Schlusserbeinsetzung in Stein gemeißelt? – Grenzen der Testierfreiheit
Wenn es um die letzte Willenserklärung eines Menschen geht, steht das Testament im Mittelpunkt des Erbrechts. Hierbei ist die Testamentsauslegung ein grundlegender Prozess, um den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln. Besondere Aufmerksamkeit erfordert die Wechselbezüglichkeit in gemeinschaftlichen Testamenten, die eine gegenseitige Bindung der Eheleute an ihre Verfügungen begründet. Die Kernfrage dreht sich oft um die Schlusserbeneinsetzung, also um die Bestimmung der Erben nach dem Tod des zuletzt verstorbenen Ehegatten.
Hierbei spielen nicht nur die Worte des Testaments eine Rolle, sondern auch die Lebensumstände, Motive und das Verhalten der Eheleute zueinander. Die rechtlichen Herausforderungen liegen in der Interpretation der wechselbezüglichen Verfügungen und deren Unabänderlichkeit nach dem Tod eines Ehegatten. Dies bedingt eine genaue Betrachtung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere der Paragraphen 2267 und 2270 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), die eine wesentliche Rolle bei der Auslegung spielen. In dieser komplexen Materie sind die rechtlichen Entscheidungen von hoher Tragweite für die Erbfolge und die Rechte der Nachkommen.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments bleibt auch nach dem Tod eines Ehepartners bestehen, insbesondere wenn das Testament eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen enthält. Das bedeutet, dass der überlebende Ehegatte nicht frei über den Nachlass verfügen kann, wenn er im Testament gemeinsam mit dem verstorbenen Ehepartner die Kinder als Schlusserben eingesetzt hat.
Zentrale Punkte aus dem Urteil:
- Beschwerde zurückgewiesen: Das Gericht hat die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen die Erteilung eines Erbscheins an den Beteiligten zu 1) abgelehnt.
- Wechselbezüglichkeit: Die gegenseitige Einsetzung als Alleinerben im gemeinschaftlichen Testament der verstorbenen Ehegatten begründet eine Wechselbezüglichkeit der Verfügungen.
- Schlusserbeneinsetzung: Die Kinder wurden im gemeinschaftlichen Testament als Schlusserben eingesetzt, was auch nach dem Tod eines Ehepartners bindend bleibt.
- Unwirksamer Widerruf: Ein einseitiger Widerruf des Testaments durch den überlebenden Ehepartner nach dem Tod des anderen ist rechtlich unwirksam.
- Gemeinsamer Wille: Das Gericht betont die Bedeutung des gemeinsamen Willens der Eheleute bei der Erstellung des Testaments.
- Auslegung des Testaments: Die Ermittlung des tatsächlichen Willens der Erblasser erfolgt durch eine Gesamtbetrachtung aller Umstände und nicht nur durch den Wortlaut des Testaments.
- Lebensverhältnisse der Eheleute: Die individuellen Lebens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute spielen für die Auslegung des Testaments eine Rolle.
- Rechtliche Folgen: Die Entscheidung verdeutlicht, dass die testamentarischen Verfügungen im Todesfall bindend sind und eine sorgfältige Testamentsgestaltung erfordern.
Übersicht
Konflikt im Erbrecht: Der Streit um das Testament
Erbstreit zwischen den beiden einzigen Kindern einer verstorbenen Erblasserin und deren ebenfalls verstorbenen Ehemanns. Ursprünglich hatten die Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament ihre beiden Kinder als Schlusserben nach dem Tod des Längstlebenden zu gleichen Teilen eingesetzt. Nach dem Tod des Ehemannes errichtete die Erblasserin jedoch ein weiteres Testament, in dem sie ihre Verfügung im gemeinschaftlichen Testament widerruft und ausschließlich ihre Tochter als Alleinerbin einsetzt. Dies begründet sie damit, dass nur die Tochter sie gepflegt und betreut habe, während der Sohn sich in keiner Weise um sie gekümmert habe.
Die rechtliche Auseinandersetzung entzündet sich an der Frage, ob die Erblasserin rechtlich an die Schlusserbeneinsetzung im gemeinschaftlichen Testament gebunden war und somit von einem Widerruf dieser Verfügung durch das nachfolgende Testament rechtlich ausgeschlossen wäre. Dies berührt die rechtliche Herausforderung der Wechselbezüglichkeit in gemeinschaftlichen Testamenten, eine komplexe Materie des Erbrechts. Die Wechselbezüglichkeit ist ein Mechanismus, der bestimmt, ob und inwieweit Verfügungen von Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament voneinander abhängig sind und ob die Testierfreiheit nach dem Tod eines Ehegatten beschränkt ist.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main musste also entscheiden, ob im vorliegenden Fall eine solche Wechselbezüglichkeit besteht. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Erblasserin an die Schlusserbeneinsetzung im gemeinschaftlichen Testament gebunden war und daher das später errichtete Testament, das den Sohn enterbte, keine rechtliche Wirkung entfaltet. Das Gericht stützte seine Entscheidung vor allem auf die im gemeinschaftlichen Testament enthaltene Wiederverheiratungsklausel, die als Indiz für den Willen der Eheleute gewertet wurde, sich gegenseitig an die Erbeinsetzung ihrer Kinder zu binden.
