OLG Bamberg – Az.: 4 W 16/14 – Urteil vom 22.5.2015
1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Würzburg vom
18.10.2013, Az. VI 1020/10, wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf 217.121,06 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der verwitwete kinderlose Erblasser ist am xx.xx.2010 im Alter von 89 Jahren verstorben. Seine
Ehefrau F. A. (künftig nur: Ehefrau) ist am xx.xx.2007 vorverstorben. Die Beteiligte zu 1) und
Beschwerdeführerin ist Adoptivtochter einer Schwester der vorverstorbenen Ehefrau. Der
Beteiligte zu 3) ist Neffe der vorverstorbenen Ehefrau, die Beteiligte zu 2) ist die Ehefrau des
Beteiligten zu 3).
Der Erblasser befand sich ab 07.04.2007 im Pflegezentrum S.. Bereits mit Beschluss des
Amtsgerichts – Betreuungsgericht – Würzburg vom 14.03.2007 (Az: XVII 101/07) war die
Beschwerdeführerin als Ersatzbetreuerin für den Erblasser eingesetzt worden. Als Hauptbetreuerin
wurde mit gleichem Beschluss ihre Adoptivmutter bestimmt. Mit Beschluss des Betreuungsgerichts
vom 31.03.2010 wurden die beiden Betreuerinnen entlassen und es wurde ein Berufsbetreuer
bestellt.
Mit privatschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 04.04.1989 haben sich die Eheleute A.
gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt (Bl. 7 der Beiakte VI 6247/07). In einem weiteren
handschriftlichen gemeinschaftlichen Testament vom 01.06.2005 bestimmten die Ehegatten als
Schlusserben nach ihrem Ableben die Beteiligten zu 2) und 3) (Bl. 7 d.A.).
Daneben existieren zwei handschriftliche Testamente des Erblassers vom 27.05.2007 und vom
28.06.2007 (Bl. 4 und 5 d.A.), in welchen der Erblasser jeweils die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin
einsetzt.
Mit Schriftsatz vom 27.02.2009 im Nachlassverfahren der Ehefrau (Bl. 38 – 40 d. Beiakte) hat der
anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin namens und im Auftrag des Erblassers die
Anfechtung der letztwilligen Verfügungen der Ehegatten vom 01.06.2005 erklärt. Er hat hierzu eine
von der Beschwerdeführerin als Ersatzbetreuerin unterzeichnete Vollmacht vom 05.05.2008
vorgelegt (Bl. 41 der Beiakte).
Mit Schriftsatz vom 29.06.2010 im gegenständlichen Nachlassverfahren ist nochmals für die
Beschwerdeführerin die Anfechtung der letztwilligen Verfügungen vom 01.06.2005 erklärt worden.
Gleichzeitig beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung eines Erbscheins, der sie auf der
Grundlage der Testamente vom 27.05.2007 und 28.06.2007 als Alleinerbin ausweist (Bl. 11 – 13
d.A.).
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben ihrerseits die Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage des
Testaments vom 01.06.2005 beantragt, der sie zur Erben zu je 1/2 ausweist (Bl. 18 f., 31, 32 d.A.).
Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Würzburg hat mit Beschluss vom 18.10.2013 (Bl.248-260
d.A.) den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen und dem Antrag der Beteiligten zu 2) und 3)
stattgegeben. Es hat dargelegt, dass hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung keine
wechselbezügliche Verfügung vorliege, so dass die Bestimmung des Schlusserben jederzeit frei
abänderbar gewesen sei. Auf die Wirksamkeit der Anfechtungserklärungen komme es daher nicht
mehr an. Die Testamente vom 27.05.2007 und 28.06.2007 seien für die Bestimmung der Erbfolge
nicht heranzuziehen, da der Erblasser zum Zeitpunkt der Abfassung der Testamente testierunfähig
gewesen sei. Dies folge aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen sowie den Ausführungen des
Sachverständigen Dr. R..
Gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts, der Beschwerdeführerin zugestellt am 24.10.2013,
hat diese am 22.11.2013 Beschwerde eingelegt. Sie rügt unter Berufung auf ein Privatgutachten des
Arztes Prof. Dr. L., das Erstgericht gehe zu Unrecht von einer Testierunfähigkeit des Erblassers
aus. Die Datenlage ermögliche keinen Rückschluss auf eine kontinuierliche, gravierende
Beeinträchtigung der kognitiven Fähigkeiten.
Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 17.02.2014 (Bl.318 d.A.) der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 07.08.2014 (Bl.341, 342 d.A.) dem Sachverständigen Dr. R.
aufgegeben, sich schriftlich zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin und zu der Frage, ob
weitere Aufklärungsansätze zur Frage der Testierfähigkeit gegeben sind (etwa die Anhörung des
Hausarztes), zu äußern, was dieser in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 04.12.2014 getan hat
(Bl.350-353 d.A.). Die Beschwerdeführerin hat hierauf eine weitere Stellungnahme des
Privatgutachters Prof. Dr. L. vom 23.12.2014 vorgelegt, die der Sachverständige Dr. R. zum
Gegenstand seines weiteren Ergänzungsgutachtens vom 08.04.2015 (Bl.383-386 d.A.) gemacht hat,
in dem er seine Auffassung, der Erblasser sei testierunfähig gewesen, aufrecht erhält. Unter
Berufung auf eine erneute Stellungnahme des Privatgutachters Prof. Dr. L. rügt die
Beschwerdeführerin, der Sachverständige habe sich mit den Einwendungen des Privatgutachters
nicht auseinandergesetzt. Sie beantragt die Einholung eines Obergutachtens. Sie hält im Übrigen
die Einvernahme des Hausarztes nicht für sinnvoll. Beim Pflegepersonal sei zu berücksichtigen,
dass es sich nicht um psychiatrisches Fachpersonal handele.
II.
Das gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1 und 2, 63 Abs. 1, 3, 64 Abs. 1 FamFG zulässige Rechtsmittel
ist nicht begründet.
Die Erbfolge ist anhand des Testamens vom 01.06.2005 zu bestimmen. Wie das Nachlassgericht ist
auch der Senat davon überzeugt, dass die dort getroffene Schlusserbeneinsetzung der Beteiligten zu
2) und 3) durch die Testamente vom 27.05.2007 und 28.06.2007 nicht berührt wurde, da der
Erblasser zum Zeitpunkt der Abfassung dieser beiden Testamente testierunfähig war. Die
Wirksamkeit des Testaments wurde auch nicht durch die Anfechtungserklärungen vom 27.02.2009
und 29.06.2010 beseitigt.
1.
Anhaltspunkte für eine bereits 2005 bestehende Testierunfähigkeit des Erblassers existieren nicht.
Insbesondere ergeben sich derartige Anhaltspunkte entgegen der im Schriftsatz vom 05.02.2015
geäußerten Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht aus den vorliegenden Gutachten des
Sachverständigen Dr. R.. Dieser weist darauf hin, dass ab April 2007 Orientierungsstörungen belegt
seien und sieht dies als führendes Kriterium für die anzunehmende Einschränkung der freien
Willensbildung (S.16, 17 des Gutachtens vom 31.08.2012, Bl. 176, 177 d.A.; S.2 der
Stellungnahme vom 04.12.2014, Bl.350 d.A.). Auch der Hausarzt Dr. N. geht in seinen
schriftlichen Erklärungen vom 09.11.2011 und 08.05.2012 (Bl.150, 148 d.A.) von einer
Testierunfähigkeit erst ab Januar 2007 aus.
2.
Zurecht ist das Erstgericht davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung der
Beteiligten zu 2) und 3) nicht von einer Wechselbezüglichkeit im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB
ausgegangen werden kann. Hinsichtlich dieser – von der Beschwerdeführerin nicht angegriffenen
Auslegung – wird auf die Ausführungen unter Ziffer II.1 im angefochtenen Beschluss Bezug
genommen. Die Schlusserbeneinsetzung war daher für den Erblasser auch nach dem Tod seiner
Ehefrau frei abänderbar.
