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Testamentseröffnung – Zweifel am Testierwillen des Erblassers

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 26/14 –  Beschluss vom 29.07.2014

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Amtsgericht wird angewiesen, den Antrag vom 26.03.2013 nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

Notwendige Aufwendungen werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Erblasser hat eine letztwillige Verfügung vom 10.05.2000 hinterlassen, wegen deren genauen Inhalts auf Blatt 18 der Akte verwiesen wird. Aufgrund dieser letztwilligen Verfügung ist den weiteren Beteiligten zu 1. bis 3. am 14.11.2011 ein gemeinschaftlicher Erbschein dahingehend erteilt worden, dass diese Erben zu jeweils 1/3 Anteil seien. Auf Blatt 69 d. A. wird wegen des Inhalts dieses Erbscheins Bezug genommen.

Der Antragsteller zu 1. hat dem Nachlassgericht mit Schreiben vom 20.04.2012 ein Schriftstück vom 24.06.2002 vorgelegt und um Berücksichtigung dieses Schreibens gebeten. Die Rechtspflegerin beim Nachlassgericht hat hierauf mit Verfügung vom 14.05.2012 (Bl. 75 d. A.) reagiert. Mit Schreiben vom 26.03.2013 (Bl. 79 ff. d. A.) haben die Antragsteller sodann die Auffassung geäußert, aufgrund dieses Schreibens Mitvermächtnisnehmer hinsichtlich des Miterbenanteils des Erblassers an einem Grundstück – der zu dem Nachlass des Erblassers gehöre -zu sein. Sie haben die Auffassung vertreten, dass dieses Schriftstück gemäß § 140 BGB in ein Testament des Erblassers umzudeuten sei, welches lediglich ein Vermächtnis zugunsten der Antragsteller und der übrigen Miterben aussetze. Sie haben gebeten, das Schriftstück als letztwillige Verfügung des Erblassers zu eröffnen. Wegen des genauen Inhalts dieses Schriftstückes vom 20.04.2012 wird auf Bl. 86 d. A. verwiesen. Die weiteren Beteiligten zu 1. und 2. sind dem Antrag ausweislich ihres Schriftsatzes vom 29.04.2013 (Bl. 88 d. A.) entgegen getreten. Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 98 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat die Rechtspflegerin beim Nachlassgericht den Antrag der Antragsteller zu 1. und 2. vom 26.03.2013 auf Eröffnung des eingereichten Schriftstücks des Erblassers vom 24.06.2002 als letztwillige Verfügung zurückgewiesen.

Gegen diesen am 26.08.2013 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller mit am 30.08.2013 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Die Rechtspflegerin beim Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie ausweislich des Beschlusses vom 20.01.2014 (Bl. 104 ff. d. A.) dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die weiteren Beteiligten zu 1. und 2. haben zur Beschwerde mit Schriftsatz vom 06.02.2014 (Bl. 115 ff. d. A.) Stellung genommen. Der Antragsteller  zu 1. und der weitere Beteiligte zu 3. sind verstorben.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Die Ablehnung des Nachlassgerichts, ein Schriftstück als Testament zu eröffnen, ist grundsätzlich mit dem Rechtsmittel der Beschwerde anfechtbar (vgl. die Nachweise bei OLG Köln NJW-RR 2004, 1014; Firsching/Graf, Nachlassrecht, 10. Aufl., Rz. 4.47). Die Antragsteller, die sich aufgrund des Schriftstückes als Vermächtnisnehmer ansehen, sind insoweit beschwerdeberechtigt, da ihr Recht durch die Unterlassung der Eröffnung beeinträchtigt wäre (vgl. hierzu die Nachweise bei Firsching/Graf, a.a.O., Rz. 4.47); im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung ist eine mögliche Rechtsbeeinträchtigung im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG hinreichend (vgl. auch Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 59 Rz. 20 ff.).

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Nachlassgericht die Eröffnung des Schriftstücks als Verfügung des Erblassers von Todes wegen abgelehnt.

Nach § 348 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Nachlassgericht, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt hat, eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen zu eröffnen. Damit sind alle letztwilligen Verfügungen gemeint, die zu den Akten des Nachlassgerichts gelangt sind (Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rz. 10). Dazu gehört auch das hier zu den Nachlassakten eingereichte und vom Erblasser stammende Schriftstück vom 24.06.2002.  Das Nachlassgericht muss alle bei ihm befindlichen Verfügungen von Todes wegen eröffnen. Dies gilt bei entsprechendem Inhalt auch bei untypischem äußeren Erscheinungsbild, beispielsweise einem Brief. Ist unklar, ob der Erblasser Testierwillen hatte und ein Schriftstück daher eine letztwillige Verfügung enthält, darf zur Vermeidung überflüssiger Eröffnungen lediglich ein äußerst begrenzte summarische Vorprüfung erfolgen, da die Eröffnung den Beteiligten die Prüfung der Wirksamkeit und des Inhalts der Verfügung erst ermöglichen soll. Bereits die bloße, wenn auch nur entfernte Möglichkeit einer Testamentseigenschaft ist dabei ausreichend. Im Zweifel muss eröffnet werden (vgl. im Einzelnen die Nachweise bei Prütting/Helms/Fröhler, FamFG, 3. Aufl., § 348 Rz. 14; vgl. auch Muscheler in Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Aufl., § 348 Rz. 10; Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rz. 12). Hintergrund dafür ist, dass das Eröffnungsverfahren frei von materiell-rechtlichen Fragen gehalten werden muss, die dem Erbscheins- oder Prozessverfahren vorbehalten sind (Muscheler, a.a.O., § 348 Rz. 9 m. w. N.). Dabei sind auch formunwirksame Schriftstücke zu eröffnen (Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 348 Rz. 13).

