der Sohn erbt das Haus in diesem Fall nicht.

Im Gegensatz dazu führt eine auflösende Bedingung dazu, dass eine bereits eingetretene Rechtswirkung wieder entfällt, wenn ein bestimmtes Ereignis eintritt. Ein Beispiel wäre: „Meine Tochter erbt mein Auto, es sei denn, sie zieht ins Ausland.“ Hier würde die Tochter das Auto zunächst erben. Tritt die Bedingung nicht ein, weil die Tochter nicht ins Ausland zieht, bleibt die Verfügung bestehen. Die Tochter behält also das geerbte Auto.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Wille des Erblassers bei der Auslegung von Testamentsbedingungen eine zentrale Rolle spielt. Gerichte versuchen, die Absichten des Verstorbenen so genau wie möglich zu ermitteln und umzusetzen. Wenn Sie als Erbe mit einer nicht eingetretenen Bedingung konfrontiert sind, sollten Sie das Testament sorgfältig prüfen und gegebenenfalls rechtlichen Rat einholen.

In manchen Fällen kann der Nichteintritt einer Bedingung auch zur Unwirksamkeit des gesamten Testaments führen, insbesondere wenn die Bedingung einen wesentlichen Teil des letzten Willens des Erblassers darstellt. Dies hängt jedoch stark vom Einzelfall ab und erfordert oft eine gerichtliche Klärung.

Für Sie als potenzieller Erbe ist es ratsam, bei Unklarheiten bezüglich einer Testamentsbedingung frühzeitig das Gespräch mit den anderen Beteiligten zu suchen. Oft lassen sich Konflikte durch offene Kommunikation vermeiden. Sollte keine Einigung erzielt werden können, kann ein Nachlassgericht zur Klärung der Situation angerufen werden.

Bedenken Sie auch, dass bestimmte Bedingungen in Testamenten als sittenwidrig und damit unwirksam gelten können. Dies betrifft beispielsweise Bedingungen, die gegen Grundrechte verstoßen oder die persönliche Freiheit des Erben unangemessen einschränken. In solchen Fällen wird die Bedingung als nicht existent betrachtet, und die Verfügung bleibt bestehen.

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Wie kann ich sichergehen, dass mein Testament genau so ausgeführt wird, wie ich es möchte?

Um die genaue Ausführung Ihres Testaments sicherzustellen, sind mehrere Schritte wichtig:

Klare und präzise Formulierungen verwenden

Vermeiden Sie mehrdeutige Ausdrücke oder vage Beschreibungen. Formulieren Sie Ihre Wünsche so konkret und detailliert wie möglich. Statt „Mein Schmuck soll an meine Tochter gehen“ wäre es besser zu schreiben: „Meine goldene Armbanduhr der Marke XY mit der Seriennummer 123456 vermache ich meiner Tochter Anna Müller, geboren am 01.01.1990“.

Rechtssichere Gestaltung

Halten Sie die gesetzlichen Formvorschriften strikt ein. Ein handschriftliches Testament muss vollständig von Hand geschrieben und unterschrieben sein. Geben Sie Datum und Ort der Errichtung an. Bei einem notariellen Testament stellt der Notar die Rechtmäßigkeit sicher.

Testamentsvollstrecker einsetzen

Die Ernennung eines Testamentsvollstreckers kann die korrekte Umsetzung Ihres letzten Willens gewährleisten. Diese Person ist verpflichtet, Ihre Anordnungen genau auszuführen und den Nachlass zu verwalten. Wählen Sie jemanden, dem Sie vertrauen und der die nötige Kompetenz besitzt.

Regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung

Überprüfen Sie Ihr Testament regelmäßig auf Aktualität. Lebensumstände können sich ändern. Stellen Sie sicher, dass Ihre Verfügungen noch Ihrem aktuellen Willen entsprechen. Passen Sie das Testament bei Bedarf an, um Unklarheiten zu vermeiden.

Sichere Aufbewahrung

Bewahren Sie Ihr Testament an einem sicheren Ort auf, wo es nach Ihrem Tod leicht gefunden werden kann. Eine Möglichkeit ist die amtliche Verwahrung beim Amtsgericht. So wird sichergestellt, dass das Testament nach Ihrem Tod eröffnet und umgesetzt wird.

Vermeiden Sie Bedingungen mit Auslegungsspielraum

Formulieren Sie keine Bedingungen, die einen großen Interpretationsspielraum zulassen. Statt „Mein Sohn erbt nur, wenn er sein Leben in den Griff bekommt“ wäre es besser, konkrete, überprüfbare Kriterien festzulegen, falls Sie solche Bedingungen für notwendig halten.

