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Testierunfähigkeit bei Demenz

OLG Celle – Az.: 6 W 4/18 – Beschluss vom 26.02.2018

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 1 hat dem Beteiligten zu 2 die durch das Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Beschwerdewert: 50.000 €.

Gründe

I.

Die Beschwerde, mit der der Beteiligte zu 1 sich gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Erteilung eines gemeinschaftlichen, ihn und die Beteiligte zu 3 aufgrund gesetzlicher Erbfolge jeweils als Miterben zu 1/2 ausweisenden Erbscheins richtet, ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, dass die Erbfolge sich nach dem eigenhändigen Testament der Erblasserin vom 16. Dezember 2011 (Bl. 16 der Testamentsakten 10 IV 244/16 Amtsgericht Geestland) richtet, in welchem die Erblasserin den Beteiligten zu 2 zu ihrem Alleinerben eingesetzt hat.

1. Das vorgenannte Testament ist nicht wegen des von der Erblasserin und ihrem vorverstorbenen Ehemann K.-H. L. am 16. August 2010 errichteten notariellen gemeinschaftlichen Testaments (Bl. 10 der Testamentsakten 7 IV 189/14 Amtsgericht B.) (von Anfang an) unwirksam. Zwar stand die von der Erblasserin später verfasste einseitige Verfügung im Widerspruch zu der in dem gemeinschaftlichen Testament von den Ehegatten getroffenen gegenseitigen Erbeinsetzung, die wechselbezüglich (§ 2270 Abs. 1, 2 BGB) war. Die Vorschrift des § 2271 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach ein Ehegatte durch eine neue Verfügung von Todes wegen bei Lebzeiten des anderen seine (gemeinschaftliche) Verfügung nicht einseitig aufheben kann, führt jedoch nicht zur Aufhebung oder Minderung seiner Testierfähigkeit, sondern bloß zur Beschränkung seiner Testierfreiheit, (RGZ 130, 213; Staudinger/Rainer Kanzleiter (2014) BGB 2271 Rn. 37, jeweils bei juris) und hat nicht die formelle Nichtigkeit späterer einseitiger Verfügungen zur Folge (RGZ 149, 200, 201, zitiert nach juris). Die spätere einseitige Verfügung ist nur insoweit unwirksam, als sie in Widerspruch zu einer wechselbezüglichen Verfügung steht. Sie ist oder wird dann wirksam, wenn sich die wechselbezügliche Verfügung des überlebenden Ehegatten als unwirksam erweist, etwa wenn sie durch vorzeitigen Tod des von dem überlebenden Ehegatten bedachten Ehegatten gegenstandslos wird (Staudinger, a. a. O.; RGZ, 149, 200, 201). So liegt der Fall hier. Die Erblasserin war nach dem am 20. November 2013 eingetretenen Tod ihres Ehemannes an ihre zu seinen Gunsten getroffene Erbeinsetzung aus dem gemeinschaftlichen Testament nicht mehr gebunden. Der vorverstorbene Ehemann konnte sie nicht mehr beerben. Einen Schlusserben hatten die Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament nicht benannt, sondern geregelt, dass „der Längerlebende berechtigt (ist), die Schlusserbfolge zu bestimmen.“

2. Der Senat hat aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens nicht die freie Überzeugung gewonnen (§ 37 Abs. 1, § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG), dass die Erblasserin am 16. Dezember 2011 wegen krankhafter Störung ihrer Geistestätigkeit nicht in der Lage war, die Bedeutung der von ihr einseitig verfügten Erbeinsetzung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (§ 2229 Abs. 4 BGB). Der Senat hält die Ausführungen im angefochtenen Beschluss für zutreffend. Das ergänzende Beschwerdevorbringen des Beteiligten zu 1 im Schriftsatz vom 29. Januar 2018 ist nicht geeignet, die amtsrichterliche Begründung zu erschüttern. Es fehlt an einer Auseinandersetzung mit den im angefochtenen Beschluss zu der Frage der Testierfähigkeit gemachten Ausführungen; der Beteiligte nimmt nur auf die Beschwerdeerwiderung des Beteiligten zu 2 Bezug, geht jedoch inhaltlich nicht auf die vom Amtsgericht umfassend dargelegten und widerspruchsfrei gewürdigten Aussagen der als Zeugen vernommenen Ärzte W., Facharzt für Allgemeinmedizin und Hausarzt der Erblasserin, und G., der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie ist, und bei dem die Erblasserin seit dem Jahr 2009 in Behandlung war, ein. Der Zeuge W. hat ausgesagt (Bl. 92 f. d. A.), er wisse nicht, wie stark der Grad der dementiellen Erkrankung der Erblasserin Ende des Jahres 2011 gewesen ist. Er habe die Erblasserin am 4. Oktober 2011 und dann erst wieder im Januar 2012 gesehen. Es gehöre zum Erkrankungsbild einer Demenz, dass es immer klare Tage bzw. klare Momente und mal Momente gebe, in denen alles weg sei. Der Zeuge G. hat bekundet (Bl. 93 ff. d. A.), er habe bei der Erblasserin eine Demenz sowie eine Depression festgestellt. Soweit es Phasen einer Desorientierung gegeben habe, habe er selbst solche nicht festgestellt, sondern seien ihm diese fremdanamnestisch von dem Ehemann der Erblasserin mitgeteilt worden. Der Erkrankungsverlauf habe sich schwankungsweise dargestellt. Bei einem am 13. Februar 2012 von ihm durchgeführten testpsychologischen Verfahren habe sich trotz Einschränkungen im Kurzzeitgedächtnis noch ein relativ gutes Bild ergeben, insbesondere den schriftlichen Umgang mit Zahlen und Buchstaben betreffend. Das Gesamtergebnis des Tests seien 10 von 18 möglichen Punkten gewesen, was einer leichten kognitiven Beeinträchtigung gleichkomme. Er gehe davon aus, dass die Erblasserin das Testament sowohl frei hätte formulieren als auch abschreiben können. Im Rahmen der Depression habe eine Affektstörung vorgelegen, die die Erblasserin hat antriebsloser werden lassen. Von Halluzinationen sei ihm von dem Ehemann erstmals am 13. Februar 2012, aber nicht bei den Behandlungsterminen am 9. und 24. Januar 2012 berichtet worden.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten ärztlichen Bekundungen lässt sich nicht ausschließen, dass die Erblasserin, als sie am 16. Dezember 2011 einseitig testierte, in ihrer Willensbildung frei und sich der Bedeutung und Tragweite ihres Handels bewusst war. Im Zweifel ist von Testierfähigkeit auszugehen. Wie das Amtsgericht richtig erkannt hat, trägt die Feststellungslast für eine Testierunfähigkeit der Beteiligte zu 1, der sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft.

II.

Einer Entscheidung über die Gerichtskosten bedarf es nicht. Die Pflicht, die Gerichtsgebühren des erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu tragen, folgt aus dem Gesetz (§ 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1 GNotKG).

Die Anordnung der Erstattung notwendiger Aufwendungen ergibt sich aus § 84, § 80 S. 1, 2. Halbs. FamFG.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 61 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 GNotKG. Maßgeblich ist das mit der Beschwerde verfolgte wirtschaftliche Interesse des Beteiligten zu 1, als gesetzlicher Erbe zu 1/2 an dem Nachlass, dessen Wert er im Erbscheinsantrag mit 150.000 € (Bl. 12 d. A.) angegeben hat, beteiligt zu sein. Ein weiteres Drittel (25.000 €) war wegen der eingeschränkten Funktion des Erbscheins (nur Legitimationswirkung) abzuziehen.

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