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Testamentsauslegung hinsichtlich Ersatzerbeneinsetzung

Ein erbitterter Streit um eine Eigentumswohnung entbrannte zwischen Tante und Neffe nach dem Tod der Erblasserin. Während der Neffe sich als rechtmäßiger Erbe sah, beharrte die Tante darauf, dass ihre Mutter sie als Alleinerbin eingesetzt hatte. Nun hat das Oberlandesgericht ein überraschendes Urteil gefällt, das den letzten Willen der Verstorbenen in einem neuen Licht erscheinen lässt.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: 14 U 125/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Das Urteil betrifft die Auslegung eines Testaments, insbesondere die Frage der Ersatzerbeneinsetzung.
  • Die Erblasserin setzte in ihrem Testament ihre beiden Kinder als Erben zu gleichen Teilen ein und bestimmte deren Abkömmlinge als Ersatzerben.
  • Der Kläger, Enkel der Erblasserin, beanspruchte nach der Ausschlagung der Erbschaft durch seinen Vater, als Ersatzerbe in die Erbfolge einzutreten.
  • Die Beklagte, Tochter der Erblasserin, argumentierte, dass der Kläger nicht als Ersatzerbe vorgesehen sei und sie die Alleinerbin sei.
  • Das Gericht entschied zugunsten der Beklagten, indem es feststellte, dass der Kläger nicht Miterbe geworden ist und die Beklagte Alleinerbin ist.
  • Die Entscheidung des Gerichts basiert auf der Auslegung des Testaments und dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin, dass die Beklagte uneingeschränktes Eigentum an der Wohnung erhalten soll.
  • Der Kläger wurde verurteilt, die Grundbucheintragung zu ändern, sodass die Beklagte als Alleineigentümerin eingetragen wird.
  • Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Ausschlagung der Erbschaft durch den Vater des Klägers nicht dazu führen sollte, dass der Enkel als Ersatzerbe nachrückt.
  • Die Entscheidung hat zur Folge, dass die Beklagte das alleinige Eigentum an der Wohnung und die alleinige Verfügungsgewalt über die Nachlassgegenstände erhält.
  • Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen wurden dem Kläger auferlegt.

Kampf um Erbe: Gericht entscheidet über Alleinerbenstellung

Der Tod eines geliebten Menschen ist für die Hinterbliebenen eine schwere Belastung. In dieser emotional aufwühlenden Zeit stehen oft Rechtsfragen im Mittelpunkt, die geklärt werden müssen. Vor allem die Auslegung von Testamenten kann komplex und herausfordernd sein. Hier ist es wichtig, sorgfältig vorzugehen, um den letzten Willen des Verstorbenen zu ermitteln und eine rechtmäßige Erbfolge sicherzustellen.

Ein besonders heikler Punkt ist dabei die Frage der Ersatzerbeneinsetzung. Wie genau ist die Formulierung im Testament zu verstehen? Wer tritt in die Rechte und Pflichten des eingesetzten Erben ein, wenn dieser vor dem Erblasser verstirbt? Diese Fragen erfordern eine genaue juristische Prüfung, um Streitigkeiten unter den Angehörigen zu vermeiden.

Im Folgenden werden wir uns daher mit einem konkreten Gerichtsfall befassen, in dem es um die Auslegung einer Ersatzerbeneinsetzung ging. Anhand dieses Beispiels lässt sich verdeutlichen, wie wichtig eine sorgfältige Testamentsauslegung ist und welche Konsequenzen unklare Formulierungen haben können.

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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe


Erbstreit um Eigentumswohnung – Beklagte ist Alleinerbin

In diesem Fall ging es um einen Erbstreit zwischen der Beklagten und dem Kläger, dem Sohn des Bruders der Beklagten. Die Mutter der Beklagten und des Bruders hatte ein notarielles Testament errichtet, in dem sie die Beklagte und den Bruder als Erben zu gleichen Teilen einsetzte. Zugleich bestimmte sie deren Abkömmlinge nach gesetzlicher Erbfolge zu Ersatzerben. In einer Teilungsanordnung legte die Erblasserin fest, dass die Beklagte ihr Wohnungseigentum erhalten sollte.

Nach dem Tod der Erblasserin schlug der Bruder die Erbschaft aus und machte stattdessen seinen Pflichtteil geltend. Der Kläger als Sohn des Bruders ging davon aus, nun als Ersatzerbe an die Stelle seines Vaters getreten zu sein. Er erhob Klage gegen die Beklagte auf Auskunft über den Nachlass.

Die Beklagte erhob dagegen Widerklage und beantragte die Feststellung, dass sie Alleinerbin geworden sei und der Kläger die Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich des Wohnungseigentums der Erblasserin bewilligen müsse.

Gericht stellt fest: Beklagte ist Alleinerbin

Das Oberlandesgericht Karlsruhe gab der Berufung der Beklagten statt. Es stellte fest, dass der Kläger nicht Miterbe geworden ist, sondern die Beklagte Alleinerbin nach der Erblasserin wurde.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Auslegung der Testamente ergebe, dass es nicht dem Willen der Erblasserin entsprach, dass im Falle der Ausschlagung durch den eingesetzten Erben unter Geltendmachung des Pflichtteils dessen Abkömmlinge als Ersatzerben an dessen Stelle treten sollten.

Vielmehr sei dem Testament zu entnehmen, dass es der Erblasserin besonders wichtig war, dass die Eigentumswohnung an die Beklagte fallen sollte. Die Erblasserin wollte durch die Teilungsanordnung sicherstellen, dass die Wohnung „in der Familie bleibt“ und nicht verkauft werden muss.

Mit einem Willen, dass bei Ausschlagung der Beklagte den Pflichtteil aufbringen müsse und zugleich der Ersatzerbe am Nachlass beteiligt wäre, seien die testamentarischen Regelungen nicht vereinbar. Der hypothetische Wille der Erblasserin für den Fall einer Ausschlagung sei gewesen, dass dann die Beklagte Alleinerbin sein sollte.

Grundbuchberichtigung und Auskunftsanspruch

Da die Beklagte somit als Alleinerbin Eigentümerin der Wohnung geworden ist, hat sie einen Anspruch gegen den Kläger auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung. Das bisherige Grundbuch ist insoweit unrichtig.

Ein Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte als vermeintliche Miterbin besteht hingegen mangels Erbenstellung nicht.

Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen, da die Entscheidung auf ständiger Rechtsprechung zur Testamentsauslegung beruht. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Verfahrens.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Urteil verdeutlicht, dass bei der Auslegung eines Testaments der wahre Wille des Erblassers entscheidend ist. Selbst eine ausdrückliche Ersatzerbenregelung kann durch Auslegung teleologisch reduziert werden, wenn sie dem erkennbaren Erblasserwillen zuwiderläuft. Für die Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens sind neben dem Wortlaut auch außerhalb des Testaments liegende Umstände und die Lebenserfahrung heranzuziehen. Im Zweifel ist die Regelung so auszulegen, wie es dem mutmaßlichen Erblasserwillen am ehesten entspricht.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Testamentsauslegung wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Wie wird der Wille des Erblassers bei der Testamentsauslegung ermittelt?

