Obwohl alle Erben einen vom Nachlassgericht ernannten Testamentsvollstrecker vehement ablehnten, bestätigte das Gericht die Testamentsvollstreckung gegen Erbenwillen. Doch trotz dieser richterlichen Anordnung mussten die Angehörigen nicht für alle außergerichtlichen Anwaltskosten des Verwalters aufkommen.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann endet eine Testamentsvollstreckung regulär?
- Was darf ein Testamentsvollstrecker nicht ohne Zustimmung der Erben entscheiden?
- Wie kann ich als Erbe einen eingesetzten Testamentsvollstrecker absetzen lassen?
- Was kann ich tun, wenn mein Testamentsvollstrecker untätig bleibt oder seine Pflichten verletzt?
- Wie kann ich als Erblasser eine ungewollte Testamentsvollstreckung sicher vermeiden?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil 19 W 100/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Kammergericht Berlin
- Datum: 22.10.2024
- Aktenzeichen: 19 W 100/24
- Verfahren: Beschwerdeverfahren (Nachlasssache)
- Rechtsbereiche: Erbrecht, Testamentsvollstreckung, Nachlassverfahren
- Das Problem: Die Erben wollten keinen Testamentsvollstrecker, da sie viele Aufgaben bereits erledigt sahen. Das zuständige Gericht hatte jedoch einen Testamentsvollstrecker ernannt, nachdem die ursprünglich benannte Bank das Amt abgelehnt hatte.
- Die Rechtsfrage: Darf ein Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker ernennen, obwohl die Erben ihn für unnötig halten und die ursprünglich im Testament genannte Person das Amt abgelehnt hat?
- Die Antwort: Ja. Das Gericht durfte den Testamentsvollstrecker ernennen. Der Wille des Verstorbenen zur Testamentsvollstreckung war im Testament klar erkennbar. Zudem waren noch wichtige Aufgaben, wie die Erfüllung von Vermächtnissen, offen.
- Die Bedeutung: Der Wunsch des Erblassers zur Testamentsvollstreckung ist vorrangig, auch wenn die Erben andere Ansichten haben. Das Nachlassgericht kann einen Ersatz-Testamentsvollstrecker bestimmen, wenn dies im Testament angeordnet war und noch Aufgaben im Nachlass zu erledigen sind.
Der Fall vor Gericht
Warum ernannte das Gericht einen Testamentsvollstrecker gegen den Willen aller Erben?
Ein gemeinsames Testament, verfasst vor über zehn Jahren, sollte den letzten Willen eines Ehepaares für die Ewigkeit sichern. Nach dem Tod der Frau glauben die sechs Erben, alles im Griff zu haben. Sie lösen den Haushalt auf, bezahlen Rechnungen und sehen die Abwicklung des Nachlasses als unkompliziert an. Doch ein einziger Satz im alten Testament entwickelt ein Eigenleben – und zwingt ihnen einen Testamentsvollstrecker auf, den sie weder wollten noch für nötig hielten.

Der Reihe nach: Das Ehepaar hatte in seinem Testament eine große Bank als Testamentsvollstreckerin eingesetzt. Für den Fall, dass diese das Amt nicht antritt, schrieben sie einen entscheidenden Satz nieder: Die Testamentsvollstreckung solle trotzdem fortdauern. Nach dem Tod der längerlebenden Ehefrau erklärte die Bank, das Amt nicht übernehmen zu wollen. Die Erben sahen ihre Chance. Sie teilten dem Nachlassgericht mit, dass sie die Sache selbst regeln und keinen Verwalter benötigen.
Das Gericht sah das anders. Es interpretierte den Willen des Ehepaares so, dass die Verwaltung des Nachlasses unter allen Umständen in professionelle Hände gelegt werden sollte. Der Wunsch nach einer Testamentsvollstreckung war für die Richter der Kern der Anordnung, nicht die Person des Verwalters. Als die Bank absagte, aktivierte sich nach Ansicht des Gerichts eine Art Plan B: Das Nachlassgericht selbst musste einen geeigneten Ersatz finden. Diese Befugnis leiteten die Richter aus § 2200 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ab. Diese Norm erlaubt es dem Gericht, einen Testamentsvollstrecker zu ernennen, wenn der Erblasser darum gebeten hat – und genau eine solche stillschweigende Bitte erkannte das Gericht in der Formulierung, die Testamentsvollstreckung solle in jedem Fall „fortdauern“. Die Meinung der Erben war in diesem Punkt zweitrangig. Der Wille der Verstorbenen zählte.
