Die Feinheiten der Testamentsauslegung: Einzelne Vermögenswerte als Erbe
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat im Fall 3 W 19/23 entschieden, dass die Antragstellerin die Alleinerbin der Erblasserin ist. Trotz der im Testament nicht expliziten Erbeinsetzung, ergibt die Auslegung, dass die Antragstellerin sämtliche Vermögenswerte, einschließlich der nach Testamenterrichtung hinzugekommenen, erbt. Die Entscheidung beruht auf der individuellen Auslegung des Testaments und dem erkennbaren Willen der Erblasserin.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Aufhebung des Amtsgerichtsbeschlusses: Das Oberlandesgericht hebt den Beschluss des Amtsgerichts Cottbus auf und erklärt die Antragstellerin zur Alleinerbin.
- Erblasserintention im Fokus: Die Auslegung des Testaments basiert auf dem wirklichen Willen der Erblasserin, nicht nur auf dem Wortlaut.
- Individualisierte Testamentsinterpretation: Der Fall betont die Bedeutung der individuellen Testamentsauslegung gemäß §§ 133, 2084 BGB.
- Zuwendungen als Erbeinsetzung: Trotz der Zuwendung einzelner Gegenstände wurde die Antragstellerin als Alleinerbin angesehen.
- Vermögensverteilung: Die Erblasserin verteilte ihr gesamtes zum Testamentserstellungszeitpunkt vorhandenes Vermögen an die Antragstellerin.
- Unberücksichtigtes späteres Vermögen: Später hinzugekommenes Vermögen (38.688,63 €) ändert nichts an der Alleinerbenstellung.
- Keine Anhaltspunkte für eine beschränkte Erbeinsetzung: Es gibt keine Indizien dafür, dass die Erblasserin die Erbeinsetzung auf das ursprünglich vorhandene Vermögen beschränken wollte.
- Kosten des Beschwerdeverfahrens: Die Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
Übersicht
Testamentsauslegung und Erbeinsetzung: Ein rechtliches Puzzle
Im Zentrum des Erbrechts steht oft die Interpretation von Testamenten, speziell wenn es um die Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände und deren Bedeutung für die Erbeinsetzung geht. Die Auslegung solcher Testamente kann eine Herausforderung darstellen, besonders wenn der Testamentwortlaut nicht eindeutig ist oder verschiedene Interpretationen zulässt. Dabei spielen sowohl die Absichten des Erblassers als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen eine wesentliche Rolle. Die Gerichte, wie das Oberlandesgericht Brandenburg, sind gefordert, aus den vorliegenden Dokumenten und Beweisen den wahren Willen des Erblassers zu ermitteln und entsprechend zu urteilen.
Diese Einleitung führt uns zu einem spezifischen Fall, in dem das Oberlandesgericht Brandenburg eine entscheidende Rolle spielte. Die Beschwerde einer Antragstellerin und die damit verbundenen juristischen Feinheiten bilden den Kern dieses Falls. Wir tauchen ein in eine Welt, in der jeder Satz und jedes Wort in einem Testament tiefgreifende Folgen haben kann. Lassen Sie uns gemeinsam die Details dieses faszinierenden Falls erkunden und verstehen, wie juristische Expertise und akribische Analyse zu einer gerechten Entscheidung führen.
Das Oberlandesgericht Brandenburg und die Testamentsauslegung
Das Oberlandesgericht Brandenburg stand vor einer herausfordernden Aufgabe, als es darum ging, das Testament einer verstorbenen Erblasserin zu interpretieren. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände in einem Testament als Erbeinsetzung zu werten sei. Die Erblasserin hinterließ ein handschriftlich verfasstes Testament, in dem sie ihre Tochter A.S., die ein Grundstück erworben hatte, als Empfängerin aller beweglichen Gegenstände, wie Möbel und Hausrat, bestimmte. Sie erwähnte außerdem, dass für eine andere Tochter, R.P., nichts mehr zu erben sei, da diese bereits zuvor bedacht worden war.
