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Testierunfähigkeit wegen Depressionen

Trotz psychischer Erkrankung und Suizid: Gericht bestätigt Gültigkeit des Testaments eines Mannes, der seine Ziehtochter zur Alleinerbin einsetzte. Die Schwester des Verstorbenen hatte das Testament angefochten und die Testierfähigkeit ihres Bruders angezweifelt. Ein Gutachten und die Gerichte sahen jedoch keinen Grund, den letzten Willen des Mannes anzuzweifeln.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein handschriftliches Testament bestimmte die Ziehtochter des Erblassers zur Alleinerbin, während seine Schwester sich dagegen wehrte.
  • Der Erblasser litt unter schweren psychischen Erkrankungen und beging Selbstmord. Die Frage der Testierfähigkeit stand im Mittelpunkt des Streits.
  • Ein behandelnder Arzt bescheinigte dem Erblasser Testierfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung, fühlte sich jedoch nicht abschließend kompetent.
  • Das Gericht forderte ein fachpsychiatrisches Gutachten an, um die Testierfähigkeit des Erblassers zu klären.
  • Im Gutachten wurde die Testierfähigkeit des Erblassers bestätigt. Der Freitod des Erblassers wurde hierfür nicht als Grund zur Annahme von Testierunfähigkeit gesehen.
  • Das Gericht entschied zugunsten der Ziehtochter und wies die Beschwerde der Schwester zurück.
  • Diese Entscheidung unterstreicht, dass psychische Erkrankungen und der letztendliche Freitod nicht automatisch Testierunfähigkeit implizieren, solange die Fähigkeit zur rationalen Entscheidung nachgewiesen werden kann.
  • Die Schwester trägt die Kosten des Verfahrens, was eine finanzielle Belastung für sie bedeutet.
  • Die Entscheidung schafft Klarheit über die Bedeutung der Testierfähigkeit in Fällen von psychischen Erkrankungen, insbesondere bei der Erbfolge.

Testierunfähigkeit im Erbrecht: Fallanalyse zu Depressionen und Nachlassregelung

Testierunfähigkeit ist ein zentraler Aspekt im Erbrecht, der die Gültigkeit eines Testaments erheblich beeinflussen kann. Besonders bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen spielt der Gesundheitszustand des Erblassers eine entscheidende Rolle für die Nachlassregelung. Um ein Testament wirksam zu erstellen, muss der Verfasser sowohl geschäftsfähig als auch in der Lage sein, die rechtlichen Konsequenzen seiner Handlungen zu verstehen. In solchen Fällen sind psychologische Gutachten oft notwendig, um die Testierfähigkeit zu überprüfen. Darüber hinaus gewinnen Themen wie Selbstbestimmung und das Betreuungsrecht an Bedeutung, insbesondere wenn es um die rechtlichen Aspekte von Depressionen geht. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall vorgestellt, der sich mit diesen komplexen Fragen auseinandersetzt und wichtige juristische Punkte beleuchtet.

Der Fall vor Gericht


Streit um Erbschein: OLG Brandenburg bestätigt Testierfähigkeit trotz psychischer Erkrankung

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem Beschluss vom 21.03.2024 die Beschwerde gegen die Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen. Der Fall drehte sich um die Frage, ob der verstorbene Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierfähig war.

Hintergrund des Erbstreits

Der Erblasser hatte in einem handschriftlichen Testament vom 19.03.2020 seine Ziehtochter als Alleinerbin eingesetzt. Er verfügte, dass sie seinen gesamten Besitz erben solle, einschließlich Grundbesitz, Mobiliar und Kontoguthaben. Die Schwester des Erblassers focht dieses Testament an und argumentierte, ihr Bruder sei aufgrund seiner psychischen Erkrankungen nicht testierfähig gewesen.