3.
Der Erblasser war bei Abfassung der Testamente vom 27.05.2007 und 28.06.2007 nicht
testierfähig.
a)
Nach § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der
Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die
Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu
handeln. Testierunfähig ist derjenige, dessen Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf
einer dem allgemeinen Verkehrsverständnis entsprechenden Würdigung der Außendinge und der
Lebensverhältnisse beruhen, sondern durch krankhaftes Empfinden oder krankhafte Vorstellungen
und Gedanken derart beeinflusst werden, dass sie tatsächlich nicht mehr frei sind, sondern vielmehr
von diesen krankhaften Einwirkungen beherrscht werden. Dabei braucht diese Unfreiheit der
Willensbildungen nicht darin zutage treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der
Tatsache der Errichtung eines Testaments und von dessen Inhalt zu machen vermag. Die Unfreiheit
kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letzwilligen Verfügung
entscheidend zu beeinflussen. Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich
über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von
krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen
etwaiger interessierter Dritter zu handeln (ständige Rechtsprechung; vgl. BGH FamRZ 1958, 127,
128; BayObLG Z 2004, 237, 240 f.; OLG München, Beschluss vom 14.8.2007, 31 Wx 16/07, Rz.
18; OLG Bamberg, Beschluss vom 18.6.2012, 6 W 20/12, Rz. 15).
Für die Annahme von Testierfähigkeit reicht es deshalb nicht aus, dass der Testierende in der Lage
ist, die eigenen Bezugspersonen zu erkennen und einfache Sachverhalte zu erfassen. Er muss
vielmehr in der Lage sein, die für und gegen eine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe
abzuwägen und sich aus eigener Überlegung, frei von Einflüssen Dritter, also selbständig und aus
eigener Kraft ein Urteil zu bilden. Dies setzt voraus, dass es ihm bei der Testamentserrichtung
möglich ist, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen,
Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen (OLG München a.a.O., Rz. 19).
b)
Der Senat ist der Überzeugung, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung am
27.5.2007 und 28.6.2007 an einer vaskulären Demenz in einer mittelgradigen bis schweren
Ausprägung litt, so dass ihm eine freie Willensbildung nicht mehr möglich war. Demgemäß war der
Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung der beiden Testamente am 27.5.2007 und am 28.6.2007 nicht
testierfähig. Bei dieser Einschätzung hat der Senat insbesondere die Eintragungen in der Pflegeakte
des Erblassers, die Befunderhebungen des Hausarztes sowie die Ausführungen des
Sachverständigen Dr. R. berücksichtigt.
aa)
Der Sachverständige hat sich bei der Beurteilung der Frage, ob eine Demenzerkrankung vorliegt,
auf die Beschreibung in der internationalen Klassifikation psychischer Störungen der
Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) gestützt (Seite 9 ff. des Gutachtens vom 31.8.2012, Bl. 169
ff. d.A.). Bei diesen Leitlinien handelt es sich um ein anerkanntes Mittel, um das Vorliegen einer
Demenz bestimmen zu können. Die Einschätzung des Sachverständigen wird auch vom
Privatgutachter Prof. Dr. L., der von den Beschwerdeführern mit einer Begutachtung beauftragt
wurde, geteilt. Auch er geht vom Vorliegen einer vaskulären Demenz aus (Seite 35 des
Privatgutachtens vom 23.1.2014, Bl. 311 d.A.).
