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Testamentsauslegung – Vergütungspflicht Testamentsvollstreckervergütung

Streit um Testamentsvollstreckervergütung: Landgericht München I entscheidet über gesamtschuldnerische Haftung und Nachlassverbindlichkeiten

In einem komplexen Erbschaftsfall hat das Landgericht München I (Az.: 3 O 4493/21) am 17.08.2021 ein Endurteil gefällt, das die Frage der Testamentsvollstreckervergütung und die gesamtschuldnerische Haftung der Erben klärt. Der Kläger, der als Testamentsvollstrecker eingesetzt wurde, forderte vom Beklagten, der ebenfalls Erbe ist, eine Vergütung in Höhe von € 88.708,64. Der Nachlass, der hauptsächlich aus Kunstwerken besteht, hat einen Gesamtwert von über € 32 Millionen. Das Hauptproblem des Falles liegt in der Unklarheit, wer für die Vergütung des Testamentsvollstreckers aufkommen muss und ob der Beklagte als Erbe gesamtschuldnerisch haftet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 4493/21  >>>

Die Rolle des Testamentsvollstreckers und die Berechnung der Vergütung

Der Kläger wurde durch ein notarielles Testament als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Seine Aufgaben umfassten die Verwaltung des Nachlasses, die Erfüllung von Vermächtnissen und die Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Erben. Die Vergütung sollte sich nach den Richtlinien des Deutschen Notarvereins richten. Der Kläger berechnete seine Vergütung nach diesen Richtlinien und forderte sie vom Beklagten und einer Stiftung, die ebenfalls Erbe ist.

Gesamtschuldnerische Haftung und Erbschaftssteuer

Der Kläger argumentierte, dass der Beklagte als Erbe gesamtschuldnerisch für die Testamentsvollstreckervergütung haftet. Er stützte sich dabei auf die Auslegung des Testaments und die gesetzlichen Bestimmungen. Der Beklagte hingegen bestritt die gesamtschuldnerische Haftung und argumentierte, dass die Vergütungsansprüche des Testamentsvollstreckers nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören.

Zuständigkeit des Gerichts und Einwände des Beklagten

Der Beklagte erhob zudem den Einwand, dass das Landgericht München I örtlich unzuständig sei. Er argumentierte, dass die Regelungen des Erbschaftsgerichtsstands nicht für das Eigenhonorar des Testamentsvollstreckers gelten würden.

Das Urteil und seine Konsequenzen

Das Landgericht München I entschied zugunsten des Klägers. Der Beklagte wurde verurteilt, die geforderte Vergütung in Höhe von € 88.708,64 zuzüglich Zinsen zu zahlen und die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Dieses Urteil klärt wichtige Fragen im Bereich der Testamentsvollstreckung und könnte als Präzedenzfall für ähnliche Streitigkeiten dienen. Es betont die Bedeutung der klaren Regelung von Vergütungsansprüchen und Haftungsfragen in Testamenten, um spätere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Testamentsvollstreckervergütung  –  kurz erklärt


Die Vergütung eines Testamentsvollstreckers ist im § 2221 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Wenn der Erblasser keine speziellen Anweisungen zur Vergütung im Testament hinterlassen hat, hat der Testamentsvollstrecker Anspruch auf eine „angemessene Vergütung“. Die Höhe der Vergütung kann variieren und ist oft abhängig vom Wert des Nachlasses. Beispielsweise beträgt die Vergütung bei einem Nachlasswert bis 500.000 € in der Regel 3 % des Nachlasses, bei einem Wert bis 2.500.000 € sind es 2,5 %, und so weiter.

Die Vergütung des Testamentsvollstreckers ist eine Nachlassverbindlichkeit und wird aus dem Nachlass bezahlt. Die Erben sind in diesem Fall Gesamtschuldner. Die Auszahlung der Vergütung erfolgt in der Regel erst nach Beendigung der Testamentsvollstreckung. Es ist auch möglich, dass der Erblasser spezielle Anweisungen zur Vergütung im Testament festgelegt hat. In solchen Fällen sind diese Anweisungen bindend und setzen die allgemeinen Regelungen außer Kraft. Die Testamentsvollstreckervergütung unterliegt der Einkommensteuer. Wenn die Vergütung als unangemessen hoch angesehen wird, kann der Betrag, der über das als angemessen betrachtete Maß hinausgeht, problematisch werden.