Erläutern Sie Ihre Beweggründe

Bei ungewöhnlichen Verfügungen kann es hilfreich sein, Ihre Motive zu erklären. Dies kann späteren Streitigkeiten vorbeugen und die Chancen erhöhen, dass Ihr Wille respektiert wird. Zum Beispiel: „Ich enterbe meinen Sohn Max, weil er seit 10 Jahren jeden Kontakt zu mir abgelehnt hat.“

Professionelle Beratung in Anspruch nehmen

Bei komplexen Vermögensverhältnissen oder familiären Situationen ist es ratsam, einen Fachanwalt für Erbrecht oder einen Notar zu konsultieren. Diese können Ihnen helfen, Ihr Testament rechtssicher und unmissverständlich zu gestalten.

Wenn Sie diese Punkte beachten, erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass Ihr Testament genau so umgesetzt wird, wie Sie es wünschen. Denken Sie daran: Je klarer und eindeutiger Ihre Anordnungen sind, desto geringer ist das Risiko von Missverständnissen oder Streitigkeiten unter den Erben.

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Welche Rolle spielt der Wille des Erblassers bei der Auslegung eines Testaments?

Bei der Auslegung eines Testaments spielt der Wille des Erblassers eine zentrale und übergeordnete Rolle. Der tatsächliche Wille des Erblassers ist der maßgebliche Faktor, der bei der Interpretation seiner letztwilligen Verfügung zu berücksichtigen ist.

Vorrang des subjektiven Willens

Bei der Testamentsauslegung hat der subjektive Wille des Erblassers absoluten Vorrang vor einer rein objektiven Auslegung des Wortlauts. Dies bedeutet, dass nicht allein der buchstäbliche Sinn der verwendeten Worte entscheidend ist, sondern vielmehr der dahinterstehende tatsächliche Wille des Erblassers erforscht werden muss.

Gerichte und Nachlassgerichte sind bei der Auslegung eines Testaments verpflichtet, den wirklichen Willen des Erblassers zu ermitteln und diesem zur Geltung zu verhelfen. Dabei gilt der Grundsatz, dass der Erblasserwille Vorrang vor formalen Aspekten hat, solange die gesetzlichen Formvorschriften eingehalten wurden.

Ermittlung des Erblasserwillens

Um den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln, werden verschiedene Faktoren berücksichtigt:

1. Wortlaut des Testaments: Der Text des Testaments bildet den Ausgangspunkt der Auslegung. Allerdings wird nicht nur der reine Wortlaut betrachtet, sondern auch der Kontext und die Gesamtumstände.

2. Persönliche Verhältnisse des Erblassers: Die familiären und persönlichen Umstände des Erblassers können wichtige Hinweise auf seinen Willen geben. Wenn Sie beispielsweise ein enges Verhältnis zu einem bestimmten Familienmitglied hatten, könnte dies bei der Auslegung berücksichtigt werden.

3. Äußere Umstände: Ereignisse oder Situationen, die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung relevant waren, können zur Klärung des Erblasserwillens herangezogen werden.

4. Sprachliche Fähigkeiten: Bei der Auslegung wird auch berücksichtigt, ob der Erblasser juristisch versiert war oder eher laienhaft formuliert hat. In Ihrem Fall könnte das bedeuten, dass auch umgangssprachliche Formulierungen im Sinne des Erblassers ausgelegt werden.

Grenzen der Auslegung

Trotz des Vorrangs des Erblasserwillens gibt es Grenzen bei der Auslegung:

Die sogenannte Andeutungstheorie besagt, dass sich der ermittelte Wille zumindest ansatzweise im Testament wiederfinden muss. Es ist nicht zulässig, dem Erblasser einen Willen zu unterstellen, der keinerlei Anhaltspunkt im Testament hat.

Wenn der Wille des Erblassers nicht eindeutig ermittelt werden kann, kommen gesetzliche Auslegungsregeln zur Anwendung. Diese finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch und helfen, Unklarheiten im Sinne des vermuteten Erblasserwillens zu lösen.

Bedeutung für Sie als Erbe oder Begünstigter

Wenn Sie als potenzieller Erbe oder Begünstigter mit einem unklaren Testament konfrontiert sind, ist es wichtig zu verstehen, dass nicht allein der Wortlaut entscheidend ist. Gerichte werden versuchen, den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln, auch wenn dieser möglicherweise nicht perfekt formuliert wurde.

In Ihrer Situation könnte das bedeuten, dass Sie zusätzliche Informationen über die Absichten und Lebensumstände des Erblassers sammeln sollten, um den wahren Willen zu belegen. Dies kann besonders relevant sein, wenn das Testament mehrdeutig oder unklar formuliert ist.

Der Wille des Erblassers ist das Herzstück der Testamentsauslegung. Alle Bemühungen zielen darauf ab, diesen Willen zu erkennen und umzusetzen, soweit er formgerecht erklärt wurde. Für Sie als Betroffener bedeutet dies, dass Sie sich nicht allein auf den Wortlaut verlassen sollten, sondern auch den Kontext und die Umstände der Testamentserrichtung berücksichtigen müssen, um den wahren Willen des Erblassers zu verstehen und durchzusetzen.

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Welche Unterschiede bestehen zwischen einer Bedingung und einem Motiv im Testament?