War die Testamentsvollstreckung nicht längst überflüssig geworden?
Die Erben argumentierten pragmatisch. Der Hausstand war aufgelöst, erste Schulden beglichen, der verbliebene Nachlass überschaubar. Ein Mercedes wurde für rund 13.000 Euro verkauft, auf Konten lagen noch etwa 7.000 Euro. Wofür brauchte es da noch einen externen Verwalter, der nur Kosten verursacht? Die Testamentsvollstreckung, so ihre Logik, sei sinnlos geworden, weil die wesentlichen Aufgaben bereits erledigt waren.
Das Kammergericht Berlin folgte dieser Argumentation nicht. Es prüfte, ob die Anordnung der Verstorbenen durch die Entwicklung der Dinge tatsächlich ihren Zweck verloren hatte. Das Ergebnis war eindeutig: Nein. Zwar war vieles erledigt, doch ein zentraler Punkt stand noch aus – die Erfüllung der im Testament festgelegten Vermächtnisse. Die Richter hatten keine Informationen darüber, ob diese bereits ausgezahlt waren. Zudem war nicht klar, ob die verbliebenen knapp 7.000 Euro ausreichten, um alle restlichen Verbindlichkeiten und eben diese Vermächtnisse zu bedienen.
Genau diese Prüfung ist eine klassische Aufgabe des Testamentsvollstreckers. Seine Tätigkeit war aus Sicht des Gerichts zwar überschaubar, aber keineswegs sinnlos. Solange noch testamentarische Aufgaben offen sind und Vermögen zur Verteilung bereitsteht, hat die Testamentsvollstreckung einen klaren Zweck. Der Einwand der Erben, alles sei praktisch erledigt, wurde damit vom Tisch gewischt. Die Richter stellten fest: Die Abwicklung war eben noch nicht abgeschlossen.
Welche Rolle spielte das letzte Testament der Verstorbenen?
Am Tag ihres Todes hatte die Erblasserin noch ein weiteres, handschriftliches Testament verfasst. Darin setzte sie die sechs Erben namentlich ein. Die Erben sahen darin möglicherweise eine Art Neuregelung, die das alte gemeinschaftliche Testament und dessen strenge Vorgaben zur Testamentsvollstreckung aushebeln könnte.
Auch hier durchkreuzte das Gericht die Hoffnung der Erben. Die Richter analysierten das letzte Testament und fanden einen wichtigen Hinweis: Es nahm ausdrücklich Bezug auf das ältere, gemeinschaftliche Testament. Es ergänzte den letzten Willen, ersetzte ihn aber nicht. Nirgendwo stand ein Satz, der die Anordnung der Testamentsvollstreckung aufhob oder widerrief. Im juristischen Jargon fehlte jeder Anhaltspunkt für einen „Aufhebungswillen„.
Für das Gericht war die Sache klar: Die Kette des Erblasserwillens war ungebrochen. Das erste Testament ordnete die Testamentsvollstreckung an. Die Ergänzungen änderten daran nichts. Das letzte Testament bestätigte die Erbfolge, ohne die Verwaltungsvorgabe anzutasten. Der ursprüngliche Wunsch des Ehepaares, die Abwicklung ihres Erbes einem neutralen Dritten zu überlassen, blieb bis zum Schluss bestehen und musste vom Gericht umgesetzt werden – selbst gegen den Widerstand derjenigen, die davon profitieren sollten.
Wer musste am Ende für das Verfahren zahlen?
Die Beschwerde der Erben gegen die Einsetzung des Testamentsvollstreckers scheiterte vor dem Kammergericht. Damit stand die Kostenfrage im Raum. Das Gericht entschied, dass die sechs Erben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gemeinsam tragen müssen.