Aus dem Urteil geht hervor, dass die Auslegung eines Testaments immer den wirklichen Willen des Erblassers berücksichtigen muss. Dieser ist durch eine Gesamtwürdigung aller Erklärungen und Umstände zu ermitteln. Im vorliegenden Fall kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Wechselbezüglichkeit sich nicht nur aus der Auslegung des Testaments, sondern auch aus der Anwendung der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2270 Absatz 2 BGB ergibt, wonach im Zweifel eine Wechselbezüglichkeit anzunehmen ist, wenn sich Ehegatten gegenseitig bedenken und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person treffen, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
Die Entscheidung hat weitreichende Konsequenzen für die Beteiligten, da sie die Erbfolge gemäß dem gemeinschaftlichen Testament von 1990 festlegt und die testamentarischen Verfügungen der Erblasserin aus dem Jahr 2001 für unwirksam erklärt. Das Urteil bestätigt die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten und schützt damit die Erwartungen und das Vertrauen, das Eheleute in ihre testamentarischen Regelungen setzen. Es unterstreicht auch die Bedeutung einer sorgfältigen Testamentsgestaltung und die Notwendigkeit, Änderungen im familiären Kontext, wie die Pflegebedürftigkeit eines Elternteils, bei der Errichtung oder Anpassung eines Testaments zu berücksichtigen.
Zusammenfassend bekräftigt das Urteil die Rechtsansicht, dass eine einmal in einem gemeinschaftlichen Testament festgelegte Schlusserbeneinsetzung eine hohe Bindungswirkung entfaltet, die nicht ohne Weiteres durch ein späteres Testament eines Ehegatten aufgehoben werden kann. Dadurch wird die Rechtssicherheit im Erbrecht gestärkt und für Erben eine klare Rechtslage geschaffen.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was bedeutet die Schlusserbeneinsetzung in einem Testament?
Die Schlusserbeneinsetzung ist ein Begriff aus dem Erbrecht und bezieht sich auf die Bestimmung einer oder mehrerer Personen, die nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners erben sollen. Dies kommt häufig in gemeinschaftlichen Testamenten, insbesondere im sogenannten Berliner Testament, vor. Im Berliner Testament setzen sich die Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner gegenseitig als Vollerben ein, während die gemeinsamen Kinder oder andere Personen als Schlusserben eingesetzt werden. Das bedeutet, dass der überlebende Ehegatte zunächst Alleinerbe wird und die Schlusserben erst nach dessen Tod erben.
Die Schlusserbeneinsetzung dient dazu, den überlebenden Ehegatten finanziell abzusichern und das gemeinsame Vermögen nach dessen Tod auf die festgelegten Schlusserben zu übertragen. Die Schlusserben können sowohl die gemeinsamen Kinder der Ehegatten als auch andere Personen sein, je nachdem, wie das Testament formuliert ist. Wenn ein Schlusserbe vor dem letzten Elternteil stirbt oder die Erbschaft ausschlägt, kann der überlebende Ehegatte für den frei werdenden Anteil am Erbe von der Bindungswirkung des Berliner Testaments frei werden. In solchen Fällen kann es notwendig sein, die Ersatzerbfolge im Testament zu regeln, um festzulegen, wer in der Stellung des weggefallenen Erben nachrückt.
Welche Rolle spielt die Wiederverheiratungsklausel im Kontext von Testamentsbindungen?
Die Wiederverheiratungsklausel spielt eine bedeutende Rolle im Kontext von Testamentsbindungen, insbesondere bei gemeinschaftlichen Testamenten oder Ehegattentestamenten. Sie wird in der Regel in das Testament aufgenommen, um die Interessen der gemeinsamen Kinder zu schützen, falls der überlebende Ehepartner erneut heiratet.
In einem gemeinschaftlichen Testament setzen sich Ehepartner oft gegenseitig als Erben ein. Nach dem Tod des ersten Ehepartners erbt der überlebende Ehepartner das gesamte Vermögen. Wenn der überlebende Ehepartner jedoch erneut heiratet, kann dies die erbrechtliche Situation verändern und potenziell die Interessen der gemeinsamen Kinder beeinträchtigen.
Die Wiederverheiratungsklausel kann in diesem Kontext als eine Art Schutzmechanismus angesehen werden. Sie regelt, was mit dem Erbe passiert, wenn der überlebende Ehepartner wieder heiratet. Die genaue Ausgestaltung der Wiederverheiratungsklausel ist individuell und hängt von der Formulierung des gemeinschaftlichen Testaments ab.
In der Regel führt die Wiederverheiratungsklausel dazu, dass die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments aufgehoben wird, wenn der überlebende Ehepartner erneut heiratet. Dies bedeutet, dass der überlebende Ehepartner von den Verpflichtungen und Beschränkungen des gemeinschaftlichen Testaments befreit wird und das Testament neu gestalten kann.
Es gibt verschiedene Formen der Wiederverheiratungsklausel. Eine strenge Form der Wiederverheiratungsklausel kann dazu führen, dass der überlebende Ehepartner im Falle einer Wiederverheiratung enterbt wird. In einer modifizierten Form kann die Wiederverheiratungsklausel dazu dienen, Interessenkonflikte zu vermeiden, die durch die Wiederverheiratung entstehen könnten.
Es ist zu betonen, dass die Wiederverheiratungsklausel nur durch eine schriftliche Erklärung und notarielle Beurkundung rückgängig gemacht werden kann. Daher ist es ratsam, bei der Erstellung eines gemeinschaftlichen Testaments einen Rechtsberater zu konsultieren, um sicherzustellen, dass die Interessen aller Beteiligten angemessen berücksichtigt werden.
Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 20 W 196/14 – Beschluss vom 07.05.2015
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 2) hat dem Beteiligten zu 1) gegebenenfalls im Verfahren der Beschwerde entstandene notwendige Aufwendungen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Verfahren der Beschwerde wird auf bis 500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Bei den Beteiligten zu 1) und 2) handelt es sich um die beiden einzigen Kinder der im … Lebensjahr verstorbenen Erblasserin und ihres am … 02.1999 im … Lebensjahr verstorbenen Ehemanns, A.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der notarielle Antrag des Beteiligten zu 1) vom 30.11.2009, in dem dieser die Erteilung eines Erbscheins beantragt hat, der die Beteiligten zu 1) und 2) als Erben aufgrund testamentarischer Erbfolge zu je 1/2 ausweisen soll (auf den Antrag wird Bezug genommen, Bl. 33 ff. d.A.).