Das vorliegende Urteil

LG München I – Az.: 3 O 4493/21 – Endurteil vom 17.08.2021

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 88.708,64 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz ab 30.11.2020 als Gesamtschuldner neben der Stiftung …, zu bezahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert für den Rechtsstreit wird festgesetzt auf € 88.708,64.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Zahlung weiterer Testamentsvollstreckervergütung.

Am … 09.2017 verstarb die Erblasserin … zuletzt wohnhaft in München. Die wesentlichen Nachlasswerte bestanden aus Kunstgegenständen, darunter Bilder des Malers Max Beckmann. Der Gesamtwert des Nachlasses beträgt € 32.937.205,52 (Nachlassverzeichnis Stand 11.02.2020, so Anlage B1).

Die Erblasserin hatte unter dem 30.08.2011 ein notarielles Testament errichtet (K1), wobei bei der Testamentserrichtung der Kläger ausweislich der notariellen Testamentsurkunde anwesend war.

Zur Erbeinsetzung verfügte die Erblasserin unter Ziffer II., zu ihren ausschließlichen Erben die „Staatlichen Museen … zu ¾-Anteilen und den „…“, also den Beklagten, zu ¼-Anteil einzusetzen. Unter Ziffer III. des Testaments verfügte die Erblasserin zahlreiche Vermächtnisse. Als nicht auszugleichende Vorausvermächtnisse verfügte sie zu Gunsten der Staatlichen Museen…, dass dieser bestimmte Bilder, Zeichnungen und Grafiken von Max Beckmann und Hans Purrmann erhalten solle (III.1.a)), der Beklagte das Bild die „Dame mit grauem Capuchon“ von Max Beckmann. Dieses Bild von Max Beckmann wurde mit € 4.750.000,00 bewertet, die Vermögenswerte zu Gunsten der Staatlichen Museen … mit € 21.879.000,00.

In Ziffer V. des Testaments ordnete die Erblasserin Testamentsvollstreckung an, wobei sie als Aufgabe des Testamentsvollstreckers bezeichnete, den Nachlass in Besitz zu nehmen, die angeordneten Vermächtnisse zu erfüllen, die Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Erben durchzuführen, den Nachlass bis zur Verteilung zu verwalten sowie die Vollziehung der angeordneten Auflagen als Dauertestamentsvollstrecker zu überwachen. Zu den Kosten der Vermächtniserfüllung verfügte sie unter III.5.: „Etwaige Kosten der Vermächtniserfüllung trägt der jeweilige Vermächtnisnehmer, ebenso eine etwaige auf das betreffende Vermächtnis anfallende Erbschaftssteuer.“

Als Testamentsvollstrecker benannte sie den Beklagten, der sein Testamentsvollstreckeramt angenommen hat. Hinsichtlich der Vergütung des Testamentsvollstreckers verfügte sie:

„Der Testamentsvollstrecker erhält neben dem Ersatz seiner Aufwendungen einschließlich der Kosten für eine Haftpflichtversicherung eine Vergütung, deren Höhe sich nach den zum Zeitpunkt des Erbfalls gültigen Richtlinien des Deutschen Notarvereins bemisst. Die auf seine Vergütung etwa anfallende Umsatzsteuer kann er zusätzlich verlangen.

Im Übrigen gelten für die Testamentsvollstreckung die gesetzlichen Bestimmungen.“

Der Nachlass ist zwischenzeitlich abgewickelt. Offen ist die hier streitgegenständliche Forderung auf Testamentsvollstreckervergütung. Hierzu gab es Korrespondenz der Parteien sowie eine Besprechung vom 11.07.2020.