Der Wille des Erblassers ist das zentrale Element bei der Testamentsauslegung. Um diesen zu ermitteln, werden verschiedene Methoden und Grundsätze angewendet:

Zunächst ist vom Wortlaut des Testaments auszugehen. Dabei ist das subjektive Verständnis des Erblassers von den verwendeten Begriffen maßgeblich, nicht die allgemeine Verkehrsanschauung. Der Wortlaut hat jedoch nur Indizwirkung, da der wahre Wille des Erblassers im Vordergrund steht.

Zur Ermittlung des Willens sind der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde sowie alle Nebenumstände heranzuziehen und zu würdigen. Dazu zählen das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen, Handlungen, persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Selbst Umstände, die nach der Errichtung des Testaments eingetreten sind, können Rückschlüsse auf den damaligen Willen zulassen.

Allerdings müssen sich für den ermittelten Willen zumindest andeutungsweise Anhaltspunkte im Testament finden lassen. Dies ergibt sich aus der Formerfordernissen für Testamente. Die Andeutungstheorie besagt, dass der wahre Wille im Testament wenigstens angedeutet sein muss.

Lässt sich der Wille nicht eindeutig klären, kann eine ergänzende Auslegung vorgenommen werden. Dabei wird hypothetisch gefragt, wie der Erblasser verfügt hätte, wenn ihm bestimmte Umstände bewusst gewesen wären. So können Regelungslücken geschlossen werden.

Erst wenn sich der Wille auch durch Auslegung nicht ermitteln lässt, greifen die gesetzlichen Auslegungsregeln des BGB als Hilfsmittel. Die individuelle Auslegung hat aber stets Vorrang vor diesen Regeln.


Was passiert, wenn ein im Testament eingesetzter Erbe die Erbschaft ausschlägt?

Wenn ein im Testament eingesetzter Erbe die Erbschaft ausschlägt, hat dies folgende Auswirkungen auf die Erbfolge:

Grundsätzlich gilt, dass die Erbschaft demjenigen zufällt, der berufen wäre, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (§ 1953 Abs. 2 BGB). Wer das ist, richtet sich primär nach den Bestimmungen des Erblassers im Testament.

Hat der Erblasser einen Ersatzerben eingesetzt, tritt dieser an die Stelle des ausschlagenden Erben. Die Ersatzerbeneinsetzung kann ausdrücklich im Testament erfolgen oder sich aus der Auslegung ergeben.

Fehlt eine Ersatzerbeneinsetzung, ist zu prüfen, ob die Anwachsungsregeln greifen. Sind mehrere Erben eingesetzt, kann der Erbteil des Ausschlagenden den verbleibenden Erben anwachsen.

Ist weder ein Ersatzerbe bestimmt noch Anwachsung möglich, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Dann erben die nächsten gesetzlichen Verwandten des Erblassers, wie Abkömmlinge, Eltern oder Geschwister.

Bei gemeinschaftlichen Testamenten wird häufig angenommen, dass die Ehegatten mit der Schlusserbeneinsetzung zugleich eine stillschweigende Ersatzerbeneinsetzung für den Erbfall des Erstversterbenden gewollt haben. Die Schlusserben sollen dann auch erben, wenn der längerlebende Ehegatte ausschlägt.

Entscheidend ist stets der mutmaßliche Wille des Erblassers, der durch Auslegung des Testaments zu ermitteln ist. Die Ausschlagung führt nicht automatisch zur gesetzlichen Erbfolge, wenn Anhaltspunkte für eine andere Lösung bestehen.


Was ist eine Ersatzerbeneinsetzung und wie wirkt sie sich auf die Erbfolge aus?

Eine Ersatzerbeneinsetzung ist eine Regelung im Testament, mit der der Erblasser für den Fall vorsorgt, dass der ursprünglich eingesetzte Erbe vor dem Erbfall wegfällt. Fällt der Erbe weg, weil er verstirbt, die Erbschaft ausschlägt oder aus anderen Gründen nicht erben kann, tritt der Ersatzerbe an seine Stelle.

Der Erblasser kann im Testament ausdrücklich eine oder mehrere Personen als Ersatzerben benennen. Fehlt eine solche Bestimmung, ist durch Auslegung des Testaments zu ermitteln, ob der Erblasser dennoch einen Ersatzerben gewollt hat. Andernfalls greifen die gesetzlichen Regeln zur Ersatzerbfolge.

Wird ein Ersatzerbe eingesetzt, hat dies folgende Wirkungen: Der Ersatzerbe rückt vollumfänglich in die Stellung des ursprünglichen Erben ein. Er erwirbt die Erbschaft mit allen Rechten und Pflichten, die der weggefallene Erbe gehabt hätte. Dazu gehört auch die Übernahme etwaiger Verbindlichkeiten des Erblassers.

Der Ersatzerbe erhält jedoch nur dann den Erbteil, wenn der ursprüngliche Erbe tatsächlich wegfällt. Tritt dieser Fall nicht ein, hat der Ersatzerbe keinerlei Ansprüche aus dem Testament.

Beispiel: Die Erblasserin setzt in ihrem Testament ihren Sohn als Alleinerben ein. Für den Fall, dass der Sohn vor ihr verstirbt oder die Erbschaft ausschlägt, bestimmt sie ihre Nichte als Ersatzerbin. Verstirbt nun der Sohn vor der Erblasserin, wird die Nichte Alleinerbin. Lebt der Sohn hingegen länger, hat die Nichte keinen Erbanspruch.


Welche Ansprüche hat ein Ersatzerbe im Vergleich zu einem direkten Erben?

Der Ersatzerbe hat grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie ein direkter Erbe. Allerdings gibt es einige wichtige Unterschiede.

Zunächst ist der Ersatzerbe nur dann relevant, wenn der ursprünglich eingesetzte Erbe wegfällt. Wenn der Erblasser am Leben bleibt, hat der Ersatzerbe keinerlei Ansprüche.

Außerdem muss der Ersatzerbe nicht zwangsläufig den vollen Erbteil erhalten. Der Erblasser kann ihm durchaus einen kleineren Anteil als dem ursprünglichen Erbe zuweisen.

Darüber hinaus hat der Ersatzerbe keine Möglichkeit, den Nachlass zu vergrößern. Er kann nur den Anteil erhalten, den der Erblasser ihm zugedacht hat.

Zusammengefasst hat der Ersatzerbe also die gleichen Rechte wie ein direkter Erbe, aber er kann nicht den Nachlass vergrößern. Außerdem kann der Erblasser ihm einen kleineren Anteil als dem ursprünglichen Erbe geben.


Kann ein Pflichtteilsberechtigter zusätzlich als Ersatzerbe eingesetzt werden?

