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Testamentsvollstreckerentlassung – Nichtabführung Erbschaftsteuer

Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 2 Wx 31/20 – Beschluss vom 23.02.2021

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Sangerhausen vom 9. März 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 1) zu tragen.

Der Kostenwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 143.457,72 € festgesetzt.

Gründe

A.

Die Erblasserin war verheiratet mit dem am 21.05.2007 vorverstorbenen R. O. . Die Ehegatten hatten keine leiblichen Kinder und jeweils keine Geschwister. Die Beteiligten zu 2) und zu 3) waren ihre Pflegetöchter.

Am 10.09.2002 errichteten die Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament zu UR Nr. 1119/2002 des Notars T. Sch. in S. . Darin setzten sie sich wechselseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden ein und befreiten den Letztlebenden von allen Beschränkungen in der Verfügung über den Nachlass. Für den Fall, dass der Letztlebende von der Möglichkeit der letztwilligen Verfügung keinen Gebrauch macht, setzten sie die Beteiligten zu 2) und zu 3) je zur Hälfte als Schlusserbinnen ein. Zugleich bestimmten sie verschiedene Vermächtnisse, teilweise unter Auflagen, und den Beteiligten zu 1) zu ihrem Testamentsvollstrecker. Das Testament wurde nach dem Ableben der Erblasserin vom Nachlassgericht am 01.07.2015 (nochmals) eröffnet (vgl. Beiakte IV 337/02 AG Sangerhausen, Bl. 30).

Auf Antrag des Beteiligten zu 1) und nach Anhörung der Beteiligten zu 2) und zu 3) wurde dem Beteiligten zu 1) vom Nachlassgericht am 02.09.2015 ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt; der Beteiligte zu 1) nahm seine Tätigkeit auf.

Ein Antrag der hiesigen Beteiligten zu 2) vom 18.07.2017 auf Entlassung des Beteiligten zu 1) als Testamentsvollstrecker blieb erfolglos. Das Nachlassgericht stellte zwar mehrere Pflichtverletzungen des Beteiligten zu 1) bei der Testamentsvollstreckung fest, weil einzelne Maßnahmen eine nicht mehr tolerierbare zeitliche Dauer in Anspruch nahmen und auch die Auskunftserteilung gegenüber dem Nachlassgericht erheblich verzögert erfolgt war; es sah hierin jedoch noch nicht die Qualität eines wichtigen Grundes, welcher eine Entlassung rechtfertigt, erreicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses des erkennenden Senats vom 24.05.2018 (2 Wx 13/18 OLG Naumburg) Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 13.12.2019 hat die Beteiligte zu 2) erneut die Entlassung des Beteiligten zu 1) als Testamentsvollstrecker beantragt. Hierzu hat der Beteiligte zu 1) innerhalb der ihm gesetzten Anhörungsfrist keine Stellung genommen.

Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 09.03.2020 die Entlassung des Beteiligten zu 1) aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker angeordnet. Es hat zunächst auf das vorangegangene Verfahren Bezug genommen und festgestellt, dass inzwischen die Grenze zum wichtigen Grund i.S.v. § 2227 BGB überschritten sei. Der Beteiligte zu 1) sei offensichtlich unfähig, das Amt des Testamentsvollstreckers ohne grobe Pflichtverletzungen zu führen. Der Nachlass sei noch immer nicht vollständig abgewickelt, ohne dass der Beteiligte zu 1) hierfür eine Erklärung abgeben könne oder wolle. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe dieser Entscheidung verwiesen.

Gegen diese, ihm am 11.03.2020 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner am 14.04.2020 (Dienstag nach Ostern) vorab per Fax beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde. Der Beteiligte zu 1) trägt vor, dass eine erforderliche Richtigstellung im erbschaftssteuerrechtlichen Verwaltungsverfahren inzwischen erfolgt und dass das Verfahren im Übrigen noch anhängig sei. Hinsichtlich des noch nicht ausgekehrten Betrages von ca. 43.000,00 € handele es sich um eine grundpfandrechtlich gesicherte Forderung, hinsichtlich derer bereits ein Zwangsversteigerungsverfahren (8 K 3/18 AG Sangerhausen) geführt werde.

Die Beteiligte zu 2) hat hierzu mit Schriftsatz vom 03.06.2020 ausführlich Stellung genommen und erklärt, dass sich beide Erbinnen darin einig seien, dass der Nachlass nicht weiter auseinandergesetzt werden solle. Die Beteiligte zu 3) hat mit Schreiben vom 30.05.2020 ebenfalls die Zurückweisung der Beschwerde begehrt.

Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 10.06.2020 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

B.

I. Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG zulässig, insbesondere ist die nach § 61 Abs. 1 FamFG notwendige Mindestbeschwer überschritten. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt worden.

II. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach § 2227 BGB kann das Nachlassgericht den Testamentsvollstrecker auf Antrag eines Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund kann insbesondere in einer groben Pflichtverletzung oder in der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung begründet sein. Dabei müssen die tatsächlichen Umstände in ihrer Gesamtheit die Merkmale des unbestimmten Rechtsbegriffs des wichtigen Grundes erfüllen (vgl. Weidlich in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 2227 Rn. 2 m.w.N.). Das Nachlassgericht hat zur Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes eine eigenständige Beurteilung vorzunehmen. Selbst wenn ein wichtiger Grund vorliegt, hat das Nachlassgericht in Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden, ob es den Testamentsvollstrecker entlässt (vgl. Weidlich a.a.O., § 2227 Rn. 11 m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.

a) Das Nachlassgericht hat zunächst zu Recht darauf verwiesen, dass mit der Entscheidung des Senats im vorangegangenen Beschwerdeverfahren nicht etwa sämtliche dort als Pflichtverletzungen angeführten Umstände „verbraucht“ worden seien, sondern dass die Entscheidung so zu verstehen war, dass die tatsächlichen Umstände gerade noch nicht für eine Entlassung genügten, aber tendenziell im Falle der Fortführung dieser pflichtwidrigen Art der Testamentsvollstreckung eine Entlassung unmittelbar bevorsteht. Das hat der Beteiligte zu 1) grundlegend verkannt.

b) Aus den eigenen Angaben des Beteiligten zu 1) ist darauf zu schließen, dass es im Rahmen der von ihm geführten Testamentsvollstreckung immer wieder monatelange Phasen der vollständigen Untätigkeit gab. Unabhängig davon verletzte der Beteiligte zu 1) die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Testamentsvollstreckung jedenfalls im Hinblick auf die Entrichtung der Erbschaftssteuer grob fahrlässig. Nach etwa fünfeinhalb Jahren ist das Erbschaftssteuerverfahren noch immer nicht abgeschlossen; im Nachlass müssen – nach Angaben des Beteiligten zu 1) – noch immer Rückstellungen für diese Steuerlast vorgenommen werden, was einer Abwicklung entgegensteht. Der Beteiligte zu 1) vermochte nicht zu erklären, weswegen die Erbschaftssteuererklärung noch immer nicht vollständig abgegeben werden konnte bzw. was einer endgültigen Steuerfestsetzung im Wege steht. Darüber hinaus gibt es seit mehr als drei Jahren keine aktualisierte Aufstellung des vom Beteiligten zu 1) verwalteten Nachlasses, etwa mit Informationen über Erträgnisse aus Vermögensanlagen oder über den aktuellen Bestand der offenen, grundpfandrechtlich gesicherten Forderung bzw. über etwaige Kontakte zum Schuldner.

c) Dies wiegt umso schwerer, als der Beteiligte zu 1) die vom Nachlassgericht sowohl in seiner angefochtenen Entscheidung als auch in seinem Nichtabhilfebeschluss benannten Pflichtverletzungen auch während des Verlaufes des Beschwerdeverfahrens nicht abgestellt hat. Es fehlt weiter an einer regelmäßigen Unterrichtung des Nachlassgerichts und der beiden Erbinnen; insoweit wäre eine unverzügliche Fertigung und Übersendung eines umfassenden Zwischenberichts zu erwarten gewesen. Das ist nicht geschehen, so dass sich die vom Nachlassgericht herangezogenen Umstände im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens bestätigt und noch verfestigt haben. Der Beteiligte zu 1) hat es auch nicht vermocht, den gegen ihn geäußerten Verdacht eines eigennützigen Verhaltens durch eine entsprechende Berichterstattung auszuräumen.

d) Schließlich ist auch die Feststellung des Nachlassgerichts nicht zu beanstanden, dass der gesamte Verlauf der Testamentsvollstreckung den Schluss auf eine Unfähigkeit des Beteiligten zu 1) zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung i.S.e. subjektiven Unvermögens zulässt. Der Beteiligte zu 1) hat mit seinem Beschwerdevorbringen keine andere hinreichende Erklärung für die ungewöhnlich lange, mehrjährige Dauer der Abwicklung gegeben. Insoweit handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen Entlassungsgrund.

3. In der Gesamtschau der massiven Pflichtverletzungen des Beteiligten zu 1) hält sich die nunmehr vorgenommene Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nicht nur im Rahmen des dem Nachlassgericht nach dem Gesetz eingeräumten Ermessensspielraums, sondern ist nur folgerichtig und konsequent.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 82 und 84 FamFG.

Die Festsetzung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 36 Abs. 1, 40 Abs. 1 und 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG. Der Senat hat dabei den vom Beteiligten zu 1) selbst ermittelten Nachlasswert zugrunde gelegt.

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