Dem Verfahren liegen zwei durch das Nachlassgericht eröffnete Testamente zu Grunde.
Das erste, auf den 01.03.1990 datierte handschriftliche Testament, wegen dessen Inhalts im Einzelnen auf Bl. 7 R d.A. Bezug genommen wird, hat die Erblasserin gemeinschaftlich mit ihrem vorverstorbenen Ehemann errichtet. Es hat auszugsweise folgenden Inhalt:
„Testament = Unser letzter Wille.
Wir, die Unterzeichneten, haben folgendes vereinbart was wir als Testament anerkannt haben möchten.
Ich,……. und ich,……. setzen uns gegenseitig als „Alleinerben“ ein!
Sollte der Überlebende sich wieder verheiraten ist das Erbteil des Verstorbenen Unverzüglich an Unsere gemeinsamen Kinder A1… und B geb. A2… je zur Hälfte auszuzahlen.
Sollten wir Beide verstorben sein ist unser letzte Wille wie folgt:
Da Frau B den I. Stock unseres bebauten Grundstückes auf ihre Kosten modernisiert hat, erhält sie diesen von uns als Eigentumswohnung geschenkt. Dies ist noch grundbuchmäßig einzutragen und aus dem gerichtlich festgesetzten Grundstücks- und Gebäudewertes auszuschließen! Sie beabsichtigt das Haus …str. … zu übernehmen.
Den Restwert des Grundstückes mit Gebäude sowie die vorhandenen Konten, Festgeldkonten, Bargeld, Schmuck, Bilder, Teppiche, Möbel und sonstiger Hausrat ist je zur Hälfte zu teilen. Die Konten u. Festgeldkonten sind gegen Unterzeichnung beider Kinder auszuzahlen. Z.Zt. befinden sich unsere Konten bei: Bank1, Bank2 sowie Bank3…“.
Das zweite, von der Erblasserin alleine nach dem Tod ihres Ehemannes errichtete handschriftliche Testament, auf das wegen seines Inhalts im einzelnen Bezug genommen wird (Klarsichthülle, Bl. 29 d.A.), datiert auf den 28.05.2001 und hat auszugsweise folgenden Inhalt:
„Ich, …widerrufe meine Verfügung in dem gemeinschaftlichen Testament vom 01. März 1990.
Motiv für den Widerruf dieser Verfügung im Testament vom 01.03.1990 und die nachfolgende Erbeinsetzung ist, dass ausschließlich meine Tochter Frau B… mich betreut und gepflegt hat und mir Hilfestellung in allen Lebenslagen geboten hat.
Mein Sohn, A1… hat sich dagegen in keiner Weise um mich gekümmert oder mir Hilfestellungen angeboten.
Mein letzter Wille lautet deshalb wie folgt:
1. Erbeinsetzung
Ich setze meine Tochter B… zur Alleinerbin ein.
2 Vermächtnisse
a) Meine Enkelin, C geb am ….70 …soll als Vermächtnis das …. Klavier bekommen.
Meine Urenkelin, C1, geb. …1998 soll die Weihnachtsgrippe mit den handgeschnitzten Figuren erhalten….“.
Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass das gemeinschaftliche Testament auch ihre jeweilige Schlusserbeneinsetzung zu je 1/2 enthält. Sie streiten aber darüber, ob die Erblasserin durch dieses Testament an der nachfolgenden Erbeinsetzung unter Ausschluss des Beteiligten zu 1) im Testament vom 28.05.2001 wegen einer aus dem gemeinschaftlichen Testament folgenden Wechselbezüglichkeit aus Rechtsgründen gehindert gewesen ist.
Das auf dem o.g. Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) basierende Erbscheinsverfahren liegt dem Senat nunmehr zum zweiten Mal zur Entscheidung vor. Das Nachlassgericht hat zunächst mit Beschluss vom 30.03.2010 die aufgrund des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 1) zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet (auf die Begründung dieses Beschlusses wird Bezug genommen, Bl. 103 d. A.). Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen diesen Beschluss hat der Senat wegen örtlicher Unzuständigkeit des Nachlassgerichts diesen Beschluss mit eigenem Beschluss vom 21.05.2013 (Az. 20 W 170/10) abgeändert und das Erbscheinsverfahren an das Amtsgericht Stadt1 verwiesen (Bl. 198 ff d.A.), welches sodann mit Beschluss vom 06.09.2013 die Sache aus wichtigem Grund nach § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG an das Nachlassgericht verwiesen hat (Bl. 230 d.A.). Das Nachlassgericht hat daraufhin mit dem hier angefochtenen weiteren Beschluss vom 22.03.2014 – wegen dessen Begründung im Einzelnen auf Bl. 241 ff d. A. Bezug genommen wird – wiederum die zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet, die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt, die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt und der Beteiligten zu 2) die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Verfügung, mit welcher die Erblasserin ihre beiden Kinder zu Schlusserben eingesetzt habe, stehe im Wechselbezug zu der Einsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann, so dass sie gebunden gewesen sei. Ausschlaggebend für diese Auslegung sei der Umstand der im Testament aufgenommenen Wiederverheiratungsklausel, durch die die Eheleute ihren Willen zum Ausdruck gebracht hätten, sich mit dem Testament gegenseitig an die Erbeinsetzung ihrer beiden Kinder binden und dem überlebenden Ehegatten gerade nicht die volle Testierfreiheit belassen zu wollen. Diese Regelung indiziere, dass die Erblasser allgemein besonderen Wert darauf gelegt hätten, ihre beiden Kinder sicherzustellen. Jedenfalls stehe die Wiederverheiratungsklausel der Annahme entgegen, aus den Vermögensverhältnissen gehe zweifelsfrei hervor, dass nur der Ehemann der Erblasserin sich habe binden wollen.
