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Testamentsauslegung – Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung

Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung: Gericht urteilt zugunsten der Schlusserben

Das Oberlandesgericht Köln bestätigte, dass die testamentarischen Verfügungen des Erblassers und seiner Ehefrau wechselbezüglich waren. Dies bedeutet, dass die Einsetzung des Bruders des Erblassers und dessen Ehefrau als Schlusserben durch das gemeinsame Testament bindend war und nicht durch ein späteres Testament des Erblassers widerrufen werden konnte. Das Gericht berücksichtigte dabei die Pflegeleistungen, die die Schlusserben für die Ehefrau des Erblassers erbracht hatten, als Grund für ein Näheverhältnis, das die Wechselbezüglichkeit begründet.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: I-2 Wx 39/23  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Wechselbezüglichkeit der testamentarischen Verfügung wurde bestätigt.
  2. Testament von 2005 legte die Erbfolge fest, wonach der Bruder des Erblassers und dessen Ehefrau Schlusserben sein sollten.
  3. Ausschluss der Tochter aus der Erbfolge war im Testament 2005 festgelegt.
  4. Testament 2022, in dem die Beteiligte zu 1) zur Alleinerbin ernannt wurde, wurde als ungültig erklärt.
  5. Pflegeleistungen der Schlusserben an der Ehefrau des Erblassers begründeten ein Näheverhältnis.
  6. Keine Widerrufsmöglichkeit nach dem Tod der Ehefrau für den Erblasser gemäß § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB.
  7. Näheverhältnis war entscheidend für die Annahme der Wechselbezüglichkeit gemäß § 2270 Abs. 2 BGB.
  8. Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss wurde nicht zugelassen.

Testamentsauslegung und Wechselbezüglichkeit im Erbrecht

Die Testamentsauslegung und die Wechselbezüglichkeit von Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten sind fundamentale Aspekte des Erbrechts. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung der Gültigkeit und des Umfangs erbrechtlicher Ansprüche. Die Wechselbezüglichkeit, ein Konzept, das im Kontext von gemeinschaftlichen Testamenten von Ehegatten oft zur Anwendung kommt, bezieht sich auf die gegenseitige Abhängigkeit von testamentarischen Verfügungen. Wenn solche Verfügungen als wechselbezüglich eingestuft werden, hat dies weitreichende Konsequenzen für die Möglichkeit, diese Verfügungen zu widerrufen oder zu ändern.

In der Praxis des Erbrechts führen Unklarheiten und Konflikte bezüglich dieser Themen häufig zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Die Entscheidungen der Gerichte, wie zum Beispiel vom OLG Köln, tragen zur Klärung und Festigung der Rechtsprechung in diesen komplexen Fragestellungen bei. Sie bieten nicht nur Orientierung für Rechtsanwälte und ihre Mandanten, sondern auch für alle, die sich mit der Gestaltung und Auslegung von Testamenten beschäftigen.

Im weiteren Verlauf werden wir uns ein konkretes Urteil anschauen, das diese Thematiken beleuchtet. Dabei wird deutlich, wie Gerichte die feinen Nuancen des Erbrechts navigieren und Entscheidungen treffen, die oft tiefgreifende Auswirkungen auf die beteiligten Parteien haben. Tauchen Sie mit uns ein in die Welt des Erbrechts, wo jedes Detail zählt und die genaue Auslegung eines Testaments über das Schicksal eines Nachlasses entscheiden kann.

Der Weg zum Oberlandesgericht Köln: Hintergründe des Erbstreits

Im Zentrum des Rechtsstreits steht ein Erbschaftsfall, der vor dem Oberlandesgericht Köln verhandelt wurde. Der Erblasser, R. P., hatte im Jahr 2005 gemeinsam mit seiner bereits verstorbenen Ehefrau ein Testament verfasst, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Für den Fall ihres beiderseitigen Ablebens bestimmten sie den Bruder des Erblassers und dessen Ehefrau zu Schlusserben. Dies geschah unter dem expliziten Hinweis auf den Bruch mit ihrer Tochter und der Unterstützung durch den Bruder des Erblassers und dessen Frau bei der Pflege der Ehefrau.

