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Testamentsauslegung – Nacherbeneinsetzung beschränkt auf ein Hausgrundstück

Erbrechtliche Auseinandersetzung – Gericht präzisiert Reichweite einer Nacherbeneinsetzung

Im Erbrecht spielt die korrekte Interpretation eines Testaments eine zentrale Rolle, um den Willen des Erblassers nach seinem Ableben umzusetzen. Ein häufiger Streitpunkt ist die Testamentsauslegung, besonders wenn es um die Bestimmung von Vor- und Nacherben geht. Dies betrifft insbesondere die Frage, wie ein Vermögensgegenstand, oft ein Hausgrundstück, innerhalb der Erbfolge behandelt wird. Der Kern dieser Problematik liegt in der oft komplexen Situation, dass der Erblasser seinen Nachlass unter verschiedenen Erben aufteilen möchte, wobei manche Erbteile sofort und andere erst zu einem späteren Zeitpunkt – nach dem Versterben des Vorerben – übergehen sollen.

Hierbei kann die Ausstellung eines Erbscheins, der die Erben offiziell ausweist, zu Unklarheiten und rechtlichen Herausforderungen führen, falls dieser nicht eindeutig den testamentarischen Verfügungen entspricht. Dabei ist es essentiell, die zugrundeliegende Rechtslage und die Intention des Erblassers zu verstehen, um den Gesamtnachlass gemäß seinem Willen zu verteilen. Nicht selten müssen Gerichte in solchen Fällen entscheiden, ob und wie eine Nacherbeneinsetzung zu handhaben ist, insbesondere wenn es um die Verwaltung und den Erhalt von Vermögenswerten geht.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-15 W 138/15 >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Oberlandesgericht Hamm hat entschieden, dass ein Erbschein, der abweichend vom Antrag eines Beteiligten erteilt wurde, einzuziehen ist, was die Bedeutung der genauen Beachtung des Testamentswillens und die korrekte Auslegung testamentarischer Verfügungen unterstreicht.

Zentrale Punkte aus dem Urteil:

  1. Der Erbschein wurde vom Amtsgericht zu Unrecht ausgestellt, da er den Antragsteller G als Alleinerben auswies, obwohl er die Erbschaft gemeinsam mit seiner vorverstorbenen Ehefrau I1 antreten wollte.
  2. Das Testament der Erblasserin sah eine Nacherbeneinsetzung für ein Hausgrundstück vor, was bedeutet, dass erst nach dem Tod des letzten Vorerben der Nacherbe U das Grundstück erben sollte.
  3. Die Beschwerde des Schwiegersohns der Erblasserin war berechtigt, da das Amtsgericht den Erbschein nicht gemäß dem eindeutig geäußerten Willen des Antragstellers ausgestellt hatte.
  4. Das Gericht unterstrich, dass es nicht zulässig ist, einen Erbschein ohne Antrag oder mit einem anderen Inhalt als beantragt zu erteilen, und betonte die Verpflichtung, dem Antragsteller eine Änderung seines Antrags zu ermöglichen.
  5. Die Testamentsauslegung muss sich immer am Willen der Erblasserin orientieren, wobei im vorliegenden Fall eine Beschränkung der Erbeneinsetzung auf das Hausgrundstück vorlag.
  6. Es wurden keine Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren erhoben, und es gab keine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten, da nur der Antragsteller am Verfahren beteiligt war.
  7. Das OLG Hamm gab Hinweise zur möglichen rechtlichen Einordnung der testamentarischen Verfügungen, ohne eine bindende Entscheidung zu treffen.
  8. Es bleibt abzuwarten, ob das Amtsgericht dem Antragsteller und dem Neffen weitere Gelegenheit zum Vorbringen geben wird, um eine finale Entscheidung über den gemeinschaftlichen Erbschein zu treffen.