Gegen diesen am 01.04.2014 zugestellten Beschluss haben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) mit Schriftsatz vom 25.04.2014 (Bl. 260 d. A.) an das Nachlassgericht – dort eingegangen am selben Tag – Beschwerde eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 25.06.2014, auf den im einzelnen Bezug genommen wird (Bl. 272 ff d. A.), begründet. Das Nachlassgericht hat dieser Beschwerde mit Beschluss vom 30.06.2014, auf den wegen seines Inhalts Bezug genommen wird (Bl. 278 d.A.), nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beteiligte zu 1) vertritt die Auffassung, dass zwar im gemeinschaftlichen Testament die Wechselbezüglichkeit nicht expressis verbis angeordnet worden sei, sich jedoch aus dessen gesamten Inhalt ergebe, dass beide Elternteile diese gewollt hätten. Auch der Umstand, dass die Erblasserin Alleineigentümerin des Grundbesitzes …straße … in Stadt2 gewesen sei, welches sie von ihren Eltern geerbt habe, ändere an der Wechselbezüglichkeit nichts. Es sei jedenfalls so, dass nicht nur die Erblasserin, sondern auch deren Ehemann trotz einer während der Ehe erlittenen Beinamputation für das Familieneinkommen gesorgt habe und sich auch sonst um die Versorgung der Familie einschließlich der Enkelin und seiner Schwiegermutter gekümmert habe. Das gemeinschaftliche Testament habe jedenfalls nicht nur dazu gedient, den vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin zu schützen.
Die Beteiligte zu 2) vertritt demgegenüber die Auffassung, dass das gemeinschaftliche Testament keine Bindungswirkung entfalte, da es an einer Wechselbezüglichkeit der Verfügung der Erblasserin in Form der Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten 1) zu ihrer eigenen Erbeinsetzung durch ihren vorverstorbenen Ehemann fehle. Das gemeinschaftliche Testament habe ausschließlich dazu gedient, den vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin, der wegen seines Alters mit einem weiteren Vermögenserwerb nicht habe rechnen können, zu schützen. Die Erblasserin wiederum habe im Hinblick auf die ehelichen Vermögensverhältnisses nicht damit rechnen können, im Falle eines Vorversterbens ihres Ehemannes einen Vermögensvorteil zu erhalten. Eine Abhängigkeit die Schlusserbeneinsetzung von der Einsetzung des überlebenden Ehegatten sei gerade dann zu verneinen, wenn dieser vermögend war, der vorverstorbene Ehegatte jedoch kein oder im Verhältnis zum Ehegatten nur ein geringes Vermögen hatte. Genauso sei es hier, da der Erblasserin das gesamte Vermögen in Form des von ihrem Vater geerbten Mehrfamilienhauses in Stadt2 alleine gehört habe und dieses von ihr alleine erhalten worden sei. Hinzu komme, dass sie während der ganzen Ehezeit fast immer die Alleinverdienerin gewesen sei und dabei auch noch den Haushalt geführt und die Kinder betreut habe. Jedenfalls sei zu berücksichtigen, welchen Willen die Ehegatten hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit gehabt hätten, wenn sie zur Zeit der Testamentserrichtung bedacht hätten, dass der Beteiligte zu 1) sich in keiner Weise um die Erblasserin kümmern würde, hingegen die Beteiligte zu 2) die Erblasserin bis zu deren Tod unter Aufgabe ihres Berufs als …angestellte und Verzicht auf erhebliche Rentenanwartschaften und den Erwerb von eigenem Vermögen pflegen würde.
Abschließend wird wegen des umfangreichen Sachvortrages der Beteiligten im Einzelnen Bezug genommen auf die von deren Verfahrensbevollmächtigten zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, das von der Beteiligten zu 2) unterzeichnete, undatierte und von ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 30.12.2009 übersandte Nachlassverzeichnis (Bl. 43 ff d. A.) sowie die Kopie des Übergabevertrages vom 13.11.2002, mit dem die Erblasserin der Beteiligten zu 2) das Hausgrundstück in der …straße …, Stadt2, übertragen hat (Bl. 188 ff d. A.).
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 2) – insoweit wird wegen der Erreichung des Beschwerdewertes nach § 61 Absatz 1 FamFG auf die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 21.05.2013, Az. 20 W 170/10 Bezug genommen – ist unbegründet.
Das Nachlassgericht hat im Ergebnis zu Recht die Tatsachen festgestellt, welche zur Erteilung des von dem Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins erforderlich sind, da sich die Erbfolge entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) nicht aus dem Testament der Erblasserin vom 28.05.2001 ergibt, sondern für diese das nach §§ 2267 , 2247 BGB formwirksam errichtete, gemeinschaftliche Testament der Erblasserin mit ihrem vorverstorbenen Ehemann vom 01.03.1990 maßgeblich ist.
Der Senat hat zunächst – wie zuvor auch das Nachlassgericht und die Beteiligten selbst – keine Zweifel, dass dieses gemeinschaftliche Testament neben der gegenseitigen Erbeinsetzung der Ehegatten als Alleinerben für den ersten Erbfall auch eine Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu 1) und 2) für den Fall des Versterbens des Längstlebenden der Ehegatten enthält und zwar zu je 1/2. Diese Auslegung unterliegt trotz der – wohl als Vorausvermächtnis – zu Gunsten der Beteiligten zu 2) verfügten Übertragung der Wohnung im 1. Stock des Hauses …straße … keinen durchgreifenden Zweifeln, ohne dass dieses Auslegungsergebnis hier noch weiterer Ausführungen bedarf.