Nach dem Tod des Erblassers im Jahr 2022 kam es zu rechtlichen Auseinandersetzungen um das Erbe. Eine zentrale Rolle spielte dabei ein weiteres, von ihm allein verfasstes Testament aus dem Jahr 2022, in dem er eine andere Person als Alleinerbin bestimmte. Dieses Testament stellte die Wechselbezüglichkeit der im gemeinschaftlichen Testament getroffenen Verfügungen in Frage, was den Kern des rechtlichen Problems bildete.

Die rechtliche Herausforderung: Testamentsauslegung und Wechselbezüglichkeit

Die rechtliche Herausforderung lag in der Auslegung des gemeinschaftlichen Testaments und der Bestimmung der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen. Gemäß § 2270 BGB ist eine Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich, wenn sie aus dem Zusammenhang des Motivs heraus nicht ohne die Verfügung des anderen Ehegatten getroffen worden wäre. Diese Wechselbezüglichkeit erschwert den Widerruf solcher Verfügungen.

Das Nachlassgericht hatte entschieden, dass die Einsetzung der Schlusserben wechselbezüglich und damit bindend sei, weshalb das Testament von 2022, das eine andere Alleinerbin bestimmte, nicht wirksam sei. Die Beteiligte zu 1), die im Testament von 2022 als Alleinerbin eingesetzt wurde, legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, die jedoch vom OLG Köln zurückgewiesen wurde.

Entscheidung des OLG Köln: Bestätigung der Wechselbezüglichkeit

Das OLG Köln bestätigte die Auffassung des Nachlassgerichts und wies die Beschwerde der Beteiligten zu 1) zurück. Das Gericht begründete dies damit, dass die Einsetzung der Schlusserben im gemeinschaftlichen Testament von 2005 tatsächlich wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB erfolgt sei. Besonders hervorgehoben wurde das enge Verhältnis, das durch die Pflegeleistungen an der Ehefrau des Erblassers entstanden war. Dieses Näheverhältnis, gekoppelt mit der ausdrücklichen Erwähnung im Testament, stellte ein entscheidendes Argument für die Annahme der Wechselbezüglichkeit dar.

Rechtliche Betrachtung und Ausblick auf das Erbrecht

Der Fall zeigt deutlich, wie wichtig die genaue Formulierung und die Berücksichtigung aller relevanten Umstände bei der Abfassung eines Testaments sind. Er unterstreicht auch die Bedeutung der Wechselbezüglichkeit als Schutzmechanismus für die testamentarischen Verfügungen von Ehegatten. Das Urteil des OLG Köln verdeutlicht die Notwendigkeit, bei der Testamentsgestaltung vorausschauend zu denken und mögliche rechtliche Konsequenzen im Blick zu haben.

Das Urteil und seine Begründung bieten wichtige Einsichten für Rechtsanwälte, Notare und alle, die sich mit Fragen des Erbrechts auseinandersetzen. Es zeigt auf, dass im deutschen Erbrecht die Intentionen des Erblassers und die Umstände der Testamentserrichtung von zentraler Bedeutung sind. Der vorliegende Fall ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie die Gerichte in Deutschland komplexe erbrechtliche Sachverhalte handhaben und dabei dem Willen des Erblassers, soweit rechtlich möglich, Geltung verschaffen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet Wechselbezüglichkeit in einem gemeinschaftlichen Testament?

Wechselbezüglichkeit in einem gemeinschaftlichen Testament bezieht sich auf Verfügungen, die in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen und von beiden Ehegatten oder Lebenspartnern getroffen wurden. Diese Verfügungen sind so miteinander verknüpft, dass sie nicht ohne die Zustimmung des anderen Partners geändert werden können.

Ein gemeinschaftliches Testament entfaltet nach dem Gesetz (§ 2271 BGB) eine Bindungswirkung, was bedeutet, dass die wechselbezüglichen Verfügungen zu Lebzeiten beider Partner nicht einseitig geändert werden können, ohne dass der andere Partner davon erfährt. Nach dem Tod eines Testamentspartners erlischt für den überlebenden Partner sogar kraft Gesetz das Recht zum Widerruf der wechselbezüglichen Verfügungen im Testament.