So übersandte der Kläger dem Beklagten unter dem 25.02.2020 (K3) ein Schreiben, in welchem er eine vorläufige Abrechnung der Testamentsvollstreckung nach den Richtlinien des Deutschen Notarvereins unter Maßgabe eines vorläufigen Nachlasswerts mit € 32.937.205,52 in einer Gesamtsumme von € 536.558,08 berechnet. Die Berechnung nahm er unter der Fortentwicklung der sogenannten „Rheinischen Tabelle“ vor.

Am 11.07.2020 kam es in den Räumen der Stiftung … zu einer Besprechung zwischen dem Kläger, Herr … von der Stiftung … sowie Herrn … seitens des Beklagten, dessen Verlauf und Ergebnis zwischen den Parteien strittig ist.

Der Kläger hat unter dem 03.08.2020 an die Herren … und … einen Vertragsentwurf versandt, von dem er behauptet, dass er das Ergebnis der Besprechung sei (K5). Dem Vertragsentwurf ist hinsichtlich der Testamentsvollstreckervergütung eine Kostenrechnung der streitgegenständlichen Höhe beigefügt. Die Stiftung … hat ihre Zustimmung unter dem 15.08.2020 zu dem Vertragsentwurf erteilt, Herr … teilte seitens des Beklagten unter dem 18.08.2020 (K6) die korrekte Bezeichnung des Beklagten sowie die Vertretungssituation mit. Weiter teilte er mit: „Zur Unterschrift des Vertrages müssten dann auch die Anlage 3 in unterschriebener Form und die Ihre Rechnung vorliegen.“

Unter dem 19.08.2020 (K7) übersandte der Kläger sodann an die Stiftung … sowie den Beklagten den angepassten Vertragstext sowie seine Kostennote vom 19.08.2020 in der Aufteilung ¾ / ¼. Die Kostennote enthält eine Gesamtsumme des Nettohonorars von € 536.558,08 sowie eine Auslagenpauschale von € 15.000,00, somit eine Gesamtnettosumme von € 551.558,00. Die Aufteilung bemisst sich brutto auf den Beklagten in Höhe von insgesamt € 159.951,82, hinsichtlich der Stiftung … in Höhe von € 468.255,46. Die Zahlung der Stiftung … ist geleistet, der Beklagte leistete eine Zahlung in Höhe von € 71.243,18. Streitgegenständlich dieser Klage ist der restliche Betrag in Höhe von € 88.708,64.

Aus Sicht des Klägers ist die Klage vor dem zuständigen Landgericht München I begründet.

Der Beklagte schulde dem Kläger die verbleibende Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von € 88.708,64 als Gesamtschuldner neben der Stiftung …. Die Schuldnereigenschaft des Beklagten ergebe sich aus einer Erbenstellung. Dies gelte insbesondere auch dann, wenn der Testamentsvollstrecker – wie hier zahlreich – Vermächtnisse zu erfüllen habe. Eine Mithaftung von Vermächtnisnehmern für die Testamentsvollstreckervergütung komme vorliegend nicht in Betracht. Soweit die Erblasserin in Ziffer V. Absatz 3 des notariellen Testaments verfügt habe, dass etwaige Kosten der Vermächtniserfüllung der jeweilige Vermächtnisnehmer trägt, ändere dies nichts an der gesamtschuldnerischen Haftung der Erben für die Testamentsvollstreckervergütung. Diese Regelung meine spezifische Erfüllungskosten von Vermächtnissen, wie beispielsweise Transport- und Lagerkosten der zugewandten Gegenstände. Im Übrigen sei die Testamentsvollstreckervergütung zutreffend, nachdem zum Zeitpunkt des Erbfalls gültigen Richtlinien des Deutschen Notarvereins berechnet. Die Schuldnereigenschaft des Beklagten ergebe sich zudem aus der Auslegung des Testaments.

Der Kläger beantragt daher zuletzt, die Beklagte zu verteilen, an den Kläger € 88.708,64 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten p.a. über dem Basiszinssatz ab 30.11.2020 als Gesamtschuldner neben der Stiftung …, zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das angerufene Gericht in München sei örtlich unzuständig, da die Regelungen des Erbschaftsgerichtsstands nicht für das Eigenhonorar des Testamentsvollstreckers gelten würden. Vergütungsansprüche des Testamentsvollstreckers gehörten nicht zu den Nachlassverbindlichkeiten.

