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Testamentsauslegung und Testamentsvollstreckungsanordnung durch den Erblasser

AG Velbert, Az.: 9 VI 428/12, Beschluss vom 12.04.2017

Der Antrag der Antragstellerin, eine geeignete Person zum Testamentsvollstrecker zu bestellen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Hinsichtlich des zugrundeliegenden Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die ausführliche Darstellung unter I. des Beschlusses vom 08./11.07.2016 verwiesen.

Nach Rechtskraft dieses Beschluss, mit dem der Beteiligte zu 2) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers entlassen wurde, hat die Antragstellerin an ihrer Auffassung und ihrem diesbezüglichen weitergehenden Antrag festgehalten, dass vom Gericht nunmehr ein neuer Testamentsvollstrecker zu berufen sei. Das Testament vom 25.12.2010 beinhalte ein stillschweigendes Ersuchen des Erblassers i.S.d. § 2200 BGB. Die Ernennung eines neuen Testamentsvollstreckers sei zudem angesichts der zwischen den Erben untereinander bestehenden Streitigkeiten sowie des Rechtsstreits zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten erforderlich.

Die Antragstellerin beantragt, eine geeignete Person zum Testamentsvollstrecker zu bestellen.

Der Beteiligte zu 2) beantragt, den Antrag auf Berufung eines neuen Testamentsvollstreckers abzulehnen.

Testamentsauslegung und Testamentsvollstreckungsanordnung durch den Erblasser
Foto: FreedomTumZ/Bigstock

Er führt aus, dass es nicht dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspreche, einen anderen als den von ihm benannten Testamentsvollstrecker zu bestellen. Insbesondere habe der Erblasser nicht gewollt, dass fremde Dritte in die Familienangelegenheiten involviert würden. Vielmehr habe er familiäre Angelegenheiten innerhalb der Familie und nicht in der Öffentlichkeit besprochen wissen wollen.

Ähnlich hat sich auch die Beteiligte zu 3) in ihrer Stellungnahme vom 26.01.2017 geäußert.

Das Gericht hat den übrigen Beteiligten mit Verfügung vom 05.01.2017 Gelegenheit gegeben, zum Antrag und den zur Begründung angeführten Argumenten der Antragstellerin Stellung zu nehmen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.

Denn es liegt kein Ersuchen des Erblassers an das Nachlassgericht vor, einen (neuen) Testamentsvollstrecker zu ernennen.

Gemäß § 2200 I BGB kann das Nachlassgericht die Ernennung eines Testamentsvollstreckers vornehmen, wenn der Erblasser in seinem Testament das Nachlassgericht ersucht hat, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen. Dabei ist anerkannt, dass das Ersuchen nicht unbedingt ausdrücklich erfolgen muss, sondern auch durch Auslegung der Verfügung von Todes wegen zu entnehmen sein kann, wobei es in diesem Fall ausreichender Anhaltspunkte für einen entsprechenden Wunsch des Erblassers bedarf (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. 2017, § 2200 Rdnr. 2). Insofern ist zu beachten, dass § 2200 I BGB keinen automatischen Auffangtatbestand bildet (vgl. Schmidt, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 2200 Rdnr. 1). Denn es ist grundsätzlich Sache des Erblassers, im Testament auch für die Fälle der Nichtannahme des Amtes oder die vorzeitige Amtsbeendigung Vorsorge zu treffen (Zimmermann, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 2200 Rdnr. 4). Dementsprechend muss sich ein Ernennungsersuchungswille des Erblassers aus der Verfügung von Todes wegen im Sinne der Andeutungstheorie entnehmen lassen (vgl. hierzu die Nachweise bei Lange, in: Beck-OK, BGB, 41. Edition, Stand 01.11.2016, § 2200 Rdnr. 3a).

Es wird verschiedentlich vertreten, dass für den Fall, dass der Erblasser einen Testamentsvollstrecker namentlich benannt hat und dieser aus dem Amt entlassen wird, bei Fehlen einer Ersatzregelung regelmäßig die Ernennung durch das Nachlassgericht gewollt sein soll (s. die Rspr.-Nachweise bei Zimmermann, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 2200 Rdnr. 4, die sich allerdings allesamt nicht zum Fall einer Entlassung aus dem Amt, sondern zu anderen Konstellationen verhalten). Maßgebliche Bedeutung kommt in diesen Fällen aber auch der Frage zu, ob für den Erblasser die Person des Ernannten im Vordergrund stand oder ob es ihm darum ging, dass im Interesse einer ordnungsgemäßen Nachlassabwicklung überhaupt ein Testamentsvollstrecker bestellt wird (BGH, Beschluss v. 24.04.2013 – IV ZB 42/12). In Fällen einer personenbezogenen Berufung ist die gerichtliche Bestellung eines Ersatztestamentsvollstreckers nicht ermessensgerecht (OLG Schleswig, Beschluss v. 18.01.2016 – 3 Wx 106/15).