Ein Pflichtteilsberechtigter kann durchaus zusätzlich als Ersatzerbe eingesetzt werden. In diesem Fall hat er zwei unterschiedliche Ansprüche, die er parallel geltend machen kann.

Als Pflichtteilsberechtigter hat er einen Geldanspruch in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils gegen die Erben. Dieser Anspruch besteht unabhängig davon, ob er selbst als Erbe eingesetzt ist oder nicht.

Zusätzlich kann der Erblasser ihn als Ersatzerben einsetzen für den Fall, dass der ursprünglich eingesetzte Erbe vor dem Erbfall wegfällt. Als Ersatzerbe würde er dann vollumfänglich in die Rechtsstellung des weggefallenen Erben einrücken und die Erbschaft mit allen Rechten und Pflichten erwerben.

Wichtig: Beide Ansprüche bestehen nebeneinander. Der Pflichtteilsanspruch wird nicht durch die Ersatzerbeneinsetzung aufgehoben oder gemindert. Umgekehrt erlischt der Ersatzerbfall nicht, wenn der Pflichtteilsanspruch geltend gemacht wird.

Tritt der Ersatzerbfall ein, hat der Pflichtteilsberechtigte die Wahl, ob er den Pflichtteil oder die Erbschaft annehmen möchte. Er kann nicht beides verlangen. Nimmt er die Erbschaft an, erlischt sein Pflichtteilsanspruch. Entscheidet er sich für den Pflichtteil, verbleibt es bei seiner Stellung als Pflichtteilsberechtigter.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 1937 BGB (Testierfreiheit): Erlaubt es einer Person, ihren Nachlass durch Testament frei zu regeln. Im vorliegenden Fall hat die Erblasserin ein notarielles Testament errichtet, um die Erbfolge festzulegen.
  • § 2084 BGB (Auslegung von Verfügungen): Dient der Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers. Das Gericht hat den Willen der Erblasserin ausgelegt und entschieden, dass der Kläger nicht als Ersatzerbe eingesetzt wurde.
  • § 2096 BGB (Ersatzerbe): Regelt, wer Erbe wird, wenn der ursprünglich eingesetzte Erbe vor oder nach dem Erbfall wegfällt. Hier wurde geprüft, ob der Kläger als Ersatzerbe des ausgeschlagenen Erbes seines Vaters eintritt.
  • § 2320 BGB (Ersatzpflichtteil): Stellt sicher, dass der Pflichtteil des Erben nicht durch Ersatzerben beeinträchtigt wird. Die Beklagte argumentierte, dass der Erblasserwille dem widersprach, dass der Kläger als Ersatzerbe den Nachlass zusätzlich beanspruchen könnte.
  • § 2303 BGB (Pflichtteil): Gibt bestimmten nahen Angehörigen einen Mindestanteil am Nachlass. Der Vater des Klägers hat seinen Pflichtteil beansprucht, wodurch die Erbschaftsausschlagung erfolgte.
  • § 2270 BGB (Einsetzung des Nacherben): Kann relevant sein, wenn der Erblasser spezifische Ersatzerben benennt. Das Testament der Erblasserin bestimmte die Kinder als Erben und deren Abkömmlinge als Ersatzerben.
  • § 2338 BGB (Pflichtteilsergänzungsanspruch): Schützt Pflichtteilsberechtigte vor unzulässigen Schenkungen. Der Pflichtteilsanspruch des Vaters des Klägers könnte die Teilung des Nachlasses beeinflussen.
  • § 2033 BGB (Verfügungsbefugnis des Erben): Regelt, dass ein Miterbe über seinen Anteil am Nachlass verfügen kann. Dies wurde relevant, als der Kläger und die Beklagte als Miterben eingetragen wurden, was später durch das Gericht korrigiert wurde.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe

OLG Karlsruhe – Az.: 14 U 125/21 – Urteil vom 14.10.2022

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Landgerichts Konstanz vom 23.04.2021 (E 3 O 300/17) wie folgt abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird festgestellt, dass der Kläger und Widerbeklagte nicht Miterbe geworden ist, sondern die Beklagte Alleinerbin nach A, verstorben am 11.08.2015, geworden ist.

3. Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, die Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichtsbezirks Konstanz, Grundbuchamt Konstanz, 1/2 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flurstück-Nr. …, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten Wohnungseinheit im Erdgeschoss mit Keller Nr. 1, Bastelraum Nr. 1 und Garage Nr. 1 im Untergeschoss dahingehend zu bewilligen, dass die Beklagte als Alleineigentümerin einzutragen ist.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000 € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 108.765,39 € festgesetzt.

Gründe

A.

Der Kläger macht auf der Grundlage, dass er mit der Beklagten Erbe der Erblasserin A geworden sei, im Wege der Stufenklage einen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte als Erbschaftsbesitzerin geltend. Die Beklagte beantragt widerklagend die Feststellung, dass sie Alleinerbin geworden sei und die Berichtigung des Grundbuchs bezüglich der zum Nachlass gehörenden Eigentumswohnung.

Die am 02.01.1937 geborene Erblasserin A, geborene …, war die Mutter der Beklagten und des B. Der Kläger ist der einzige Sohn des B.

Die Erblasserin, B und die Beklagte schlossen am 23.11.1993, notariell beurkundet, einen Teilerbauseinandersetzungsvertrag und Übergabevertrag zur Regelung des Nachlasses des im Jahr 1972 verstorbenen Ehemanns der Erblasserin. Wegen der Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde, Anlage B 6 der erstinstanzlichen Akte, verwiesen. Von dem damals bestehenden Grundstück … wurde eine Teilfläche abgetrennt und – neben einem weiteren im Nachlass befindlichen Grundstück – B übertragen. Das auf dem verbliebenen Grundstück stehende Haus der Erblasserin war in zwei Wohnungseigentumseinheiten aufgeteilt. Die im Obergeschoss befindliche Wohnung wurde der Beklagten übertragen, während die andere, im Erdgeschoss gelegene Wohnung – die Gegenstand des Urteilstenors Ziffer I. 3. ist – im Eigentum der Erblasserin blieb. Die der Beklagten übertragene Wohnung wurde im Jahr 1995 durch den Umbau in eine Maisonettewohnung vergrößert und von der Beklagten bezogen. Die Erblasserin bewohnte bis zu ihrem Umzug in ein Pflegeheim im Jahr 2014 die im Erdgeschoss befindliche Wohnung. B und mittlerweile auch der Kläger bewohnen das auf dem abgetrennten Grundstück errichtete, unmittelbar angrenzende Haus.