Interpretation des letzten Willens: Die Bedeutung der Testamentsauslegung

Im Zentrum des vorliegenden Rechtsstreits steht die Auslegung eines Testamentes und die damit verbundene Nacherbeneinsetzung, die vom Oberlandesgericht Hamm unter dem Aktenzeichen I-15 W 138/15 behandelt wurde. Konkret geht es um die Frage, wer als Erbe eines Hausgrundstücks und des Privatvermögens der im Jahr 2014 verstorbenen Erblasserin eingesetzt wurde. Die Erblasserin hatte in ihrem privatschriftlichen Testament ihre Tochter und ihren Schwiegersohn als gemeinsame alleinige Erben benannt. Zudem wurde festgelegt, dass nach dem Tod des zuletzt Versterbenden der beiden der Neffe der Erblasserin das Hausgrundstück erben sollte.

Der Streit um den Erbschein: Rechtliche Auseinandersetzungen im Erbfall

Die rechtliche Auseinandersetzung nahm ihren Anfang, als der Schwiegersohn der Erblasserin einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragte. Das Amtsgericht erteilte jedoch einen Erbschein, der ihn als Alleinerben auswies und eine Vor- und Nacherbschaft für das besagte Hausgrundstück feststellte. Hiergegen legte der Schwiegersohn Beschwerde ein, mit dem Argument, er und die vorverstorbene Tochter seien je zur Hälfte Erben geworden, was das Amtsgericht jedoch mit der Begründung ablehnte, dass die vorverstorbene Tochter nicht Erbin werden konnte.

Rechtliche Herausforderungen: Die Komplexität der Nacherbfolge

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Interpretation des Testamentes und der korrekten Anwendung erbrechtlicher Normen. Insbesondere musste geklärt werden, ob eine gegenständlich beschränkte Nacherbfolge für das Hausgrundstück möglich ist oder ob alternative Gestaltungsformen des Erbrechts wie Vermächtnisse oder Teilungsanordnungen in Frage kommen.

Urteilsfolgen: Rechtsklarheit im Erbrecht

Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass der Erbschein, der vom Nachlassgericht erteilt wurde, aufgrund der Abweichung vom ursprünglich gestellten Antrag einzuziehen sei. Das Gericht betonte, dass ein Erbschein nicht ohne Antrag oder mit einem anderen als dem beantragten Inhalt erteilt werden darf. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass das Gericht dem Antragsteller die Möglichkeit einer Antragsänderung geben muss, falls der beantragte Inhalt desErbscheins nicht erteilt werden kann.

Das Gericht stellte weiterhin fest, dass die Erblasserin die Nacherbeneinsetzung des Neffen lediglich auf das Hausgrundstück beschränkt hatte, ohne Anzeichen dafür, dass sie damit den gesamten Nachlass erfassen wollte. Es wurde deutlich, dass die Tochter und der Schwiegersohn hinsichtlich des sonstigen Vermögens keine Beschränkungen zuungunsten des Neffen auferlegt bekommen hatten.

Die finale rechtliche Auslegung des Testamentes hängt maßgeblich davon ab, ob die Erblasserin mit ihrer Verfügung eine Bindung der Erben an den Neffen bezüglich des Grundstücks intendiert hatte. Diesbezüglich gab das Gericht keine bindende Entscheidung, sondern wies darauf hin, dass das Amtsgericht den Beteiligten die Möglichkeit zu weiterem Vorbringen geben müsse.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten basierte auf den gesetzlichen Bestimmungen, wobei bislang keine Kosten für das Beschwerdeverfahren erhoben wurden. Da nur der Antragsteller am Verfahren beteiligt war, gab es keine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten.

Die Tragweite dieses Urteils liegt in der Präzisierung der Rechtslage hinsichtlich der Testamentsauslegung und der Nacherbeneinsetzung. Es verdeutlicht, dass bei der Erteilung von Erbscheinen streng nach dem Wortlaut und dem Willen des Erblassers vorgegangen werden muss und dass Gerichte verpflichtet sind, bei Unklarheiten dem Antragsteller eine Anpassung seines Antrages zu ermöglichen.