Hinsichtlich der Testamentsvollstreckervergütung würden Erben untereinander unter Einschluss der Vermächtnisnehmer quotal der von ihnen jeweils erhaltenen Werte für die Testamentsvollstreckervergütung haften. Eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten bestehe nicht. Eine Auslegung des Testaments ergebe, dass Erben und Vorausvermächtnisnehmer die Kunstwerke „unbelastet“ erhalten sollten. Struktur des notariellen Testaments sei es, dass eine Übernahme der Kosten des Testamentsvollstreckers wie auch alle durch die letztwilligen Verfügungen ausgelösten Zahlungsverpflichtungen durch den Nachlass gedeckt werden. Erbfallschulden seien aus ihrem Vermögen zu tilgen gewesen. Die als Erben eingesetzten gemeinnützigen Einrichtungen sollten keine eigenen Mittel zur Deckung von Nachlassverbindlichkeiten aufbringen müssen. Für den Beklagten habe sich im Bereich des Nachlasses ergeben, dass er das alleinige Eigentum an dem Werk von Max Beckmann „Dame mit grauem Capuchon“ erhält, wobei der Beklagte darüber hinaus keinen Anteil am Nachlas erhalten hat.

Im Übrigen sei die Höhe des Testamentsvollstreckerentgelts falsch berechnet. Bei einem Bruttonachlass in Höhe von € 32.937.205,52 ergäben sich Vollstreckergebühren in Höhe von 1,5%, also in Höhe von 494.058,08. Der Kläger habe unrichtig hohe Prozentsätze berechnet. Außerdem habe er eine Auslagenpauschale in Höhe von 15.000,00 € ohne jeden Nachweis unzulässig berechnet.

Betreffend die Besprechung vom 11.07.2020 trägt der Beklagte vor, Herr … sei zu keinem Zeitpunkt zeichnungsbefugt gewesen und habe auch nicht diesen Eindruck erweckt.

Letztlich habe Herr … bei der Besprechung vom 11.07.2020 ausschließlich sein Einverständnis mit der Aufteilung der Nachlassgegenstände erklärt. Der Vertragsentwurf des Klägers nach der Besprechung vom 11.07.2020 sei bewusst vom Beklagten nicht unterzeichnet worden. Insoweit teilte der Beklagte unter dem 29.09.2020 dem Kläger unter Darlegung von Rechtsauffassungen mit, dass er nur bereit sei, einen Gebührenanteil des Testamentsvollstreckers in Höhe von € 71.243,18 zu zahlen (B4).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2021 (Bl. 24/26 d.A.) Bezug genommen.

Die Klagepartei erklärte Abstandnahme vom Urkundsverfahren (Bl. 25).

Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss der Kammer vom 11.05.2021 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage erweist sich als begründet.

Die Zuständigkeit des Landgerichts München I folgt aus §§ 27, 28 ZPO. §§ 27, 28 ZPO privilegieren den Gerichtsstand des Erblassers.

Eine Zuständigkeit des allgemeinen Gerichtsstands des Erblassers besteht insbesondere für Ansprüche aus Rechtsgeschäften des Testamentsvollstreckers oder Nachlasspflegers sowie für allgemeine Ansprüche (Verbindlichkeiten), die auf eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses zurückgehen (vgl. Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 28, Rdzi. 2). Bei vorliegend angeordneter Testamentsvollstreckung ist der Anspruch auf Testamentsvollstreckervergütung, welcher im Testament definiert war, ein Anspruch, der auf eine ordnungsgemäße Verwaltung des Nachlasses zurückgeht.

Letztendlich wirkt die derart testamentarisch angeordnete Testamentsvollstreckervergütung wie eine Nachlassschuld, da der Testamentsvollstrecker grundsätzlich die von ihm für angemessen erachtete Vergütung dem Nachlass selbst entnehmen könnte (vgl. Palandt, BGB 2021, § 2221, Rdzi. 14). Im Übrigen haften mehrere Erben für derartige Nachlassverbindlichkeiten im Sinne von § 1967 grundsätzlich gesamtschuldnerisch (vgl. Erman, BGB 2020, § 2221, Rdzi. 2; Palandt, BGB 2021, § 1667, Rdzi. 7 „Rechtshandlungen von Nachlasspfleger, Nachlassverwalter oder des Testamentsvollstreckers sowie deren Gebühren und Vergütungen“).

