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Testierunfähigkeit bei späterer Demenz – Voraussetzungen

Ein Erbe unter Verdacht: War das Testament einer an Demenz erkrankten Person wirklich ihr freier Wille? Ein Familiendrama entbrennt, als das Gericht über die Gültigkeit eines Testaments entscheiden muss. Es geht um viel Geld und die Frage, wie viel Geisteszustand für ein gültiges letztes Wort erforderlich ist.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Zweibrücken
  • Datum: 07.06.2023
  • Aktenzeichen: 8 W 71/22
  • Verfahrensart: Beschluss im Erbscheinsverfahren
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Nachlassrecht, Kostenrecht
  • Beteiligte Parteien:
    • Beschwerdeführende Partei: Partei, die am 12. Oktober 2020 einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins stellte und mit ihrer Beschwerde die Aufhebung des Beschlusses des Nachlassgerichts erreichen wollte.
    • Nachlassgericht Bad Neuenahr-Ahrweiler: Gericht der ersten Instanz, das am 16. Mai 2022 einen Beschluss erlassen hatte, dessen Aufhebung und Neuanweisung zur Erteilung des Erbscheins angeordnet wurde.
  • Um was ging es?
    • Sachverhalt: Es wurde ein Erbscheinsantrag am 12. Oktober 2020 gestellt. Das Nachlassgericht hatte daraufhin einen Beschluss erlassen, der von der Antragstellerin bestritten wurde. Gleichzeitig hatte das Gericht bereits von Amts wegen Ermittlungen zur Testierfähigkeit der betroffenen Eheleute aufgenommen.
    • Kern des Rechtsstreits: Streitpunkt war, ob der Erbscheinsantrag trotz vorangegangener behördlicher Ermittlungen grundsätzlich durch das Nachlassgericht zu erfüllen sei und wie die Kosten des Verfahrens, insbesondere die erstinstanzlich angefallenen Gerichtskosten, zu verteilen sind.
  • Was wurde entschieden?
    • Entscheidung: Der Beschluss des Nachlassgerichts vom 16. Mai 2022 wurde aufgehoben und das Nachlassgericht angewiesen, den Erbschein gemäß dem Antrag vom 12. Oktober 2020 zu erteilen. Die Entscheidung erfolgte gerichtsgebührenfrei, während die erstinstanzlichen Gerichtskosten der beschwerdeführenden Partei auferlegt werden.
    • Begründung: Die Gerichtskosten würden auch dann anfallen, wenn keine Einwendungen gegen den Erbscheinsantrag erhoben worden wären, da das Nachlassgericht schon von Amts wegen verpflichtet gewesen wäre, vor der Verbescheidung Ermittlungen – insbesondere zur Testierfähigkeit der Eheleute – aufzunehmen.
    • Folgen: Das Urteil verpflichtet das Nachlassgericht zur Ausstellung des Erbscheins nach Maßgabe des vorliegenden Antrags und macht die in der ersten Instanz entstandenen Kosten (einschließlich der Kosten für das eingeholte Sachverständigengutachten) der beschwerdeführenden Partei zur Last. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten in der zweiten Instanz erfolgt nicht, da kein entsprechendes Rechtsmittel anderer Beteiligter eingelegt wurde.

Der Fall vor Gericht


Gericht kippt Entscheidung zu Testierunfähigkeit – Erbschein trotz Demenzrisiko erteilt

Älterer Mensch mit Demenz unterschreibt einen testamentarischen Vertrag in einem Wohnzimmer.
Testierfähigkeit trotz Demenzrisiko | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat in einem aktuellen Beschluss (Az.: 8 W 71/22) eine Entscheidung des Amtsgerichts Bad Neuenahr-Ahrweiler aufgehoben und damit die Erteilung eines Erbscheins angeordnet. Im Kern des Falls stand die Frage, ob ein älteres Ehepaar zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch testierfähig war, obwohl später Demenz diagnostiziert wurde. Das OLG stellte klar, dass die Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zweifelsfrei nachgewiesen werden muss, was im vorliegenden Fall nicht gelang.