Das Fazit des Urteils unterstreicht die Bedeutung einer klaren und eindeutigen Testamentsgestaltung und die Notwendigkeit für Nachlassgerichte, bei der Erbscheinerteilung sorgfältig und im Sinne des Erblasserwillens zu handeln. Auch wird die Notwendigkeit hervorgehoben, dass Beteiligte im Erbfall ihre Ansprüche und Interpretationen des Testaments frühzeitig und deutlich zum Ausdruck bringen sollten, um langwierige rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was versteht man unter Testamentsauslegung im juristischen Sinne?

Die Testamentsauslegung ist ein juristischer Prozess, der angewendet wird, wenn aus dem Testament kein sicherer Schluss auf den Willen des Erblassers gezogen werden kann. Das Hauptziel der Testamentsauslegung ist es, den Willen des Erblassers zu ermitteln, der sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut oder der Wortbedeutung des Testaments ergibt.

Gemäß § 133 BGB, der auch bei der Testamentsauslegung Anwendung findet, kommt es bei der Auslegung von Willenserklärungen entscheidend auf den wirklichen Willen des Erblassers und nicht auf den buchstäblichen Sinn des Ausdrucks an. Dabei ist es unerheblich, wie die Verkehrsanschauung oder ein gedachter objektiver Empfänger in der Situation das Testament interpretieren würde.

Neben dem Wortlaut können auch durch Zeugen belegbare mündliche Äußerungen des Erblassers sowie außerhalb der Testamentsurkunde liegende Schriftstücke (z. B.: Briefe, Testamentsentwürfe und sogar nichtige oder widerrufene Testamente) oder persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse betreffende Umstände im Auslegungsvorgang Berücksichtigung finden.

Es gibt zwei gesetzliche Rechtsgrundlagen für die Auslegung eines Testaments: die Auslegung der Willenserklärung gemäß § 133 BGB und die besonderen erbrechtlichen Auslegungsregeln §§ 2066 ff., 2084 BGB. Bei der Auslegung des Testaments gemäß § 133 BGB muss der Wille des Erblassers im Vordergrund stehen. Zunächst orientiert sich die Auslegung am Wortlaut des Testaments und prüft, ob der Wille des Erblassers im Einklang mit dem Testierten steht.

Die erbrechtlichen Auslegungsregeln gemäß §§ 2066-2076, 2084 BGB kommen zur Anwendung, wenn die Auslegung nach § 133 BGB nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Hierbei kann es vorkommen, dass der aus Umständen außerhalb des Testaments ermittelte Wille in dem Testament einen – wenn auch unvollkommenen – Ausdruck finden muss.

Es ist zu betonen, dass die Testamentsauslegung ein komplexer Prozess ist, der juristisches Fachwissen erfordert. Daher kann es ratsam sein, bei Unklarheiten oder Konflikten einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen.

Inwiefern sind Vor- und Nacherbschaft im Erbrecht geregelt?

Die Vor- und Nacherbschaft ist eine spezielle Form der Erbeinsetzung, die es dem Erblasser ermöglicht, die Verteilung seines Vermögens über seinen Tod hinaus zu steuern. Dabei wird eine Person als Vorerbe eingesetzt, die die Erbschaft für einen bestimmten Zeitraum nutzen kann. Der Nacherbe wird erst dann Erbe des Erblassers, wenn die Vorerbschaft endet, in der Regel mit dem Tod des Vorerben. Die Nacherben erben also nicht vom Vorerben, sondern direkt vom Erblasser.