Diese somit für den nun eingetretenen Schlusserbfall maßgebliche und den vorliegenden Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) begründende Schlusserbeneinsetzung ist von der Erblasserin entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) nicht wirksam abgeändert worden, da die Erblasserin an ihre letztwillige Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 1) im gemeinschaftlichen Testament gebunden war und deshalb nach dem Tode ihres Ehemanns an einem einseitigen Widerruf dieser wechselbezüglichen Verfügung durch ihr weiteres Testament vom 28.05.2001 gehindert war (§ 2271 Absatz 2, Satz 1 BGB).
Allerdings kann ein gemeinschaftliches Testament sowohl wechselbezügliche als auch nichtwechselbezügliche Bestimmungen enthalten. Gemäß § 2270 Abs. 1 BGB ist von einer wechselbezüglichen Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament dann auszugehen, wenn die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Dies bedeutet, das zwischen den einzelnen Verfügungen ein Zusammenhang des Motivs in der Form bestehen muss, dass die eine Verfügung des Ehegatten nur deshalb getroffen wurde, weil der andere eine bestimmte Verfügung getroffen hat (vgl. u.a. Senat, Beschluss vom 29.09.2006, 20 W 293/04 , zitiert nach juris). Hier müsste also der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin diese nur deshalb zu seiner Alleinerbin bestimmt haben, weil diese wiederum auch den Beteiligten zu 1) zum Schlusserben bestimmt hat.
Enthält – wie vorliegend – ein gemeinschaftliches Testament keine klare und eindeutige Anordnung zur Wechselbezüglichkeit, muss diese nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede einzelne Verfügung gesondert ermittelt werden (vgl. u.a. bereits Beschluss des Senats vom 05.05.2003, Az. 20 W 279/01 ; OLG München, Beschluss vom 13.09.2010, Az. 31 Wx 119/10 , jeweils zitiert nach juris; Weidlich in Palandt, BGB, 74. Aufl., 2015, § 2270, Rn. 1).
Für diese Auslegung der in einem Testament enthaltenen Willenserklärungen ist zunächst § 133 BGB maßgeblich, das heißt der wirkliche Wille des Erklärenden ist zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften; es ist also zu ermitteln, was als Inhalt jeder einzelnen Erklärung anzunehmen ist. Hierzu muss der gesamte Inhalt der Erklärungen einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, gewürdigt werden (allg. Meinung, vgl. u. a. BGH Urteil vom 24.06.2009; Az. IV ZR 202/07 und Beschluss vom 09.04.1981; Az. IVa ZB 6/80, jeweils zitiert nach juris). Bei einem gemeinschaftlichen Testament ist dabei stets zu prüfen, ob eine nach dem Verhalten des einen Ehegatten mögliche Auslegung auch dem Willen des anderen Ehegatten entsprochen hat, wobei es auf den übereinstimmenden Willen zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments ankommt (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 26.09.1990, Az. IV ZR 131/89 , zitiert nach juris). Auch für die Ermittlung des mutmaßlichen (hypothetischen) Willens im Rahmen einer ergänzenden Testamentsauslegung – die grundsätzlich auch bei der Ermittlung der Wechselbezüglichkeit Anwendung finden kann (vgl. u.a. KG, Beschluss vom 03.10.1963, NJW 1963, 766 ff; BayObLG, Beschluss vom 26.11.2003, Az. 1 Z BR 62/03 , zitiert nach juris; Musielak in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 2270, Rn. 8 m.w.N., Kanzleiter in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, Rn. 22c) ist die Willensrichtung beider Ehegatten maßgebend (vgl. u.a. BayObLG, Beschluss vom 12.08.1994, Az. 1 Z BR 152/93 , zitiert nach juris). Wenn die auf dieser Grundlage durchgeführte Erforschung des Willens beider Ehegatten trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten bezüglich der Wechselbezüglichkeit kein eindeutiges Ergebnis gebracht hat, also weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der maßgeblichen Verfügung festgestellt werden kann, darf auf die Auslegungsregel des § 2270 Absatz 2 BGB zurückgegriffen werden (allg. Meinung, vgl. u.a. Beschluss des erkennenden Senats vom 29.09.2006, a.a.O.; OLG München, Beschluss vom 16.07.2012, Az. 31 Wx 290/11 , zitiert nach juris; Weidlich in Palandt, a.a.O., Rn. 7). Danach ist eine Wechselbezüglichkeit im Zweifel dann anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
Im Ergebnis kann offen bleiben, ob im vorliegenden Fall, nicht sogar positiv eine Wechselbezüglichkeit der maßgeblichen Verfügungen der Ehegatten festgestellt werden könnte; jedenfalls kann entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) auch nicht negativ festgestellt werden, dass die Ehegatten insoweit eine Wechselbezüglichkeit ausschließen wollten, mit der Folge, dass die Wechselbezüglichkeit jedenfalls aus der Auslegungsregel des § 2270 Absatz 2 BGB folgt. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn man § 2270 Absatz 2 BGB nicht, wie die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, als Auslegungsregel ansieht, sondern aufgrund einer allgemeinen Lebenserfahrung als gesetzliche Ausgestaltung einer Vermutung (vgl. Musielak, a.a.O., Rn. 9), da auch diese nur dann eingreift, wenn sich die Zweifel an der Wechselbezüglichkeit nicht klären lassen.
Für die Auslegung im vorliegenden Fall gilt folgendes:
Zunächst weist die Beschwerde zu Recht darauf hin, dass jedenfalls nach bisheriger überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur im Rahmen der Auslegung alleine der Umstand, dass gemeinsame Kinder zu Schlusserben nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten bestimmt werden, den Schluss auf eine Wechselbezüglichkeit nicht zulasse, da Motiv für die Einsetzung gemeinsamer Kinder in der Regel die eigene enge Verbundenheit mit diesen und nicht die Erbeinsetzung der Kinder durch den anderen Ehegatten sei (vgl. u.a. BayObLG, Beschluss vom 04.03.1996, Az. 1 Z BR 160/95 , zitiert nach juris).
Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht nur um das Verhältnis der Schlusserbeneinsetzung des einen Ehegatten zur Schlusserbeneinsetzung des anderen Ehegatten, sondern um das Verhältnis zwischen der Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 1) durch die Erblasserin einerseits und deren Einsetzung durch ihren vorverstorbenen Ehemann als alleinige Erbin unter Ausschluss auch des Beteiligten zu 1) beim Tod des vorverstorbenen Ehegatten der Erblasserin anderseits. In einem derartigen Fall gilt die vorgenannte Lebenserfahrung nach überwiegender Auffassung jedenfalls nicht (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 16.01.2002, Az. IV ZB 20/01 , zitiert nach juris; Beschluss des erkennenden Senats vom 29.09.2006, a.a.O.). Bei einer derartigen Konstellation spricht bereits vieles dafür, dass Ehegatten mit ihrer Einsetzung des gemeinsamen Kindes als Schlusserben bei dessen Ausschluss im ersten Erbfall sicherstellen wollen, dass der überlebende Ehegatte dem ausgeschlossenen Kind die so zugewandte Erbenstellung nicht mehr entziehen können soll. Insoweit hat auch das OLG München (a.a.O) in einer neueren Entscheidung darauf hingewiesen, es liege schon nach der Lebenserfahrung nahe, dass die Einsetzung eines Erblassers durch seine erstverstorbene Ehefrau in Abhängigkeit zu dessen Einsetzung der gemeinsamen Kinder getroffen worden sei. Indem eine Ehefrau ihren Ehemann zum Alleinerben einsetze, übergehe und enterbe sie ihre eigenen Kinder; denn ihre eigene Schlusserbeinsetzung der Kinder werde im Fall ihres Vorversterbens gegenstandslos. Wer sein Vermögen letztendlich an die eigenen Kinder weitergeben wolle, sie aber trotzdem für den ersten eigenen Todesfall enterbe, tue das im Bewusstsein und Vertrauen darauf, dass wegen der Schlusserbeinsetzung des anderen Ehegatten das gemeinsame Vermögen eines Tages auf die Kinder übergehen werde. Das Gesetz schütze dieses Vertrauen der Eheleute in den Bestand einer solchen Regelung, indem es zu Lebzeiten beider Ehegatten einen einseitigen Widerruf nur in einer besonderen Form gestatte, die sicherstelle, dass der andere Ehegatte von dem Widerruf erfahre und indem es nach dem Tod des Erstversterbenden den Widerruf grundsätzlich ausschließe. Ähnlich hat auch das OLG Hamm (Beschluss vom 01.08.2006, Az. 15 W 447/05 , m.w.N., zitiert nach juris) argumentiert: Die Annahme der Wechselbezüglichkeit i.S. einer inneren Abhängigkeit zwischen der gegenseitigen Einsetzung der Eheleute zu Alleinerben und der Einsetzung der Kinder zu Erben des Längstlebenden folge in der Regel daraus, dass in einer intakten Familie die Vorstellung herrsche, dass das im Zeitpunkt des Todes des längstlebenden Ehepartners vorhandene Vermögen von diesem auf die gemeinsamen Kinder übergehen solle. Dieses Ziel könne dann jedoch erreicht werden, wenn die beiderseitigen Verfügungen zugunsten der Kinder im Sinne einer Wechselbezüglichkeit miteinander verbunden seien (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 01.08.2006, Az. 15 W 447/05 , m.w.N., zitiert nach juris).
Aber auch dann, wenn man dies – ohne Hinzukommen weiterer Indizien – nicht bereits als ausreichend für eine entsprechende Auslegung im Sinne einer Wechselbezüglichkeit ansehen will, wäre in diesem Fall wiederum auf die Auslegungsregel das § 2270 Absatz 2 BGB zurückzugreifen, wenn nicht positiv der Wille der Eheleute festgestellt werden kann, dass sie eine Wechselbezüglichkeit ihrer jeweiligen Verfügungen nicht wollten.
Für eine derartige positive Willensfeststellung reicht der vorliegende Sachverhalt selbst dann nicht aus, wenn man im Sinne der Beschwerde unterstellt, dass der Erblasserin – was unstreitig ist – formal das Hausgrundstück in der …straße … alleine gehörte und es die Erblasserin im Wesentlichen alleine gewesen ist, die dieses Vermögen und die Familie durch ihre berufliche Tätigkeit und ihre Haushaltsführung erhalten hat.
Zwar ist insoweit in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass auch die Vermögensverhältnisse von Eheleuten gegen eine Wechselbezüglichkeit sprechen können bzw. besonderen Anlass zur Prüfung der Wechselbezüglichkeit geben können, wenn der eine Ehegatten vermögend ist, während der andere kein oder im Verhältnis zu ihm nur ein geringes Vermögen hat, weil der vermögende Ehegatte an der eigenen Erbeinsetzung durch den vorverstorbenen vermögenlosen Ehegatten häufig kein Interesse haben könne; derartige unterschiedliche Vermögensverhältnisse alleine seien aber kein hinreichendes Indiz, das dazu führen müsste, eine Wechselbezüglichkeit zu verneinen (vgl. u.a. BGH, Beschluss vom 26.10.2011, Az. IV ZR 72/11 , zitiert nach juris; BayObLG, Beschluss vom 25.07.1984, Az. BReg 1Z 44/84 , OLG Köln, Beschluss vom 30.04.1993, Az. 2 Wx 58/92 , NJW-RR 1995, 397 f; OLG Hamm, Beschluss vom 07.11.1993, Az. 15 W 288/95, FamRZ 1995, 1022 ff ; OLG Brandenburg, Urteil vom 12.05.1998, Az. 10 U 35/97, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urteil vom 04.12.2003, Az. 10 U 36/03 , zitiert nach juris; Kanzleiter, a.a.O., Rn. 29, Lange, Erbrecht, 2011, Rn. 125). Weiterhin ist auch anerkannt, dass dann, wenn sicher festgestellt werden kann, dass der alleinvermögende Ehegatte den anderen Ehegatten ausschließlich sicherstellen wollte, gleichgültig, ob er auch seinerseits von dem anderen wirksam zum Erben eingesetzt würde oder nicht, die Auslegungsregel des § 2270 Absatz 2 FamFG als widerlegt angesehen werden könne (vgl. u.a. Kanzleiter, a.a.O.; KG, Beschluss vom 22.11.1934, Az. 1 b X 552/34, JW 1953, 1442 f).