Der Fall im Detail – Streit um ein umfangreiches Erbe

Im Zentrum des Rechtsstreits stand das Erbe eines Ehepaares, das ein gemeinschaftliches Testament verfasst hatte. Dieses Testament setzte den Beteiligten zu 1. als Alleinerben des letztversterbenden Ehegatten ein. Nach dem Tod eines Ehepartners beantragte der Beteiligte zu 1. einen Erbschein, der ihm die Alleinerbenstellung bestätigen sollte. Das Amtsgericht lehnte dies jedoch zunächst ab, da es Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung hegte.

Zweifel an der Testierfähigkeit – Betreuungsakten werfen Fragen auf

Die Zweifel des Amtsgerichts basierten auf Einträgen in Betreuungsakten der Eheleute. Diese Akten deuteten auf eine mögliche eingeschränkte Geschäftsfähigkeit und somit auch Testierunfähigkeit hin. Das Nachlassgericht sah sich daher veranlasst, die Testierfähigkeit der Eheleute zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung genauer zu prüfen und holte ein Sachverständigengutachten ein.

Sachverständigengutachten und die Entscheidung des Amtsgerichts

Das eingeholte Sachverständigengutachten konnte die Frage der Testierunfähigkeit nicht abschließend klären. Trotzdem entschied das Amtsgericht, dem Erbscheinsantrag nicht stattzugeben. Es sah die Testierfähigkeit der Erblasser als nicht ausreichend gegeben an. Gegen diese Entscheidung legte der Beteiligte zu 1. Beschwerde beim Oberlandesgericht Zweibrücken ein.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken – Klare Anforderungen an den Nachweis der Testierunfähigkeit

Das OLG Zweibrücken gab der Beschwerde des Beteiligten zu 1. statt und hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Das Gericht betonte, dass für die Feststellung der Testierunfähigkeit ein sehr hoher Beweismaßstab gilt. Es müsse jeder vernünftige Zweifel ausgeschlossen sein, dass die testierende Person zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr in der Lage war, die Bedeutung und die Folgen ihrer Verfügung zu verstehen und entsprechend zu handeln (§ 2229 Abs. 4 BGB).

Keine Zweifel an der Formwirksamkeit und dem Inhalt des Testaments

Das OLG stellte fest, dass das gemeinschaftliche Testament der Eheleute formwirksam errichtet wurde (§ 2267 S. 1 BGB). Auch die Echtheit der Unterschrift der Erblasserin wurde bestätigt, indem sie mit Unterschriften in der Vorsorgevollmacht verglichen wurde. Anhaltspunkte für eine unlautere Einflussnahme Dritter bei der Testamentserrichtung wurden ebenfalls nicht gefunden. Das Gericht sah somit keine formellen oder inhaltlichen Mängel des Testaments.

Die Beweislast liegt bei den Zweiflern – Gericht betont hohe Hürde für Testierunfähigkeit

Ein zentraler Punkt der Entscheidung des OLG Zweibrücken war die Verteilung der Beweislast. Wer die Testierunfähigkeit einer Person behauptet, muss dies auch zweifelsfrei beweisen. Im vorliegenden Fall sahen die Richter diese Beweisführung als nicht erbracht an. Die bloßen Einträge in Betreuungsakten und das Sachverständigengutachten, das keine abschließende Aussage treffen konnte, reichten dem OLG nicht aus, um die Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu belegen.

Kostenentscheidung – Wer trägt die Verfahrenskosten?

Das OLG entschied, dass das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei ist. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz, einschließlich des Sachverständigengutachtens, wurden dem Beteiligten zu 1. auferlegt. Dies begründete das Gericht damit, dass diese Kosten auch entstanden wären, wenn dem Erbscheinsantrag nicht widersprochen worden wäre, da das Nachlassgericht aufgrund der Betreuungsakten ohnehin Ermittlungen zur Testierfähigkeit hätte einleiten müssen. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wurde nicht angeordnet.