Ein Beispiel für wechselbezügliche Verfügungen ist, wenn Eheleute sich gegenseitig als Erben einsetzen und die Kinder als Erben des zuletzt Verstorbenen bestimmen. In solchen Fällen ist eine einseitige Testamentsänderung nicht zulässig, insbesondere nicht, wenn einer der Ehegatten bereits verstorben ist.


Das vorliegende Urteil

OLG Köln – Az.: I-2 Wx 39/23 – Beschluss vom 29.03.2023

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 14.02.2023 gegen den am 06.02.2023 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgerichts – W., N02 VI N03/22, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beteiligte zu 1) zu tragen.

Gründe

I.

Am 00.00.2022 ist R. P. (im Folgenden: Erblasser) verstorben. Die Ehefrau des Erblassers ist am 00.00.2006 vorverstorben. Die Beteiligte zu 2) ist das einzige Kind des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau. Die Beteiligte zu 3), T. H., genannt I. P., ist die Ehefrau des am 00.00.2021 vorverstorbenen Bruders des Erblassers B. P..

Am 00.00.2005 errichteten der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament (Bl. 8 d. Testamentsakte N02 IV N01/22), das u.a. folgenden Inhalt hat:

„Testament:

Wir, die Eheleute R. P. und H. P. geb. M., setzen uns hiermit gegenseitig zu alleinigen Erben unseres gesamten Nachlasses ein. Erbe des Letztversterbenden sollen B. und I. P. sein.

Grund: Unsere Tochter hat sich mit gesamter Familie von unserer Familie losgesagt, ausgeschlossen auch unsere Enkelin G. C.. Sie hat sich mir gegenüber dahingehend geäußert, nichts mehr mit uns zu tun zu haben.

B. und I. P. haben wir darum bedacht, weil sie bei der Pflege meiner Frau uns sehr stark unterstützt haben. Dies soll der Dank dafür sein. …“

Am 00.00.2022 errichtete der Erblasser ein handschriftliches Testament, in dem er (u.a.) die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin einsetzte (Bl. 48 d. Testamentsakte N02 IV N01/22). In dem Testament hat er u.a. ausgeführt, dass die Einsetzung seines Bruders und seiner Schwägerin von seiner Ehefrau und ihm vorgenommen worden sei, um einerseits die gesetzliche Erbfolge seiner Tochter auszuschließen und andererseits überhaupt eine Erbfolge sicherzustellen. Die Einsetzung des Schlusserben sei nie die Bedingung für die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten gewesen.

Mit notarieller Urkunde vom 00.00.2022 hat die Beteiligte zu 1) die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der sie als Alleinerbin ausweist (Bl. 2 ff. d.A. des AG). Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass die letztwillige Verfügung vom 00.00.2005 keine eindeutige Regelung im Hinblick auf eine mögliche testamentarische Bindungswirkung des Letztversterbenden enthalte. Ein Widerruf der Einsetzung der Schlusserben, der durch das Testament vom 00.00.2022 erfolgt sei, sei daher möglich gewesen. Dem stehe § 2271 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Die Schlusserbeneinsetzung sei nicht wechselbezüglich im Sinne von § 2270 Abs. 1 BGB erfolgt. Die vorverstorbene Ehefrau sei mit dem Bruder des Erblassers und dessen Ehefrau auch nicht verwandt gewesen im Sinne von § 2270 Abs. 2 BGB. Die Pflegeleistungen dürften nicht ausreichen, um ein „Nahestehen“ der Ehefrau des Erblassers zu dessen Bruder und seiner Ehefrau anzunehmen. Hierfür spreche auch, dass der Erblasser in einem „Nachtrag zum Testament“ (Bl. 69 f d. Testamentsakte N02 IV N01/22) erläutert habe, warum das Verhältnis zu seinem Bruder und dessen Ehefrau doch nicht als gut und nah bezeichnet werden könne.