Eine Bedingung im Testament ist eine rechtlich bindende Voraussetzung für das Eintreten einer Verfügung, während ein Motiv lediglich den Beweggrund des Erblassers für seine testamentarische Anordnung darstellt.

Bedingung im Testament

Eine Bedingung ist eine rechtlich verbindliche Klausel, die das Eintreten oder den Wegfall einer Verfügung von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängig macht. Sie hat unmittelbare rechtliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit der testamentarischen Verfügung. Beispielsweise könnte ein Erblasser festlegen: „Mein Sohn erbt mein Haus, wenn er sein Studium abschließt.“ Hier ist der Studienabschluss die Bedingung für den Erwerb des Hauses.

Bedingungen können aufschiebend oder auflösend sein. Eine aufschiebende Bedingung lässt die Rechtswirkung erst eintreten, wenn das Ereignis eintritt. Eine auflösende Bedingung beendet die Rechtswirkung, wenn das Ereignis eintritt.

Motiv im Testament

Ein Motiv hingegen ist lediglich der Beweggrund oder die Absicht des Erblassers für eine bestimmte testamentarische Verfügung. Es hat keine direkte rechtliche Bindungswirkung. Wenn der Erblasser beispielsweise schreibt: „Ich vermache meiner Tochter mein Auto, weil sie es für ihre Arbeit benötigt“, ist die Arbeitssituation der Tochter das Motiv, aber keine rechtlich bindende Bedingung.

Unterscheidung und Auswirkungen

Die Unterscheidung zwischen Bedingung und Motiv ist oft eine Frage der Auslegung des Testaments. Gerichte berücksichtigen dabei den Wortlaut, den Kontext und den mutmaßlichen Willen des Erblassers.

Bedingungen müssen erfüllt werden, damit die Verfügung wirksam wird oder bleibt. Tritt eine Bedingung nicht ein, kann dies zur Unwirksamkeit der entsprechenden Verfügung führen.

Motive hingegen haben keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der testamentarischen Verfügung. Selbst wenn sich das Motiv als falsch herausstellt oder wegfällt, bleibt die Verfügung grundsätzlich bestehen.

Für die Praxis bedeutet dies: Wenn Sie als Erblasser eine echte Bedingung setzen möchten, formulieren Sie diese klar und eindeutig als solche. Verwenden Sie Formulierungen wie „unter der Bedingung, dass…“ oder „nur wenn…“. Möchten Sie hingegen lediglich Ihre Beweggründe darlegen, können Sie Formulierungen wie „weil…“ oder „aus dem Grund…“ verwenden.

Für Erben ist es wichtig zu verstehen, ob eine Klausel im Testament eine Bedingung oder ein Motiv darstellt. Im Zweifelsfall sollten Sie rechtlichen Rat einholen, da die Unterscheidung erhebliche Auswirkungen auf Ihre Erbberechtigung haben kann.

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Was passiert, wenn keine neue letztwillige Verfügung nach einer heimkehrvollen Reise erstellt wurde?

Wenn nach einer heimkehrvollen Reise keine neue letztwillige Verfügung erstellt wurde, bleibt grundsätzlich die zuletzt gültig errichtete letztwillige Verfügung in Kraft. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um ein Testament oder ein Vermächtnis handelt.

Die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung endet nicht automatisch durch bestimmte Ereignisse wie eine Reise oder die Rückkehr von dieser. Solange der Erblasser die bestehende Verfügung nicht ausdrücklich widerrufen oder durch eine neue ersetzt hat, behält sie ihre Gültigkeit.

Es ist wichtig zu verstehen, dass eine letztwillige Verfügung jederzeit vom Erblasser geändert oder widerrufen werden kann. Wenn der Erblasser nach seiner Rückkehr keine Änderungen vorgenommen hat, kann davon ausgegangen werden, dass er seinen letzten Willen nicht ändern wollte.

Auslegung der letztwilligen Verfügung

In manchen Fällen kann die Auslegung der bestehenden letztwilligen Verfügung eine wichtige Rolle spielen. Wenn Sie sich in einer Situation befinden, in der die Verfügung möglicherweise im Zusammenhang mit der Reise steht, sollten Sie Folgendes beachten:

  1. Der tatsächliche Wille des Erblassers ist entscheidend. Es wird untersucht, was der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung beabsichtigt hat.
  2. Alle Umstände werden berücksichtigt, die Aufschluss über den Willen des Erblassers geben können. Dazu gehören auch Ereignisse, die nach der Errichtung der Verfügung eingetreten sind, wie beispielsweise die Rückkehr von einer Reise.
  3. Wenn die letztwillige Verfügung Bedingungen oder Voraussetzungen enthält, die mit der Reise in Verbindung stehen, muss geprüft werden, ob diese erfüllt wurden oder nicht.