Bedeutung des Urteils für Betroffene – Schutz der Testierfreiheit bei beginnender Demenz

Das Urteil des OLG Zweibrücken ist von großer Bedeutung für Menschen, bei denen im Alter Demenz diagnostiziert wird, sowie für ihre Angehörigen. Es stärkt die Testierfreiheit und macht deutlich, dass Zweifel an der Testierfähigkeit nicht ausreichen, um ein Testament für ungültig zu erklären. Vielmehr ist ein eindeutiger und zweifelsfreier Nachweis der Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung erforderlich.

Für Betroffene bedeutet dies, dass ein Testament, das zu einem Zeitpunkt verfasst wurde, als noch keine oder nur eine beginnende Demenz vorlag, in der Regel Bestand hat. Gerichte legen hohe Anforderungen an den Nachweis der Testierunfähigkeit, um die Selbstbestimmung des Einzelnen im Rahmen der Nachlassplanung zu schützen. Angehörige, die ein Testament wegen angeblicher Testierunfähigkeit anfechten wollen, tragen die volle Beweislast und müssen diese in einem Gerichtsverfahren auch erbringen. Das Urteil unterstreicht somit die Wichtigkeit, die Testierfähigkeit im Zweifel zu bejahen und die Entscheidungen des Erblassers zu respektieren.


Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil verdeutlicht, dass bei der Beurteilung der Testierfähigkeit eines Erblassers nicht die bloße Existenz einer Erkrankung entscheidend ist, sondern ob diese die Fähigkeit beeinträchtigt hat, die Bedeutung des Testaments zu verstehen und danach zu handeln. Ohne eindeutigen Nachweis einer solchen schwerwiegenden Beeinträchtigung gilt die gesetzliche Vermutung zugunsten der Testierfähigkeit. Die Quintessenz ist, dass ein Testament nicht leichtfertig wegen angeblicher Testierunfähigkeit ungültig erklärt werden kann – vielmehr sind hierfür zweifelsfrei nachgewiesene, erhebliche geistige Einschränkungen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung erforderlich.

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Gerade wenn es um Fragen der Testierfähigkeit und die Absicherung des eigenen letzten Willens geht, können sich Unsicherheiten einstellen. Zweifel an der Beurteilung einer letztigen Verfügung erfordern eine genaue Betrachtung und fundierte rechtliche Einschätzung – Aspekte, die gerade in Situationen mit komplexen persönlichen und familiären Hintergründen von zentraler Bedeutung sind.

Unsere Kanzlei unterstützt Sie bei der Analyse Ihrer persönlichen Lage und der Bewertung relevanter Aspekte zu Ihrem Testament und Erbe. Mit präzisen und nachvollziehbaren Beratungsansätzen helfen wir Ihnen, die richtigen Schritte in einem oft unübersichtlichen Rechtsumfeld zu gehen und Ihre Anliegen bestmöglich abzusichern.

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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann genau spricht man von Testierunfähigkeit bei Demenz und welche Rolle spielt der Zeitpunkt der Testamentserrichtung?

Bei Demenz spricht man von Testierunfähigkeit, wenn die erkrankte Person zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung und Tragweite ihrer letztwilligen Verfügung zu erkennen und nach dieser Einsicht zu handeln. Der entscheidende Zeitpunkt für die Beurteilung der Testierfähigkeit ist ausschließlich der Moment der Testamentserrichtung.

Beurteilung der Testierfähigkeit bei Demenz

Die Diagnose Demenz allein führt nicht automatisch zur Testierunfähigkeit. Vielmehr kommt es auf den individuellen Schweregrad der Erkrankung an:

  • Bei einer leichtgradigen Demenz ist in der Regel noch von einer bestehenden Testierfähigkeit auszugehen.
  • Bei mittelschwerer und schwerer Demenz liegt häufig Testierunfähigkeit vor, da die kognitiven Fähigkeiten erheblich beeinträchtigt sein können.