Die Erblasserin hat am 04.02.2008 ein notarielles Testament errichtet, wegen dessen Einzelheiten auf die Urkunde … des Notariats K. (Anlage K 2) verwiesen wird. In § 2 des Testaments setzte die Erblasserin B und die Beklagte als Erben zu gleichen Teilen ein. Zugleich bestimmte sie deren Abkömmlinge nach gesetzlicher Erbfolge zu Ersatzerben. In § 3 des Testaments regelte die Erblasserin eine Teilungsanordnung mit der Bestimmung, dass etwaige Mehrerwerbe über das Erbteil hinaus nicht auszugleichen wären. Die Erblasserin ordnete an, dass die Beklagte ihr Wohnungseigentum im Anwesen … erhalten sollte. Von ihrem Geldvermögen sollten B 7/10 und die Beklagte 3/10 erhalten, ferner traf die Erblasserin Bestimmungen bezüglich zweier Seegrundstücke. Gemäß § 4 wurde dem Kläger ein Vermächtnis in Höhe von 10.000 € zugewandt.

In einer weiteren Urkunde vom 21.02.2008 (Anlage K 3) änderte die Erblasserin die Teilungsanordnung in § 3 Nr. 1 des früheren Testaments dahingehend ab, dass die Beklagte für den Fall eines Verkaufs oder einer unentgeltlichen Übertragung des ihr zugewiesenen Wohnungseigentums einen Ausgleich von 1/3 des Erlöses bzw. des Werts an B zahlen müsse. Sie bestimmte weiter, der Anteil der Beklagten von 3/10 am Geldvermögen sei gemäß der Erbquoten zu verteilen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Urkunde verwiesen.

Die Erblasserin ist am 11.08.2015 verstorben. B hat durch Erklärung vom 07.12.2015 (Anlage K 1) die Ausschlagung der Erbschaft erklärt. Auf Aufforderung des Nachlassgerichts (Anlage K 5) erklärte der Kläger die Annahme der Erbschaft und beantragte einen Erbschein. Der erteilte Erbschein wies die Parteien als Erben zu je 1/2 aus; auf seiner Grundlage wurden sie als Eigentümer der im Tenor genannten Eigentumswohnung in Erbengemeinschaft eingetragen.

Zwischen B und der Beklagten ist beim Landgericht Konstanz wegen des Pflichtteilsanspruchs eine Stufenklage rechtshängig, die nach Erlass eines Teilanerkenntnisurteils bezüglich des Auskunftsanspruchs zum Ruhen gebracht wurde.

Nachdem es nach dem Erbfall und der Ausschlagung zwischen den Parteien zu Auseinandersetzungen wegen der in der früheren Wohnung der Erblasserin befindlichen Gegenstände gekommen war, erhob der Kläger gegen die Beklagte Klage mit dem Antrag, Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin zum 11.08.2015 und über den Verbleib der Nachlassgegenstände zu erteilen, soweit sich diese zum Zeitpunkt des Erbfalls am 11.08.2015 in der Eigentumswohnung der Erblasserin … befunden haben, sowie für den Fall mangelnder Sorgfalt der Auskunft diesbezüglich eine eidesstattliche Versicherung abzugeben.

Das Verfahren vor dem Landgericht ruhte wegen außergerichtlicher Vergleichsbemühungen vom 11.04.2018 bis zur Wiederanrufung durch die Beklagte am 04.12.2020. Mit der Wiederanrufung erhob die Beklagte Widerklage mit dem Antrag, den Kläger und Widerbeklagten zu verurteilen, zur Berichtigung des Grundbuches des Amtsgerichts Konstanz, 1/2 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Flurstück-Nr. …, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten Wohneinheit im Erdgeschoss mit Keller Nr. 1, Bastelraum Nr. 1 und Garage Nr. 1 im Untergeschoss die Eintragung der Beklagten und Widerklägerin als Alleineigentümerin zu bewilligen.

Hilfsweise für den Fall der Klageabweisung beantragte die Beklagte,

…………..

Die Beklagte vertrat die Auffassung, die Auslegung der Testamente führe dazu, dass der Kläger nicht auch für den Fall einer Ausschlagung der Erbschaft als Ersatzerbe eingesetzt worden sei; es habe nicht dem Willen der Erblasserin entsprochen, dass der Ausschlagende den Pflichtteil und zusätzlich der Ersatzerbe eigene Ansprüche geltend machen könnte. Selbst wenn der Kläger Miterbe geworden sein sollte, sei die Beklagte berechtigt, eine Teilauseinandersetzung des Nachlasses in Form der Bewilligung der Eintragung des Alleineigentums an der Wohnung, der Herausgabe der Wohnung sowie der Feststellung, dass der Beklagten allein die Mieteinnahmen aus der Vermietung zustünden, zu verlangen.