Eine andere Entscheidung traf es bei den außergerichtlichen Kosten. Der vom Gericht ernannte Testamentsvollstrecker hatte sich im Verfahren anwaltlich vertreten lassen. Normalerweise müsste die unterlegene Partei – hier die Erben – auch diese Kosten erstatten. Das Gericht verweigerte dies. Die Begründung ist einleuchtend: Der Fall sei rechtlich und sachlich einfach gelagert gewesen. Die Einschaltung eines Anwalts aufseiten des Testamentsvollstreckers sei nicht zwingend notwendig gewesen. Die Erben mussten also nur für die Gebühren des Gerichts aufkommen, nicht aber für den Anwalt der Gegenseite. Der Streitwert wurde auf eine Summe bis 1.000 Euro festgesetzt, was die Gerichtskosten in einem überschaubaren Rahmen hielt.
Die Urteilslogik
Der letzte Wille des Erblassers bestimmt die Erbmasse, selbst wenn alle Erben eine andere Vorstellung von der Nachlassabwicklung haben.
- Erblasserwille zur Vollstreckung: Das Nachlassgericht ernennt einen Testamentsvollstrecker, sobald der Erblasser dies wünscht, selbst wenn die ursprünglich benannte Person das Amt nicht annimmt und die Erben die Bestellung ablehnen.
- Zweckmäßigkeit der Verwaltung: Eine Testamentsvollstreckung bleibt notwendig, solange noch testamentarische Aufgaben oder die vollständige Vermögensverteilung ausstehen, auch wenn die Erben bereits Teile des Nachlasses abwickelten.
- Kosten der Beschwerde: Erben, deren Beschwerde gegen die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers scheitert, zahlen die Gerichtskosten selbst; Kosten für die anwaltliche Vertretung der Gegenseite müssen sie nur tragen, wenn diese objektiv erforderlich war.
Das Urteil unterstreicht, wie wichtig der eindeutige Wille des Erblassers ist und welche Grenzen der Einfluss der Erben auf die Nachlassabwicklung hat.
Benötigen Sie Hilfe?
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Experten Kommentar
Ein Satz im Testament kann manchmal mehr wiegen als der Wunsch aller Erben zusammen. Hier wurde den Beteiligten vor Augen geführt, dass der Wille der Verstorbenen, einen neutralen Verwalter einzusetzen, auch dann zählt, wenn die ursprünglich benannte Person absagt und die Erben alles selbst regeln wollen. Selbst wenn vieles schon geregelt scheint, reicht ein einziger offener Punkt, wie noch zu erfüllende Vermächtnisse, damit das Nachlassgericht konsequent einen neuen Testamentsvollstrecker bestellt. Im Grunde ist es eine klare rote Linie: Der letzte Wille des Erblassers hat Vorrang vor der Bequemlichkeit oder Meinung der Erben.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann endet eine Testamentsvollstreckung regulär?
Die Testamentsvollstreckung endet nicht mit dem subjektiven Gefühl der Erben, alles sei geregelt. Tatsächlich läuft sie so lange, bis alle testamentarischen Aufgaben vollständig erfüllt sind. Das bedeutet: Erst wenn beispielsweise Vermächtnisse ausgezahlt, Schulden beglichen und der gesamte Nachlass endgültig verteilt ist, findet die Testamentsvollstreckung ihr reguläres Ende. Ein verfrühter Abbruch kann rechtliche Folgen haben.
Die Regel lautet klar: Ein Testamentsvollstrecker bleibt im Amt, bis der Wille des Erblassers vollständig umgesetzt ist. Dazu gehört die Verwaltung des gesamten Nachlasses. Er begleicht alle Verbindlichkeiten. Vor allem aber erfüllt er die Vermächtnisse und verteilt das Vermögen endgültig an die Erben. Ihr Gefühl, die wesentlichen Aufgaben seien erledigt, ist juristisch zweitrangig. Gerichte weisen solche Argumente konsequent zurück.