Wenn Sie oder ein Angehöriger an Demenz erkrankt sind und ein Testament errichten möchten, ist es wichtig, den genauen Zeitpunkt sorgfältig zu wählen. Idealerweise sollten Sie das Testament in einem frühen Stadium der Erkrankung verfassen, wenn die geistigen Fähigkeiten noch weitgehend intakt sind.

Rechtliche Grundlagen und Beweislast

Nach § 2229 Absatz 4 BGB ist eine Person testierfähig, wenn sie die Bedeutung ihrer Willenserklärung erkennen und frei von äußeren Einflüssen handeln kann. Bei Zweifeln an der Testierfähigkeit liegt die Beweislast bei demjenigen, der die Unwirksamkeit des Testaments behauptet.

Bedeutung des Errichtungszeitpunkts

Der Zustand zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung ist maßgeblich. Eine später fortschreitende Demenz hat keinen Einfluss auf die Gültigkeit eines zuvor errichteten Testaments. Umgekehrt kann ein Testament, das in einem Zustand der Testierunfähigkeit errichtet wurde, nicht durch eine spätere Besserung des Zustands gültig werden.

Vorsorgemaßnahmen bei Demenzrisiko

Wenn bei Ihnen ein erhöhtes Demenzrisiko besteht, sollten Sie frühzeitig Vorkehrungen treffen:

  • Erstellen Sie Ihr Testament möglichst früh, solange Ihre geistigen Fähigkeiten uneingeschränkt sind.
  • Lassen Sie die Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung durch einen Arzt oder Notar dokumentieren.
  • Überprüfen und aktualisieren Sie Ihr Testament regelmäßig, solange Sie noch testierfähig sind.

Durch diese Maßnahmen können Sie sicherstellen, dass Ihr letzter Wille auch im Falle einer späteren Demenzerkrankung Bestand hat und Ihre Wünsche respektiert werden.


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Wer muss beweisen, dass eine Person zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig war und wie kann dieser Beweis erbracht werden?

Die Beweislast für die Testierunfähigkeit liegt bei demjenigen, der sich darauf beruft. Wenn Sie also ein Testament anfechten möchten, weil Sie glauben, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung nicht testierfähig war, müssen Sie dies beweisen.

Beweislastverteilung

Grundsätzlich wird die Testierfähigkeit vermutet. Das bedeutet, dass das Gericht zunächst davon ausgeht, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war. Wenn Sie diese Vermutung widerlegen möchten, müssen Sie stichhaltige Beweise vorlegen.

Mögliche Beweismittel

Um die Testierunfähigkeit nachzuweisen, können Sie verschiedene Beweismittel nutzen:

  • Medizinische Gutachten: Ein fachärztliches Gutachten, insbesondere von einem Psychiater, kann den geistigen Zustand des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung beurteilen.
  • Krankenakten: Vorhandene medizinische Unterlagen können Aufschluss über den Gesundheitszustand des Erblassers geben.
  • Zeugenaussagen: Aussagen von Ärzten, Pflegepersonal oder Angehörigen können wichtige Hinweise auf den geistigen Zustand des Erblassers liefern.
  • Schriftproben: Handschriftliche Aufzeichnungen des Erblassers aus der fraglichen Zeit können Rückschlüsse auf seine geistige Verfassung zulassen.

Herausforderungen beim Beweiserbringen

Der Nachweis der Testierunfähigkeit kann in der Praxis schwierig sein:

  1. Zeitlicher Abstand: Oft liegt die Testamentserrichtung Jahre zurück, was die Beweisführung erschwert.
  2. Lückenhafte Dokumentation: Besonders bei privaten Testamenten fehlen häufig unmittelbare Zeugen oder Aufzeichnungen zur geistigen Verfassung des Erblassers.
  3. Beweisanforderungen: Die Gerichte stellen hohe Anforderungen an den Beweis der Testierunfähigkeit. Eine bloße Vermutung oder vage Hinweise reichen nicht aus.
  4. Lichte Momente: Selbst bei einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung können sogenannte „lichte Momente“ auftreten, in denen der Erblasser vorübergehend testierfähig sein kann.