Der Vorerbe darf die Erbschaft nutzen, ist jedoch in seiner Verfügungsmacht beschränkt, um sicherzustellen, dass für den Nacherben noch etwas übrig bleibt. So darf der Vorerbe beispielsweise keine Verfügungen treffen, die zu einer einseitigen Verminderung des Nachlasses führen. Verkauft oder belastet der Vorerbe Grundstücke oder verschenkt er Nachlassvermögen, sind diese Verfügungen unwirksam, wenn der Nacherbe dadurch einen Nachteil hat. Der Vorerbe muss den Nachlass ordnungsgemäß verwalten und trägt auch die gewöhnlichen Erhaltungskosten.

Zum Schutz der Nacherben ist der Vorerbe verpflichtet, auf Wunsch des Nacherben ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Darüber hinaus besteht eine Rechenschaftspflicht des Vorerben, wenn der begründete und vom Nacherben zu beweisende Verdacht besteht, dass der Vorerbe durch seine Verwaltung die Rechte des Nacherben erheblich verletzt.

Die Vor- und Nacherbschaft kann nur durch eine ausdrückliche Anordnung im Testament oder Erbvertrag entstehen und findet sich häufig in Ehegattentestamenten. Mit der Vor- und Nacherbschaft sollen dann einerseits die wirtschaftliche Versorgung des Ehegatten und andererseits die Weitergabe der Substanz an die Kinder (oder andere Nacherben) gesichert werden.

Steuerlich gesehen, werden die Nacherben bei der Erbschaftsteuer als Erben des Vorerben angesehen. Das führt dazu, dass der Nachlass grundsätzlich zweimal zu versteuern ist. In vielen Konstellationen der Vor- und Nacherbschaft fällt den Nacherben nicht nur der Nachlass des Erblassers sondern auch der des Vorerben zu. Diese beiden Vermögensanfälle sind steuerlich getrennt zu betrachten.

Es gibt auch die Möglichkeit einer befreiten Vorerbschaft, bei der der Erblasser den Vorerben von bestimmten oder allen Beschränkungen mit Ausnahme der unentgeltlichen Verfügungen befreien kann.

Alternativen zur Vor- und Nacherbschaft sind die Einsetzung der Erben unter aufschiebender oder auflösender Bedingung (§§ 2074, 2075 BGB) oder die Belastung des Vorerben mit einem Nießbrauch.


Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-15 W 138/15 – Beschluss vom 11.05.2015

Der Erbschein vom 05.03.2015 wird eingezogen.

Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erheben.

Gründe

I.

Die am …2014 verstorbene Erblasserin war verheiratet mit F L, der am …1993 vorverstorben war. Aus ihrer Ehe ist die Tochter I1 hervorgegangen, die am …2014 nachverstorben ist. Der Beteiligte ist der Ehemann der Tochter, also der Schwiegersohn der Erblasserin. Am 01.02.2004 errichtete die Erblasserin ein privatschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament, das folgende letztwillige Verfügungen enthält:

„Im Falle meines Todes sollen meine Tochter I1 G … und mein Schwiegersohn G … die gemeinsamen alleinigen Erben meines Hauses und Grundstückes in … I … sowie meines gesamten Privatvermögens sein.

Nach dem Tode des Letztversterbenden der beiden Vorgenannten bestimme ich hiermit, dass mein Neffe U … der alleinige Erbe des Hauses und Grundstückes B .. sein soll.“

Der Beteiligte beantragte am 03.12.2014 zur Niederschrift des Notars L (UR-Nr. …/2014) die Erteilung eines „gemeinschaftlichen Erbscheins“.

Mit Beschluss vom 05.03.2015 hat das Amtsgericht „die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet“ und noch am selben Tag einen Erbschein erteilt, mit folgendem Inhalt:

„Alleinerbe der am … verstorbenen L … ist:

G, geboren am …, wohnhaft: …

Hinsichtlich des Hausgrundstücks B .. in … I ist Vor- und Nacherbschaft angeordnet.