Gesundheitliche Situation des Erblassers

Testierfähigkeit trotz psychischer Erkrankung
Das OLG Brandenburg bestätigte die Testierfähigkeit eines Erblassers mit psychischen Erkrankungen und validierte sein Testament zugunsten der Ziehtochter. (Symbolfoto: Ideogram gen.)

Der Erblasser litt unter mehreren körperlichen Gebrechen sowie einer manisch-depressiven bis bipolaren Störung. Er hatte zudem ein Alkoholproblem und befand sich seit Jahren in fachärztlicher Behandlung. Am 02.07.2020 verstarb er durch Suizid und hinterließ einen Abschiedsbrief, in dem er seine Entscheidung als wohlüberlegt darstellte.

Gerichtliche Beweisaufnahme zur Testierfähigkeit

Um die Testierfähigkeit zu klären, holte das Amtsgericht zunächst eine Einschätzung des behandelnden Arztes ein. Dieser beurteilte den Erblasser als „testierfähig“ und „in der Lage, die Tragweite seiner Handlungen zu erkennen“. Zusätzlich wurde ein fachpsychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben.

Gutachterliche Beurteilung und Gerichtsentscheidung

Die Sachverständige kam zu dem Schluss, dass trotz der Vorerkrankungen kein Hinweis auf eine Beeinträchtigung der Testierfähigkeit vorlag. Sie konnte kein wahnhaftes Erleben feststellen und bewertete die psychischen Erkrankungen als nicht ausreichend, um die Testierfähigkeit in Frage zu stellen.

Das Amtsgericht folgte dieser Einschätzung und erließ den beantragten Feststellungsbeschluss. Es betonte, dass allein der Suizid nicht die Annahme der Testierunfähigkeit rechtfertige. Vielmehr habe der Erblasser die Erbschaftsangelegenheit geplant und sogar an die Unterbringung der Erbin in seinem Kleingartenverein gedacht.

Bestätigung durch das Oberlandesgericht

Das Oberlandesgericht Brandenburg wies die Beschwerde gegen diesen Beschluss zurück. Es bestätigte damit die Entscheidung des Amtsgerichts und die Gültigkeit des Testaments. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden der Antragsgegnerin auferlegt. Der Beschwerdewert wurde auf 341.000 € festgesetzt.


Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung verdeutlicht, dass eine psychische Erkrankung allein nicht automatisch zur Testierunfähigkeit führt. Vielmehr muss im Einzelfall geprüft werden, ob der Erblasser trotz seiner Erkrankung die Tragweite seiner Verfügungen erfassen und nach diesen Einsichten handeln konnte. Für die Beurteilung der Testierfähigkeit sind fachärztliche Einschätzungen und psychiatrische Gutachten von entscheidender Bedeutung. Die Gerichte legen dabei einen hohen Maßstab an, um die Testierfreiheit zu schützen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Brandenburg betont, dass eine psychische Erkrankung, wie z.B. eine bipolare Störung, nicht automatisch die Testierfähigkeit, also die Fähigkeit, ein Testament gültig zu verfassen, ausschließt. Für Angehörige und Erben bedeutet dies konkret, dass die Testierfähigkeit eines Erblassers trotz entsprechender psychischer Erkrankungen bestehen kann, solange diese ihn nicht daran hindert, die Bedeutung seines Testaments zu verstehen und entsprechend zu handeln. Wenn Sie sich in einer Erbstreitigkeit befinden, in der die Testierfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung infrage gestellt wird, zeigt dieses Urteil, dass detaillierte fachliche Gutachten notwendig sind, um die tatsächliche geistige Verfassung des Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu klären. Sollten Sie ein Testament aufgrund vermuteter Testierunfähigkeit anfechten müssen, ist es wichtig, umfassende Beweise und gegebenenfalls aktuelle medizinische Gutachten vorzulegen, um die Aussicht auf Erfolg zu schätzen.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann gilt jemand als testierfähig trotz psychischer Erkrankung?