Der Grund: Eine Testamentsvollstreckung endet nicht automatisch. Solange noch unklare Verbindlichkeiten bestehen oder Vermögen zur Verteilung bereitsteht, erfüllt die Anordnung weiterhin ihren klaren Zweck. Nur wenn der Testamentsvollstrecker alle im Testament vorgegebenen Schritte vollständig abgeschlossen hat, gilt sein Auftrag als beendet. Erst dann ist die Kontrolle wieder vollends bei den Erben.
Ein passender Vergleich ist der eines Bauprojekts. Ein Bauleiter koordiniert den Hausbau. Wände stehen, das Dach ist drauf. Sein Job ist trotzdem nicht beendet. Er muss auch die Elektrik, die Sanitäranlagen und den gesamten Innenausbau finalisieren. Erst nach der Schlüsselübergabe, wenn alle vertraglichen Punkte erfüllt sind, gilt sein Auftrag als abgeschlossen.
Praxis-Tipp: Verlangen Sie eine detaillierte Auflistung der noch offenen Aufgaben. Fordern Sie den Testamentsvollstrecker auf, präzise darzulegen, welche testamentarischen Anweisungen noch zu erfüllen sind und welche Verbindlichkeiten noch bestehen. Nur so erhalten Sie einen klaren Überblick über den tatsächlichen Stand der Nachlassabwicklung und können den Abschluss der Vollstreckung gezielt einfordern.
Was darf ein Testamentsvollstrecker nicht ohne Zustimmung der Erben entscheiden?
Entgegen der Erwartung vieler Erben darf ein Testamentsvollstrecker im Rahmen seiner testamentarischen Aufgaben und der Nachlassverwaltung sehr viel ohne deren Zustimmung entscheiden. Sein Auftrag ist die konsequente Umsetzung des Erblasserwillens. Der Wille des Erblassers zählt dabei vorrangig, da der Testamentsvollstrecker dessen verlängerter Arm ist und die Erben bei der Abwicklung meist nur eine nachrangige Rolle spielen.
Juristen nennen das die Autonomie des Testamentsvollstreckers. Seine Hauptaufgabe: die Anweisungen des Verstorbenen aus dem Testament befolgen und umsetzen. Dafür benötigt er nicht jedes Mal die Erlaubnis der Erben. Dies betrifft typischerweise die Auflösung des Hausstands, die Begleichung von Schulden oder den Verkauf von Vermögenswerten, um Vermächtnisse zu erfüllen. Solche Handlungen fallen direkt in seinen Verantwortungsbereich.
Der Grund für diese weitreichenden Befugnisse liegt in der gesetzlichen Verankerung des Erblasserwillens (§ 2200 BGB). Hierin liegt die klare Botschaft: Der Wunsch des Erblassers hat absolute Priorität. Die Erben sind in dieser administrativen Phase der Nachlassabwicklung oft zweitrangig. Ihre Meinung tritt hinter den Willen des Erblassers zurück.
Ein passender Vergleich ist der Bauleiter, der von einem Bauherrn beauftragt wurde, ein Haus nach detaillierten Plänen zu errichten. Die zukünftigen Bewohner, also die Erben, können zwar Wünsche äußern. Doch der Bauleiter muss sich primär an den vom Bauherrn erstellten Plan halten.
Prüfen Sie Ihr Testament akribisch. Suchen Sie nach allen Anweisungen des Erblassers an den Testamentsvollstrecker. Nur so können Sie seinen genauen Handlungsspielraum verstehen. Entdecken Sie Abweichungen, dann handeln Sie.
Wie kann ich als Erbe einen eingesetzten Testamentsvollstrecker absetzen lassen?
Einen Testamentsvollstrecker abzusetzen, ist in der Praxis sehr anspruchsvoll, denn Gerichte räumen dem Willen des Erblassers absolute Priorität ein. Bloßes Missfallen der Erben oder die Annahme, die Testamentsvollstreckung sei überflüssig, reichen für eine Entlassung nicht aus. Nur bei nachweisbaren und groben Pflichtverletzungen oder einer evidenten Unfähigkeit kann das Nachlassgericht eingreifen.