Auch wenn die Beschwerde eine derartige Absicht der Erblasserin behauptet, kann auf eine derartige ausschließliche Absicht der Erblasserin alleine aus den insoweit oben angeführten und als wahr unterstellten Umständen nicht mit der notwendigen Sicherheit geschlossen werden, genauso wenig, wie von diesen Umständen im Übrigen auch keine ausreichende Indizwirkung gegen den Willen der Eheleute auf Wechselbezüglichkeit ausgeht.
Bereits der maßgebliche Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments spricht nämlich gegen eine derartige Auslegung.
Danach haben die Eheleute selbst – und nur auf deren subjektive Bewertung kommt es an – die zum maßgeblichen Zeitpunkt der gemeinschaftlichen Testamentserrichtung von ihnen wahrgenommenen tatsächlichen Umstände offensichtlich anders bewertet, als dies die Beteiligte zu 2) will.
So ergibt sich aus dem Inhalt des nach dem Schriftbild sogar von der Erblasserin selbst niedergeschriebenen gemeinschaftlichen Testaments schon keinerlei Anhalt dafür, dass die Eheleute – also gerade auch die Erblasserin – den unterschiedlichen Vermögensverhältnissen und der tatsächlichen jeweiligen Mitwirkung bei der Ausgestaltung der Versorgung der Familie überhaupt eine Bedeutung beigemessen haben, obwohl sie dieses Testament erst im jeweiligen Rentenalter errichtet haben, also zu einem Zeitpunkt, zu dem ihnen die als wahr unterstellten tatsächlichen Verhältnisse der Ehe bereits seit mehrere Jahrzehnten bekannt gewesen waren.
Dass diese tatsächlichen bisherigen Verhältnisse für die Eheleute selbst im Gegenteil vielmehr nicht entscheidend waren, folgt schon deutlich daraus, dass sie sogar das unstreitig im Alleineigentum der Erblasserin stehende Hausgrundstück in der …str. … als „unser“ bebautes Grundstück bezeichnet haben und die Beteiligte zu 2) den dortigen 1. Stock von ihnen gemeinsam – diesbezüglicher Testamentstext: „von uns“ – als Eigentumswohnung geschenkt erhalten sollte.
In diesem Sinne ist dann auch die weitere Wortwahl und der weitere Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments zu bewerten.
So haben die Eheleute nicht nur vor der Schlusserbeneinsetzung formuliert: „ist unser letzter Wille“, was man als Indiz für eine Wechselbezüglichkeit heranziehen könnte, jedenfalls dann, wenn weitere Umstände diese Auffassung stützen (vgl. Lange, a.a.O., Rn. 123 unter Bezugnahme auf BayObLG, Beschluss vom 26.01.1999, Az. 1 Z BR 44/98 , ZEV 1999, 227 ff). Sie haben vielmehr einleitend und übergreifend auch formuliert: „Wir, die unterzeichneten, haben folgendes vereinbart was wir als Testament anerkannt haben möchten.“ Die Wahl des Wortes „vereinbart“ spricht dafür, dass die von der Erblasserin niedergeschriebenen inhaltlichen Regelungen des gemeinschaftlichen Testaments vollständig das Ergebnis reiflicher Überlegungen der Eheleute auf Basis der ihnen bekannten tatsächlichen bisherigen und damals gegenwärtigen Lebensumstände waren, an die sie sich dann auch im Sinne einer Vereinbarung im weitesten Sinne gebunden fühlten.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es entgegen der Ansicht der Beschwerde unerheblich ist, ob die Eheleute ihre gemeinschaftlichen Verfügungen in Kenntnis der Auswirkung, die ein gemeinschaftliches Testament nach dem Tode des Erstversterbenden haben kann, getroffen haben. Hinsichtlich der Wechselbezüglichkeit kommt es vielmehr alleine auf die Übereinstimmung des Motivs an und nicht auf die Kenntnis der dann aus dem Gesetz folgenden Rechtsfolge der Wechselbezüglichkeit. Diese ist vielmehr nicht Erklärungsinhalt sondern beruht alleine auf rein tatsächlichen Voraussetzungen (Palandt, 73. Aufl. 2014, § 2078, Rn. 3 m.w.N.).
Dass jedenfalls die Eheleute selbst zum Errichtungszeitpunkt des Testaments auch davon ausgegangen sind, dass nicht nur die Erblasserin sondern auch deren vorverstorbener Ehemann über einen eigenen „Erbteil“ verfügte, bestätigt auch der weitere Wortlaut des gemeinschaftlichen Testaments, wenn es heißt, dass der Überlebende von beiden „das Erbteil des Verstorbenen“ im Falle seiner Wiederheirat unverzüglich an die gemeinsamen Kinder je zur Hälfte auszuzahlen habe. Dass diese Regelung ausschließlich für den Fall des Vorversterbens der Erblasserin gelten sollte, gibt schon der Wortlaut der letztwilligen Verfügung nicht her.