Die juristische Herausforderung der Erbeinsetzung
Das rechtliche Problem in diesem Fall lag in der Interpretation des Testamentes. Das Nachlassgericht Cottbus hatte ursprünglich entschieden, dass keine Erbeinsetzung vorliege, da die Erblasserin davon ausgegangen sei, keinen werthaltigen Nachlass zu hinterlassen. Die Antragstellerin, Tochter A.S., legte gegen diesen Beschluss Beschwerde ein. Sie argumentierte, dass die Erblasserin sie als Alleinerbin eingesetzt habe. Die Besonderheit lag hier in der Auslegung des Testamentwortlauts und der Absicht der Erblasserin, was eine juristische Herausforderung darstellte.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Brandenburg
In seinem Urteil hob das Oberlandesgericht Brandenburg den Beschluss des Amtsgerichts auf und erkannte die Antragstellerin als Alleinerbin an. Das Gericht betonte die Wichtigkeit der individuellen Auslegung des Testamentes nach § 133 BGB, wobei der tatsächliche Wille des Erblassers und nicht der buchstäbliche Wortlaut ausschlaggebend sei. Es wurde festgestellt, dass die Erblasserin die Antragstellerin als Alleinerbin einsetzen wollte. Dieses Urteil unterstreicht, dass die Testamentsauslegung eine detaillierte Betrachtung jedes Einzelfalles erfordert und der erklärte Wille des Erblassers eine zentrale Rolle spielt.
Das Testament und seine Auswirkungen
Zum Zeitpunkt der Testamentserstellung besaß die Erblasserin neben den im Testament genannten Gegenständen kein weiteres Vermögen. Jedoch hatte sie zum Zeitpunkt ihres Todes Ersparnisse in Höhe von 38.688,63 €. Das Gericht entschied, dass auch dieses spätere Vermögen unter die Erbeinsetzung fällt, da keine Anhaltspunkte für eine Beschränkung auf das ursprünglich vorhandene Vermögen vorlagen. Diese Entscheidung illustriert, wie in der Rechtsprechung mit unvorhergesehenen Vermögensänderungen nach der Testamentserrichtung umgegangen wird.
Diese umfassende Analyse des Oberlandesgerichts Brandenburg im Fall 3 W 19/23 zeigt deutlich, wie komplex und vielschichtig die Interpretation von Testamenten sein kann. Sie verdeutlicht die Notwendigkeit einer gründlichen juristischen Prüfung und die Bedeutung des wirklichen Willens des Erblassers. Dieses Urteil wird als wegweisend für ähnliche Fälle in der Zukunft dienen.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Wie wird eine Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände in einem Testament behandelt?
Die Zuwendung einzelner Vermögensgegenstände in einem Testament kann in Deutschland entweder als Erbeinsetzung oder als Vermächtnis behandelt werden. Die Unterscheidung ist entscheidend, da sie unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich zieht.
Bei einer Erbeinsetzung wird der Begünstigte als Erbe eingesetzt und erhält damit eine unmittelbare Beteiligung am Nachlass. Im Gegensatz dazu erwirbt der Begünstigte bei einem Vermächtnis lediglich einen Anspruch gegen den Erben oder den Beschwerten, ohne selbst Erbe zu sein.
Nach § 2087 Abs. 2 BGB ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass der Bedachte Erbe sein soll, wenn ihm nur einzelne Gegenstände des Nachlasses zugewendet werden. In solchen Fällen wird die Zuwendung in der Regel als Vermächtnis angesehen. Um die Absicht des Erblassers zu ermitteln, ist eine Auslegung des Testaments erforderlich. Dabei kommt es auf die Vorstellungen des Erblassers bei der Testamentserrichtung an.