Der Kläger ist der Widerklage entgegengetreten. Er vertrat die Auffassung, er sei von der Erblasserin ausdrücklich und ohne Einschränkung als Ersatzerbe benannt worden. Dementsprechend weise der zutreffend ausgestellte Erbschein die Parteien als Miterben aus; hierauf beruhe die Grundbucheintragung. Der Nachlass sei nicht teilungsreif. Ein Anspruch auf Übertragung des Wohnungseigentums vor einer Teilung sei nicht gegeben, denn es sei anzunehmen, dass die Eigentumswohnung zur Befriedigung einer Nachlassverbindlichkeit in Form des Pflichtteilsanspruchs des B in Anspruch zu nehmen sei; wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrags wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 19.02.2021 verwiesen. Auch die Teilung der Früchte in Form der Mieteinnahmen könne derzeit nicht verlangt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil vom 23.04.2021 zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses zum Stichtag 11.08.2015 und über den Verbleib der Nachlassgegenstände, soweit sich der Nachlass um die Nachlassgegenstände zum Zeitpunkt des Erbfalls am 11.08.2015 in der Eigentumswohnung der Erblasserin im … befunden habe, verurteilt. Die Widerklage wurde abgewiesen. Zur Begründung führt das Landgericht aus, die Einsetzung des Klägers als Ersatzerbe im Testament sei eindeutig. Die Voraussetzungen für eine anderweitige Auslegung des Testaments habe die Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Der Auskunftsanspruch beruhe darauf, dass die Beklagte den Erbschaftsbesitz erlangt habe. Die bisherigen Angaben der Beklagten stellten keine Auskunft dar. Die Widerklage sei abzuweisen und eine Grundbuchberichtigung komme nicht in Betracht, da der Kläger Miterbe geworden sei. Ein schuldrechtlicher Verschaffungsanspruch der Beklagten bestehe derzeit nicht, da sich nicht abschließend bewerten lasse, ob nach einer Übertragung der Eigentumswohnung der restliche Nachlass ausreichen werde, um die Ansprüche des Vaters des Klägers zu bedienen. Deshalb kämen auch Räumungs- und Herausgabeansprüche oder die Feststellung bezüglich des Mietzinses nicht in Betracht. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 25.05.2021 (AS I 423) hat das Landgericht einen Berichtigungsantrag der Beklagten, wonach die Widerklage als „derzeit unbegründet“ abzuweisen sei, zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, einer solchen Tenorierung bedürfe es nicht, da sich die Abweisung als derzeit unbegründet aus den Entscheidungsgründen ergeben würde.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihre erstinstanzlich gestellten Ansprüche in erweitertem Umfang weiter und begehrt die Abweisung der erstinstanzlich erfolgreichen Klage.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass der Kläger nicht als Ersatzerbe an die Stelle seines Vaters getreten sei, da dies dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Erblasserin widersprechen würde. Die Ausschlagung des zugewandten Erbteils und die Geltendmachung des Pflichtteils gegen die Beklagte im Wege der Stufenklage stellten eine aktive Entscheidung des Vaters des Klägers dar, die er gegen den Willen der Erblasserin getroffen habe. Ein Nachrücken des Klägers als Ersatzerbe in diesem Fall habe die Erblasserin nicht gewollt, da dann der Stamm des Sohnes in zweifacher Weise bedacht würde, nämlich der Sohn mit dem uneingeschränkten Pflichtteil und der nachrückende Enkel als Miterbe. Die Regelung des § 2320 Abs. 2 BGB schließe eine solche Auslegung nicht aus. Der Wille der Erblasserin, dass die Beklagte uneingeschränkte und unbeschwerte Alleineigentümerin der Eigentumswohnung werden solle, sei unter Berücksichtigung des Inhalts des Testaments eindeutig zu ermitteln. Dass der Sohn und der Kläger in der geschehenen Weise vorgehen würden, um mehr aus dem Nachlass zu erhalten, als ihnen von der Erblasserin zugewendet worden sei, führe nach dem anzunehmenden Willen der Erblasserin dazu, dass lediglich ihrem pflichtteilsberechtigten Sohn der Pflichtteil zu gewähren sei und der Beklagten der gesamte Restnachlass zustehen sollte. Zur Begründung der Hilfsanträge führt die Beklagte aus, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass eine Inanspruchnahme der Eigentumswohnung zur Aufbringung der auszugleichenden Beträge nötig werden könnte. Dabei habe sich das Landgericht darauf gestützt, dass der Wert der Immobilie streitig sei, wobei der Kläger einen Wert von bis 250.000 € in den Raum gestellt habe. Erst nach der Urteilsverkündung des Landgerichts sei der Beklagten ein vom Vater des Klägers in Auftrag gegebenes Gutachten zum Bewertungsstichtag 25.11.2014 bekannt geworden, in dem der Verkehrswert der Immobilie mit 182.000 € festgestellt worden sei (Anlage B 6). Von dem Pflichtteilsanspruch des Vaters seien – streitige – einbehaltene Beträge von insgesamt 64.000 € abzuziehen, sodass nur noch ein Restanspruch in Höhe von 11.645,17 € bestehe. Wegen der Einzelheiten des Vortrags und der Berechnung wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung verwiesen.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Konstanz vom 23.04.2021, Az.: E 3 O 300/17, wird die Klage abgewiesen.

2. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Konstanz vom 23.04.2021, Az.: E 3 O 300/17, wird der Widerklage stattgegeben und

2.1. festgestellt, dass der Kläger und Widerbeklagte nicht Miterbe geworden ist, sondern die Beklagte Alleinerbin nach A, verstorben am 11.08.2015, geworden ist;

2.2. der Kläger (und Widerbeklagte) verurteilt, die Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichtsbezirks Konstanz, Grundbuchamt Konstanz ….. zu bewilligen.

Hilfsweise beantragt die Beklagte, ………..

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, der mit der Berufungsbegründung gestellte Antrag sei unzulässig, insbesondere lägen die Voraussetzungen für eine zulässige Klageänderung im Sinne von § 533 ZPO nicht vor. Die Feststellung, dass der Kläger nicht Erbe geworden sei, stelle eine rechtliche Vorfrage dar, weshalb ein Feststellungsantrag nicht zulässig sei.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte verhalte sich widersprüchlich, da sie den für die Erbengemeinschaft ausgestellten Erbschein nicht angegriffen habe. Die Tatsache, dass der Vater des Klägers seinen Pflichtteil geltend gemacht habe, könne nicht zur Begründung einer Auslegung im Sinne der Beklagten herangezogen werden, denn eine solche erfolge in der Regel immer gegen den Willen des Erblassers. Auch das „zweifache Bedenken“ des Stamms stelle diesbezüglich kein Argument dar, da diese Konstellation vom Gesetzgeber in § 2320 BGB geregelt worden sei. Es sei davon auszugehen, dass die Erblasserin in ihrer notariellen Verfügung ausdrücklich für jedes Kind die Abkömmlinge als Ersatzerben bestimmt habe. Für die Auslegung der Beklagten gebe es keine Andeutung im streitgegenständlichen Testament. Eine ausdrückliche Beschränkung der Ersatzerbenberufung auf einen bestimmten Wegfallgrund sehe das Testament nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten der Erwiderung, insbesondere zur Teilerbauseinandersetzung, wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 29.11.2021 verwiesen.

Der Senat hat den Kläger und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 06.09.2022 persönlich angehört. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

B.

Die Berufung ist zulässig (I.) und begründet (II. – IV.).

I. Der mit der Berufungsbegründung erstmals gestellte, auf die Erbenstellung der Parteien bezogene Feststellungsantrag der Widerklage stellt eine Klageerweiterung dar, die sachdienlich im Sinne von § 533 Nr. 1 ZPO ist. Die Frage der Sachdienlichkeit ist unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu beurteilen (vgl. Ball in Musielak/Voit, ZPO, 19. Auflage 2022, § 533 Rn 5). Die Rechtskraftwirkung der Entscheidung über den erweiterten Antrag wird durch die begehrte Feststellung im Vergleich zu den erstinstanzlichen Anträgen in positiver oder negativer Hinsicht erweitert, was zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits, dessen Gegenstand oder Vorfrage die Erbenstellung der Parteien ist, geeignet ist. Zur Entscheidung über den Feststellungsantrag bedarf es im Sinne von § 533 Nr. 2 ZPO keiner neuen Tatsachen. Die Frage, wer Erbe geworden ist, ist zwar Vorfrage für die erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche, stellt aber auch ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis dar, für dessen Feststellung ein Bedürfnis der Beklagten gemäß § 256 Abs. 1 ZPO besteht.

II. Auf die Widerklage der Beklagten war festzustellen, dass der Kläger nicht Miterbe, sondern die Beklagte Alleinerbin nach der Erblasserin geworden ist. Die Ausschlagung des testamentarisch zugewandten Erbteils durch den Vater des Klägers hatte nicht zur Folge, dass der Kläger gemäß § 2096 BGB als Ersatzerbe an dessen Stelle getreten ist.