Vorerbe ist G …

Nacherbe ist U …“

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 09.03.2015, mit der er beantragt, dass die Erblasserin von ihrer Tochter und ihm zu je ½ Anteil beerbt worden ist. Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab mit der Begründung, dass die Tochter der Erblasserin diese nicht beerbt haben könne, weil sie vor der Erblasserin verstorben sei.

II.

Da der Erbschein bereits erteilt ist, ist die Beschwerde nur noch mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins zulässig, § 352 Abs. 3 FamFG.

Die Beschwerde ist auch begründet, und zwar schon deshalb, weil das Nachlassgericht einen Erbschein abweichend vom Antrag des Beteiligten erteilt hat. Das Nachlassgericht darf keinen Erbschein ohne Antrag oder mit einem anderen als dem beantragten Inhalt erteilen (BayObLGZ 1965, 457/464; NJW-RR 2003, 297 = FamRZ 2003, 85; OLG Köln FGPrax 2010, 89; Keidel/Zimmermann, 18. Aufl. § 352 Rn. 106, 133). Das Gericht muss allerdings dem Antragsteller, wenn der Erbschein mit dem beantragten Inhalt nicht erteilt werden kann, unter Hinweis auf die Rechtslage Gelegenheit zu einer Änderung des Antrags geben, wenn ein solcher nach Sachlage in Betracht kommt. Diese Pflicht des Gerichts ergibt sich aus § 28 FamFG.

Zwar ist der Erbscheinsantrag in der notariellen Verhandlung vom 03.12.2014 nicht mit abschließender Deutlichkeit formuliert worden. Aus dem Zusammenhang der Begründung wird aber jedenfalls hinreichend klar, dass die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beantragt werden sollte, in dem der Antragsteller sowie seine nachverstorbene Ehefrau auf der Grundlage des Testaments vom 01.02.2004 als Miterben (der Sache nach zu Quoten von jeweils ½) ausgewiesen werden sollte. Einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist, hat der Beteiligte zu keinem Zeitpunkt beantragt. Der Senat kann nicht verstehen, warum das Amtsgericht der Beschwerde des Beteiligten, in der dieser Punkt ausdrücklich gerügt wird, nicht selbst abgeholfen hat (§ 68 Abs. 1 FamFG).

Der Senat musste deshalb anstelle des Amtsgerichts die Einziehung des erteilten Erbscheins gem. § 2361 BGB anordnen. Demgegenüber kann der Senat über den Antrag des Beteiligten auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, dessen Inhalt er mit seiner Beschwerde lediglich klargestellt hat, sachlich nicht entscheiden. Denn über diesen Antrag hat das Amtsgericht selbst noch keine Sachentscheidung getroffen, die als Verfahrensgegenstand dem Beschwerdegericht zur sachlichen Überprüfung anfallen könnte.

Der Senat beschränkt sich deshalb insoweit auf folgende nicht bindende Hinweise:

III.

Die Erblasserin hat in ihrem privatschriftlichen Testament vom 01.02.2004 die Zuwendung an den Neffen X gegenständlich auf das dort genannte Grundstück beschränkt. Nach dem gegenwärtigen Sachstand spricht nichts dafür, dass sie mit dieser Formulierung den gesamten Nachlass erfassen wollte, zumal sie in dem vorangehenden Absatz als Gegenstand der Erbeinsetzung des Beteiligten und seiner Ehefrau neben dem genannten Grundstück ausdrücklich auch ihr „gesamtes Privatvermögen“ erwähnt hat. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Tochter und der Schwiegersohn hinsichtlich des sonstigen Vermögens, bspw. also Barvermögens, Beschränkungen zugunsten des Neffen unterliegen, insbesondere also bei Annahme einer den Gesamtnachlass erfassenden Nacherbfolge diese Vermögenswerte nicht für sich sollten verbrauchen dürfen, sondern sich auf die Nutzung von Erträgen sollten beschränkten müssen (vgl. § 2111 Abs. 1 S. 1 BGB), sind derzeit nicht erkennbar.