Bei nachträglichen Vermögensveränderungen ist im Wege ergänzender Testamentsauslegung zu ermitteln, ob sich die Erbeinsetzung auch auf den bis zum Erbfall hinzugekommenen Nachlass bezieht. Gegenstand eines Vermächtnisses kann alles sein, was auch Inhalt einer Leistung sein kann, wie zum Beispiel eine bestimmte Geldsumme, eine Briefmarkensammlung oder ein Grundstück.
Ein privates Testament ist nur wirksam, wenn bestimmte Formerfordernisse beachtet werden (§ 2247 BGB): Es muss von demjenigen, der damit über sein Vermögen für den eigenen Todesfall verfügen will, vollständig handgeschrieben und unterschrieben sein.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 19/23 – Beschluss vom 18.04.2023
1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 17.11.2022, Az. 123 VI 416/21, aufgehoben.
2. Die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, werden als festgestellt erachtet.
3. Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beteiligten sind die Töchter der Erblasserin, die am 04.06.2020 verstarb.
Nach der Erblasserin wurde ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit folgendem Wortlaut eröffnet:
„K… A…
Mein Testament
Ich … … geb. … .27 ordne hiermit an
Meine Tochter A… S…, mit Sohn S… S…,
die das Grundstück erworben hat die sämtliche
beweglichen Gegenstände wie Möbel und Hausrat
übernimmt. Wohn- und Schlafzimmer bewohne
ich solange ich lebe, dann geht es an den Grundstücks-
eigentümer über für meine Pflege, die ja zur Zeit
schon nötig ist.
Frau R… P… hat von mir schon erhalten
was ich besessen habe. Zu erben ist nichts mehr.
Sie kann die Geschenke nach Wunsch erhalten:
den Wäschekorb, den Wärmeschuh was ich benutzt
habe
V… Z… kann den Blumenkorb mitnehmen
Ihren kleine runden Tisch hat R… vor Jahren mitgenommen
2002
A… K…
D…
So dürfte das alles geregelt sein. Mein letzter Wunsch
ist, „bleibt einig unter euch“,
Eure Mutter
2008
A… K…“
Zum Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes in den Jahren 2002 und 2008 hatte die Erblasserin neben dem im Testament genannten beweglichen Hausrat und der Wohnungseinrichtung kein weiteres Vermögen. Zum Zeitpunkt ihres Todes hatte sie Ersparnisse in Höhe von 38.688,63 €.
In den Jahren 2018, 2019 und 2020 erteilte die Erblasserin der Antragstellerin eine Bankvollmacht, eine Vorsorgevollmacht und eine Bestattungsvollmacht.
Die Antragstellerin begehrt auf der Grundlage des Testamentes einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Die Beteiligte zu 2 tritt dem entgegen. Sie ist der Auffassung, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.
Das Nachlassgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 17.11.2022 zurückgewiesen.
Ausweislich des Testamentwortlauts sei die Erblasserin davon ausgegangen, dass sie keinen werthaltigen Nachlass hinterlasse (“Zu erben ist nichts mehr“). Schon daraus ergebe sich, dass sie mit dem Testament keine Regelung zur Änderung der Erbfolge habe treffen wollen. Zwar habe sie bestimmt, dass das in ihrer Vorstellung Wesentliche ihres Nachlasses die Antragstellerin erhalten solle, dennoch sei darin keine Erbeinsetzung zu sehen. In der Übertragung der Möbel und des Hausrates habe sie einen Ausgleich für die ihr durch die Antragstellerin angediehene Pflege gesehen. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass sie mit dieser Verfügung diese zu ihrer Gesamtrechtsnachfolgerin habe machen wollen. Aus den erst später erteilten Vollmachten könne nichts anderes geschlossen werden. Maßgeblich sei die Vorstellung der Erblasserin in den Jahren 2002 oder 2008. In der Übertragung des Inventars liege lediglich ein Vermächtnis zugunsten der Antragstellerin. Soweit im Zeitpunkt des Todes werthaltiger Nachlass vorhanden gewesen sei, gelte die gesetzliche Erbfolge.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
Bei der Formulierung im Testament “Zu erben ist nichts mehr“ handele es sich um eine Anordnung, die allein die Beteiligte zu 2 betreffe. Dies ergebe sich schon aus der Anordnung im Testament, in dem jeder Tochter ein Abschnitt gewidmet sei. Die Beteiligte zu 2 habe 1997, als auf die Antragstellerin das Haus K… übertragen werden sollte, Grundstücke der Familie L… übertragen bekommen. Dies sei mit der Aussage, die Beteiligte zu 2 „hat von mir schon erhalten was ich besessen habe“ gemeint. Mit den Geschenken seien die Geschenke der Frau P… an die Erblasserin gemeint, die sie habe zurückbekommen sollen. Das gleiche treffe auf das Blumenkörbchen der Frau D… K… zu.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die nach §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Die Antragstellerin ist Alleinerbin der Erblasserin geworden.