Gesetzliche Erbfolge als Alternative

Sollte die bestehende letztwillige Verfügung aus irgendeinem Grund unwirksam sein oder fehlen, tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. In diesem Fall erben die nächsten Verwandten des Erblassers nach einem festgelegten Schema.

Wenn Sie sich unsicher sind, wie die bestehende letztwillige Verfügung in Ihrer spezifischen Situation auszulegen ist, oder ob sie noch Gültigkeit besitzt, ist es ratsam, rechtlichen Rat einzuholen. Ein Fachanwalt für Erbrecht kann Ihnen helfen, die rechtliche Lage zu klären und Ihre Interessen als potenzieller Erbe zu wahren.

Bedenken Sie, dass jeder Erbfall individuell ist und die genauen Umstände berücksichtigt werden müssen. Die Auslegung einer letztwilligen Verfügung kann komplex sein, insbesondere wenn besondere Ereignisse wie eine bedeutsame Reise eine Rolle spielen.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Letztwillige Verfügung: Eine letztwillige Verfügung ist eine einseitige Erklärung, mit der eine Person (der Erblasser) festlegt, was nach seinem Tod mit seinem Vermögen geschehen soll. Die häufigste Form ist das Testament. Eine letztwillige Verfügung muss bestimmten Formvorschriften genügen, um wirksam zu sein. Sie kann jederzeit vom Erblasser geändert oder widerrufen werden. Im Gegensatz zu einem Erbvertrag ist sie nicht bindend. Letztwillige Verfügungen können Erbeinsetzungen, Vermächtnisse, Auflagen und andere Anordnungen enthalten.
  • Testamentsauslegung: Dies ist der juristische Prozess, durch den die Absichten des Erblassers (der Person, die das Testament geschrieben hat) bestimmt werden, um festzulegen, wie das Erbe zu verteilen ist. Bei Unklarheiten oder widersprüchlichen Angaben im Testament müssen Gerichte interpretieren, was der Erblasser gewollt hat. Die Testamentsauslegung spielt eine entscheidende Rolle, wenn Bedingungen im Testament festgelegt sind, die nicht erfüllt wurden.
  • Erbschein: Ein Erbschein ist ein amtliches Dokument, das von einem Nachlassgericht ausgestellt wird und die Rechtsnachfolge eines Erblassers belegt. Er gibt den Erben das Recht, über den Nachlass zu verfügen und wird oft benötigt, um Grundbucheintragungen zu ändern oder Banken gegenüber die Berechtigung nachzuweisen. In diesem Fall beantragte die Lebensgefährtin des Erblassers einen Erbschein, um als Alleinerbin anerkannt zu werden.
  • Nachlassgericht: Das Nachlassgericht ist eine Abteilung des Amtsgerichts, zuständig für erbrechtliche Angelegenheiten wie die Erteilung von Erbscheinen oder die Anerkennung der Gültigkeit eines Testaments. Es klärt rechtliche Fragen rund um den Nachlass, insbesondere in Fällen, in denen Testamente angefochten oder Erbansprüche unklar sind.
  • Aufschiebende Bedingung: Eine aufschiebende Bedingung ist eine Bedingung, deren Eintritt den Beginn der Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts bewirkt. Im Kontext eines Testaments bedeutet dies, dass das Testament oder Teile davon erst wirksam werden, wenn die genannte Bedingung erfüllt ist. Im vorliegenden Fall wurde die Formulierung als aufschiebende Bedingung interpretiert, die nicht eingetreten ist, da der Erblasser nicht bei einem Unfall oder während der Reise verstorben ist.
  • Gesetzliche Erbfolge: Die gesetzliche Erbfolge tritt ein, wenn kein gültiges Testament vorliegt oder wenn Bedingungen, die im Testament festgelegt wurden, nicht erfüllt sind. Nach deutschem Erbrecht regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) die Erbfolge, die auf Verwandtschaft und Ehe basiert. Im aktuellen Fall argumentierten die Gegner des Erbscheins, dass die gesetzliche Erbfolge gelten sollte, da die bedingten Klauseln des Testaments nicht eingetreten sind.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • §§ 158, 2074 BGB (Bedingung): Eine Bedingung ist ein zukünftiges, ungewisses Ereignis, von dessen Eintritt die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts abhängig gemacht wird. Im Erbrecht kann eine Bedingung beispielsweise an ein Testament geknüpft werden. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob die Formulierung im Testament eine solche Bedingung darstellt.
  • § 2064 BGB (Gesetzliche Erbfolge): Die gesetzliche Erbfolge regelt, wer erbt, wenn kein wirksames Testament vorliegt oder wenn ein Testament nur teilweise wirksam ist. Sie legt eine Rangfolge von Erben fest, beginnend mit den nächsten Verwandten. Im vorliegenden Fall trat die gesetzliche Erbfolge ein, da das Testament aufgrund der nicht erfüllten Bedingung als unwirksam angesehen wurde.
  • § 133 BGB (Auslegung von Willenserklärungen): Bei der Auslegung von Willenserklärungen, zu denen auch Testamente gehören, ist der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Im vorliegenden Fall wurde der Wille des Erblassers durch Auslegung seines Testaments ermittelt.
  • § 2247 BGB (Erbschein): Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das den Erben als Rechtsnachfolger des Erblassers ausweist. Er dient dazu, die Erbenstellung gegenüber Dritten nachzuweisen. Im vorliegenden Fall beantragte die Lebensgefährtin des Erblassers einen Erbschein, der ihr jedoch aufgrund der Unwirksamkeit des Testaments verweigert wurde.
  • Art. 14 Abs. 1 GG (Eigentum): Das Grundgesetz garantiert das Recht auf Eigentum und Erbrecht. Jeder kann durch Testament bestimmen, an wen sein Vermögen nach seinem Tod fallen soll. Im vorliegenden Fall wurde geprüft, ob das Testament des Erblassers wirksam war und somit sein Erbrecht ausübte.