1. Die Auslegung der Verfügung in § 2 des notariellen Testaments vom 04.02.2008 führt dazu, dass nach dem Willen der Erblasserin die Einsetzung der Abkömmlinge als Ersatzerben nicht für den Fall gelten sollte, dass der als Erbe Eingesetzte die Ausschlagung erklären und den Pflichtteil geltend machen würde.

a) Die Bestimmung über die Ersatzerben ist auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie in einem notariellen Testament enthalten ist, der Auslegung zugänglich und bedürftig. Es entspricht zwar allgemeiner Auffassung, dass die Pflicht des Notars aus § 17 BeurkG, den Willen der Beteiligten zu erforschen, sie über die Tragweite ihres Geschäftes zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig wiederzugeben, eine „gewisse Vermutung“ dafür begründet, dass objektiver Erklärungsinhalt der Verfügung und Erblasserwille übereinstimmen (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 08.02.1996 – 1Z BR 157/95, Rn. 17, juris; OLG München, Beschluss vom 08.06.2010 – 31 Wx 48/10, NJW-RR 2011, 12; Horn/Kroiß, Testamentsauslegung, 2. Auflage 2019, § 7 Rn. 59, 60; Linnartz in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Auflage, § 2084 BGB (Stand: 17.08.2022), Rn. 7; Staudinger/Otte (2019) Vorbem. zu §§ 2064 ff, Rn. 62).

Diese Vermutung geht aber nicht über die Annahme hinaus, dass die Erblasserin den zutreffenden rechtlichen Begriff verwendete und ihr klar war, dass der Begriff des Ersatzerben – in Abgrenzung zu anderen Bezeichnungen wie Nacherbe oder Schlusserbe – den Fall betrifft, dass der ursprünglich eingesetzte Erbe wegfällt und eine oder mehrere andere Personen an seine Stelle treten. Dies ist eine – wie nicht zuletzt die Vermutung des § 2069 BGB zeigt – übliche Regelung für den regelmäßig zu bedenkenden Fall, dass ein Erbe bis zu dem zukünftigen, unbestimmten Zeitpunkt des Erbfalls versterben könnte. Dass anlässlich der Beurkundung auch der Fall erörtert wurde, dass ein Wegfall des Erben auch im Fall einer Ausschlagung vorliegen könnte und zugleich ein Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden könnte, wird von dieser Vermutung nicht umfasst. Daher spricht der Umstand, dass die Einsetzung der Ersatzerben ohne weitere Zusätze verfügt wurde, weder gegen die Auslegbarkeit noch ergibt sich daraus bereits der Wille der Erblasserin, dass der Ersatzerbe für jeden Fall des Wegfalls eingesetzt werden sollte.

b) Gemäß §§ 133, 2084 BGB ist bei der Auslegung eines Testaments der wirkliche Wille des Erblassers zu ermitteln. Dabei sind neben dem gesamten Inhalt der Testamentsurkunde auch Umstände außerhalb des Testaments heranzuziehen und zu würdigen (vgl. BGH, Urteil vom 08.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41-51, Rn. 16; BayObLG, Beschluss vom 16.03.2005 – 1Z BR 77/04, FamRZ 2006, 226, 228). Selbst Umstände, die nach dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung eintreten, können von Bedeutung sein, soweit sie Rückschlüsse auf den Erblasserwillen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zulassen (vgl. Hanseatisches OLG, Beschluss vom 22.12.2016 – 2 U 10/16, juris). Der Erblasserwille ist als „innere Tatsache“ grundsätzlich dem Geständnis und der Beweisaufnahme zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.1992 – IV ZR 160/91, Rn. 11, juris). Lässt sich auf diese Weise nicht feststellen, was der wirkliche Wille des Erblassers war, muss sich das Gericht notfalls mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht, also dem, was der Erblasser vernünftigerweise am ehesten gewollt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 08.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41-51, Rn. 16; BGH, Urteil vom 07.10.1992 – IV ZR 160/91 Rn. 11, juris; BayObLG, Beschluss vom 17.05.2001 – 1Z BR 121/00, Rn. 24, juris). Von diesem durch Wortlaut und Umstände nahegelegten Verständnis darf das Gericht nur dann abgehen, wenn weitere Umstände mit mindestens annähernd gleich großem Gewicht für ein Verständnis in einem anderen Sinne dargetan und bewiesen sind (vgl. BGH, Urteil vom 07.10.1992 – IV ZR 160/91, Rn. 11, juris). Es ist demnach zu unterscheiden: Streitige Umstände, aus denen sich der Erblasserwille ergeben soll, sind nur zugrunde zu legen, wenn sie zweifelsfrei erwiesen sind. Wenn aber der Wille des Erblassers nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann, muss sich das Gericht eine Überzeugung davon bilden, für welche Interpretation die überwiegenden Gründe sprechen; in diesen Fällen darf der Richter nicht dem Erblasserwillen durch Berufung auf ein non liquet die Geltung verwehren (vgl. Staudinger/Otte (2019) Vorbem. zu §§ 2064 ff, Rn. 115; Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 2084 Rn 169).

Eine ergänzende Auslegung kommt in Betracht, wenn sich eine regelungsbedürftige Lücke in letztwilligen Verfügungen ergibt; diese Lücke kann sich sowohl durch spätere Entwicklungen als auch durch einen Irrtum über die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ergeben (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27.06.1997 – 1 Z BR 240/96, DNotZ 1998, 209; OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.09.2015 – 21 W 55/15, Rn. 15, beck-online; Czubayko in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 4. Auflage 2022, § 2084 BGB Rn 15; Staudinger/Otte (2019) Vorbem. zu §§ 2064 BGB Rn. 77 ff.; Roth, NJW-Spezial 2015, 359).

Zur Auslegung einer Verfügung kann auch die allgemeine Lebenserfahrung herangezogen werden (vgl. Horn/Kroiß, a.a.O., § 7 Rn. 158; Gierl in beck-online GK, Stand: 01.09.2022, § 2084 Rn. 49 m.w.N.).

c) Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Auslegung der Testamente der Erblasserin führt zu der Annahme, dass es nicht deren Willen entsprach, dass im Falle der Ausschlagung durch den eingesetzten Erben unter Geltendmachung des Pflichtteils dessen Abkömmlinge als Ersatzerben an die Stelle des Ausschlagenden treten sollten.

aa) Der Inhalt der Testamente macht deutlich, dass es der Erblasserin nicht in erster Linie darum ging, ihre beiden Kinder gleichmäßig zu bedenken, sondern, dass sie besonderen Wert darauf legte, dass die Beklagte die zu diesem Zeitpunkt von der Erblasserin bewohnte Wohnung erhalten sollte. Die Regelungen in beiden Testamenten, insbesondere die Ergänzungen im Testament vom 21.02.2008, sprechen dafür, dass der Vater des Klägers zwar einen gewissen Ausgleich hierfür erhalten sollte, es der Erblasserin aber auch bewusst war, dass bei dieser nicht auszugleichenden Anordnung der Anteil der Beklagten am Nachlass dem Wert nach voraussichtlich größer als der des Vaters des Klägers sein würde. Durch diese Teilungsanordnung wollte die Erblasserin sicherstellen, dass die Beklagte durch den Erwerb der Eigentumswohnung der Erblasserin im Erdgeschoss des Anwesens … nunmehr Eigentümerin der gesamten Immobilie – genau genommen beider Eigentumswohnungen – wird. Diese Vorstellung der Erblasserin ist vor allem deshalb naheliegend, weil ihr Sohn B, der Vater des Klägers, im Rahmen des Teilerbauseinandersetzungsvertrags und Übergabevertrags vom 23.11.1993 das benachbarte Grundstück zum Alleineigentum erhalten, auf diesem unmittelbar benachbarten Grundstück ein Wohnhaus errichtet und mit seiner Familie bezogen hat. Das damals bestehende und mit zunächst nur einem Haus bebaute Grundstück … wurde mithin in zwei Grundstücke aufgeteilt, die bei Errichtung des Testaments im Februar 2008 jeweils mit einem Wohnhaus bebaut waren. Die Überlegung, dass jedes ihrer beiden Kinder, der Sohn B und die Beklagte, ein Grundstück mit einem Haus bekommen sollten, ist ohne weiteres nachvollziehbar und liegt aus Sicht des Senats auf der Hand.