Eine psychische Erkrankung führt nicht automatisch zur Testierunfähigkeit. Nach § 2229 BGB gilt grundsätzlich jede Person ab 16 Jahren als testierfähig, bis das Gegenteil bewiesen ist.

Voraussetzungen für Testierfähigkeit

Die Testierfähigkeit bleibt auch bei psychischen Erkrankungen bestehen, solange die Person die Bedeutung und Tragweite ihrer Entscheidungen erkennen und nach dieser Einsicht handeln kann. Bei der Beurteilung kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung an.

Bewertung verschiedener psychischer Erkrankungen

Bei Depressionen bleibt die Testierfähigkeit in der Regel erhalten. Selbst bei schweren Depressionen bis hin zu bipolaren Störungen kann ein Testament wirksam errichtet werden. Dies gilt auch dann, wenn die Person später Suizid begeht.

Bei Demenzerkrankungen wird nach Schweregraden unterschieden:

  • Bei leichter Demenz ist die Testierfähigkeit meist noch gegeben
  • Bei mittelschwerer und schwerer Demenz fehlt sie häufig

Nachweis der Testierfähigkeit

Bei Zweifeln an der Testierfähigkeit muss derjenige, der sich auf die Testierunfähigkeit beruft, diese beweisen. Ein psychiatrisches Gutachten kann die Testierfähigkeit bestätigen. Dabei werden folgende Aspekte geprüft:

  • Die grundsätzliche Fähigkeit zur Willensbildung
  • Das Verständnis für die Bedeutung des Testaments
  • Die Freiheit von krankhaftbedingten Einflüssen auf die Entscheidung

Wichtig: Auch eine Alkoholsucht oder andere Abhängigkeiten führen nicht automatisch zur Testierunfähigkeit. Entscheidend ist die konkrete Situation zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.


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Wie läuft ein gerichtliches Verfahren zur Prüfung der Testierfähigkeit ab?

Ein gerichtliches Verfahren zur Prüfung der Testierfähigkeit wird erst nach dem Tod des Erblassers eingeleitet. Zu Lebzeiten ist eine solche Prüfung nicht zulässig. Das Verfahren beginnt in der Regel, wenn ein Erbe oder eine andere berechtigte Person das Testament anficht.

Einleitung des Verfahrens

Wenn Sie als potenzieller Erbe Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers haben, können Sie beim zuständigen Nachlassgericht einen Antrag auf Anfechtung des Testaments stellen. Dabei müssen Sie glaubhaft machen, dass zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung Gründe vorlagen, die die Testierfähigkeit beeinträchtigt haben könnten.

Beweisaufnahme

Das Gericht wird daraufhin eine umfassende Beweisaufnahme durchführen. Dazu gehören:

  • Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, in der Regel von einem Psychiater oder Neurologen
  • Befragung von Zeugen, wie behandelnde Ärzte, Familienangehörige oder Bekannte des Erblassers
  • Prüfung der Krankenakten des Erblassers

Sachverständigengutachten

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige untersucht zwei Hauptaspekte:

  1. Lag beim Erblasser eine Krankheit vor?
  2. Hat diese Krankheit die Willensbildung des Erblassers beeinträchtigt?

Dabei stützt sich der Gutachter auf die verfügbaren medizinischen Unterlagen und Zeugenaussagen.

Gerichtliche Entscheidung

Auf Grundlage aller gesammelten Beweise und des Sachverständigengutachtens entscheidet das Nachlassgericht über die Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Wenn Sie als Anfechtender die Testierunfähigkeit nicht zweifelsfrei nachweisen können, wird das Gericht von der Testierfähigkeit des Erblassers ausgehen.

Zeitlicher Ablauf und Herausforderungen

Das gesamte Verfahren kann sich über mehrere Monate bis hin zu Jahren erstrecken. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass die zu beurteilende Situation oft weit in der Vergangenheit liegt. Zudem müssen Sie als Anfechtender die Beweislast tragen, was in der Praxis oft schwierig ist.