Wenn Sie ein Testament aufgrund von Testierunfähigkeit anfechten möchten, sollten Sie möglichst umfassende Beweise sammeln. Dazu gehören ärztliche Unterlagen, Zeugenaussagen und alle verfügbaren Dokumente, die den Geisteszustand des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung belegen können. Je mehr stichhaltige Beweise Sie vorlegen können, desto höher sind Ihre Chancen, die Vermutung der Testierfähigkeit zu widerlegen.


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Welche Rolle spielen ärztliche Gutachten und Betreuungsakten bei der Beurteilung der Testierfähigkeit?

Ärztliche Gutachten und Betreuungsakten sind zentrale Beweismittel bei der Beurteilung der Testierfähigkeit eines Erblassers. Sie liefern wichtige Informationen über den geistigen Zustand der Person zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.

Bedeutung ärztlicher Gutachten

Ärztliche Gutachten, insbesondere psychiatrische Fachgutachten, haben einen hohen Stellenwert bei der Beurteilung der Testierfähigkeit. Wenn Sie ein Testament anfechten oder dessen Gültigkeit sicherstellen möchten, sollten Sie Folgendes beachten:

  • Nur Gutachten von Fachärzten für Psychiatrie werden von Gerichten als ausreichend anerkannt. Gutachten von Allgemeinmedizinern gelten als unzureichend.
  • Der Gutachter untersucht die Einsichtsfähigkeit des Erblassers und seine Fähigkeit zur selbstbestimmten Willensbildung.
  • Bei einer Begutachtung zu Lebzeiten erfolgt eine direkte Untersuchung. Nach dem Tod des Erblassers erstellt der Sachverständige ein retrospektives Gutachten auf Basis vorhandener Krankenunterlagen.

Rolle von Betreuungsakten

Betreuungsakten können ebenfalls wichtige Hinweise auf die Testierfähigkeit geben. Wenn für den Erblasser eine gerichtliche Betreuung eingerichtet war, beachten Sie:

  • Die Betreuungsakte kann zur Klärung der Testierfähigkeit beitragen, ist aber nicht allein ausschlaggebend.
  • Eine Betreuung bedeutet nicht automatisch Testierunfähigkeit. Die Fähigkeit, ein Testament zu errichten, muss im Einzelfall geprüft werden.
  • Betreuungsakten können Aufschluss über den Umfang der Betreuung und die Gründe für ihre Einrichtung geben.

Bewertung durch das Gericht

Das Gericht bewertet ärztliche Gutachten und Betreuungsakten im Gesamtkontext. Dabei gilt:

  • Das Gericht ist nicht an das Ergebnis eines einzelnen Gutachtens gebunden.
  • Bei Zweifeln kann ein weiteres Obergutachten angefordert oder der Gutachter zu einer mündlichen Erläuterung geladen werden.
  • Die Qualität des Gutachtens wird vom Gericht anhand strenger Kriterien geprüft. Ein mangelhaftes Gutachten kann zur Aufhebung der nachlassgerichtlichen Entscheidung führen.

Bedenken Sie, dass trotz einer Demenzerkrankung die Testierfähigkeit nicht automatisch ausgeschlossen ist. Bei einer leichten Demenz kann eine Person durchaus noch in der Lage sein, ein wirksames Testament zu errichten. Entscheidend ist der Zustand zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.

Wenn Sie die Testierfähigkeit eines Erblassers in Frage stellen, müssen Sie als anfechtende Partei die Testierunfähigkeit nachweisen. Ärztliche Gutachten und Betreuungsakten sind dabei wichtige, aber nicht immer allein ausreichende Beweismittel. Eine sorgfältige Prüfung aller Umstände ist erforderlich, um die Testierfähigkeit zu beurteilen.