Das Nachlassgericht ist streng an den Wunsch des Erblassers gebunden, den dieser im Testament klar hinterlegt hat. Deshalb wird ein Testamentsvollstrecker auch gegen den erklärten Widerstand aller Erben eingesetzt oder in seinem Amt bestätigt, sofern der Wille des Verstorbenen seine Bestellung vorsieht. Ihre Argumente als Erbe – etwa die eigene Fähigkeit zur Nachlassverwaltung, die vermeintliche „Sinnlosigkeit“ der Vollstreckung oder ein jüngeres Testament ohne explizite Aufhebung der Vollstreckung – reichen für eine gerichtliche Absetzung nicht aus.
Eine Entlassung kommt primär nur dann in Betracht, wenn der Testamentsvollstrecker selbst gravierende Pflichten verletzt. Dies kann die Missachtung des im Testament ausgedrückten Erblasserwillens sein. Auch eine erwiesene Ungeeignetheit für seine Aufgabe stellt einen wichtigen Grund dar. Solche Gründe müssen weit über Ihr persönliches Missfallen hinausgehen.
Denken Sie an einen Bauleiter, der vom Architekten persönlich eingesetzt wurde, um dessen Vision exakt umzusetzen. Selbst wenn die späteren Eigentümer den Stil oder die Arbeitsweise des Bauleiters nicht mögen, können sie ihn nicht einfach entlassen. Der Bauleiter dient dem ursprünglichen Schöpfer und dessen Plan, nicht den aktuellen Befindlichkeiten der Auftraggeber.
Möchten Sie eine Absetzung erreichen, überprüfen Sie akribisch jede Handlung oder Unterlassung des Testamentsvollstreckers. Suchen Sie nach konkreten Beweisen, die zeigen, dass er gegen den im Testament ausgedrückten Willen des Erblassers verstößt oder seine gesetzlichen Pflichten evident verletzt. Nur mit solchen stichhaltigen Gründen haben Sie eine Chance, das Nachlassgericht von einer Entlassung zu überzeugen.
Was kann ich tun, wenn mein Testamentsvollstrecker untätig bleibt oder seine Pflichten verletzt?
Wenn Ihr Testamentsvollstrecker untätig bleibt oder seine Pflichten verletzt, haben Sie als Erbe handfeste juristische Möglichkeiten. Anders als beim bloßen Missfallen können Sie beim Nachlassgericht eine Entlassung beantragen. Der Grund: Eine solche Fehlleistung widerspricht dem ursprünglichen Willen des Erblassers. Das Gericht kann dann eingreifen, um den Nachlass zu schützen.
Juristen nennen das eine grobe Pflichtverletzung oder einen wichtigen Grund für die Entlassung nach § 2227 BGB. Dies unterscheidet sich deutlich von Situationen, in denen Erben den Testamentsvollstrecker einfach nicht wünschen oder seine Arbeit für überflüssig halten. Solche persönlichen Präferenzen reichen, wie der Artikel zeigt, nicht aus.
Hat der Testamentsvollstrecker aber tatsächlich testamentarische Anweisungen missachtet, ist er chronisch untätig oder hat er gar Gelder veruntreut, liegt ein ernsthaftes Problem vor. In solchen Fällen ist er dem Erblasserwillen nicht mehr dienlich und die Nachlassabwicklung ist in Gefahr. Das Nachlassgericht prüft dann objektiv, ob die Fortsetzung seiner Amtsführung unzumutbar ist und den Interessen des Nachlasses schadet.
Denken Sie an die Situation, als Sie einen Handwerker für eine wichtige Reparatur beauftragen: Wenn er weder erscheint, noch arbeitet, noch die vereinbarten Materialien bestellt, würden Sie ihn ebenfalls nicht länger akzeptieren. Sie würden ihn nicht nur wegen eines Farbtons ablehnen, sondern wegen mangelnder Leistung. Ähnlich ist es hier: Das Gericht schaut auf die Leistung und die Einhaltung der „Vertragsbedingungen“ – also des Testaments.