Die im Testament der Erblasserin vom 21.02.2008 ergänzte Regelung für den Fall der Veräußerung oder unentgeltlichen Übertragung der Eigentumswohnung der Erblasserin lässt erkennen, dass der Grund für die Bevorzugung der Beklagten nach dem Willen der Erblasserin darin bestand, sicherzustellen, dass die Beklagte die vermachte Eigentumswohnung auch tatsächlich behält, mithin das gesamte Anwesen in das Eigentum der Beklagten übergeht, also gewissermaßen „in der Familie bleiben“ würde. Im Fall der Übertragung der Wohnung sollte hingegen ein Ausgleich zugunsten des B erfolgen.

Mit einem Willen, dass bei einer Ausschlagung der Erbschaft durch den insofern benachteiligten Vater des Klägers die Beklagte den Pflichtteil aufbringen müsste und zugleich der Ersatzerbe am Nachlass beteiligt wäre, sind die Regelungen zur Teilung des Nachlasses daher nicht zu vereinbaren.

bb) Die außerhalb des Testaments liegenden Umstände stützen diese Auslegung. Im Fall einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft auf der Grundlage einer hälftigen Quote lag die Befürchtung auf der Hand, dass die Wohnung angesichts dessen, dass der Wert der Wohnung den des Rests des Nachlasses wesentlich übertraf, veräußert werden müsste. Zum Zeitpunkt der Testamentserstellung hatte die Erblasserin bereits längere Zeit im gleichen Anwesen wie die Beklagte gewohnt; die oben dargestellte Wohnsituation der Erblasserin und der eingesetzten Erben war aus Sicht der Erblasserin eine Folge der einverständlichen Regelung in dem Vertrag vom 23.11.1993. Die Anordnungen in den Testamenten lassen auf diesem Hintergrund ebenfalls auf den Willen der Erblasserin schließen, dass die von ihr bewohnte Wohnung „in der Familie bleiben“ und zwar der Beklagten zufallen sollte. Ein Verhalten der eingesetzten Erben, das diesem Willen zuwiderlief, insbesondere – wie der Kläger selbst geltend macht – den Verkauf der Wohnung notwendig machen würde, widerspricht diesem Willen in eklatanter Weise.

cc) Schließlich spricht, nicht anders als in den Fällen, in denen der Ausschlagende als Nacherbe eingesetzt war, die allgemeine Lebenserfahrung für diese Auslegung. Auf dieser Grundlage wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung dahingehend angenommen, dass in den Fällen, in denen ein Nacherbe die Erbschaft ausschlägt und sein Pflichtteilsrecht geltend macht, nach dem Willen des Erblassers eine angeordnete oder gemäß § 2069 BGB vermutete Ersatzerbeneinsetzung nicht gelten soll (vgl. BayObLG, Beschluss vom 10.08.1962 – 1 Z 43/61, BayObLGZ 1962, 240, 243 f; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.10.1981 – 8 W 507/80, juris; BayObLG, Beschluss vom 02.03.2000 – 2 ZR BR 144/99, NJW- RR 2000, 1391; OLG München, Beschluss vom 25.07.2006 – 31 Wx 39/06, FamRZ 2007, 767, 768; OLG Bamberg, Urteil vom 23.04.2013 – 5 U 34/12, Rn. 34, juris; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.05.2020 – 3 W 74/20, juris). Dies soll auch dann gelten, wenn ausdrücklich und ohne Einschränkungen Ersatzerben eingesetzt wurden (vgl. BayObLG a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 9; OLG München a.a.O.; OLG Bamberg, a.a.O., Rn. 34).

Der Bundesgerichtshof hat in dem Urteil vom 29.06.1960 – V ZR 64/59 – entschieden, dass die Vermutung des § 2069 BGB dann nicht zur Anwendung kommt, wenn der Nacherbe die Erbschaft ausschlägt und den Pflichtteil verlangt. Der Grund dafür sei gerade dann, wenn Ausschlagung und Pflichtteilsverlangen in dem Zusammenhang des § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB stehen, die Erwägung, dass der betreffende Stamm in diesem Fall in zweierlei Weise zum Zuge käme. Dies stehe in ausgeprägtem Widerspruch zu dem, was ein Erblasser in aller Regel gewollt habe oder bei Erwägung einer solchen Möglichkeit gewollt habe. Der Bundesgerichtshof verweist zutreffend auf den Zusammenhang aus § 2306 Abs. 1 BGB, an dem sich durch die seit 01.01.2010 geltende Neufassung der Vorschrift in dieser Hinsicht nichts geändert hat. § 2306 Abs. 1 BGB regelt das Recht des Ausschlagenden, den Pflichtteil zu verlangen, im Fall der Beschränkung oder Beschwerung des Erben; § 2306 Abs. 2 BGB setzt dem die Einsetzung als Nacherben gleich. Insofern ist die für den Fall der Nacherbschaft ergangene, oben zitierte Rechtsprechung auch auf Fälle übertragbar, in denen die Ausschlagung nicht durch die Anordnung der Vorerbschaft – typischerweise bei wechselseitige Erbeinsetzung von Eltern – motiviert ist, sondern durch die wertmäßige Minderung des Nachlasses durch eine nicht auszugleichende Teilungsanordnung. Im ersten Fall muss der Nacherbe den Eintritt des Nacherbfalls – regelmäßig den Tod des Vorerben – abwarten, bis er seinen Erbteil erhält; im zweiten Fall muss der Erbe, wenn er nicht ausschlägt, hinnehmen, dass er wertmäßig weniger erhält, als ihm nach der gesetzlichen Erbfolge oder sogar bei Erhalt des Pflichtteils zustehen würde. Beiden Situationen gemein ist, dass die Erblasser eine Bestimmung getroffen haben, auf deren Umsetzung sie besonderen Wert legen. Im Fall der Vor- und Nacherbschaft bezieht sich dies typischerweise auf den Erhalt des ungeschmälerten Nachlasses für den anderen Elternteil, im Fall der Teilungsanordnung auf den Übergang eines besonders wichtigen Vermögensgegenstands auf einen bestimmten Begünstigten. Wenn sich der Erbe durch die Ausschlagung diesem Willen widersetzt, liegt es nach der allgemeinen Lebenserfahrung nahe, dass der Erblasser den oder die Erben, die nicht ausschlagen, nicht noch durch das Hinzutreten eines Ersatzerben aus dem Stamm des Ausschlagenden zusätzlich belasten will.

