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Testamentsauslegung in Bezug auf Vermächtnisnießbrauchrecht

LG Aachen – Az.: 12 O 202/19 – Urteil vom 15.10.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin aus einem Vermächtnis des Anfang 2011 verstorbenen Herrn C („Erblasser“) im Testament vom 24.01.2010. Die Klägerin war die Lebensgefährtin des Erblassers. Die Beklagte war seine Ehefrau und ist seine Erbin geworden. Das handschriftliche Testament wurde im März 2011 durch das Amtsgericht Aachen eröffnet. Unter der Überschrift „Vermächtnis“ wurde der Klägerin ein Nießbrauch an sieben Beteiligungen an US-amerikanischen Limited Partnerships eingeräumt. Diesbezüglich heißt es im Testament:

„Der Nießbrauch besteht an sämtlichen periodischen Ausschüttungen aus diesen Beteiligungen in voller Höhe einschließlich der US Steuerrückerstattungen sowie ebenfalls in voller Höhe aus den Erträgen von Beteiligungen, die durch Wiederanlage von zurückgezahlten Einlagen entstehen.“

Aus diesen Beteiligungen resultieren Zahlungen des US-amerikanischen Unternehmens … Group. Die … Group ist eine auf Investitionen in amerikanische Immobilien spezialisierte Kapitalverwaltungsgesellschaft. Aus den erzielten jährlichen Brutto-Erträgen bildet die … Group Rücklagen („Einbehalte“), um von diesen Beträgen die in den USA anfallenden Ertragssteuern zu zahlen. Der nach Abzug der Einbehalte verbleibende Nettobetrag wird an die Anleger ausgezahlt. Diese Nettobeträge wurden auch an die Klägerin weitergeleitet.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages, der den Einbehalten für die in den USA anfallenden Ertragssteuern entspricht, da die Beklagte und nicht sie verpflichtet gewesen sei, die steuerlichen Lasten des Nießbrauchs zu tragen. Sie behauptet, seit dem 02.05.2011 hätten die Parteien ohne Unterbrechung in Bezug auf die Ansprüche miteinander in Kontakt gestanden und verhandelt. Die Verjährung sei daher gehemmt.

Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 148.065,00 EUR nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten zu verurteilen. Sie hat die Klageforderung in Höhe von 14.868,00 EUR wegen der Umrechnung von US-Dollar in Euro zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen,

1.  an sie einen Betrag in Höhe von 133.197,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2019 zu zahlen;

2.  an sie einen Betrag in Höhe von 2.743,43 EUR vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.03.2019 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, mit der Auszahlung der Nettobeträge sei das Vermächtnis erfüllt. Im Fall eines Vermächtnisnießbrauchs erfolge die vertragssteuerliche Zurechnung der Erträge auf der Ebene des Nießbrauchs. Die Beklagte erhebt außerdem die Einrede der Verjährung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 133.197,00 EUR aufgrund des Testaments vom 24.01.2010 in Verbindung mit dem ihr zustehenden Nießbrauchrecht. Es besteht kein Anspruch, der über die – unstreitig an die Klägerin weitergeleiteten – Auszahlungen der … Group in Form der nach Abzug der Einbehalte verbleibenden Nettobeträge hinausgeht. Aus dem Vermächtnis ergibt sich insbesondere kein Anspruch, der auf die Differenz zwischen den jährlichen Brutto-Erträgen der … Group und den ausgeschütteten Netto-Beträgen gerichtet ist. Nach einer entsprechenden Auslegung des Testaments des Erblassers ist die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin nicht die in den USA anfallenden Ertragssteuern zu tragen hat.

Der Inhalt eines Testaments ist nach der natürlichen Auslegungsmethode, § 133 BGB, zu ermitteln, wobei der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände heranzuziehen und zu würdigen ist (Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl. § 2084 Rn. 2). Ausschlaggebend ist der tatsächliche Wille des Erblassers, wobei dem Testamentstext entscheidende Bedeutung zukommt. Im vorliegenden Fall soll nach dem Wortlaut des Testaments der Nießbrauch „an sämtlichen periodischen Ausschüttungen aus diesen Beteiligungen in voller Höhe“ bestehen. Bereits der Verweis auf „Ausschüttungen“ deutet darauf hin, dass der Anspruch in der Höhe gegeben sein soll, die den tatsächlich erfolgten Netto-Zahlungen entspricht. Weiter heißt es im Testament, der Nießbrauch solle auch die „US Steuerrückerstattungen“ umfassen. Dies spricht gegen die Annahme, dass der Nießbrauch sich auf die Brutto-Beträge beziehen soll. Würden der Klägerin die von der … Group ausgeschütteten Zahlungen zuzüglich der von ihr nicht selber gezahlten Steuerabgaben in den USA erstattet, würde sie für die gleichen Steuerforderungen teilweise doppelte Zahlungen erhalten, wenn es auch noch zur Zahlung von Steuerrückerstattungen käme. Ausreichende Anhaltspunkte für den Willen des Erblassers, die Beklagte mit dem Vermächtnis über die Erträge aus den Unternehmensbeteiligungen hinaus zu belasten, sind nicht vorhanden. Dem Beweisangebot der Klägerin durch Vernehmung des Zeugen E als Testamentsvollstrecker war nicht mehr nachzugehen. Die Klägerin hat insoweit behauptet, der Erblasser habe gegenüber dem Zeugen, seinem langjährigen Vertrauten, erklärt, dass Bruttobeträge als Vermächtnis gezahlt werden sollten. Für den Fall, dass der Zeuge diese Behauptung bestätigen würde, wäre aber nicht von einem anderen als dem oben dargestellten Ergebnis auszugehen. Zwar können bei der Testamentsauslegung grundsätzlich auch außerhalb des Dokuments liegende Umstände Berücksichtigung finden. Einen solchen Umstand stellt auch ein mögliches Gespräche zwischen dem Zeugen und dem Erblasser dar. Letztlich hängt die Verwertbarkeit solcher äußeren Umstände aber davon ab, ob sie im Testament eine Entsprechung bzw. eine Andeutung finden (Andeutungstheorie; Palandt/Weidlich, BGB, 78. Aufl. § 2084 Rn. 4). Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, sind solche Andeutungen aber nicht vorhanden. Im Gegenteil, die dargestellte Erklärung zu US-Steuerrückerstattungen spricht sogar gegen einen solchen Willen des Erblassers.

Mangels Hauptforderung stehen der Klägerin auch keine Ansprüche auf Zinszahlungen oder auf eine Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 ZPO.

Streitwert:

Bis zum 25.08.2019:  148.065,00 EUR

Ab dem 26.08.2019:  133.197,00 EUR (Teil-Klagerücknahme)

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