Für die Auslegung der Verfügung der Erblasserin stellt sich auf dieser Grundlage die Frage, wie die von ihr gegenständlich gedachte Zuwendung an den Neffen im Rahmen der möglichen erbrechtlichen Gestaltungsformen zu erfassen ist. Insoweit kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:

1) Denkbar ist die Anordnung einer Nacherbfolge. Dabei scheidet allerdings – wie die Beschwerde zu Recht hervorhebt – eine gegenständlich beschränkte Nacherbfolge in das Grundstück wegen des Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge aus. Die Voraussetzungen der davon allein anerkannten Ausnahme der dinglichen Wirkung (§ 2110 Abs. 2 BGB) des dem alleinigen Vorerben zugewandten Vorausvermächtnisses (BGH NJW 1960, 959), liegen hier nicht vor. Möglich wäre indessen eine Beschränkung der Nacherbfolge jeweils auf einen Bruchteil der Erbeinsetzung des Beteiligten und seiner Ehefrau. Auch bei einem und demselben Erben ist die Aufteilung des Nachlasses in Bruchteile in der Weise möglich, dass teilweise Vor- und Nacherbschaft, teilweise Vollerbschaft angeordnet ist (vgl. BayObLG NJW-RR 2003, 297 m.w.N.). Die Bestimmung der Bruchteile könnte dann an dem Wertverhältnis der Vermögenswerte orientiert werden, die dem Beteiligten bzw. seiner Ehefrau einerseits als Vorerben, andererseits als Vollerben zugedacht sind. Da der Neffe das Grundstück erst mit dem Tode des letztversterbenden Ehegatten erhalten soll, wäre für die Vorerbschaft des erstversterbenden Ehegatten zusätzlich die Annahme einer ersten Nacherbschaft durch den überlebenden Ehegatten erforderlich, die mit dessen Tod durch eine zweite Nacherbschaft des Neffen abgelöst wird. Die Annahme einer so gestalteten, teilweise gestaffelten Nacherbfolge hätte zur Folge, dass der Beteiligte als (Bruchteils-) Vorerbe hinsichtlich der Verfügung über das genannte Grundstück den Beschränkungen des § 2113 BGB unterläge, die durch Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch gem. § 51 GBO gesichert werden müssten.

2) Alternativ kommt in Betracht, dass die Erblasserin ihre Tochter und ihren Ehemann als Vollerben hat einsetzen und ihrem Neffen die Rechtsstellung eines Vermächtnisnehmers hat zuwenden wollen, dem nach dem Tode des letztversterbenden Vollerben lediglich ein Anspruch auf Übertragung des Grundstücks zusteht (§ 2174 BGB). Es würde sich dann um ein auf den Tod des letztversterbenden Erben befristetes Vermächtnis im Sinne des § 2177 BGB handeln, das jedoch nicht zu Verfügungsbeschränkungen zu Lasten der Erben führt.

Für die abschließende Auslegung wird deshalb maßgeblich sein, ob die Erblasserin den Beteiligten und seine Ehefrau in der Verfügung über das genannte Grundstück zugunsten des Neffen binden wollte. Für diese Beurteilung können die persönlichen Verhältnisse der Beteiligten zu der Erblasserin von Bedeutung sein, zu denen bislang nichts vorgetragen ist. Das Amtsgericht wird deshalb dem Beteiligten Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen, ebenso dem Neffen X U Gelegenheit geben müssen, unter diesen Gesichtspunkten erneut zu entscheiden, ob er seine Zuziehung zum Verfahren beantragen (§ 345 Abs. 1 S. 3 FamFG) und zu der Entscheidung mit eigenem Vorbringen beitragen will.

Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 21 Abs. 1 S. 1 GNotKG. Da bislang nur der Antragsteller am Verfahren beteiligt ist, kommt eine Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht in Betracht.

 

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