a)
Zwar hat die Erblasserin die Beschwerdeführerin in dem Testament von 2002 nicht ausdrücklich als ihre Alleinerbin eingesetzt.
Die Verfügung ist jedoch auszulegen, wobei es nach § 133 BGB auf den wirklichen Willen eines Testierenden ankommt und nicht zwingend an dem von ihm buchstäblich gewählten Sinn des Ausdrucks zu haften ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.10.2021 – 20 W 24/21, ZEV 2022, 274 Rn. 19). Ausgangspunkt der Auslegung ist zwar der Wortlaut der Verfügung, Vorrang hat aber stets der wirkliche erklärte Wille des Erblassers, der sich auch aus dem Zusammenhang mit anderen Teilen des Testaments und der Gesamtheit der zu berücksichtigenden Umstände (auch außerhalb des Testaments) ergeben kann.
b)
Gemäß § 2087 Abs. 2 BGB ist die Zuwendung nur einzelner Gegenstände im Zweifel allerdings nicht als Erbeinsetzung aufzufassen. Die Vorschrift kommt jedoch erst dann zur Anwendung, sofern im Wege der individuellen Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) kein anderer Erblasserwillen festgestellt werden kann. Führt diese zu einem eindeutigen Ergebnis, ist für die Anwendung der gesetzlichen Regel kein Raum (Senatsbeschluss vom 22.02.2022, 3 W 31/22; OLG München, FGPrax 2020, 141; OLG Saarbrücken, Urteil vom 13.02.2019 – 5 U 57/18; BGH, Urteil vom 22. März 1972 – IV ZR 134/70, FamRZ 1972, 561; Beschluss vom 12. Juli 2017 – IV ZB 15/16, NJW-RR 2017, 1035; Rudy, in: MünchKommBGB 8. Aufl., § 2087 Rn. 1).
Für die Annahme einer Erbeinsetzung – entgegen dem Wortlaut des § 2087 Abs. 2 BGB – kann trotz Zuwendung nur einzelner Gegenstände sprechen, wenn der Erblasser sein Vermögen vollständig den einzelnen Vermögensgegenständen nach verteilt hat, wenn er dem Bedachten die Gegenstände zugewendet hat, die nach seiner Vorstellung das Hauptvermögen bilden, oder nur Vermächtnisnehmer vorhanden wären und nicht anzunehmen ist, dass der Erblasser überhaupt keine Erben berufen und seine Verwandten oder seinen Ehegatten als gesetzliche Erben ausschließen wollte. Entsprechendes kann gelten, wenn der Nachlass durch die Zuwendung des wertmäßigen Hauptnachlassgegenstands, etwa eines Hausgrundstücks, im Wesentlichen erschöpft wird oder der objektive Wert das übrige Vermögen an Wert so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn als seinen wesentlichen Nachlass angesehen hat (Senatsbeschluss vom 10.08.2022, 3 W 67/22; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2017 – IV ZB 15/16, NJW-RR 2017, 1035; vgl. BayObLG, NJW-RR 2003, 150; FamRZ 2005, 1202). Mithin ist zu fragen, ob der Erblasser bei Errichtung des Testaments in den zugewendeten Gegenständen im Wesentlichen seinen Nachlass erblickt hat, ihn also durch die Zuwendung hat erschöpfen wollen (OLG Saarbrücken (5. Zivilsenat), Urteil vom 13.02.2019 – 5 U 57/18 m.w.N.).
c)
Hier ergibt die Auslegung der Verfügung aus dem Jahr 2002, von der Erblasserin bestätigt im Jahr 2008, dass die Erblasserin die Beschwerdeführerin als ihre Alleinerbin einsetzen wollte und sie nicht nur im Wege eines Vermächtnis bedenken wollte.