Auch wenn diese Wiederverheiratungsklausel vom Wortlaut im Übrigen nicht derjenigen entspricht, die dem vom Nachlassgericht zitierten Beschluss des BGH vom 16.01.2002 (a.a.O.) zugrunde lag, da dieser dort noch ein ausdrücklicher Zusatz beigefügt war, wonach der Überlebende dann nicht mehr an das gemeinschaftliche Testament gebunden sein sollte, bestätigt die vorliegende Wiederverheiratungsklausel aber auch, wie wichtig es den Eheleuten war, dass ihre beiden Kinder durch das gemeinschaftliche Testament soweit wie möglich davor geschützt würden, dass ihnen durch das Verhalten des Überlebenden wirtschaftliche Nachteile erwachsen würden. Auch dies spricht für einen Bindungswillen der Eheleute.
Letztlich führt auch eine ergänzende Testamentsauslegung nicht zu dem von der Beteiligten zu 2) gewünschten Ergebnis, denn es kann nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden, dass die Eheleute zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments der Erblasserin die Befugnis eingeräumt hätten, dieses wegen der – als wahr unterstellten – alleinigen Durchführung von deren Pflege durch die Beteiligte zu 2) zu Lasten des Beteiligten zu 1) abändern zu dürfen. Dies folgt schon daraus, dass ausweislich § 7 Nr. 1 des in Bezug genommenen Übergabevertrages vom 13.11.2002 hinsichtlich des Hausgrundstückes …straße … zwischen Erblasserin und Beteiligter zu 2) Einigkeit darüber bestand, dass die Beteiligte zu 2) die Erblasserin bereits seit Januar 1996 gepflegt hat und im Hinblick auf diese Pflege ihre Berufstätigkeit weitergehend aufgegeben hat. Wenn somit die Pflege der Erblasserin von der Beteiligten zu 2) schon drei Jahre vor dem Tod des Ehemannes in dieser Form durchgeführt worden ist, und dieser Umstand nicht zu einer Anpassung des gemeinschaftlichen Testaments geführt hat, kann auch nicht angenommen werden, dass dieser Umstand bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testament zu einer anderen Regelung geführt hätte und das Testament der Erblasserin vom 28.05.2001 nicht auf einem unbeachtlichen eigenen Willensentschluss der Erblasserin aufgrund eines Sinneswandels beruht (zu Letzterem vgl. BayObLG, Beschluss vom 08.06.1993, Az. 1Z BR 95/92 , zitiert nach juris).
Aber auch unabhängig davon unterliegt die von der Beteiligten zu 2) gewünschte ergänzende Testamentsauslegung – bei deren Ermittlung im Rahmen der Wechselbezüglichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.03.2011, Az. 31 Wx 93/10 , zitiert nach juris; Musielak, a.a.O., rn. 8 m.w.N) – hier schon im Hinblick die dezidierten Vereinbarungen der Eheleute im gemeinschaftlichen Testament erheblichen Bedenken, zumal nach Aktenlage auch im Übrigen kein Anhalt dafür besteht, dass die Eheleute bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments überhaupt die Vorstellung hatten, dass sich auch der Beteiligte zu 1) einmal an der Durchführung einer notwendig werdenden Pflege der Erblasserin zu beteiligen habe.
Somit kommt es auch nicht mehr darauf an, ob ein derartiger von der Beteiligten zu 2) behaupteter gemeinsamer hypothetischer Wille der Eheleute überhaupt – was notwendig ist – in dem gemeinschaftlichen Testament wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck kommt (vgl. u.a. BayObLG, Beschluss vom 26.01.1999, a.a.O.).
Wie oben bereits festgestellt, muss der Senat nicht abschließend entscheiden, ob aufgrund der obigen Darlegungen – was naheliegt – sogar positiv festgestellt werden könnte, dass die maßgebliche Schlusserbeneinsetzung des Beteiligten zu 1) durch die Erblasserin im Wechselbezug zu deren Erbeinsetzung durch ihren vorverstorbenen Ehemann steht. Jedenfalls führen die aufgezeigten Umstände dazu, dass das Fehlen der Wechselbezüglichkeit nicht positiv festgestellt werden kann, mit der Folge, dass sich die Wechselbezüglichkeit jedenfalls aus der Anwendung der Auslegungsregel des § 2270 Absatz 2 BGB ergibt.
Hinsichtlich der Gerichtskosten war eine ausdrückliche Auferlegung auf die Beteiligte zu 2) nicht erforderlich, da sich deren Verpflichtung zur Tragung dieser Kosten bereits aus § 22 Absatz 1 , 25 Absatz 1 GNotKG ergibt.
Die Entscheidung über die Erstattung von notwendigen Aufwendungen im Beschwerdeverfahren beruht auf § 84 FamFG . Der Senat sieht vorliegend keine Veranlassung, insoweit von dem dort angeordneten Regelfall abzuweichen.
Die Geschäftswertsetzung für das nach dem 01.08.2013 eingeleitete Verfahren der Beschwerde beruht auf den §§ 136 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG in Verbindung mit den §§ 61 Abs. 1 , Abs. 2 , 40 Abs. 1 GNotKG (vgl. Schleswig7Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 16.10.2014, Az. 3 Wx 104/13, zitiert nach juris; Senat Beschluss vom 03.03.2015, Az. 20 W 380/13, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei musste der Senat im Hinblick auf die Angaben der Beteiligten zu 2) in dem von ihr vorgelegten Nachlassverzeichnis – selbst unter Nichtberücksichtigung der Bestattungskosten – von einem überschuldeten Nachlass ausgehen, mit der Folge, dass eine Geschäftswertfestsetzung nur auf den Mindestwert bis 500,00 Euro erfolgen konnte (vgl. § 34 Abs. 2 GNotKG , Anlage 2 zu § 34 Abs. 3 GNotKG).
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind (§ 70 FamFG). Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Die Entscheidung beruht vielmehr im Ergebnis auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall. Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben (Keidel/ Meyer7Holz, FamFG, 18. Aufl., 2014, § 70 Rn. 4 und 41).