Eine ausdrückliche Bestimmung eines Ersatztestamentsvollstreckers oder anderweitige Vorsorgemaßnahmen für den Fall, dass der von ihm benannte Testamentsvollstrecker aus dem Amt entlassen wird, sind vom Erblasser im Rahmen seines Testamentes vom 25.12.2010 ersichtlich nicht getroffen worden. Aber auch ein konkludentes Ersuchen des Nachlassgerichts ist unter Berücksichtigung der vorstehend aufgezeigten Grundsätze im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Ein stillschweigendes Ersuchen des Erblassers lässt sich dem Testament vom 25.12.2010 nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen. Der Erblasser hat darin wörtlich verfügt: ,,Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich meinen Enkel H3. Er ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.“. Schon die dortige Formulierung mit namentlicher Nennung des Enkelsohnes sowie die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB sprechen mehr für eine personenbezogene Berufung, da sich hier eine, insbesondere auch von der Beteiligten zu 3) bestätigte, offenbar bestehende enge Vertrauensbeziehung des Erblassers zum Beteiligten zu 2) zeigt. Einem solchen personenbezogenen Verständnis steht auch nicht der durchaus grundsätzlich plausible Einwand der Antragstellerin entgegen, der Erblasser habe das Amt des Testamentsvollstreckers von der Erbenstellung entkoppeln wollen. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Person des Testamentsvollstreckers auch schon vor der Erbausschlagung und der Geltendmachung des Pflichtteils durch die beiden Söhne des Erblassers nicht eine gänzlich unbeteiligte Person gewesen ist. Vielmehr hat der Erblasser eine Person, der ein nicht unerhebliches Vermächtnis im Testament zugewandt wurde ausgewählt. Eine Interessenkollision in der Person des Beteiligten zu 2) war damit von Anfang an möglich und dem Erblasser bewusst, ohne dass dies ihn an der von ihm getroffenen Regelung gehindert hätte. Gleichwohl hat er gerade und ausschließlich den Beteiligten zu 2) zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Trotz seiner von der Antragstellerin selbst vorgetragenen Geschäftserfahrenheit in jeder Hinsicht – danach musste ihm im Übrigen auch die Möglichkeit einer Erbausschlagung durch die beiden Söhne bekannt sein – hat er keine Ersatzanordnungen getroffen. Weder die übrigen Enkelkinder noch dritte Personen wurden von ihm auch nur andeutungsweise zur Durchsetzung seiner letztwilligen Verfügungen in Erwägung gezogen.

Selbst wenn man indes nicht zum hier vertretenen Ergebnis einer personenbezogenen Testamentsvollstreckereinsetzung gelangt, so lässt sich – aus Sicht der Antragstellerin gesehen – bestenfalls darüber spekulieren, ob nach dem allein maßgeblichen Willen des Erblassers eine personenbezogene Auswahl des Testamentsvollstreckers von ihm getroffen wurde oder ob für den Fall der Entlassung seines Enkels aus dem Amt die Ernennung eines neuen Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht von ihm gewünscht wäre. Eine Andeutung in die eine oder andere Richtung lässt sich dem Testament nämlich – wie aufgezeigt – nicht entnehmen. Es fehlt deshalb an einem hinreichend verlässlich feststellbaren Ersuchen des Erblassers, im Falle der Entlassung des Beteiligten zu 2) aus dem Amt des Testamentsvollstreckers diesen durch einen vom Nachlassgericht zu bestellenden anderen Testamentsvollstrecker zu ersetzen. Eine Ernennung eines Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht kann in diesem Fall jedoch nicht erfolgen (vgl. so schon OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.01.2012 – 3 Wx 231/11).

Auch die zuletzt von der Antragstellerin gemachten Ausführungen in deren Schriftsatz vom 20.02.2017 rechtfertigen nach Ansicht des Gerichts kein anderes Ergebnis. Sofern darin den Beteiligten zu 2) und 3) verschiedentliche Vorwürfe gemacht werden, so führt dies nicht dazu, dass selbst im Falle ihrer Berechtigung nunmehr vom Gericht ein neuer Testamentsvollstrecker zu bestellen ist. Vielmehr sind die 4 Erben in der jetzigen Situation gehalten, den Nachlass gemeinschaftlich auseinanderzusetzen und abzuwickeln. Ob dies ohne – was das Gericht allen Beteiligten nochmals nachdrücklich anrät, insbesondere auch die zeitnahe Erfüllung der Vermächtnisse zu Gunsten der Urenkelkinder – oder erst mittels gerichtlicher Hilfe im Rahmen einer Auseinandersetzungsklage geschehen wird, ist ohne Bedeutung für die hier zu entscheidende Frage. Denn auch im Falle der Ernennung eines neuen Testamentsvollstreckers ist keineswegs gesagt, dass in diesem Falle die Abwicklung unstreitig vonstatten ginge.

Sofern die Antragstellerin schließlich noch darauf abstellt, dass die Ernennung eines neuen Testamentsvollstrecker auch erforderlich sei, so ergibt sich hieraus – ungeachtet dessen, ob dies tatsächlich der Fall ist – keine andere Bewertung. Denn es ist gerade nicht ausreichend, dass die Bestellung eines Testamentsvollstreckers im konkreten Fall, z.B. wegen Zerstrittenheit der Erben, sinnvoll wäre (Zimmermann, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. 2017, § 2200 Rdnr. 4 a.E.).

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