Nicht gefolgt werden kann der Einschätzung des Nachlassgerichts, dass sich schon aus dem Wortlaut des Testaments ergebe, dass die Erblasserin keine Regelung über die Erbfolge habe treffen wollen. Dies lässt sich dem Passus des Testaments, in dem es heißt „zu erben ist nichts mehr“, nicht entnehmen. Aus dem Zusammenhang des Testamentes ergibt sich, dass die Erblasserin hinsichtlich jeder ihrer Töchter bestimmte, nur diese betreffenden Anordnungen getroffen hat. Das Testament ist in drei Abschnitte untergliedert, jeder Abschnitt befasst sich mit einer der Beteiligten. Der zitierte Passus betrifft allein die Anordnung, die die Beteiligte zu 2 betrifft. Er folgt unmittelbar auf den Satz: „Frau R… P… hat von mir schon erhalten was ich besessen habe“. Damit gibt sie durch den zitierten Satz nur zu verstehen, dass die Beteiligte zu 3 darüber hinaus nichts erben soll, nicht aber, dass sie überhaupt keine Anordnung über ihre Erbfolge treffen will. Bestätigt wird dies durch den folgenden Satz, in dem sie der Beteiligten zu 2 zwei einzelne, unbedeutende Gegenstände zuweist.
Der Wortlaut des Testaments steht also einer Auslegung zugunsten einer Alleinerbenstellung der Antragstellerin nicht entgegen.
d)
Unter Anwendung der oben dargelegten Grundsätze ist davon auszugehen, dass die Erblasserin die Antragstellerin als ihre Alleinerbin einsetzen wollte.
Sie hat der Antragstellerin in dem ersten Teil ihres Testaments sämtliche beweglichen Gegenstände und den gesamten Hausrat zugewendet. Zum Zeitpunkt der Abfassung des Testamentes hatte die Erblasserin neben dem Hausrat und den beweglichen Gegenständen kein weiteres Vermögen. Sie hat also verfügt, dass die Antragstellerin – mit Ausnahme dreier unbedeutender Gegenstände – sämtliches Vermögen erhalten sollte, das sie zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments besaß. Darin ist eine Einsetzung der Antragstellerin als Erbin zu sehen, da es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie keine Erbeinsetzung vornehmen wollte, sondern es bei der gesetzlichen Erbfolge verbleiben sollte, obwohl sie ihr gesamtes Vermögen verteilt hat. Vielmehr spricht die ausdrückliche Erwähnung im Testament, dass für die Beteiligte zu 2 nichts mehr zu erben sei, dass sie den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge gerade nicht wollte. Dafür, dass sie die Erbfolge abschließend regeln wollte, spricht auch der im Jahr 2008 zugefügte Satz “So dürfte das alles geregelt sein“. Dass sie als Motiv für ihre Zuwendung die Pflege, die sie erhalten hat, angegeben hat, steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Die Angabe des Motivs sagt nichts darüber aus, ob die Zuwendung als Erbeinsetzung anzusehen ist.
2.