Damit ist jedenfalls die Voraussetzung von § 28 Alt. 2 ZPO gegeben.

I. Anspruch auf Testamentsvollstreckervergütung dem Grunde nach

Gemäß § 2221 BGB kann der Testamentsvollstrecker für die Führung seines Amts eine angemessene Vergütung verlangen, sofern nicht der Erblasser ein anderes bestimmt hat. Vorliegend hat die Erblasserin ausdrücklich eine Vergütung testamentarisch bestimmt. Damit war der Kläger berechtigt, eine Vergütung zu verlangen.

Anspruchsgegner des Anspruchs des Klägers sind einerseits die Stiftung …, andererseits der Beklagte.

Schuldner der Vergütung sind die Erben, auch wenn der Testamentsvollstrecker Vermächtnisse zu erfüllen hat. Im speziellen Fall der Vermächtnisvollstreckung gemäß § 2223 BGB hingegen kann den Vermächtnisnehmer anteilig die Vergütungspflicht treffen, wenn der Testamentsvollstrecker auch zu dem Zweck ernannt ist, dass dieser für die Ausführung der einem Vermächtnisnehmer auferlegten Beschwerungen sorgt. vorliegend ist das Testament nicht von auferlegten Beschwerungen gekennzeichnet, sondern von zahlreichen Vermächtniszuwendungen. Einen Vermächtnisnehmer kann nach dem vermuteten Willen des Erblassers auch anteilig dann die Vergütungspflicht treffen, wenn dem Erben nur ein Bruchteil des Nachlasses zugewandt und das Vermächtnis im Vergleich zum Rest des Nachlasses, der dem Erben verbleibt, unverhältnismäßig hoch ist (vgl. Palandt, BGB 2021, § 2221, Rdzi. 12).

Von einem derartigen Verhältnis kann hier nicht ausgegangen werden. Der Nachlass der Erblasserin besteht aus zahlreichen Kunstgegenständen, deren Preisbildung erfahrungsgemäß volatil sein kann. Das dem Beklagten vorausvermachte Kunstwerk ist mit einem Wert von € 4.750.000,00 verzeichnet, wobei der Kläger ausführt, dass der wahre Wert des Gemäldes höher sein könnte. Der Nachlass der Erblasserin ist vergleichsweise atypisch. So spricht ihre konkrete Erbeinsetzung für die Staatlichen Museen … zu ¾ und dem Beklagten zu ¼ bereits dafür, dass sie in Zusammenschau mit ihrer Regelung zur Testamentsvollstreckung bereits eine gesicherte Ordnung der Testamentsvollstreckung bewerkstelligen wollte. Für eine derartige Stabilität kann nur die Vergütungspflicht der Erben sorgen, nicht eine Vergütungspflicht der hier extrem vielen Vermächtnisnehmer, die praktisch kaum organisierbar wäre. Dafür spricht weiter die sehr konkrete Erbeinsetzung zu ¾ / ¼. Weiter ist das Testament sehr detailverliebt, hätte die Erblasserin also nicht die Zahlungspflicht der Erben begründen wollen, hätte es nahe gelegen, dies testamentarisch spezieller zu regeln. Zu den Kosten der Vermächtniserfüllung hatte die Erblasserin in Ziff.  III. 5. Eine Formulierung gewählt, die eine Kostentragungspflicht der Vermächtnisnehmer für die Testamentsvollstreckervergütung bereits ihrem Wortlaut nach ausschließt. Die Formulierung betrifft „etwaige“ Kosten der Vermächtniserfüllung. Die Testamentsvollstreckervergütung ist jedoch keine „etwaige“ Position, sondern eine Position die nach dem Erblasserwillen auf jeden Fall anfällt. Mit „etwaige“ können also nur unvorhersehbare Kosten oder Kosten von Transport oder Versicherung oder ähnliche technischpraktische Kosten gemeint sein.