Der gerichtliche Sachverständige ist weiter zu dem Schluss gekommen, dass aufgrund der
bekannten Beschwerden ab 26.4.2007 von einer mittelschweren bis schweren Ausprägung der
vorliegenden Demenz ausgegangen werden muss, die zur Annahme einer Testierunfähigkeit führe
(Seite 19, 20 des Gutachtens vom 31.8.2012, Bl. 179, 180 d.A.). Er berücksichtigt bei seiner
Schlussfolgerung zunächst, dass das neuropsychiatrische Störungsbild der vaskulären Demenz
durch eine große Variabilität gekennzeichnet ist. Im Gegensatz zur Alzheimer Demenz stehe der
Gedächtnisverlust nicht im Vordergrund und auch die Einsichts- und Urteilsfähigkeit können relativ
erhalten sein. Typisch seien vielmehr fluktuierende Beeinträchtigungen von Funktionen des
Stammhirns mit Störungen der Aufmerksamkeit, vermehrter Perseveration (Wiederholung von
Worten) und Verlust der kognitiven Flexibilität, sowie Vigilanzschwankungen (Seite 14, 15 des
Gutachtens vom 31.8.2012). Bei einem leichten Ausprägungsgrad der Demenz könne daher aus
forensisch-psychiatrischer Sicht in der Regel von Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit ausgegangen
werden. Bei einer mittelschweren Ausprägung der demenziellen Erkrankung ergäben sich jedoch
Überlegungen in Richtung einer Testierunfähigkeit. Hier komme es auf das Ausmaß der kognitiven
Einschränkungen an, die eine eigenständige Lebensführung ohne Hilfe nicht mehr gestatteten und
die vielfach mit Desorientierung einhergingen. Bei eingetretener Desorientierung könne das
Postulat freier Willensbestimmung nicht mehr vernünftig begründet werden (a.a.O., S. 16).
bb)
Der Senat geht mit dem Sachverständigen Dr. R. davon aus, dass das Störungsbild beim Erblasser
am 27.5.2007 bereits ein Ausmaß erreicht hatte, das zur Annahme einer Testierunfähigkeit führt.
Vor dem 7.4.2007 befand sich der Erblasser im Seniorenwohnzentrum G.. Die Einrichtungsleiterin
des Seniorenwohnzentrums hat mit Schreiben vom 8.2.2012 dem Nachlassgericht mitgeteilt, das
bei Einzug vorhandene geringe Psychosyndrom und die leichte Demenz des Erblassers seien zum
Zeitpunkt seines Umzuges nach S. schon so erheblich fortgeschritten gewesen, „dass er die
Tragweite seiner Handlungen nicht mehr einordnen konnte” (Bl. 132 d.A.). Am 07.04.2007 erfolgte
die Verlegung in das Pflegezentrum S.. Laut eines ärztlich-pflegerischen Zeugnisses des Hausarztes
Dr. N. vom 10.4.2007, das sich in der Pflegeakte befindet, lag beim Erblasser eine leichte
Sprachstörung vor und fehlte zeitweise die zeitliche, örtliche, objektive und die Orientierung in der
Person (Seite 6 des Gutachtens vom 31.8.2012). Aus einem Eintrag in der Pflegeakte des
Pflegezentrums S. vom 26.4.2007 ergibt sich, dass der Erblasser an diesem Tag zeitlich und örtlich
sowie zur Person nicht orientiert gewesen sei. Der Hausarzt, Dr. N., hat mit Schreiben vom
8.5.2012 dem Nachlassgericht mitgeteilt, dass seines Erachtens seit Januar 2007 keine
Testierfähigkeit mehr bestanden habe (vgl. Bl. 148 d.A.). Er berief sich hierbei auf ein Schreiben
vom 9.11.2011, wonach ab 23.1.2007 ein hochgradiger cerebraler Abbauprozess und eine Demenz
bestanden hätten (Bl. 120 d.A.). Es liegt weiter ein Schreiben der J. vom 24.11.2011 vor, wonach
diese den Erblasser kurz nach der Verlegung in den S. am 14. oder 15.4.2007 besuchte, er an
diesem Tag jedoch geschlafen habe. Bei einem weiteren Besuch ca. 3 Wochen später habe er wirr
gesprochen und sie nicht mehr erkannt, obwohl sie sich ihm mehrmals vorgestellt habe (Bl. 128
d.A.).