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Kann ein im Zustand beginnender Demenz errichtetes Testament später angefochten werden und welche Erfolgsaussichten hat eine solche Anfechtung?

Ein im Zustand beginnender Demenz errichtetes Testament kann grundsätzlich angefochten werden, jedoch sind die Erfolgsaussichten einer solchen Anfechtung oft gering. Die bloße Diagnose einer beginnenden Demenz reicht in der Regel nicht aus, um ein Testament erfolgreich anzufechten.

Rechtliche Grundlagen der Testamentsanfechtung bei Demenz

Gemäß § 2229 Abs. 4 BGB ist eine Person testierunfähig, wenn sie „wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihr abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“. Bei einer beginnenden Demenz muss also nachgewiesen werden, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bereits in diesem Maße beeinträchtigt war.

Herausforderungen bei der Anfechtung

Die Anfechtung eines Testaments wegen beginnender Demenz ist mit erheblichen Herausforderungen verbunden:

  1. Beweislast: Sie tragen als Anfechtender die Beweislast. Das bedeutet, Sie müssen nachweisen, dass der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr testierfähig war.
  2. Zeitpunkt der Testamentserrichtung: Entscheidend ist der genaue Zeitpunkt, zu dem das Testament verfasst wurde. Selbst wenn später eine fortgeschrittene Demenz diagnostiziert wurde, muss die Testierunfähigkeit für den konkreten Zeitpunkt der Testamentserrichtung belegt werden.
  3. Graduelle Entwicklung: Demenz entwickelt sich meist schleichend. Bei einer beginnenden Demenz kann die Person häufig noch klare Momente haben, in denen sie durchaus testierfähig ist.
  4. Ärztliche Gutachten: In vielen Fällen sind medizinische Gutachten erforderlich, um den Geisteszustand des Erblassers zum fraglichen Zeitpunkt zu beurteilen. Diese können schwer zu beschaffen sein, insbesondere wenn das Testament schon vor längerer Zeit errichtet wurde.

Erfolgsaussichten einer Anfechtung

Die Erfolgsaussichten einer Testamentsanfechtung bei beginnender Demenz sind generell als gering einzustufen. Gerichte gehen im Zweifel von der Testierfähigkeit aus, solange nicht das Gegenteil bewiesen wird. Selbst bei fortgeschrittener Demenz haben Gerichte in der Vergangenheit die Testierfähigkeit in manchen Fällen noch bejaht.

Wenn Sie eine Anfechtung in Betracht ziehen, sollten Sie folgende Punkte beachten:

  • Sammeln Sie alle verfügbaren medizinischen Unterlagen, die den Gesundheitszustand des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung dokumentieren.
  • Suchen Sie nach Zeugen, die den geistigen Zustand des Erblassers zur fraglichen Zeit beurteilen können.
  • Beachten Sie die Anfechtungsfrist von einem Jahr, nachdem Sie vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt haben.

Bedenken Sie, dass eine Testamentsanfechtung oft mit hohen Kosten und emotionalen Belastungen verbunden sein kann. Wägen Sie sorgfältig ab, ob die möglichen Vorteile einer erfolgreichen Anfechtung diese Risiken aufwiegen.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Testierunfähigkeit

Testierunfähigkeit beschreibt den Zustand, in dem eine Person nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer letztwilligen Verfügung zu verstehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Sie ist gemäß § 2229 BGB ein rechtlicher Hinderungsgrund für die wirksame Errichtung eines Testaments. Eine Person gilt als testierunfähig, wenn sie wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht fähig ist, die Tragweite ihrer Entscheidungen zu erfassen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Beispiel: Ein an fortgeschrittener Alzheimer-Demenz erkrankter Mann unterschreibt ein Testament, ohne zu verstehen, was er unterzeichnet oder welche Konsequenzen seine Unterschrift hat.


