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Testamentsauslegung hinsichtlich Erbeneinsetzung

KG Berlin – Az.: 26 W 62/16 – Beschluss vom 08.03.2017

Auf die Beschwerde des Antragstellers und Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 1. April 2016 – 61 VI 922/14 – geändert und das Nachlassgericht angewiesen, dem Antragsteller und Beteiligten einen H… M… K…, geb. G… und Prof. Dr. A… P… E… K… als gemeinschaftliche Erben zu je 1/2 nach der am … 1955 verstorbenen M… E… R… geb. G… ausweisenden Erbschein zu erteilen.

Von der Erhebung von Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist gem. § 1936 BGB fiskalischer Erbe der am … 1983 verstorbenen H… M… K…, geb. G…, geb. am … 1890.

Er beantragt die Erteilung eines ihn als Alleinerben nach H… M… K… ausweisenden Erbscheins sowie eines M… K… und den am … . bzw. … 2002 verstorbenen Prof. Dr. A… P… E… K… als gemeinschaftliche Erben der am … 1955 verstorbenen M… E… R…, geb. G…, geb. am … 1884 ausweisenden Erbscheins. Das Verfahren bezüglich des nach H… M… K… beantragten Erbscheins wird zum Geschäftszeichen 62 VI 286/04 des Amtsgerichts Charlottenburg geführt.

M… E… R… und ihr am … 1953 vorverstorbener Ehemann K… G… P… R…, geb. am … 1877, errichteten unter dem … 1949 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und dem letztüberlebenden Ehegatten die freie Verfügung über den Nachlass gestatteten (Bl. 4 d. BA 61/29 IV 542/53 AG Charlottenburg). E… R… errichtete unter dem… 1954 ein eigenhändiges Testament (Bl. 11 d. BA), worin sie u. a. bestimmte, dass:

“[…] die beiden Sparkassenbücher, deren weitere Aufwertung bevorsteht, meinem Schwiegersohn, Herrn Prof. Dr. E… K… […], dem Gatten meiner geliebten verstorbenen Tochter gehören sollen. Er soll dadurch wenigstens einen kleinen Teil des Geldes zurückbekommen, das er für uns ausgegeben hat.”

Darüber hinaus verfügte sie:

“Meine liebe Schwester, Frau M… K… […] soll meine Kleider, Wäsche, Haushaltsgegenstände und die mir gehörenden Möbelstücke erhalten, außerdem das leider in der russischen Zone liegende Grundstück in S…, C…, Amtsgericht P…, Grundbuch Band …, Blatt … .”

M… K… teilte dem Amtsgericht Charlottenburg zu 61 IV 542/53 mit Schreiben vom 6. September 1962 (Bl. 12 d. BA) mit, dass der Wert des Nachlasses nach Frau E… R… 3.125,00 DM betragen habe, wovon 3.000,00 DM auf das Grundstück und weitere 125,00 DM auf Möbel und Bekleidung entfielen.

Das Amtsgericht hat dem Antragsteller mit Verfügungen vom 19. Januar 2015 und vom 30. Juni 2015 mitgeteilt, dass seiner Rechtsauffassung nach Frau M… K… Alleinerbin nach E… R… geworden sei, während Prof. Dr. E… K… lediglich als Vermächtnisnehmer anzusehen sei. Es hat insoweit eine Umstellung des Erbscheinsantrages angeregt. Der Antragsteller hat an dem Erbscheinsantrag in der gestellten Form festgehalten.

Mit Beschluss vom 1. April 2016, dem Antragsteller am 11. April 2016 zugestellt, hat das Amtsgericht den Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins nach Frau E… R… zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller am 11. Mai 2016 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 28. Oktober 2016 nicht abgeholfen hat.

II.

A.

Die nach § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, da sie gemäß §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden ist.

Der Antragsteller ist durch die angefochtene Entscheidung auch beschwert. Zwar könnte es dem Antragsteller im Hinblick auf die vom Nachlassgericht vertretene Auffassung, wonach M… K… Alleinerbin der Frau E… R… geworden sei, sogar um eine dem Antragsteller als erbberechtigter Fiskus günstige Entscheidung handeln, weil er seine Rechtsstellung im Rahmen des Aufgebotsverfahrens nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EntschG ausschließlich und ohne Hinzuziehung Dritter geltend machen könnte. Der Antragsteller hat jedoch im Hinblick auf die Tatsache, dass in der Person von Frau Dr. M… K… eine Erbin nach Prof. Dr. E… K… vorhanden ist, ein rechtliches Interesse daran, dass zur Vermeidung eines Rechtsstreits über die Befugnisse des Antragstellers im Aufgebotsverfahren ein gemeinschaftlicher Erbschein bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen erteilt wird.

B.