dd) Auch die Wirkungen des § 2320 BGB sprechen nicht gegen eine Auslegung des Erblasserwillens in diesem Sinne. Der diesbezüglichen Auffassung des Klägers und Teilen der Literatur (vgl. Staudinger/Otte (2019) § 2064 BGB Rn. 12, 14a) ist nicht zu folgen. Insofern kann es für die Auslegung ausschließlich auf den – gegebenenfalls hypothetischen – Willen des Testierenden ankommen, nicht auf die später tatsächlich eintretenden, wirtschaftlichen Folgen einer Regelung. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass § 2320 BGB zwar die aus dem Pflichtteil folgende Lastverteilung im Innenverhältnis der Erben regelt, aber nicht dazu geeignet ist, die verbleibenden Erben vor der notwendigen Auseinandersetzung mit einem als Ersatzerben eingetretenen Miterben zu bewahren. Dass dies zu erheblichen Erschwernissen und Kostenrisiken führen kann – eben gerade deshalb, weil der Ersatzerbe dem Stamm des Ausschlagenden angehört und sich regelmäßig diesem verbunden fühlen wird – wird an dem vorliegenden Fall deutlich, in dem die Anwendbarkeit des § 2320 BGB keinesfalls verhindern konnte, dass durch die Ausschlagung die Umsetzung des Erblasserwillens nachhaltig beeinträchtigt wird. Im Vordergrund eines nach der Lebenserfahrung anzunehmenden Willens steht, dass der entgegen dem Willen des Erblassers ausschlagende Erbe nicht durch einen an seine Stelle tretenden Abkömmling ersetzt werden soll, mit dem sich der oder die anderen Erben – zusätzlich – auseinandersetzen müssen.

ee) Selbst dann, wenn man die oben dargestellten Gesichtspunkte nicht genügen lassen würde, um im Weg der erläuternden Auslegung zu einem Schluss auf den Willen der Erblasserin zu gelangen, würde jedenfalls eine ergänzende Auslegung zum gleichen Ergebnis führen. Auch wenn man zu Grunde legen würde, dass die Testamente insofern eine nicht geregelte Lücke aufweisen würden, als die Erblasserin die Möglichkeit einer Ausschlagung nicht bedacht hätte und deshalb nicht ausdrücklich geregelt ist, ob die Ersatzerbeneinsetzung für diesen Fall gelten soll, wäre der Ersatzerbe nicht für den Fall der Ausschlagung eingesetzt worden. Die ergänzend anzunehmende Regelung zur Füllung der Lücke richtet sich nach dem Willen, den der Testierende bei Kenntnis der Lage im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gefasst hätte (vgl. Staudinger/Otte (2019) Vorbem. zu §§ 2064 BGB Rn 87; Burandt-Rojahn, a.a.O., § 2084 BGB Rn. 16). Der Inhalt des hypothetischen Willens ist aufgrund der nach dem Testament erkennbaren Willensrichtung zu bestimmen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 27.06.1997 – 1 Z BR 240/96, juris; OLG Frankfurt Beschluss vom 11.09.2015 – 21 W 55/15, Rn. 15, beck-online; Staudinger/Otte, a.a.O., Rn. 83; Burandt-Rojahn, a.a.O., Rn. 17). Unter Heranziehung der dargelegten Gesichtspunkte besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Erblasserin, wenn sie die Möglichkeit einer Ausschlagung durch den Vater des Klägers und der Geltendmachung des Pflichtteils bedacht hätte, den Willen gehabt hätte, dass in diesem Fall die Beklagte Alleinerbin sein sollte. In diesem Fall wäre nämlich die Beklagte ohne weiteres im Wege der Gesamtrechtsnachfolge Eigentümerin der Wohnung geworden, während der Ausschlagende sein Pflichtteilsrecht von der Beklagten erhalten hätte. Der Kläger hätte, wie im Testament verfügt, das ihm zugewendete Vermächtnis erhalten. Dafür, dass das Hinzutreten eines Ersatzerben für diesen Fall dem Willen der Erblasserin entsprochen hätte, spricht keiner der zu Tage getretenen Gesichtspunkte.

d) Durch den Wegfall des Vaters des Klägers als Erben wuchs der ihm zugedachte Erbteil der Beklagten an, § 2094 Abs. 1 BGB.

III. Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung gemäß § 894 BGB.

Die Beklagte ist als Alleinerbin gemäß § 1922 BGB alleinige Eigentümerin der Eigentumswohnung der Erblasserin geworden. Da die Parteien als Eigentümer des Wohnungseigentums in Erbengemeinschaft eingetragen sind, ist das Grundbuch unrichtig.

Es kommt nicht darauf an, dass die Eintragung in das Grundbuch auf der Grundlage des Erbscheins des Nachlassgerichts erfolgte. Die Ausführungen des Klägers zur Wirkung des Erbscheins bzw. zu einem widersprüchlichen Verhalten der Beklagten gehen fehl. Es besteht zwar die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins gemäß § 2365 BGB, aber keine Bindung des Prozessgerichts an dessen Inhalt (vgl. Grziwotz in Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., § 2365 Rn. 8). Umgekehrt wird das Nachlassgericht, wenn rechtskräftig festgestellt wird, dass der Erbschein unrichtig ist, diesen von Amts wegen einziehen (§ 2361 BGB).

IV. Ein Auskunftsanspruch des Klägers aufgrund behaupteter Erbenstellung gegen die Beklagte ist aufgrund der fehlenden Erbenstellung nicht gegeben.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert ergibt sich aus der Hälfte des Nachlasswerts von 217.530,78 €, den der Kläger in der Klagschrift vom 27.07.2017 zur Grundlage seiner Streitwertberechnung gemacht hat. Maßgeblich ist insofern der mit der Widerklage geltend gemachte Feststellungsantrag, der sich auf die streitige Erbenstellung des Klägers mit einer Quote von 1/2 bezieht; ein Feststellungsabschlag war nicht vorzunehmen. Die Streitwerte der Klage und der Widerklage waren gemäß § 45 Abs. 1 S. 3 GKG nicht zusammenzurechnen, da Auskunftsanspruch und Feststellungsantrag denselben Gegenstand betreffen (vgl. Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG 5. Auflage 2021 § 45 Rn. 4).

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. In rechtlicher Hinsicht beruht das Urteil, die Auslegung von Testamenten betreffend, auf ständiger, gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte.

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