Mein dringender Rat: Handeln Sie nicht überstürzt mit vagen Beschwerden. Stattdessen sollten Sie penibel alle Vorfälle dokumentieren. Erstellen Sie eine detaillierte, chronologische Liste aller Kommunikationen, Fristen, versäumten Aufgaben und konkreten Pflichtverletzungen. Sammeln Sie Mails, Briefe oder Zeugenaussagen. Mit diesen stichhaltigen Beweisen wenden Sie sich dann an einen Fachanwalt für Erbrecht. Er kann Sie dabei unterstützen, einen fundierten Antrag auf Entlassung beim Nachlassgericht zu stellen, der auch Erfolgsaussichten hat.
Wie kann ich als Erblasser eine ungewollte Testamentsvollstreckung sicher vermeiden?
Um eine ungewollte Testamentsvollstreckung sicher zu vermeiden, müssen Sie in Ihrem Testament ausdrücklich und unmissverständlich festhalten, dass Sie diese nicht wünschen. Ein bloßer Widerruf oder die Hoffnung, ein späteres Testament würde ausreichen, ist nicht genug. Sie müssen klare Anweisungen formulieren, damit der Erblasserwille nicht missinterpretiert wird und Ihre Erben den Nachlass selbst verwalten können.
Juristen nennen das den Vorrang des Erblasserwillens. Das bedeutet: Für Nachlassgerichte zählt allein, was Sie als Erblasser wirklich wollten. Eine Testamentsvollstreckung wird auch dann angeordnet, wenn alle Erben dagegen sind, sofern Ihr letzter Wille eine solche Anordnung enthält oder impliziert. Insbesondere vage Formulierungen wie „die Testamentsvollstreckung soll trotzdem fortdauern“, selbst wenn ein ursprünglich benannter Vollstrecker ablehnt, werden vom Gericht als eindeutige Anweisung interpretiert.
Es geht darum, jede stillschweigende Bitte an das Gericht zu vermeiden. Wenn Sie eine Testamentsvollstreckung früher angeordnet hatten, müssen Sie diese in einem späteren Testament eindeutig und explizit widerrufen. Eine bloße Ergänzung oder ein neues Testament, das die Erben benennt, aber die Vollstreckung nicht aufhebt, wird nicht als Aufhebungswille verstanden. Das Gericht sucht nach einem klaren, unmissverständlichen Signal, dass Ihre Erben den Nachlass eigenverantwortlich abwickeln sollen, ohne externe Hilfe.
Ein passender Vergleich ist eine Bauanleitung: Jeder Satz im Testament muss eine klare Anweisung sein. Fehlt eine Anweisung zum Abriss eines alten Fundaments, bleibt es stehen. Ein Gericht liest diese Anleitung buchstabengetreu, nicht zwischen den Zeilen. Wenn Sie also keinen Testamentsvollstrecker wünschen, müssen Sie das Fundament der Vollstreckung explizit herausreißen.
Überprüfen Sie umgehend Ihr bestehendes Testament und alle Ergänzungen. Achten Sie dabei akribisch auf Formulierungen zur Testamentsvollstreckung. Konsultieren Sie einen Notar oder Fachanwalt für Erbrecht. Nur so können Sie jede mehrdeutige oder ungewollte Passage rechtssicher eliminieren und sicherstellen, dass Ihr letzter Wille auch wirklich so umgesetzt wird, wie Sie es beabsichtigen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Aufhebungswillen
Aufhebungswillen bedeutet, dass jemand klar und eindeutig seinen Willen geäußert hat, eine frühere rechtliche Anordnung – wie eine Bestimmung im Testament – rückgängig zu machen. Das Gesetz verlangt diesen klaren Willen, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und zu verhindern, dass wichtige Verfügungen unbeabsichtigt geändert oder aufgehoben werden.
Beispiel: Im vorliegenden Fall fand das Gericht in dem handschriftlichen Testament der Erblasserin keinen Anhaltspunkt für einen Aufhebungswillen bezüglich der Testamentsvollstreckung.