Die Beteiligte zu 3) ist dem Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Erbscheins entgegengetreten. Sie hat vorgetragen, dass die Einsetzungen der Schlusserben in dem gemeinschaftlichen Testament wechselbezüglich seien. Hierfür spreche, dass die Eheleute jeweils in ein und demselben Satz gleichlautende Verfügungen getroffen hätten. Gleichlautende Verfügungen ließen regelmäßig den Schluss darauf zu, dass ihnen eine gemeinsame und damit gegenseitig voneinander abhängige Vorstellung der testierenden Ehegatten zugrunde liege. Für eine Wechselbezüglichkeit spreche weiterhin, dass die Beteiligte zu 3) und ihr Ehemann den Erblasser und seine Ehefrau bei der Pflege der Ehefrau des Erblassers unterstützt hätten und dies im Testament auch zum Ausdruck gebracht worden sei.

Durch am 06.02.2023 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückgewiesen (Bl. 43 ff. d.A. des AG). Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass gem. § 2270 Abs. 2 BGB von der Wechselbezüglichkeit der Einsetzung des Erblassers durch die Ehefrau und der Einsetzung der Schlusserben durch den Erblasser auszugehen sei. Hierfür spreche die Schwägerschaft zwischen der Ehefrau des Erblassers und dessen Bruder sowie der Beteiligten zu 3) und die ausdrückliche Erwähnung des Dankes für die erbrachten Pflegeleistungen.

Gegen diesen der Beteiligten zu 1) am 08.02.2023 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) mit am 21.02.2023 beim Amtsgericht W. eingegangenem Schreiben vom 14.02.2023, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 65 f. d.A. des AG), Beschwerde eingelegt.

Durch am 13.03.2023 erlassenen Beschluss hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 71 f. d.A. des AG).

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 07.02.2023 hat die Beteiligte zu 3) die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt (Bl. 53 f. d.A. des AG), über den das Nachlassgericht noch nicht entschieden hat.

II.

Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Nachlassgericht hat den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins zur Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, zurückgewiesen. Die Beteiligte zu 1) ist nicht Alleinerbin des Erblassers.

Nach dem Tod seiner Ehefrau konnte der Erblasser die Einsetzung seines Bruders und der Beteiligten zu 3) in dem gemeinschaftlichen Testament vom 00.00.2005 gem. § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB nicht mehr widerrufen. Das Testament vom 00.00.2022, mit dem er die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin eingesetzt hat, ist daher nicht wirksam. Eine der Ausnahmen gem. § 2271 Abs. 2 S. 1, 2 BGB liegt nicht vor.

Die Einsetzung des Bruders des Erblassers und der Beteiligten zu 3) in dem Testament vom 00.00.2005 ist wechselbezüglich im Sinne von § 2270 BGB erfolgt. Eine Wechselbezüglichkeit der Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament setzt gemäß § 2270 Abs. 1 BGB voraus, dass aus dem Zusammenhang des Motivs heraus die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, also nach dem Willen der Eheleute die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll (KG, Beschluss vom 17.02.2021 – 6 W 1071/20, ErbR 2021, 1042-1045, Rn. 6 nach juris; Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2270 Abs. 1 m.w.N.). Enthält das Testament – wie hier – keine ausdrückliche Bestimmung über die Wechselbezüglichkeit, ist diese durch Auslegung zu bestimmen. Dabei muss der Inhalt der Erklärungen als Ganzes gewürdigt werden, einschließlich der Nebenumstände, und zwar auch solcher außerhalb der Testamentsurkunde, soweit sie im Testament angedeutet wurden; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen. Es kann indes offenbleiben, ob hier aufgrund der vorliegenden Tatsachen eine solche Feststellung getroffen werden kann.