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Erbschein

Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis, das vom Nachlassgericht gemäß §§ 2353 ff. BGB ausgestellt wird und die Erbenstellung einer Person offiziell bestätigt. Er dient als Legitimationsurkunde gegenüber Dritten (wie Banken, Grundbuchamt, Behörden) und begründet die gesetzliche Vermutung, dass der darin Genannte tatsächlich Erbe ist. Der Erbschein wird auf Antrag erteilt und setzt voraus, dass die Erbenstellung glaubhaft gemacht wird.

Beispiel: Nach dem Tod eines Erblassers benötigt der im Testament eingesetzte Erbe einen Erbschein, um bei der Bank Zugriff auf das Konto des Verstorbenen zu erhalten oder um im Grundbuch als neuer Eigentümer eingetragen zu werden.


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Testamentserrichtung

Die Testamentserrichtung bezeichnet den formellen Akt der Erstellung eines Testaments, wobei strenge Formvorschriften gemäß §§ 2231 ff. BGB eingehalten werden müssen. Ein Testament kann eigenhändig (handschriftlich verfasst, mit Datum und Unterschrift versehen) oder notariell (durch einen Notar beurkundet) errichtet werden. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung muss der Verfasser testierfähig sein, d.h. die Bedeutung seiner Handlung verstehen und entsprechend dieser Einsicht handeln können.

Beispiel: Eine 75-jährige Frau schreibt ihr Testament vollständig von Hand, datiert und unterschreibt es, um ihre zwei Kinder zu gleichen Teilen als Erben einzusetzen.


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Testierfähigkeit

Testierfähigkeit bezeichnet die rechtliche Fähigkeit einer Person, ein gültiges Testament zu errichten. Nach § 2229 BGB ist testierfähig, wer mindestens 16 Jahre alt ist und die Bedeutung seiner Willenserklärung sowie deren Folgen verstehen und nach dieser Einsicht handeln kann. Die Testierfähigkeit wird im Zweifelsfall zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bewertet und es gilt die gesetzliche Vermutung der Testierfähigkeit, bis das Gegenteil bewiesen ist.

Beispiel: Eine 82-jährige Frau mit beginnender Demenz kann noch ein gültiges Testament errichten, solange sie in klaren Momenten die Tragweite ihrer Entscheidung versteht und entsprechend handeln kann.


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Nachlassgericht

Das Nachlassgericht ist eine Abteilung des Amtsgerichts, die gemäß § 342 FamFG für Angelegenheiten des Erbrechts und der Nachlassabwicklung zuständig ist. Es bearbeitet Erbscheinanträge, bewahrt Testamente auf, eröffnet sie nach dem Tod des Erblassers und entscheidet über die Erteilung von Erbscheinen. Das Nachlassgericht ist verpflichtet, von Amts wegen die für seine Entscheidungen relevanten Tatsachen zu ermitteln, etwa die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.

Beispiel: Nach dem Tod des Erblassers wendet sich der im Testament genannte Erbe an das Nachlassgericht, um einen Erbschein zu beantragen, woraufhin das Gericht die Voraussetzungen für die Erteilung prüft.


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Beschwerdeführende Partei

Die beschwerdeführende Partei ist im Rechtsverfahren diejenige Person, die gegen eine gerichtliche Entscheidung Beschwerde einlegt und damit ein Rechtsmittelverfahren in Gang setzt. Im Erbrecht ist dies häufig ein Erbe oder ein anderer Berechtigter, der mit der Entscheidung des Nachlassgerichts nicht einverstanden ist. Gemäß §§ 58 ff. FamFG kann die beschwerdeführende Partei durch ihre Beschwerde eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung durch die nächsthöhere Instanz erreichen.

Beispiel: Ein Erbe, dessen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins vom Nachlassgericht abgelehnt wurde, legt als beschwerdeführende Partei Beschwerde zum Oberlandesgericht ein, um die Entscheidung aufheben zu lassen.

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Das vorliegende Urteil


OLG Zweibrücken – Az.: 8 W 71/22 – Beschluss vom 07.06.2023


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