Wenn Sie eine Depression des Erblassers als Grund für die Testierunfähigkeit anführen, beachten Sie: Eine Depression führt nicht automatisch zur Testierunfähigkeit. Es muss nachgewiesen werden, dass die Depression so schwerwiegend war, dass sie die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Erblassers erheblich beeinträchtigt hat.


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Welche Beweise sind nötig, um die Testierfähigkeit anzufechten?

Die Beweislast für die Testierunfähigkeit liegt bei der Person, die sich auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft. Um die Testierfähigkeit erfolgreich anzufechten, müssen erhebliche Indizien für die Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorgelegt werden.

Medizinische Beweise

Ein psychiatrisches oder neurologisches Gutachten ist das wichtigste Beweismittel. Der Gutachter muss dabei:

  • Den Ausprägungsgrad der psychopathologischen Symptomatik zum Testamentszeitpunkt bewerten
  • Die Auswirkungen auf die Handlungskompetenz der testierenden Person analysieren
  • Die pharmakologische Behandlung und deren Nebenwirkungen berücksichtigen

Dokumentarische Nachweise

Zur Untermauerung der Testierunfähigkeit können folgende Dokumente dienen:

  • Krankenakten des Erblassers
  • Dokumentation der Medikation
  • Ärztliche Behandlungsunterlagen
  • Betreuungsunterlagen

Zeugenaussagen

Aussagen von Personen aus dem unmittelbaren Umfeld des Erblassers sind bedeutsam. Besonders relevant sind:

  • Behandelnde Ärzte
  • Pflegepersonal
  • Familienangehörige
  • Andere Personen, die regelmäßigen Kontakt zum Erblasser hatten

Das Nachlassgericht wird bei ausreichenden Zweifeln an der Testierfähigkeit ein Sachverständigengutachten einholen. Bloße Zweifel an der Testierfähigkeit reichen dabei nicht aus – die Testierunfähigkeit muss zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen.


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Welche Rolle spielen ärztliche Gutachten bei der Beurteilung der Testierfähigkeit?

Ärztliche Gutachten haben eine zentrale Bedeutung bei der Beurteilung der Testierfähigkeit. Sie liefern dem Gericht die notwendige medizinische Expertise, um die geistige Verfassung des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung einzuschätzen.

Erstellung ärztlicher Gutachten

Für die Erstellung eines Gutachtens zur Testierfähigkeit ist in der Regel ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie zuständig. In komplexen Fällen wird oft ein forensisch erfahrener Psychiater hinzugezogen. Der Gutachter untersucht, ob beim Erblasser eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung vorlag, die seine Einsichts- und Urteilsfähigkeit beeinträchtigt haben könnte.

Kriterien der Begutachtung

Bei der Begutachtung werden verschiedene Aspekte berücksichtigt:

  • Kognitive Fähigkeiten des Erblassers
  • Vorhandensein und Schweregrad psychischer Erkrankungen
  • Einfluss von Medikamenten oder Suchtmitteln
  • Fähigkeit zur freien Willensbildung

Der Gutachter analysiert hierfür medizinische Unterlagen, führt Gespräche mit Zeugen und wertet, falls möglich, eigene Untersuchungen des Erblassers aus.

Bedeutung für das Gericht

Gerichte stützen sich bei der Beurteilung der Testierfähigkeit maßgeblich auf ärztliche Gutachten. Diese liefern die fachliche Grundlage für die richterliche Entscheidung. Allerdings ist das Gericht nicht an die Schlussfolgerungen des Gutachtens gebunden. Es muss alle vorliegenden Beweise würdigen und kann in begründeten Fällen von der gutachterlichen Einschätzung abweichen.