Daher verbleibt es dabei, dass Schuldner des Vergütungsanspruchs des Testamentsvollstreckers „stets die Erben“ sind (so Juris PK, BGB, Stand 19.02.2021, § 2221, Rdzi. 20). Hier hat die Erblasserin neben der Aufgabenbestimmung „Auseinandersetzung des Nachlasses unter den Erben“ auch Dauertestamentsvollstreckung zur Vollziehung der angeordneten Auflagen und deren Überwachung angeordnet. Auch dies spricht dafür, dass sie stabile Verhältnisse hinsichtlich der Testamentsvollstreckervergütung haben wollte. Zur Vergütung selbst hat sie detailliert angeordnet, dass der Testamentsvollstrecker, neben dem Aufwendungsersatz einschließlich der Kosten für eine Haftpflichtversicherung, eine Vergütung nach den gültigen Richtlinien des Deutschen Notarvereins erhält und zusätzlich die Umsatzsteuer verlangen kann. Weiter hat sie bestimmt, dass im Übrigen für die Testamentsvollstreckung die gesetzlichen Bestimmungen gelten.

Letzteres bedeutet, dass das Gesetz regelmäßig die Tragungspflicht der Erben (bei mehreren gesamtschuldnerisch) für die Testamentsvollstreckervergütung vorsieht. Hätte die Erblasserin hier eine Ausnahme gewollt, hätte es nur nahe gelegen, dass bei den detaillierten Bestimmungen des Testaments dies in das Testament eingefügt worden wäre, insbesondere wenn es ihr Wille gewesen wäre, die Vorausvermächtnisempfänger von durchaus sehr sehr werthaltigen Gegenständen von weiteren Kosten zu befreien. Dies gilt zumal, da die Werte der vorausgemachten Gegenstände massiv höher sind, als die Testamentsvollstreckervergütung, deren Berechnung die Erblasserin selbst vorgegeben hat nach den gültigen Richtlinien des Deutschen Notarvereins.

Hätte die Erblasserin gewollt, dass die Testamentsvollstreckervergütung aus den um Erbfallschulden reduzierten Geldvermächtnissen getilgt wird, hätte dies ebenfalls speziell testamentarisch verfügt werden müssen. Im Nachlass befanden sich Bargeld, Guthaben und Forderungen von unter 400.00,00 €. Die Gesamtsumme der Testamentsvollstreckervergütung liegt darüber. Bei der detaillierten Regelung der Geldvermächtnisse unter Ziff. III. 2. bis hin zur Bemessung von 2, 3, 10, 35 oder 40 Anteilen hat die Erblasserin ganz offenkundig tatsächlich gewollt, das die Geldvermächtnisnehmer einen Betrag tatsächlich nehmen können, der von jedenfalls gewisser Relevanz sein sollte.  Sie hat dies ganz offensichtlich nicht als „Quasi-Leerstelle“ vorgeshen.

Daher ist der Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zahlung der Testamentsvollstreckervergütung dem Grunde nach gegeben, wobei gesamtschuldnerische Haftung der beiden Erben besteht.

II. Höhe der Testamentsvollstreckervergütung -„Zum Zeitpunkt des Erbfalls gültige Richtlinien des Deutschen Notarvereins“

Zur Höhe der Vergütung hat die Erblasserin selbst Anordnungen getroffen. Demgemäß ist die angemessene Vergütung diejenige, die der Deutsche Notarverein in der zum Zeitpunkt des Erbfalls gültigen Tabelle bemessen hat. Hierzu hat der Deutsche Notarverein eine überarbeitete und den aktuellen Entwicklungen angepasste „Neue Rheinische Tabelle“ erstellt, die eine Staffelung der Testamentsvollstreckervergütung nach Nachlasswert beinhaltet sowie diese um ein System von Zu- und Abschlägen ergänzt (Palandt, a.a.O., § 2221, Rdzi. 5).