Erblasserwille
Der Erblasserwille ist der maßgebliche Wunsch einer verstorbenen Person, wie ihr Vermögen nach dem Tod verteilt und verwaltet werden soll. Für Gerichte hat dieser Wille absolute Priorität und muss bei der Auslegung eines Testaments sowie der Umsetzung von Anordnungen wie einer Testamentsvollstreckung stets berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber schützt damit die Selbstbestimmung des Einzelnen über sein Erbe.
Beispiel: Obwohl die Erben die Testamentsvollstreckung nicht wollten, setzte das Nachlassgericht diese durch, weil der ursprüngliche Erblasserwille eindeutig auf eine professionelle Nachlassverwaltung ausgerichtet war.
Gemeinschaftliches Testament
Ein gemeinschaftliches Testament ist ein besonderes Testament, das von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern gemeinsam errichtet wird, um ihren letzten Willen für den Fall ihres Todes festzuhalten. Diese Form des Testaments bietet den Partnern die Möglichkeit, sich gegenseitig zu begünstigen und gleichzeitig die Erbfolge für den Fall des Todes des längerlebenden Partners zu regeln. Das Gesetz schafft damit eine rechtssichere Grundlage für gemeinsame Nachlassplanungen.
Beispiel: Das vorliegende gemeinsame Testament des Ehepaares enthielt die entscheidende Klausel zur Testamentsvollstreckung, die das Nachlassgericht später umsetzte.
Nachlassgericht
Das Nachlassgericht ist eine Abteilung des Amtsgerichts, die für alle Angelegenheiten rund um das Erbe zuständig ist, von der Testamentseröffnung bis zur Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Dieses Gericht sorgt dafür, dass der letzte Wille des Verstorbenen gemäß den gesetzlichen Vorschriften umgesetzt wird und überwacht die korrekte Abwicklung des Nachlasses. Die Justiz stellt damit eine neutrale Instanz zur Verfügung.
Beispiel: Nachdem die ursprünglich benannte Bank absagte, war es das Nachlassgericht, das einen neuen Testamentsvollstrecker gegen den Willen der Erben ernannte.
Testamentsvollstreckung
Die Testamentsvollstreckung ist eine vom Erblasser im Testament angeordnete Maßnahme, bei der eine dritte Person – der Testamentsvollstrecker – die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses übernimmt. Sie dient dazu, den Erblasserwillen auch nach dem Tod sicherzustellen, beispielsweise durch die Erfüllung von Vermächtnissen oder die gerechte Verteilung des Vermögens, wodurch Streitigkeiten unter den Erben oft vermieden werden.
Beispiel: Trotz des Wunsches der Erben, die Sache selbst zu regeln, sah das Kammergericht die Testamentsvollstreckung als notwendig an, solange noch Vermächtnisse zu erfüllen waren.
Vermächtnis
Ein Vermächtnis ist eine testamentarische Verfügung, durch die der Erblasser einer bestimmten Person – dem Vermächtnisnehmer – einen Gegenstand oder einen Geldbetrag aus dem Nachlass zukommen lässt, ohne diese Person als Erben einzusetzen. Der Gesetzgeber erlaubt Vermächtnisse, damit Erblasser auch außerhalb der Erbfolge einzelne Personen bedenken oder bestimmte Wünsche erfüllen können, ohne die gesamte Erbregelung zu ändern.
Beispiel: Ein zentraler Grund, warum das Kammergericht die Testamentsvollstreckung aufrechterhielt, war die offene Frage, ob die im Testament festgelegten Vermächtnisse bereits erfüllt waren.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 19 W 100/24 – Beschluss vom 22.10.2024
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Dr. jur. Christian Gerd Kotz ist Notar in Kreuztal und seit 2003 Rechtsanwalt. Als versierter Erbrechtsexperte gestaltet er Testamente, Erbverträge und begleitet Erbstreitigkeiten. Zwei Fachanwaltschaften in Verkehrs‑ und Versicherungsrecht runden sein Profil ab – praxisnah, durchsetzungsstark und bundesweit für Mandanten im Einsatz.