Das Nachlassgericht hat vorliegend die Eröffnung mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Schriftstück keine letztwillige Verfügung des hiesigen Erblassers darstelle und auch als denkbares Schenkungsversprechen jedenfalls nicht im Hinblick auf den eigenen Tod verfasst worden sei, mithin nicht erkennbar sei, dass Regelungen nach dem Ableben des Erblassers getroffen worden seien und eine Umdeutung in eine letztwillige Verfügung deshalb ausscheide. Dies trägt den angefochtenen Beschluss nicht. Zutreffend ist allerdings, dass sich das Schriftstück äußerlich nicht als Testament darstellt, sondern als an einen bestimmten Personenkreis gerichtetes Schriftstück, das die inhaltliche Aussage enthält, auf ein bestimmtes Erbe keinen Anspruch zu erheben. Dabei liegt es nahe bzw. ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass es sich dabei um seinen Anteil an der Erbengemeinschaft handelt, wie er etwa im Grundbuch von O1, Blatt …, eingetragen war (Bl. 39 ff. d. A.). Das Schriftstück stellt sich auch inhaltlich nicht ohne weiteres als letztwillige Verfügung dar, weil daraus nicht unmittelbar ersichtlich wird, dass der Erblasser damit eine letztwillige Verfügung treffen wollte oder wenigstens mit der Möglichkeit gerechnet hat, dass das Schriftstück als ein Testament angesehen werden könne. Insoweit ist dem Nachlassgericht also zuzugeben, dass es nach dem Inhalt des Schriftstückes und dem hiesigen Akteninhalt – mithin den hier zugrunde liegenden Tatsachen – wenig naheliegend erscheint, dass das Schriftstück als Vermächtnis zu Gunsten des darin direkt angesprochenen Personenkreises angesehen werden kann. Andererseits haben die Antragsteller von Anfang an und zu Recht darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich möglich ist, auch formunwirksame privatschriftliche Schenkungsversprechen oder andere Rechtsgeschäfte unter Lebenden etwa als testamentarische Vermächtnisse auszulegen bzw. in solche umzudeuten (vgl. die vielfältigen Nachweise bei Staudinger/Otte, BGB, Neub. 2013, § 2084 Rz. 5; Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 2084 Rz. 143; Erman/Westermann, BGB, 14. Aufl., § 2084 Rz. 10). Der Senat vermag nach Aktenlage die Möglichkeit einer solchen Auslegung bzw. Umdeutung nicht ohne jeden Zweifel auszuschließen, also dass der Erblasser im Hinblick auf einen bestimmten Vermögensgegenstand eine Regelung (auch) für den Fall seines Todes treffen wollte bzw. dass er das in dem nichtigen Geschäft ggf. steckende wirksame Geschäft gewollt hätte, falls er die Nichtigkeit gekannt hätte. Wollte man letzteres annehmen, wäre die Form eines eigenhändigen Testaments jedenfalls gewahrt. Auch der Hinweis des Nachlassgerichts auf den nicht erkennbaren Testierwillen vermag nach den obigen Ausführungen den angefochtenen Beschluss nicht zu tragen, da sich die Antragsteller ja gerade auf eine Umdeutung stützten. Dieser ist bei erforderlich werdenden Umdeutungen von privatschriftlichen Schenkungsversprechen oder anderen Rechtsgeschäften unter Lebenden in testamentarische Verfügungen in der Regel nicht allein aus dem Wortlaut mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Weitere Ermittlungen des Nachlassgerichts bzw. des Senats sind hierzu nicht anzeigt; wie oben dargelegt erfolgt im Eröffnungsverfahren lediglich eine äußerst begrenzte summarische Vorprüfung und ist dieses nicht geeignet, materiell-rechtliche Zweifelsfragen zu klären.

Dient grundsätzlich erst die hier noch zu erfolgende Eröffnung einer letztwilligen Verfügung dazu, den jeweiligen Beteiligten die Prüfung der Wirksamkeit und des Inhalts der Verfügung zu ermöglichen, bedurfte es vor dieser Entscheidung einer förmlichen Beteiligung aller von einem eröffneten Schriftstück denkbaren Betroffenen am Beschwerdeverfahren nicht zum Zwecke rechtlichen Gehörs, damit auch nicht der amtswegigen Ermittlung der Rechtsnachfolger der im Laufe des Verfahrens verstorbenen oben aufgeführten Beteiligten.

Hat die Beschwerde mithin Erfolg, bedarf es einer Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens nicht, §§ 22, 25 GNotKG.

Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Erstattung notwendiger Aufwendungen für das Beschwerdeverfahren anzuordnen, § 81 FamFG.

Damit bedurfte es auch keiner Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren.

Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 70 FamFG nicht vorliegen. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Eine Nichtzulassungsbeschwerde findet nicht statt, da gesetzlich nicht vorgesehen.

 

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