Das vorliegende Urteil

 

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 3 Wx 38/15 – Beschluss vom 06.07.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 13. Februar 2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Kiel vom 5. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1 trägt die Kosten des Verfahrens nach einem Geschäftswert von 100.000,00 Euro.

Gründe

I.

Der am ….2014 verstorbene Erblasser (E) errichtete am 19. Februar 1994 kurz vor einer Reise nach Russland ein eigenhändig geschriebenes, von ihm unterschriebenes Testament. Zu diesem Zeitpunkt war die Beteiligte zu 1. (B) seine Lebensgefährtin; sie schlossen die Ehe am …

Das Testament hat folgenden Inhalt:

„ E….            X, den 19.2.1994

Testament

Hiermit wird B geb. am … meine Nachfolgerin für mein Haus in … Sie bekommt ein lebenslanges Wohnrecht in ihrer jetzigen Wohnung kostenlos.

Mein Bruder X geb. am … wird mit den Fachlichen und Finanziellen Regelungen betraut.

Dafür wird sein Sohn Y das Gebäude …. erben nach dem Ableben von seinem Vater und B.

Sollte sich ein Erlös vorher ergeben wird dieser wie folgend aufgeteilt.

Erlös = 100 %

X für zeitliche Aufwendungen = 40 % lebenslang

B – für Umbauarbeiten = 40 % lebenslang

meine Mutter für getane Arbeit = 20 % lebenslang

Nach dem Ableben meiner Mutter bekommt S diese 20 % die meiner Mutter vorher gelten

Diesen Schriftsatz habe ich bei meinem vollen Bewußtsein geschrieben und hoffe daß dieses Testament von keinem angefochten wird. Meine weiteren Geschwister enterbe ich hiermit, es gibt auch kein Pflichtteil.

da das Haus noch belastet ist.

Anlage bzw. Zusatz:

1 Lebensversicherung …

1 Provinzialversicherung Risiko Unfall ….

bitte wenden

Meine Mähdrescher kann mein Bruder X sofort veräußern, mit diesen Erlös bitte das Haus bezahlen genauso wie mit allen Lebensversicherungen Gesamteinnahmen ca. 550.000,- DM.

Dies Testament gilt nur bei einem Unfall oder sollte ich nicht aus Rußland wiederkommen.

Ein Totenschein braucht nicht vorliegen

Eigenhändig Unterschrieben

E

19.2.1994“

Des Weiteren befindet sich auf der zweiten Seite noch auf dem Kopf geschrieben in einem Kasten der Zusatz

„Zur Verkündigung

an Notar …“

Dem Testament beigefügt ist folgende handschriftlich geschriebene Übersicht:

„… gesamt 448.000 DM

damit sollt ihr auskommen

gez. E“

Der Erblasser, der eine … betrieben hatte, verstarb nach schwerer Krankheit eines natürlichen Todes in …

Seine Eltern sind vorverstorben. Die Beteiligten zu 2. bis 6. sind seine Geschwister, bzw. die Kinder seiner vorverstorbenen Schwester ….

Die Beteiligte zu 1. (B) hat am 5. Dezember 2014 bei dem Nachlassgericht Kiel die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist. Da ihr der Erblasser mit dem Hausgrundstück den einzigen werthaltigen Vermögensgegenstand vermacht habe, sei sie – so ihre Ansicht – seine Alleinerbin geworden. Die Regelung am Ende des Testamentes, wonach es nur bei einem Unfall oder nicht erfolgter Rückkehr des Erblassers aus Russland gelten solle, sei keine einschränkende Bedingung, sondern die Kundgabe des Anlasses für die Errichtung des Testamentes.