Das Rechtsmittel ist auch in der Sache begründet.

Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts lässt sich aus dem Testament der Erblasserin E… R… vom 9. Juli 1954 auch unter Heranziehung des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute R… vom 9. März 1949 nicht entnehmen, dass die Erblasserin E… R… keine gemeinschaftliche Erbeinsetzung von Prof. Dr. E… K… und M… K… – verbunden mit einer Teilungsanordnung – wollte, sondern Prof. Dr. E… K… lediglich als Vermächtnisnehmer einsetzen wollte.

Das Testament vom 9. Juli 1954 lässt nicht den Schluss zu, dass es sich bei dem Grundstück in S… um den einzigen werthaltigen Vermögensgegenstand im Nachlass der Erblasserin gehandelt hat. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Schreiben der M… K… vom 6. September 1962 zum Nachlasswert zwar lediglich Angaben hinsichtlich des Grundstücks sowie der Kleidung und der Einrichtungsgegenstände enthält, hieraus aber nicht gefolgert werden kann, dass die Sparguthaben wertlos waren. Der Erbfall war bereits im Jahre 1955 eingetreten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Nachlassgegenstände – soweit dies zu dieser Zeit möglich war – längst verteilt waren und Prof. Dr. E… K… die Sparguthaben übertragen erhalten hatte. Insoweit ergibt sich auch nicht, dass und ob eine entsprechende Rückfrage bezüglich des Werts der Sparguthaben bei Prof. Dr. E… K… gehalten worden ist. M… K… hat eindeutig nur Angaben zum Wert der ihr überlassenen Nachlassgegenstände gemacht.

Welchen Wert die Sparguthaben im Jahre 1954 hatten, lässt sich heute auch im Hinblick auf das gemeinschaftliche Testament der Eheleute R…, nicht mehr genau feststellen. Das gemeinschaftliche Testament verweist lediglich auf ein Sparbuch mit einem Guthaben von 7.500,00 RM. Die von der Erblasserin E… R… unter dem 14. November 1953 erstellte handschriftliche Aufstellung der Nachlasswerte (Bl. 6 d. BA) weist ein Sparkassenguthaben von 1.757,50 DM auf und bewertet das Grundstück mit 1.120,00 DM (Ost). Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass zwar im Zuge der in den westlichen Besatzungszonen und den Westsektoren Berlins durchgeführten Währungsreform vorhandene Sparguthaben im Jahre 1948 erheblich entwertet worden waren, in den Jahren nach Gründung der Bundesrepublik bis hin zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Milderung von Härten der Währungsreform – Altsparergesetz – vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 495) entstandene Härten bei der Umstellung von Sparguthaben zeitlich gestaffelt ausgeglichen wurden oder noch ausgeglichen werden sollten und insbesondere auch bisher blockierte Teile von umgewerteten Sparguthaben freigegeben werden konnten.

Umgekehrt lässt sich auch nicht feststellen, dass die Erblasserin E… R… dem Grundstück in S… einen höheren Wert zugemessen hat, als diesen die Sparguthaben aus ihrer Sicht hatten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Grundstück in der damaligen DDR lag und aufgrund von Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR-Behörden ab 1952 aus dem Westteil Berlins heraus nicht oder nur sehr erschwert zu erreichen war. Eine tatsächliche Nutzung oder Verwertung des Grundstücks wäre sowohl für die Erblasserin E… R… als auch für Frau M… K… allenfalls unter der Voraussetzung möglich gewesen, dass diese in die DDR übersiedelten. Die politische Situation im Jahr 1954 lässt auch nicht den Schluss zu, dass zu dieser Zeit – insbesondere nachdem der Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR und in Ost-Berlin niedergeschlagen worden war – ernsthaft damit gerechnet werden konnte, dass auf absehbare Zeit mit einer Vereinigung der beiden existierenden deutschen Staaten gerechnet werden konnte. Mithin stellt selbst die Angabe des Grundstückswerts von 3.000,00 DM im Jahre 1962 letztlich einen Erinnerungswert dar, der ohne weiteres auch deutlich niedriger hätte angesetzt werden können.

Mangels weiterer konkreter Anhaltspunkte und angesichts der historischen Bedingungen zum Testierungszeitpunkt im Juli 1954 lässt sich deshalb nicht ersehen, dass die Erblasserin E… R… eindeutig den überwiegenden Teil ihres Vermögens der weiteren Erblasserin M… K… zuwenden und ihrem Schwiegersohn Prof. Dr. E… K… lediglich – im Verhältnis hierzu – geringfügige Sparguthaben zukommen lassen wollte.

III.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung hat der Senat von § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG Gebrauch gemacht, da die Kosten auf jeden Fall dem Landesfiskus zur Last fallen.

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