Denn hier greift die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB ein. Die Ehefrau des Erblassers hat den Erblasser zu ihrem Alleinerben eingesetzt. Für den Fall seines Überlebens hat der Erblasser seinen Bruder und dessen Ehefrau als Schlusserben eingesetzt. Der Bruder des Erblassers und die Beteiligte zu 3) waren zwar nicht verwandt mit der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers, sie standen ihr jedoch sonst nahe. „Nahestehen“ ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. An den Begriff sind hohe Anforderungen zu stellen (Grüneberg/Weidlich, BGB, 82. Aufl. 2023, § 2270 Rn. 9 m.w.N.). Diese Anforderungen sind hier jedoch erfüllt. Der Erblasser und seine Ehefrau haben in dem gemeinschaftlichen Testament als Grund für die Einsetzung des Bruders des Erblassers und der Beteiligten zu 3) ausdrücklich aufgenommen, dass die Einsetzungen wegen der Unterstützung bei der Pflege der Ehefrau des Erblassers erfolgt sind. Im Hinblick auf diese Unterstützung bei der Pflege ist ein Näheverhältnis des Bruders des Erblassers und der Beteiligten zu 3) zur Ehefrau des Erblassers anzunehmen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Ehefrau des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 00.00.2005, die weniger als ein Jahr vor ihrem Tod erfolgte, offenbar schwer an Arthrose erkrankt war. Dies ergibt sich aufgrund eines Zusatzes unter der Unterschrift des Erblassers und seiner Ehefrau, in dem eine dritte Person (Diakon) im Hinblick auf die „krakelige“ Unterschrift der Ehefrau ausführt, dass die Unterschrift von der Ehefrau stamme, es für sie aufgrund ihrer Erkrankung jedoch schwer gewesen sei, die Unterschrift unter das Testament zu setzen. Diesen Zusatz hielten der Erblasser und seine Ehefrau im Hinblick auf die Schwierigkeiten der Ehefrau, eine leserliche Unterschrift zu leisten, offenbar für notwendig. Dies spricht aber dafür, dass die Ehefrau auf nicht unerhebliche Pflegeleistungen angewiesen war, die wiederum auf ein Näheverhältnis zwischen der gepflegten Person und den pflegenden Personen schließen lässt, zumal es sich bei den pflegenden Personen nicht um Fremde, sondern um den Bruder des Erblassers und dessen Ehefrau handelte. Einem Nahestehen zwischen der Ehefrau des Erblassers einerseits und dem Bruder des Erblassers und der Beteiligten zu 3) andererseits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung steht auch nicht entgegen, dass das Verhältnis zwischen dem Erblasser auf der einen Seite und seinem Bruder sowie der Beteiligten zu 3) auf der anderen Seite nach dem Tod der Ehefrau des Erblassers nicht mehr ungetrübt war, was sich aus einem auf April 2013 datierten „Nachtrag zu meinem Testament“ des Erblassers ergibt (Bl. 69 f d. Testamentsakte N02 IV N01/22). Denn es kommt insoweit auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung und auf das Verhältnis der Ehefrau des Erblassers zu dem Bruder des Erblassers und der Beteiligten zu 3) zu diesem Zeitpunkt und nicht auf das Verhältnis des Erblassers zu den eingesetzten Schlusserben zu einem späteren Zeitpunkt an. Ebenso unerheblich ist der Einwand der Beteiligten zu 1), aus dem späteren Testament des Erblassers vom 00.00.2022 ergebe sich ein anderes Motiv für die Schlusserbeneinsetzungen. Denn das Motiv für die Schlusserbeneinsetzung ist in dem gemeinschaftlichen Testament vom 00.00.2005 eindeutig angegeben. Dafür, dass der dort angegebene Grund zum Zeitpunkt der Errichtung am 00.00.2005 nicht dem Willen beider Testatoren, also auch der Ehefrau des Erblassers entsprochen hat, sind keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte ersichtlich, auch nicht der Umstand, dass der Erblasser dieses Motiv ca. 17 Jahre später offensichtlich nicht mehr akzeptieren wollte.

Da der Bruder des Erblassers vorverstorben ist, wächst sein Anteil der Beteiligten zu 3) an (§ 2094 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Wechselbezüglichkeit der Einsetzung der Beteiligten zu 3) erfasst auch den angewachsenen Anteil (vgl. zuletzt OLG Oldenburg, Beschluss vom 26.08.2022 – 3 U 37/22, Rn. 30 nach juris). Hierauf kommt es letztlich aber nicht an, weil jedenfalls der Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Alleinerbscheins keinen Erfolg hat und das Nachlassgericht über den Antrag der Beteiligten zu 3) noch nicht entschieden hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 70 Abs. 2 FamFG).

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