Die Beteiligten zu 3. und zu 5. haben hingegen die Auffassung vertreten, bei der betreffenden Regelung am Ende des Testaments handele es sich um eine solche – vorliegend nicht eingetretene – Bedingung, sodass nach dem Ableben des Erblassers gesetzliche Erbfolge anzunehmen sei.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinantrag mit Beschluss vom 5. Februar 2015 als unbegründet zurückzuweisen und hierzu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Das Testament des Erblassers vom 19. Februar 1994 enthalte keine Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1. Die dortigen Regelungen hätten nur für den nicht eingetretenen Fall seines Todes aufgrund eines Unfalles oder nicht erfolgter Rückkehr aus Russland geltend sollen. Die Auslegung des Testaments ergebe, dass die Formulierung „Dies Testament gilt nur bei einem Unfall oder sollte ich nicht aus Rußland wiederkommen. Ein Totenschein braucht nicht vorliegen“ nicht lediglich eine Mitteilung des Motivs für seine Errichtung darstelle, sondern eine Bedingung gemäß §§ 158 ff, 2074 ff BGB.

Wenn in einem Testament in der Form eines Konditionalsatzes auf die Umstände seiner Errichtung Bezug genommen werde (z. B. „Falls ich auf dieser Reise sterbe…“; „Sollte jedoch was Unvorhergesehenes passieren…“) und es der Erblasser später trotz veränderter Umstände nicht widerrufe, sei durch Auslegung zu ermitteln, ob er die Wirksamkeit seiner Anordnungen habe von einer Bedingung abhängig machen oder nur den Anlass der Testamentserrichtung habe ausdrücken wollen. Sei sein Wille erkennbar, die Wirksamkeit der Verfügung mit dem angegebenen, für ungewiss gehaltenen Umstand unmittelbar zu verknüpfen, handele es sich um eine Bedingung. Lasse der Inhalt der Anordnungen dagegen keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt des Erblassers erkennen, sei anzunehmen, dass die Anordnungen auch gelten sollten, wenn er unter anderen Umständen sterbe als denen, die ihn zum Testieren veranlasst hätten (BayObLG, Beschluss vom 24.1.2003, 1 Z BR 14/02, in juris).

Ausgangspunkt der Auslegung sei, dass es sich vorliegend nicht lediglich um einen einleitenden Konditionalsatz handele, sondern nach dem Wortlaut um eine klare Geltungsanordnung „Dies Testament gilt nur…“. Auch die Stellung dieser Formulierung direkt vor der Unterschrift und nicht zu Beginn des Testamentes spreche gegen die bloße Angabe des Motivs für die Testamentserrichtung. Ferner sei bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass der Erblasser im Testament und dessen Zusatz auf seine konkrete Vermögenssituation Bezug genommen habe, indem er insbesondere die aktuellen Lebensversicherungssummen im Einzelnen aufgelistet und sich Gedanken über die Begleichung seiner Schulden und den Verkauf seiner Mähdrescher gemacht habe. Daher sei der Wille des Erblassers erkennbar (auch unter Berücksichtigung der Formulierung „damit solltet ihr auskommen“ im Testamentszusatz), seine aktuelle finanzielle Situation vor seiner Reise nach Russland darzulegen und seine Erben bzw. Vermächtnisnehmer für den Fall eines Unfalles oder nicht erfolgter Rückkehr aus Russland abgesichert zu wissen.

Auch ändere der Umstand, dass er nach der Errichtung des Testamentes und der Rückkehr von der Reise nach Russland die Ehe mit der Beteiligten zu 1. geschlossen und anschließend keine abweichende erbrechtliche Verfügung getroffen habe, an dem Auslegungsergebnis nichts. Das Testament entfalte keine rechtliche Wirkung.

Gegen diesen Beschluss, der Beteiligten zu 1 zugegangen am 11. Februar 2015, hat ihr Bevollmächtigter am 17. Februar 2015 bei dem Nachlassgericht „Erinnerung“ eingelegt und hierzu im Wesentlichen vorgetragen:

Das Nachlassgericht habe seine Auffassung maßgeblich auf die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes vom 24. Januar 2003 (Az: 1Z BR 14/02) gestützt, sich indessen mit hiervon abweichender – von der Beteiligten zu 1 näher zitierter – Rechtsprechung nicht auseinandergesetzt.

Im Ausgangspunkt zutreffend gehe das Nachlassgericht davon aus, dass testamentarische Anordnungen, die keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt des Erblassers erkennen ließen, ihre Geltung behielten. Allerdings nehme das Nachlassgericht diese Voraussetzungen vorliegend zu Unrecht nicht an. Es sei nicht erkennbar, dass die Einsetzung der Beteiligten zu 1 als Alleinerbin irgendeinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt des Erblassers hätte haben sollen. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass die in Rede stehenden letztwilligen Verfügungen nicht hätten gelten sollen, wenn der Erblasser zwischen Testamentserrichtung und Antritt der Reise nach Russland tödlich verunglückt wäre oder er von der Russlandreise zurückgekehrt und sodann unmittelbar nachfolgend verstorben wäre.

