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Testamentseröffnung durch Nachlassgericht bei Vorlage nur einer privaten Kopie

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 119/22 – Beschluss vom 19.08.2022

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Nachlassgerichts vom 17. März 2022 abgeändert.

Das Nachlassgericht wird angewiesen, die Kopie des Testaments vom 2. Januar 1976 gemäß § 348 FamFG zu eröffnen.

Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist die Ehefrau des Erblassers und sie hat die Kopie eines vom Erblasser unter dem Datum des 2. Januar 1976 errichteten Testaments, das sie als Alleinerbin bestimmt, zur Eröffnung beim Nachlassgericht eingereicht. Dazu hat sie vorgetragen, der Erblasser habe diese Kopie gefertigt und ihr zur Aufbewahrung überreicht. Aus welchem Grunde er ihr nicht auch das Original übergeben habe, sei nicht bekannt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Eröffnung der Testamentskopie abgelehnt. Mangels hinreichender Gewähr einer vollständigen und unverfälschten Wiedergabe sei eine Kopie nicht zu eröffnen.

Hiergegen beschwert sich die Beteiligte. Das Nachlassgericht hat an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten und zur Begründung seines Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses ergänzend ausgeführt, ob das Testament Grundlage für die Erteilung eines die testamentarische Erbfolge ausweisenden Erbscheins sein könne, sei im Erbscheinserteilungsverfahren zu prüfen; ein die testamentarische Erbfolge ausweisender Erbschein könne trotz Nichteröffnung der Testamentskopie beantragt werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte verwiesen.

II.

Die nach Maßgabe von §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten gegen die vom Nachlassgericht abgelehnte Eröffnung der von der Beteiligten eingereichten Testamentskopie ist begründet.

Nach § 348 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Nachlassgericht, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt, eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen zu eröffnen. Die sich im hiesigen Verfahren stellende Frage, ob auch die Kopie eines Testaments zu eröffnen ist, wird nicht einheitlich beantwortet.

Das Amtsgericht hat sich im angefochtenen Beschluss der in der älteren Rechtsprechung (soweit ersichtlich zuletzt: BayObLG NJWE-FER 2000, 165) und von Teilen der Literatur (MüKo FamFG/Muschler, 3. Aufl. 2019, § 348 Rn. 12, mit weiteren Nachweisen in Fußnote 37; s. auch zu § 2260 BGB, der durch § 348 FamFG ersetzt wurde: MüKo BGB/Hagena, 4. Aufl. 2004, §§ 2260 Rn. 15 mit weiteren Nachweisen in der Fußnote 29; Prütting/Helms-Fröhler, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 348 Rn. 15; BeckOK/Schlögel, FamFG, 43. Edition, Stand: 1. Juli 2022, § 348 Rn. 7; Bumiller/Harders-Harders, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 348 Rn. 7; Kroiß/Horn/Solomon-Poller, Nachfolgerecht, 2. Aufl. 2019, § 348 FamFG Rn. 10; Firsching/Graf-Krätzschel, Nachlassrecht, 11. Aufl. 2019, § 37 Rn. 3 ) vertretenen Auffassung, wonach einfache Abschriften oder Kopien einer letztwilligen Verfügung nicht zu eröffnen sind, angeschlossen. Zur Begründung dieser Sichtweise wird angeführt, bei einer einfachen Abschrift einer letztwilligen Verfügung oder einer Kopie bestehe keine hinreichende Gewähr einer vollständigen und unverfälschten Wiedergabe des vollen Inhaltes (MüKo FamFG/Muschler, a.a.O., § 348, Rn. 12). Ferner wird darauf verwiesen, dass auch ein verloren gegangenes Testament nicht eröffnet werden könne, gleichwohl ein Erbschein erteilt werden könne (Firsching/Graf-Krätzschel, Nachlassrecht, a.a.O., § 37 Rn. 3).

Die gegenteilige Auffassung hat jüngst das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 7. April 2021, 31 Wx 108/21, juris) vertreten und zur Begründung darauf verwiesen, dass die Erbfolge auch auf der Grundlage von nur noch in Kopie vorhandenen Testamenten festgestellt werden könne; dann sei konsequenterweise auch die Kopie zu eröffnen. Die eine Pflicht des Nachlassgerichts zur Eröffnung auch einer Testamentskopie bejahenden Literaturstellen verweisen auf die weiteren von der Eröffnung abhängenden Wirkungen, dies sind z.B. der Beginn der Ausschlagungsfrist, Mitteilungen an das Grundbuchamt sowie an das Erbschaftssteuerfinanzamt (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 348 Rn. 15, mit weiteren Nachweisen in Fußnote 18; zu den Folgen der Eröffnung: § 348 Rn. 37 ff.), und auf den Normzweck von § 348 FamFG (Haußleiter/Schemmann, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 348 Rn. 3; ohne Begründung: Burandt/Rojahn-Gierl, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 348 Rn. 2).