Bemessungsgrundlage für die Neue Rheinische Tabelle ist der am Todestag bestehende Bruttowert des Nachlasses (Erman, BGB 2020, § 2221, Rdzi. 7). In der Neuen Rheinischen Tabelle bestehen Vergütungsansprüche für Vergütungsgrundbeträge bis € 250.000,00 von 4%, bis € 500.000,00 von 3%, bis € 2,5 Mio. von 2,5%, bis zu € 5 Mio. 2% und über € 5 Mio. 1,5 5. Mindestens gilt der höchste Betrag der Vorstufe (zitiert nach Erman, a.a.O.).

Genauso ist die Kostenrechnung des Klägers vom 19.08.2020 aufgebaut. Die Neue Rheinische Tabelle enthält genau diese Stufenberechnung, nicht eine Einheitsberechnung von Prozentsätzen nach Nachlasswert. Damit ist die Gesamtsumme des Honorars mit netto € 536.558,08 gemäß der Rheinischen Tabelle in der Kostennote vom 19.08.2020 richtig dargestellt. Zuschläge sind nicht erhoben. Voraussetzungen für Abschläge sind nicht vorgetragen.

Die Berechtigung zur Erhebung der Mehrwertsteuer ergab sich aus dem Testament selbst. Diese ist mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz der zweiten Hälfte des Jahres 2020 eingeflochten.

Daher ergeben sich keine Bedenken gegen die Berechnungsmethode des Klägers nach der Neuen Rheinischen Tabelle. Die Berechnungsmethode des Klägers entspricht der Anordnung der Erblasserin im Testament.

III. Fragestellung der Auslagenpauschale

Die Berechtigung, Ersatz von Aufwendungen inklusive der Kosten für eine Haftpflichtversicherung zu verlangen, ergibt sich aus dem Testament selbst (Ziffer V.). Weiter besteht ein Anspruch auf Auslagen gemäß § 2218 Abs. 1 i.V.m. dem Auftragsrecht gemäß § 670 BGB (vgl. iE Staudinger, BGB 2016, § 2218, Rdzi. 31 ff.), zumal die Neue Rheinische Tabelle in das Auftragsrecht verweist. Danach ist der Erbe zum Ersatz verpflichtet für Aufwendungen, die der Testamentsvollstrecker den Umständen nach für erforderlich halten durfte. Hierbei ist auch eine Pauschalierung zulässig (Palandt, BGB 2021, § 670, Rdzi. 1). Vorliegend weist die Kostennote eine Pauschale in Höhe von netto € 15.000,00 für Reisekosten anlässlich von Besprechungen in Berlin vom 20.04.2018 und 11.07.2020 sowie Sekretariatskosten aus. Weiter benennt die Kostennote den Vereinbarungsentwurf nach dem 11.07.2020, da die Erblasserin selbst den Ersatz der Aufwendungen einschließlich der Kosten für eine Haftpflichtversicherung als berechtigte Forderung des Testamentsvollstreckers definiert hat, war zu schätzen, ob die Pauschalierung vorliegend unzutreffend angenommen wurde. Hier scheint die Rechnungsstellung mit € 15.000,00 angemessen. Diese Pauschale beträgt unter 3% der Nettogesamtsumme der Kostennote. Sie umfasst alle Reisekosten. Der Nachlass war ungewöhnlich umfangreich und atypisch, so dass Testamentsvollstreckung mit erheblichen Vermächtnisanordnungen nicht unerhebliche Verwaltungs- und Sekretariatskosten angefallen sein müssen. Weiter sind Versicherungen nach gerichtlicher Erfahrung in diesen Bereichen nicht billig. Daher erscheinen Pauschalkosten für die weitere Verwaltung und Abwicklung von unter 3% der Nettovergütung nach der Rheinischen Tabelle nicht unangemessen.

Die Klage war daher insgesamt begründet. Die Kostennote des Klägers gegen den Beklagten ist insoweit korrekt.

III. Nebenforderungen

Zinshöhe und Zinszahlungszeitpunkte sind nicht bestritten. Die Zinshöhe ergibt sich im Übrigen aus dem Gesetz, § 288 Abs. 1 BGB.

IV. Nebenentscheidungen

Der Kostenausspruch folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

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