Das Nachlassgericht interpretiere die von ihm zitierte Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes vom 24. Januar 2003 (Az: 1Z BR 14/02) unzutreffend. Die dortige Erblasserin habe für den ganz speziellen Sachverhalt eines gleichzeitigen Versterbens mit ihrem Ehemann letztwillige Verfügungen getroffen. Im Falle des getrennten Versterbens hätte sie zuvor ihren Ehemann zum Alleinerben bestimmt; diese Erbeneinsetzung wäre bei einem gleichzeitigen Versterben gegenstandslos geworden. Hier habe der Erblasser seine letztwilligen Verfügungen als Junggeselle getroffen; es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass er für den Fall seines Ablebens nach Rückkehr von der Russlandreise eine andere Regelung hätte treffen wollen oder es bei der gesetzlichen Erbfolge hätte belassen wollen. Es ergebe keinen Sinn, die Beteiligte zu 1. als damalige Lebenspartnerin und spätere Ehefrau für den Fall des Versterbens in Russland zur Alleinerbin zu machen und es bei einem Ableben anderenorts bei der gesetzlichen Erbfolge zu belassen.

Das Nachlassgericht hat die „Erinnerung“ der Beteiligten zu 1. als Beschwerde ausgelegt, dieser – auch unter Berücksichtigung ihres weiteren Vorbringens – nicht abgeholfen und die Angelegenheit dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 49 d.A.).

II.

Die form- und fristgerecht als – statthaftes Rechtsmittel der – Beschwerde (§ 58 Abs. 1 FamFG) auszulegende „Erinnerung“ ist unbegründet.

Die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren getroffen werden. Weiterer Bedarf zur Aufklärung in der Sache besteht nicht. Die Sache wirft auch keine grundsätzlichen oder schwierigen Rechtsfragen auf, die der mündlichen Erörterung bedurft hätten.

1.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinantrag der Beteiligten zu 1. zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Es kann dahinstehen, ob sie auf Grund der letztwilligen Verfügungen des Erblassers vom 19. Februar 1994 als seine Alleinerbin anzusehen wäre, weil die Verfügungen zum Erbfallzeitpunkt keine Gültigkeit mehr entfalteten. Das Nachlassgericht hat die Formulierungen am Ende des Testaments („Dies Testament gilt nur bei einem Unfall oder sollte ich nicht aus Rußland wiederkommen. Ein Totenschein braucht nicht vorliegen“) zutreffend als (aufschiebende) Bedingung gemäß §§ 158 Abs. 1, 2074 BGB und nicht als bloßes Motiv für seine Errichtung ausgelegt.

2.

Letztwillige Verfügungen können gemäß §§ 158 Abs. 1, 2074 BGB unter eine (aufschiebende) Bedingung gestellt werden (Lenz-Brendel in: Herberger/Martinek/ Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 2074, Rn. 4 und 6; BayObLGZ 1993, 248/251, in juris). So kann etwa in der in einem Testament enthaltenen Bezugnahme des Erblassers auf seinen Tod bei einer bestimmten Gelegenheit eine echte Bedingung für die in dem Testament verfügte Zuwendung liegen (BayObLG, Beschluss vom 20.7.1993 – 1Z BR 63/92, in juris). Entscheidend ist die Auslegung. Ist der Wille des Erblassers erkennbar, die Wirksamkeit der Verfügung mit dem angegebenen, für ungewiss gehaltenen Umstand unmittelbar zu verknüpfen, handelt es sich um eine echte Bedingung. Lässt der Inhalt der Anordnungen dagegen keinen Zusammenhang mit der Todesart oder dem Todeszeitpunkt des Erblassers erkennen, ist anzunehmen, dass die Anordnungen auch gelten sollen, wenn der Erblasser unter anderen Umständen stirbt als denen, die Anlass zur Errichtung des Testaments waren (Staudinger/Gerhard Otte (2013), BGB § 2074, Rn. 12).

3.

Der Erblasser hat vorliegend klar und unmissverständlich letztwillig verfügt, „dies Testament“ solle „nur“ unter den näher bezeichneten Umständen „gelten“. Allein die Wortwahl und der Umstand, dass sich die in Rede stehende Formulierung am Ende des Testaments (vor der Unterschrift) befindet und nicht als Einleitungssatz fungiert, sprechen gegen die Auslegung der Beschwerde, welche hierin lediglich ein Motiv für die Testamentserrichtung sieht.

4.

Aus der – seitens der Beschwerde für ihre Ansicht – zitierten Rechtsprechung folgt nichts anderes.

a)

In dem vom Oberlandesgericht München (Beschluss vom 15.5.2012 – 31 Wx 244/11, in juris) entschiedenen Fall hatte der Erblasser mit den einleitenden Worten, „Sollte mir bei der Gallenoperation etwas zustoßen (…).“ letztwillig verfügt, dass seine langjährige Lebensgefährtin – in näher bezeichneter Weise – bedacht werde sollte. Hierin hat das Oberlandesgericht München – in Abgrenzung zu einer Bedingung – zu Recht ein bloßes Motiv für die Testamentserrichtung gesehen. Dieser Sachverhalt ist allerdings mit vorliegender Konstellation nicht vergleichbar. Zum einen enthält die dortige Regelung keine Geltungsanordnung (etwa in der Form „Dies soll nur gelten, wenn ich bei der Gallenoperation versterbe“). Zum anderen befindet sich der maßgebliche Passus am Beginn der letztwilligen Verfügung und nicht – wie vorliegend – am Ende des Testaments.

