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Testamentsumdeutung – unwirksame Testamentsklausel

OLG Hamm, Az: 15 W 102/13, Beschluss vom 22.05.2014

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Eintragungsanträge der Beteiligten vom 12.11.2012 an das Grundbuchamt zurückverwiesen.

Gründe

Testamentsumdeutung – unwirksame TestamentsklauselAls Eigentümer der vorgenannten Grundstücke war seit dem 08.11.1977 der Ehemann der Beteiligten zu 1) Herr C2 eingetragen. Dieser errichtete am 25.06.1985 vor Notar I in S in notarielles Testament, in dem er die Beteiligte zu 1), seine Ehefrau, zur Alleinerbin einsetzte. Ferner setzte er seinen Sohn C als Nacherben ein, ersatzweise dessen Abkömmlinge, weiter ersatzweise seine, des Erblassers weitere Kinder. In dem Testament heißt es sodann weiter:

 „Die Nacherbfolge ist unter der auflösenden Bedingung angeordnet, daß meine Ehefrau als Vorerbin berechtigt ist, durch Verfügung von Todes wegen einen anderen Abkömmling von mir zum Nacherben zu berufen, und dabei dann auch berechtigt ist, Abfindungen … auszusetzen.“

Nach dem Tode des Erblassers am 02.05.2012 wurden die Beteiligte zu 1) im Wege der Berichtigung als Eigentümerin sowie gleichzeitig in Abt. II Nr. 18 ein Nacherben-vermerk im Grundbuch eingetragen.

Die Beteiligte zu 1) hat in notarieller Urkunde vom 09.10.2012 (UR-Nr. 305/2012 Notar D in T) die vorgenannten Grundstücke an den Beteiligten zu 2) verkauft und aufgelassen. Der miterschienene Sohn der Beteiligten zu 1) C hat die Löschung des Nacherbenvermerks bewilligt. Die gem. § 15 GBO gestellten Anträge des Urkundsnotars auf Eigentumsumschreibung, Löschung der Auflassungsvormerkung und von Rechten in Abt. III sowie Eintragung einer Grundschuld hat das Grundbuchamt durch Beschluss vom 08.02.2013 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde, die der Urkundsnotar mit Schriftsatz vom 08.03.2012 namens der Beteiligten zu 1) und 2) bei dem Grundbuchamt eingelegt und der das Grundbuchamt durch Beschluss vom 11.03.2013 nicht abgeholfen hat.

Die Beschwerde der Beteiligten ist nach den §§ 71, 73 GBO zulässig und in der Sache begründet.

Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes reicht die in der notariellen Urkunde vom 09.10.2012 erteilte Löschungsbewilligung des Nacherben C aus, um den Nacherbenvermerk Abt. II Nr. 18 mit der Eintragung des Eigentumswechsels auf den Beteiligten zu 2) zu löschen. Die verfahrensrechtliche Löschungsbewilligung enthält materiell-rechtlich die Zustimmung (§ 185 Abs. 1 BGB) des Nacherben zu der Veräußerung des Grundstücks durch die eingetragene Vorerbin. Die Zustimmung des Nacherben schließt eine Beeinträchtigung seiner Rechte durch die Verfügung der Vorerbin im Sinne des § 2113 Abs. 1 BGB aus. Der Rechtserwerb des Beteiligten zu 2) ist uneingeschränkt wirksam, so dass die Unrichtigkeit des Grundbuchs in Ansehung des noch eingetragenen Vermerks im Sinne des § 894 BGB nachgewiesen ist, der somit auf den gestellten Antrag nach § 22 Abs. 1 GBO gelöscht werden muss.

Herr C ist der in dem notariellen Testament des Erblassers C2 vom 25.06.1985 namentlich benannte Nacherbe. Einer ergänzenden Zustimmung der in dem Testament eingesetzten Ersatzerben zu dem Veräußerungsgeschäft der Vorerbin bedarf es nach gefestigter Rechtsprechung nicht (vgl. etwa BGHZ 40, 119; BayObLG Rpfleger 2005, 421).

Der Senat kann nicht der Auffassung des Grundbuchamtes folgen, die Nacherben seien in Wahrheit unbekannt. Diese Schlussfolgerung lässt sich insbesondere nicht auf die Bestimmung des genannten Testamentes stützen, in der es heißt, die Beteiligte zu 1) sei als Vorerbin berechtigt, durch Verfügung von Todes wegen einen anderen Abkömmling zum Nacherben zu berufen. Diese Bestimmung ist jedoch in ihrer durch den Wortlaut nahe gelegten Bedeutung nach § 2065 Abs. 2 BGB unwirksam. Nach dieser Vorschrift kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung erhalten soll, sowie die Bestimmung des Gegenstandes der Zuwendung nicht einem anderen überlassen. Der Sinn dieser Vorschrift besteht darin, dass der Erblasser persönlich die Verantwortung für den Inhalt aller wesentlichen Teile seines letzten Willens übernehmen muss. Es ist ihm nicht gestattet, seinen letzten Willen in der Weise unvollständig zu äußern, dass es einem Dritten überlassen bleibt, ihn nach seinem Belieben oder Ermessen in wesentlichen Teilen zu ergänzen (Senat OLGZ 1973, 103, 104) oder – wie hier – nach seinem Tod etwa abzuändern.