Der Senat schließt sich der zweitgenannten Auffassung an. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

Sinn und Zweck des Testamentseröffnungsverfahrens ist es, im öffentlichen Interesse, nämlich im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit durch zeitnahe amtliche Feststellung und Bekanntgabe vorhandener Verfügungen von Todes wegen ganz gleich welcher Art, eine geordnete Nachlassabwicklung sicherzustellen. Daneben soll dem privaten Interesse der Beteiligten Rechnung getragen werden und ihnen soll durch die Testamentseröffnung zeitnah die Gelegenheit gegeben werden, die Verfügung auf ihre Rechtswirksamkeit und ihren Inhalt hin zu überprüfen sowie ihre Rechte am Nachlass wahrzunehmen (vgl. statt aller: MüKo FamFG/Muschler, a.a.O., § 348 Rn. 1). Die Testamentseröffnung ist dem Rechtspfleger übertragen, § 3 Nr. 2 c RPflG; geboten ist eine beschleunigte Sachbehandlung (vgl. Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rn. 19). Dementsprechend findet auch nur eine summarische Plausibilitätsprüfung dahingehend statt, ob sich das dem Nachlassgericht vorliegende Schriftstück nach Form und Inhalt als Verfügung von Todes wegen darstellen kann. Ob ein Schriftstück den materiell-rechtlichen Anforderungen an eine wirksame Verfügung von Todes wegen genügt, ist im Eröffnungsverfahren nicht zu entscheiden; im Zweifel hat die Eröffnung zu erfolgen (MüKo FamFG/Muschler, a.a.O., § 348 Rn. 10). Vorstehende Grundsätze, die allgemein anerkannt sind, sprechen für die Eröffnung auch eines nur in Kopie vorhandenen Testaments. Im Einzelfall mag nämlich gerade nicht ohne weiteres zu erkennen sein, ob es sich bei einem Schriftstück um eine Kopie handelt. Dem Wesen des Testamentseröffnungsverfahrens liefe es jedoch zuwider, wenn ein Streit hierüber in das Verfahren über die Testamentseröffnung (vor-)verlagert würde.

Hinzu kommt folgende Überlegung: ebenfalls allgemein anerkannt ist, dass auch offensichtlich formunwirksame Testamente zu eröffnen sind (BeckOK FamFG/Schlögel, a.a.O., § 348 Rn. 6; Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rn. 13), da sie möglicherweise als Auslegungshilfe zur Ermittlung des Erblasserwillens in Betracht kommen können. Diese Erwägung gilt aber auch für die Kopie eines Testaments. Welche Folgerungen aus einem nur in Kopie vorliegenden Testament möglicherweise zu ziehen sein können, ist aber zu dem frühen Stadium der Testamentseröffnung nicht absehbar.

Das Argument der Gegenauffassung, wonach eine Kopie nicht eröffnet werden könne, da keine Gewähr für die vollständige und unverfälschte Wiedergabe des Inhaltes bestehe, verfängt nach Auffassung des Senats nicht. Dieselbe Gefahr besteht auch bei Testamenten, die nicht unterschrieben sind (etwa weil die Unterschrift fehlt, oder weil die „Unterschrift“ an der Seite des Testamentstextes oder oberhalb des Textes aufgebracht ist). Als Abschluss der Urkunde muss die Unterschrift am Schluss des Textes stehen, den Urkundentext also räumlich abschließen, um ihn damit vor nachträglichen Ergänzungen und Zusätzen zu sichern (BayObLG NJW-RR 2004, 939). Testamente ohne Unterschrift bzw. mit „Oberschrift“ oder „Nebenschrift“ sind möglicherweise materiell-rechtlich unwirksam, § 2247 Abs. 1 BGB, gleichwohl sind sie unzweifelhaft zu eröffnen. Wird zudem vergegenwärtigt, dass allein die Eröffnung eines Schriftstücks als Testament gemäß § 348 FamFG nichts für seine Wirksamkeit besagt, die Klärung dieser Frage vielmehr Gegenstand insbesondere eines Erbscheinsverfahrens oder einer Erbenfeststellungsklage ist, ist es nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt, der Gefahr der Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit der Kopie eine solche Bedeutung zuzumessen, dass eine Eröffnung nicht zulässig wäre.

Als nicht überzeugend ist die zur Begründung der Unzulässigkeit der Eröffnung einer Kopie gezogene Parallele zum abhanden gekommenen Testament, bei dem eine Eröffnung nicht möglich ist, zu bewerten. Anders als beim abhanden gekommenen Testament liegt bei einer Testamentskopie jedenfalls physisch ein Schriftstück vor, das eröffnet werden kann.

Sprechen nach Auffassung des Senats nach alledem die besseren Gründe für die Eröffnung der von der Beteiligten vorgelegten Testamentskopie, war das Nachlassgericht wie geschehen anzuweisen.

III.

Kosten fallen für das erfolgreiche Rechtsmittel nicht an, §§ 22, 25 GNotKG, dementsprechend erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung von Amts wegen.

Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, besteht nicht, § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

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