Hinzu kommt (auch dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt von dem Fall, den das Oberlandesgericht München zu entscheiden hatte), dass der Erblasser in seinen letztwilligen Verfügungen vom 19. Februar 1994 (und dem dortigen Zusatz) auf seine konkrete Vermögenssituation Bezug nimmt und diese offensichtlich im Falle eines – etwaig alsbaldigen – Ablebens zu regeln beabsichtigte, einschließlich der „Enterbung“ seiner Geschwister, „da das Haus noch belastet ist“. Auch diesen Umstand hat das Nachlassgericht zutreffend bei seiner Entscheidung vom 5. Februar 2015 berücksichtigt.

b)

Entsprechend verhält es sich mit der zitierten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes (Beschluss vom 3.9.1981 – BReg 1 Z 56/81; „Sollte mir während meines Urlaubs etwas passieren …“). Auch der dort entschiedene Sachverhalt ist mit dem vorliegenden – aus denselben Gründen – nicht vergleichbar.

c)

Soweit die Beschwerde für ihre Ansicht die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Beschluss vom 24.1.2003 – 1Z BR 14/02; („Sollte jedoch was Unvorhergesehenes passieren …“) heranzieht, trägt diese ihr Auslegungsergebnis gerade nicht. Im Gegenteil wurde dort die betreffende Formulierung nicht als bloßer Beweggrund für die Testamentserrichtung betrachtet, sondern als echte Bedingung angesehen.

Daher hat das Nachlassgericht – entgegen der Ansicht der Beschwerde – den vorzitierten Beschluss zutreffend zur Begründung seiner Entscheidung herangezogen.

5.

Der Erblasser hat demnach – formgerecht (§ 2247 BGB) – (nur) Regelungen getroffen, falls er während seiner Russlandreise tödlich verunfallt oder dort anderweitig ums Leben kommt. Offenbar machte er sich für diesen Fall auch Gedanken darüber, dass sein Ableben in Russland – möglicherweise wegen der seinerzeit unübersichtlichen politischen Verhältnisse dort – nicht hinreichend dokumentiert werden könne, sodass für einen entsprechenden Nachweis „ein Totenschein“ nicht vorzuliegen brauche.

a)

Wenn er diese Einschränkung (keine Wiederkehr von der Russlandreise) zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung (19.2.1994) nicht gewollt, sondern eine unbeschränkte Geltung seiner letztwilligen Verfügungen beabsichtigt hätte, wäre naheliegend gewesen, sie von vornherein wegzulassen.

b)

Sollte der Erblasser zu einem späteren Zeitpunkt nach der Rückkehr von seiner Russlandreise den Willen gebildet haben, dass sein Testament vom 19. Februar 1994 weiterhin gelten solle, hätte er dies – formgerecht (§§ 2231 f, 2247 BGB) – durch eine weitere letztwillige Verfügung regeln müssen, wofür ein Änderungsvermerk ausreichend, aber auch mindestens erforderlich gewesen wäre. Sollte er gemeint haben, eine solche Regelung sei wegen seines Testaments vom 19. Februar 1994 entbehrlich, wäre hierin ein unbeachtlicher Rechtsirrtum zu sehen.

c)

Ob das Testament in den Konstellationen, welche die Beschwerde diskutiert (Versterben des Erblassers zwischen seiner Errichtung und Antritt der Reise nach Russland oder sein Versterben unmittelbar nach der Rückkehr aus Russland), hätte Geltung beanspruchen können, kann dahinstehen. Der Erblasser ist über zwanzig Jahre nach Errichtung des Testaments eines natürlichen Todes in … gestorben. Jedenfalls bei dieser Sachlage kann es ersichtlich nicht gelten.

6.

Die Kostenentscheidung beruht § 84 FamFG.

Der Geschäftswert der Beschwerde in Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins ist gemäß §§ 61, 40 Abs. 1 GNotKG nach dem Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls unter Abzug der vom Erblasser herrührenden Verbindlichkeiten zu bestimmen. Die Beteiligte zu 1 hat in ihrem Erbscheidungsantrag vom 3. Dezember 2014 den Wert des „reinen Nachlasses“ mit „ca.“ 100.000,00 € angegeben. Hieran hat sich der Senat orientiert. Der Wert kommt in voller Höhe in Ansatz. Eine Beschränkung auf den Wert des umstrittenen Erbteils lässt § 40 GNotKG – vom hier nicht einschlägigen Sonderfall des § 40 Abs. 2 GNotKG abgesehen – in Abkehr von den Vorschriften der KostO nicht mehr zu (Senat, Beschl. v. 16.10.2014 – 3 Wx 104/13 -).


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