In Betracht kommt deshalb allenfalls eine Umdeutung (§ 140 BGB) der letztwilligen Verfügung des Erblassers. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass der Erblasser einen Nacherben wirksam unter der Bedingung einsetzen kann, dass der Vorerbe nicht anderweitig von Todes wegen über den Nachlass verfügt. Der Wirksamkeit einer solchen Regelung steht die Vorschrift des § 2065 Abs. 2 BGB nicht entgegen. Denn der Vorerbe verfügt, indem er die auflösende Bedingung herbeiführt und damit zum unbeschränkten Vollerben wird, über seinen eigenen Nachlass (BGHZ 2, 35; BayObLGZ 1982, 331, 341; NJW-RR 2001, 1588; Staudinger/Otte, BGB (2003), § 2065 BGB, Rn. 19 ff.; Soergel/Loritz, BGB, 13. Aufl., § 2065 BGB, Rdnr. 11 ff.; MK/BGB-Leipold, 4. Aufl., § 2065 Rn. 16). Der Senat hat sich dieser Rechtsprechung bereits wiederholt angeschlossen (OLGZ 1973, 103, 104; Rpfleger 1976, 132, 134; NJW-RR 2000, 78). Eine solche Umdeutung läge hier insbesondere deshalb nahe, weil in dem Testament selbst die Nacherbfolge unter der auflösenden Bedingung einer anderweitigen letztwilligen Verfügung der Beteiligten zu 1) angeordnet ist. Eine Auslegung des Testaments in diesem Sinne würde allerdings dazu führen, dass die angeordnete Nacherbfolge als solche bis zum Eintritt des Nacherbfalls fortbesteht, weil erst zu diesem Zeitpunkt feststeht, ob die Vorerbin von ihrer Befugnis zur Herbeiführung der auflösenden Bedingung für die Nacherbfolge Gebrauch gemacht hat.

Entgegen der Auffassung des Grundbuchamtes kann dieser Gesichtspunkt jedoch nicht zu einer weitergehenden Verfügungsbeschränkung der Vorerbin als derjenigen führen, die sich aus der in dem Testament des Erblassers konkret angeordneten Nacherbfolge ableitet. Denn hier ist durch das genannte Testament konkret Herr C in Person als Nacherbe eingesetzt. Seine Zustimmung reicht – wie bereits ausgeführt – zur Begründung der uneingeschränkten Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1) als Vorerbin aus. Darin liegt in Bezug auf den zu beurteilenden Sachverhalt der maßgebliche Unterschied zu der vom Grundbuchamt ergänzend herangezogenen unveröffentlichten Entscheidung des Senats vom 15.04.2008 (15 Wx 28/08). Würde die Beteiligte zu 1) hier im Rahmen des oben dargestellten Verständnisses von ihrer Befugnis zu einer anderweitigen Bestimmung der Erbfolge Gebrauch machen, würde sie selbst ihre Rechtsstellung als Vollerbin herbeiführen und auf diese Weise die einschränkungslose Verfügungsbefugnis erlangen. Allein im Hinblick auf diese rechtliche Möglichkeit kann der Beteiligten zu 1) jedoch nicht Befugnis versagt werden, im Rahmen der in dem Testament konkret angeordneten personenbezogenen Nacherbfolge von ihrer Rechtsstellung als Vorerbin Gebrauch zu machen und mit Zustimmung des bekannten Primär-Nacherben über das Grundeigentum zu verfügen.

Der Senat hat von einer abschließenden Entscheidung über die gem. § 16 Abs. 2 GBO verbundenen Eintragungsanträge abgesehen und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Grundbuchamt zurückverwiesen. Dabei ist insbesondere der Zeitraum des Beschwerdeverfahrens und der Umstand berücksichtigt worden, dass der Antrag auf Löschung der Auflassungsvormerkung im Zweifel als unter der Bedingung gestellt anzusehen ist, dass zwischenzeitlich keine vormerkungswidrigen Verfügungen getroffen worden sind.

Für das weitere Verfahren weist der Senat wegweisend darauf hin, dass er eine Anhörung der unbekannten Ersatznacherben im Hinblick auf die beantragte Löschung des Nacherbenvermerks nicht für erforderlich hält. Eine solche Anhörung wäre hier nur nach Bestellung eines Pflegers für die unbekannten Ersatznacherben (§ 1913 BGB) möglich und würde einen erheblichen weiteren Zeit- und Kostenaufwand beanspruchen. Es ist zwar richtig, dass im Verfahren über einen Antrag auf Berichtigung einer Eintragung aufgrund nachgewiesener Unrichtigkeit (§ 22 Abs. 1 GBO) der in seinen Rechten möglicherweise Betroffene von dem Grundbuchamt anzuhören ist (vgl. etwa Senat FGPrax 1995, 15). Wenn jedoch aufgrund der bereits angeführten gesicherten höchstrichterlichen Rechtsprechung feststeht, dass die Zustimmung möglicher Ersatznacherben zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nicht erforderlich ist, können diese auch nicht dadurch in ihren Rechten betroffen sein, dass das Rechtsgeschäft ohne ihre Zustimmung im Grundbuch vollzogen wird. Aus diesen Gründen vermag der Senat der in einem obiter dictum geäußerten gegenteiligen Auffassung des OLG München in der von den Beschwerdeführern herangezogenen Entscheidung (NJW-RR 2013, 211) nicht zu folgen (ebenso Henn DNotZ 2013, 246, 250).

Eine Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ist im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels nicht veranlasst.

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