Der Senat ist auf dieser Tatsachengrundlage und unter Berücksichtigung der Wertung des
Sachverständigen Dr. R. ebenso wie das Nachlassgericht davon überzeugt, dass von einer fehlenden
Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Abfassung der beiden Testamente auszugehen ist. Der
Sachverständige Dr. R. hat in seinen Gutachten vom 31.8.2012, 21.11.2012, 12.8.2013 (Bl. 234 –
237 d.A.), 4.12.2014 (Bl. 350 – 353 d.A.) und 8.4.2015 (Bl. 383 – 386 d.A.) überzeugend dargelegt,
dass die belegten Orientierungsstörungen eine freie Willensbildung ausschließen. Die gegen das
Ausgangsgutachten vom 31.08.2012 und die beiden Ergänzungsgutachten vom 21.11.2012 und
12.08.2013 von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung vom 30.1.2014 (Bl. 272 –
276 d.A.) vorgetragenen Argumente sind nicht tragfähig. Dort wird im Wesentlichen argumentiert,
die vorhandenen Eintragungen könnten nicht im Sinne einer permanenten deutlichen
Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit interpretiert werden. Es fehle daher an
ausreichenden positiven Befunden und Nachweisen einer Testierunfähigkeit. Die
Beschwerdeführerin beruft sich insoweit auf ein Privatgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. L.
vom 23.1.2014.
Der gerichtliche Sachverständige Dr. R. hat jedoch bereits mit Ergänzungsgutachten vom 12.8.2013
darauf hingewiesen, dass es sich bei Demenz um eine chronisch fortschreitende, sich über Monate
und Jahre erheblich verschlechternde Krankheit handelt, die eine Heilung nicht erwarten lässt.
Schwankungen in der Befindlichkeit könnten zwar in den Initial- und leichteren Stadien der
Erkrankung in einer forensisch-psychiatrisch relevanten Art und Weise auftreten, nicht mehr jedoch
bei mittelgradigen und/oder schwersten Ausfallerscheinungen. In seinem Ergänzungsgutachten
vom 4.12.2014 hat der Sachverständige Dr. R. insoweit nachvollziehbar ausgeführt, dass die ab
April 2007 belegte fehlende Orientierung zur eigenen Person einen weit fortgeschrittenen
Krankheitsverlauf dokumentiere, ohne dass es in der Folge einer Häufung der Befunde bedürfe
(Seite 2 des Ergänzungsgutachtens, Bl. 351 d.A.). Die Verschlechterung der Orientierungsstörungen
des Erblassers im April 2007 sei anhand der Unterlagen deutlich belegt. Soweit die
Beschwerdeführer hiergegen einwenden, dem Merkmal der Orientierungsstörung könne keine
höherwertigere Relevanz als anderen Kriterien zugesprochen werden (Seite 3 des Schriftsatzes vom
30.12.2014, Bl. 370 d.A.) hat der Sachverständigen in seinem weiteren Ergänzungsgutachten vom
8.4.2015 unter Heranziehung der psychiatrischen Literatur dargelegt, dass eine nachgewiesene
Orientierungsstörung zur Situation oder zur Person eine freie Willensbildung ausschließe, auch
wenn eindeutige Aussagen zum Umfang kognitiver Störungen nicht getroffen werden könnten
(Seite 3 des Ergänzungsgutachtens vom 08.04.2015). Es trifft daher nicht zu, dass der
Sachverständige sich nicht mit den Ausführungen des Privatgutachters auseinandergesetzt habe.
Vielmehr sind die Ausführungen des Sachverständigen aus Sicht des Senats schlüssig,
widerspruchsfrei und in der Sache überzeugend. Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass der
Sachverständige neben dem Kriterium der Orientierungslosigkeit andere relevante Kriterien außer
Acht lässt, die für eine Testierfähigkeit sprechen könnten.