Der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls über die im Testament erwähnten Gegenstände und den Hausrat hinaus Geldvermögen im Wert von ca 38.000 € vorhanden war, ändert an der Stellung der Antragstellerin als Alleinerbin nichts.
a)
Für die Auslegung, ob der Erblasser durch Zuwendung von Gegenständen in Wahrheit Erbquoten zuwenden wollte, kommt es auf seine Vorstellungen hinsichtlich des Bestands des Nachlasses – somit einschließlich der Erwartungen hinsichtlich künftigen Erwerbs – bei Errichtung der letztwilligen Verfügung an; zu diesem Zeitpunkt unbekanntes Vermögen oder späterer, nicht vorausbedachter Erwerb kann an dieser Auslegung grundsätzlich nichts ändern, sondern allenfalls Anlass für eine ergänzende Auslegung, unter Umständen für eine Testamentsanfechtung (§ 2078 Abs. 2) sein (BGH, Beschluss vom 12.07.2017, IV ZB 15/16, NJW-RR 2017, 1035 ff;.MüKoBGB/Rudy, 9. Aufl. 2022, BGB § 2087 Rn. 12).
Es ist also Auslegungsfrage, ob die Zuwendung einer Sachgesamtheit, die bei Testamentserrichtung den Nachlass praktisch erschöpfte und daher als Einsetzung zum Alleinerben anzusehen war, bei erheblichem späteren Vermögenserwerb ebenfalls auf den gesamten Nachlass zu erstrecken oder auf die zunächst erfassten Werte zu beschränken ist. Dasselbe gilt, wenn im Testament der wertmäßige Hauptgegenstand des Nachlasses einer Person zugewendet wurde und diese Verfügung als Einsetzung zum Alleinerben auszulegen wäre. Tritt in einem solchen Fall – vom Erblasser unerwartet – erhebliches Vermögen hinzu, so ist es eine Frage der ergänzenden Testamentsauslegung, ob auch das hinzugekommene Vermögen dem mit dem ursprünglichen Hauptgegenstand Bedachten zufallen soll oder ob insoweit entsprechend § 2088 Abs. 1 BGB gesetzliche Erbfolge eintreten soll.
b)
Eine ergänzende Auslegung kommt nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes allerdings erst dann in Betracht, wenn nach dem Erblasserwillen die Erbeinsetzungen entsprechend den angegebenen Wertverhältnissen nicht auch den späteren Erwerb erfassen sollten. Eine Lückenhaftigkeit des Testaments als Voraussetzung einer ergänzenden Auslegung ist danach nur dann zu bejahen, wenn die durch Auslegung ermittelte Erbeinsetzung nach dem Regelungsplan des Erblassers einen späteren unvorhergesehenen Vermögenserwerb nicht erfassen sollte (BGH, Beschluss vom 12.07.2017, IV ZB 15/16, NJW-RR 2017, 1035 ff; MüKoBGB/Rudy, 9. Aufl. 2022, BGB § 2087 Rn. 12).
Der Hinzuerwerb von Vermögenswerten nach der Testamentserrichtung ändert also an der zur Überzeugung des Gerichts gegebenen Erbeinsetzung nur dann etwas, wenn im Einzelfall im Wege ergänzender Auslegung festgestellt werden kann, dass der Regelungsplan des Erblassers den nachfolgenden, unvorhergesehenen Vermögenserwerb nicht erfassen sollte, d.h. der Erblasser den Bedachten auf den Gegenstand der Zuwendung beschränken wollte (vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2017 – IV ZB 15/16, Anmerkung von Wolfgang Litzenburger, FD-ERbR 2017,394092; BeckOGK/Gierl, 1.3.2023, BGB § 2087 Rn. 40).
c)
Dies lässt sich hier nicht feststellen. Es sind im Testament keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Erbeinsetzung der Antragstellerin auf das zum Zeitpunkt der Abfassung des Testaments vorhandene Vermögen beschränkt sein sollte. Dass es der Erblasserin gerade und nur um die Zuwendung des Hausrates und der Möbel ging, ist nicht erkennbar. Anhaltspunkte dafür ergeben sich auch nicht aus außerhalb der Testamentsurkunde liegenden Umständen. Es verbleibt damit bei der uneingeschränkten Einsetzung der Antragstellerin als Alleinerbin.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG.