KG Berlin – Az.: 1 W 252/21 – Beschluss vom 11.01.2022
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 6. April 2021 aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, eine Vormerkung nebst Wirksamkeitsvermerk gemäß dem Antrag vom 26. Februar 2021 einzutragen.
Gründe
I.
Eingetragene Eigentümer sind die Beteiligte zu 1) zu 1/2 sowie die Beteiligte zu 1) und M… in Erbengemeinschaft zu 1/2. Grundlage der letztgenannten Eintragung ist ein (auf einem privatschriftlichen Testament beruhender) Erbschein, ausweislich dessen der 2017 verstorbene J… von der Beteiligten zu 1) zu 2/3 und von M… zu 1/3 beerbt worden ist. Weiter heißt es, M… sei nur Vorerbe. Nacherbfolge insoweit sei angeordnet. Der Nacherbfall trete ein mit dem Tod des Vorerben. Nacherben seien seine künftigen Abkömmlinge. Es sei Testamentsvollstreckung angeordnet. Hierzu sind in Abt. II ein Nacherbenvermerk und ein Testamentsvollstreckervermerk gebucht.
In notarieller Verhandlung vom 12. Februar 2021 bewilligte die Beteiligte zu 1) – auch in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin – die Eintragung einer Auflassungsvormerkung nebst Wirksamkeitsvermerk im Grundbuch. Zum Nachweis ihrer Verfügungsbefugnis nahm sie auf ein Testamentsvollstreckerzeugnis Bezug, nach dem sie Testamentsvollstreckerin über den Nachlass des J… wie folgt ist: Der Erblasser habe angeordnet, dass sie den Nachlass hinsichtlich des Erbteils des M… auch nach der Erledigung der ihr sonst übertragenen Aufgaben verwalte. Die Testamentsvollstreckung ende erst mit dem Tod des M… .
Das Grundbuchamt hat den Eintragungsantrag nach unerledigter Zwischenverfügung mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, da es für den Wirksamkeitsvermerk an einer Mitwirkung der Nacherben fehle, für die gemäß § 1913 BGB ein Pfleger zu bestellen sei.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) und begründet. Die Voraussetzungen für die Eintragung der Vormerkung (§ 19 GBO, § 885 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB) und des Wirksamkeitsvermerks liegen vor.
Wird eine Vormerkung bestellt, die bei Eintritt des Nacherbfalls wirksam bleibt, kann die Eintragung eines solchen Vermerks verlangt werden, mit dem klargestellt wird, dass der eingetragene Nacherbenvermerk gegenüber diesem Recht keine Unwirksamkeit i.S.v. § 2113 BGB anzeigt (vgl. BGH, NJW 1999, 2275, 2276; BayObLG, DNotZ 1998, 206, 207 f.; Meikel/Böhringer, GBO, 12. Aufl., § 51 Rn. 119). Das ist hier der Fall. Die durch die Beteiligte zu 1) bewilligte Vormerkung ist dem Nacherben gegenüber auch bei Eintritt des Nacherbfalls voll wirksam. Ihre Verfügungsbefugnis ergibt sich aus § 2205 S. 2 und 3 BGB, die nicht den Beschränkungen des § 2113 Abs. 1 BGB unterliegt.
Ist ein Testamentsvollstreckerzeugnis (§ 2368 BGB) erteilt, so kann die Verfügungsbefugnis oder die sonstige Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers allein durch das Zeugnis nachgewiesen werden. Zu einer eigenen, ergänzenden oder berichtigenden Auslegung der Verfügung von Todes wegen ist das Grundbuchamt nicht berechtigt (OLG München, FGPrax 2015, 848, 849; OLG Düsseldorf, MittBayNot 2012, 468; BayObLG, FamRZ 1991, 984, 985; Meikel/Krause/Weber, a.a.O., § 35 Rn. 179). Das gilt hier umso mehr, als das Testament, aus dem sich die Erbfolge und Anordnung der Testamentsvollstreckung ergibt, nicht der Form des § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1, Abs. 2 Hs. 2 GBO genügt.
Aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis folgt zum einen, dass die Beteiligte zu 1) nicht (auch) gemäß § 2222 BGB zu dem Zweck ernannt ist, bis zum Eintritt der Nacherbfolge die Rechte des Nacherben auszuüben und dessen Pflichten zu erfüllen (vgl. zur Zulässigkeit der Kumulation BGH, NJW 1995, 456). In dem Zeugnis sind nicht nur die in § 354 Abs. 2 FamFG genannten Sonderfälle, sondern alle Abweichungen gegenüber der gesetzlichen Grundregel (§§ 2203 – 2206 BGB) anzugeben. Die Nacherbenvollstreckung nach § 2222 BGB ist eine solche Sonderaufgabe (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Ermann/Simon, BGB, 16. Aufl., § 2368 Rn. 8), die hier nicht genannt ist.
Zum anderen ergibt sich aus dem Testamentsvollstreckerzeugnis, dass die Beteiligte zu 1) gemäß § 2205 S. 2 Alt. 2 BGB befugt ist, (mit voller Wirksamkeit) über die Nachlassgegenstände zu verfügen. Dem Zeugnis ist eine Abweichung von der gesetzlich eingeräumten Verfügungsbefugnis nicht zu entnehmen. Zwar ist es gemäß § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB zulässig, den Testamentsvollstrecker – als Gegenstück zu § 2222 BGB – als reinen Vorerbenvollstrecker einzusetzen, der nur die Rechte des (nicht befreiten) Vorerben ausüben und deshalb der Beschränkung des § 2113 Abs. 1 BGB unterliegen soll (so wohl Staudinger/Avenarius, BGB, 2019, § 2113 Rn. 7; a.A. BeckOGK/Grotheer, Sept. 2021, § 2197 Rn. 99). Die Anordnung einer solchen Beschränkung auf die Verfügungsrechte des Vorerben nach §§ 2112 ff. BGB ist aber gemäß § 354 Abs. 2 FamFG in dem Zeugnis anzugeben, woran es fehlt. Das Grundbuchamt hat nach § 2365 i.V.m. § 2368 S. 2 BGB davon auszugehen, dass im Testamentsvollstreckerzeugnis nicht verlautbarte Verfügungsbeschränkungen nicht bestehen (OLG München, a.a.O.; Meikel/Böhringer, a.a.O., § 52 Rn. 20).
Aus dem Umstand, dass nach dem Inhalt des Zeugnisses die für den Erbteil des M… angeordnete Dauervollstreckung (§ 2209 BGB) – ggf. schon (§ 2210 S. 1 BGB) oder erst (§ 2210 S. 2 BGB) – mit seinem Tod enden soll, folgt keine Abweichung von der Regelbefugnis des § 2205 S. 2 und 3 BGB. Der nur für die Vorerbschaft eingesetzte Testamentsvollstrecker ist nicht kraft Gesetzes an die Beschränkungen gebunden, die dem Vorerben gegenüber dem Nacherben in den §§ 2113, 2114 BGB auferlegt sind (KG, RJA 13, 252, 253; OLGE 34, 298; OLG Karlsruhe, MDR 1981, 943; OLG Stuttgart, BWNotZ 1980, 92; BeckOGK/Grotheer, a.a.O., § 2197 Rn. 97.2; a.A. OLG München, FamRZ 2016, 1302, 1304; Grüneberg/Weidlich, BGB, 81. Aufl., § 2205 Rn. 24; Staudinger/Reimann, a.a.O., 2016, § 2205 Rn. 226).
Der Testamentsvollstrecker kann im Verhältnis zum Nacherben mehr Rechte haben als der Vorerbe, weil er seine Rechtsstellung nicht von der des Vorerben ableitet. Er übt das ihm zugewiesene Amt aus eigenem Recht gemäß dem letzten Willen des Erblassers und dem Gesetz selbständig aus. Es erscheint nicht sachgerecht, den Erblasser darauf zu verweisen, er müsse den Vorerben von den Beschränkungen der §§ 2113, 2114 BGB befreien, solle der Testamentsvollstrecker die volle Verfügungsmacht haben. Der Erblasser bringt dem von ihm ernannten Testamentsvollstrecker, der auch nicht in einem Interessenkonflikt wie der Vorerbe steht, häufig besonderes Vertrauen entgegen (vgl. KG, RJA, a.a.O.; Engelmann, MittBayNot 1999, 509, 512). Nimmt der Ernannte das Amt nicht an oder fällt ohne Ersatz (§§ 2197 Abs. 2, 2199 Abs. 1 BGB) weg, endet die Verfügungsbeschränkung des Vorerben nach § 2211 Abs. 1 BGB. Für diesen Fall kann es im berechtigten Interesse des Erblassers liegen, den Vorerben nicht nach § 2136 BGB zu befreien.
Auch aus § 2222 BGB ist nichts anderes zu schließen (vgl. KG, a.a.O.). Diese Sonderform dient hauptsächlich der wirksamen Beaufsichtigung des Vorerben im Interesse des Nacherben (vgl. RGZ 77, 177, 178; MünchKomm/Zimmermann, BGB, 8. Aufl., § 2222 Rn. 2). Die Ernennung eines Nacherbenvollstreckers kann u.a. eine Pflegschaft für unbekannte Beteiligte nach § 1913 BGB ersetzen, lässt das Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung (§§ 1821 Abs. 1, 1908 i, 1915 BGB) entfallen (vgl. BGH, ZEV 2006, 262) und kommt insbesondere in Betracht, wenn der Erblasser im Übrigen keine Testamentsvollstreckung anordnet.
Dass sich die Verfügungsbefugnis der Beteiligten zu 1) nur nach § 2205 S. 2 und 3 BGB richtet, steht auch im Einklang mit der allgemeinen Meinung, die Beschränkung des § 2113 Abs. 1 BGB gelte jedenfalls dann nicht, wenn der Testamentsvollstrecker auch für den Nacherben eingesetzt sei (BGHZ 40, 115, 119). Das wird nicht nur für den Fall bejaht, in dem ein Nacherbenvollstrecker gemäß § 2222 BGB während der Zeit der Vorerbschaft mit Wirkung für den Nacherben handeln kann. Vielmehr soll der Vollstrecker auch dann nicht an die Beschränkungen der §§ 2213, 2214 BGB gebunden sein, wenn nur eine „gewöhnliche“ Testamentsvollstreckung angeordnet ist, die für den Nacherben erst mit dem Eintritt der Nacherbfolge beginnt (OLG Düsseldorf, a.a.O.; vgl. auch BayObLG, a.a.O.; BayObLGZ 1986, 208, 213; MittBayNot 1983, 229, 230). Die Zustimmung zu einer Veräußerung (ggf. nach § 2120 BGB) wäre aber während der Vorerbschaft zu erteilen, zu einem Zeitpunkt in dem nicht feststeht, ob auch die Nacherbschaft der Verwaltung des handelnden Testamentsvollstreckers unterliegen wird. Dieser Gesichtspunkt spricht ebenfalls dafür, dass der nur für die Vorerbschaft Ernannte gemäß § 2205 S. 2 und 3 BGB unbeschränkt verfügungsberechtigt ist, wenn nicht der Erblasser nach § 2208 Abs. 1 S. 1 BGB eine – im Testamentsvollstreckerzeugnis anzugebende – Beschränkung auf das dem Vorerben nur zustehende Verfügungsrecht nach §§ 2112 ff. BGB angeordnet hat.
Die Entgeltlichkeit der Verfügung ist mit den Angaben vom 12. Februar 2021 hinreichend nachgewiesen (vgl. Meikel/Böhriger, a.a.O., § 52 Rn. 54).