Der Erholung eines weiteren Gutachtens bedarf es bei dieser Sachlage nicht. Es fehlt hierfür an den
erforderlichen Anhaltspunkten für eine Mangelhaftigkeit des erstatteten Gutachtens, zumal beide
Gutachter vom selben Krankheitsbild ausgehen und lediglich bei der Bewertung der vorliegenden
Befunde zu einem unterschiedlichen Ergebnis gelangen.
c)
Einer Einvernahme des Hausarztes oder des Pflegepersonals bedurfte es nicht. Eine
Aufklärungspflicht besteht nämlich nur insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der
festgestellte Sachverhalt zu weiteren Ermittlungen Anlass geben (BayObLG Beschluss vom
18.2.2003, 1 Z BR 136/02 Rz. 24). Aufgrund des Zeitablaufs ist der Senat der Überzeugung, dass
zusätzlich zu den eingeholten schriftlichen Stellungnahmen durch eine Anhörung des Hausarztes
Dr. N. oder des Pflegepersonals keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten gewesen wären. Diese
Einschätzung wurde auch von den Beteiligten geteilt.
4.
Die Wirksamkeit des Testaments vom 01.06.2005 wird durch die beiden Anfechtungserklärungen
vom 27.02.2009 und vom 29.06.2010 nicht beseitigt.
a)
Die Anfechtungserklärung vom 27.2.2009 wurde im Namen des Erblassers erklärt. Ein eigenes
Anfechtungsrecht des Erblassers besteht jedoch nicht (MüKo-Leipold, BGB, 6. Auflage, § 2080, Rn. 2).
aa)
Zwar kann beim gemeinschaftlichen Testament nach dem Tod des einen Ehegatten dem
überlebenden Ehegatten aufgrund der nun eingetretenen Bindungswirkung ein Anfechtungsrecht in
entsprechender Anwendung der §§ 2281ff BGB zustehen. Dies gilt jedoch nur für die eigenen
wechselbezüglichen Verfügungen des Überlebenden. Seine eigenen einseitigen Verfügungen kann
er nicht anfechten, da er sie jederzeit nach §§ 2253 ff, 2299 BGB frei widerrufen kann (Palandt-
Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2271, Rn. 28). Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) und 3) war im
vorliegenden Fall jedoch nicht wechselbezüglich (vgl. oben Ziffer II.2).
bb)
Soweit in der Literatur vereinzelt diskutiert wird, ob im Falle eingetretener Testierunfähigkeit auch
einseitige Verfügungen durch den Betreuer des überlebenden Ehegatten entsprechend § 2282 Abs. 2 BGB
angefochten werden können (Palandt-Weidlich a.a.O., Rn. 27, Jauernig-Stürner, BGB,
15. Aufl., § 2080, Rn. 1; Zimmer, NJW 2007, 1713, 1716), folgt der Senat dieser Auffassung nicht.
Es fehlt bereits an einer Gesetzeslücke. Ein Bedürfnis, dem Erblasser in dieser Konstellation
überhaupt ein Anfechtungsrecht zuzubilligen, besteht nicht. Denn während beim Erbvertrag der
Erblasser durch eine Anfechtung seine Testierfreiheit wieder erlangen kann, wurde diese beim
einseitigen Testament oder durch nichtwechselbezügliche Verfügungen von vorneherein nicht
eingeschränkt. Vor diesem Hintergrund wird nur eine teilweise Analogie, nämlich ein
Anfechtungsrecht für den Fall eingetretener Testierunfähigkeit, gefordert (vgl. zum Streitstand
Staudinger-Otte, BGB (2013), § 2080, Rn. 32). Auch insoweit fehlt es jedoch an einer
Regelungslücke und an einem praktischen Bedürfnis für die postulierte Analogie. Wie der als
Ausnahmeregelung konzipierte § 2282 Abs. 2 BGB zeigt, war dem Gesetzgeber die Problematik
des testierunfähig gewordenen Erblassers bewusst. Im Falle des Erbvertrages kann die Anfechtung
der frühzeitigen Klärung der Rechtslage im Interesse des Vertragspartners dienen (Staudinger-Otte,
a.a.O., Rn. 33). Ein entsprechendes Bedürfnis besteht bei einseitigen Verfügungen des Erblassers
nicht. Es ist daher von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen, die
Anfechtung eines Erbvertrages – ausnahmsweise – durch einen gesetzlichen Vertreter des
testierunfähigen Erblassers zuzulassen, die Möglichkeit der Anfechtung eines Testaments jedoch
auf den Kreis der in § 2080 Abs. 1 BGB genannten Anfechtungsberechtigten zu beschränken
(MüKo-Leipold, BGB, 6. Aufl., § 2080, Rn. 2; Staudinger-Otte a.a.O.).
Auch praktische Erwägungen sprechen gegen eine entsprechende Anwendung des § 2282 Abs. 2 BGB.
Zum einen sind Interessenkollisionen zu befürchten, da der Betreuer des Erblassers nicht
selten mit diesem verwandt ist und somit – wie auch im vorliegenden Fall – eigene Interessen des
Betreuers bei der Ausübung des Anfechtungsrechts mitbestimmend sein können. Zum anderen –
was sich hier ebenfalls zeigt – bereitet es oftmals Schwierigkeiten, den Zeitpunkt des Eintritts einer
Testierunfähigkeit zu bestimmen, so dass häufig Rechtsunsicherheit über die Wirksamkeit einer
vom Betreuer abgegebenen Anfechtungserklärung bestehen wird.
cc)
Unabhängig davon wäre selbst im Falle einer entsprechenden Anwendung zu fordern, dass eine
Genehmigung des Betreuungsgerichts vorliegt (§ 2282 Abs. 2, HS 2 BGB), was hier nicht der Fall
ist. Ebenso würde es an der erforderlichen notariellen Beurkundung fehlen, § 2282 Abs. 3 BGB.
b)
Die Anfechtungserklärung vom 29.6.2010 ist ebenfalls unwirksam.
Anfechtungsberechtigt ist gemäß § 2080 Abs. 1 BGB nur, wem der Wegfall der angefochtenen
letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde (MüKo-Leipold, a.a.O., Rn. 4).
Aufgrund der Unwirksamkeit der Testamente vom 27.5.2007 und 28.6.2007 träte bei einem
Wegfall des Testaments vom 01.06.2005 die gesetzliche Erbfolge ein. Ein
Verwandtschaftsverhältnis der Beschwerdeführerin zum Erblasser bestand nicht, so dass ein
Erbrecht der Beschwerdeführerin auch im Wege der gesetzlichen Erbfolge nicht entstehen könnte.
Sie hätte aus dem Wegfall des angefochtenen Testaments vom 1.6.2005 daher keinen Vorteil. Ihr
steht folglich kein Anfechtungsrecht zu.
5.
Das Amtsgericht – Nachlassgericht – Würzburg ist daher im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen,
dass die Erbfolge nach dem Testament vom 1.6.2005 zu bestimmen ist.
Die Beschwerde ist zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Geschäftswerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 40 Absatz 1
Satz 1 Nr. 2, 61 Abs. 1 GNotKG. Danach ist der Wert des reinen, auf den geltend gemachten Erbteil
entfallenden Nachlasses maßgebend.
Nach der Schlussabrechnung des Amtsgerichts – Betreuungsgericht – Würzburg vom 21.7.2010
ergab sich zum 6.5.2010 ein Vermögensstand in Höhe von 217.121,06 Euro (Bl. 209 der
beigezogenen Betreuungsakte 26 XVII 101/07). Nachdem bei Geltung der Testamente aus dem Jahr
2007 die Beschwerdeführerin als Alleinerbin berufen wäre, ist vorliegend der Nachlasswert
ungekürzt maßgeblich.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung
noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, § 70 Abs. 2 FamFG.