Herausforderungen bei der Begutachtung

Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich, wenn die Testierfähigkeit posthum beurteilt werden muss. In solchen Fällen sind Ärzte oft auf die Auswertung von Krankenakten und Zeugenaussagen angewiesen. Hierbei spielt die Dokumentation des behandelnden Arztes eine wichtige Rolle. Wenn Sie als Patient Ihr Testament errichten, kann es sinnvoll sein, Ihren Arzt über diesen Schritt zu informieren, damit er Ihre geistige Verfassung zu diesem Zeitpunkt dokumentieren kann.

Bedeutung von Allgemeinärzten

Auch wenn die eigentliche Begutachtung Fachärzten vorbehalten ist, können Allgemeinärzte wertvolle Informationen beisteuern. Ihre Beobachtungen zur psychischen Verfassung des Patienten über einen längeren Zeitraum können für die Gesamtbeurteilung sehr hilfreich sein. Wenn Sie regelmäßig einen Hausarzt aufsuchen, kann dessen Einschätzung Ihrer geistigen Gesundheit im Zweifelsfall relevant werden.


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Was können Angehörige tun, um die Testierfähigkeit zu dokumentieren?

Die notarielle Beurkundung des Testaments stellt die sicherste Methode dar, die Testierfähigkeit zu dokumentieren. Der Notar prüft die Testierfähigkeit und vermerkt seine Einschätzung in der Urkunde.

Medizinische Dokumentation

Ein fachärztliches Gutachten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung kann die Testierfähigkeit bestätigen. Besonders bei bekannten Vorerkrankungen wie Demenz oder psychischen Erkrankungen ist eine psychiatrische oder nervenfachärztliche Begutachtung sinnvoll.

Audiovisuelle Dokumentation

Eine Videoaufzeichnung während der Testamentserrichtung kann als zusätzliches Beweismittel dienen. Die Aufnahme dokumentiert den physischen und mentalen Zustand sowie die klare Orientierung der testierenden Person.

Zeugen und schriftliche Aufzeichnungen

Die Anwesenheit von Zeugen bei der Testamentserrichtung ist hilfreich. Diese können später den Geisteszustand des Erblassers bezeugen. Dabei sollten folgende Aspekte dokumentiert werden:

  • Die eigenständige Willensbildung der testierenden Person
  • Die Fähigkeit zur Einschätzung der Tragweite der Entscheidungen
  • Das Verständnis für die Auswirkungen der testamentarischen Verfügungen

Zeitnahe Dokumentation des Gesundheitszustands

Die Krankenakten spielen bei späteren Überprüfungen eine wichtige Rolle. Eine gute medizinische Dokumentation des allgemeinen Gesundheitszustands kann die Beurteilung der Testierfähigkeit zum fraglichen Zeitpunkt erleichtern.

Bei einer demenziellen Erkrankung ist besondere Sorgfalt geboten. Auch hier gilt: Die Art und das Ausmaß der Erkrankung sind entscheidend, nicht die bloße Diagnose. Selbst bei einer Demenzerkrankung können in lichten Momenten rechtswirksame Testamente erstellt werden.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie spezielle Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Testierfähigkeit

Die Testierfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, ein gültiges Testament zu erstellen. Sie setzt voraus, dass der Testierende imstande ist, die rechtlichen Konsequenzen seiner Handlungen zu verstehen und diese zielgerichtet zu gestalten (§ 2229 BGB). Eine psychische Erkrankung wie eine bipolare Störung allein führt nicht automatisch zu Testierunfähigkeit; es muss geprüft werden, ob die Person dennoch die Bedeutung und Tragweite des Testaments begreifen kann.

Beispiel: Ein Mann mit einer psychischen Erkrankung setzt seine Nichte als Alleinerbin ein. Ein Gutachter bestätigt seine Fähigkeit, die Folgen zu erkennen, daher ist das Testament gültig.

Testierfähigkeit unterscheidet sich von Geschäftsfähigkeit und wird unabhängig davon bewertet.


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Gutachten

Ein Gutachten ist ein Bericht, der von einem Sachverständigen erstellt wird, um eine fachkundige Meinung zu einem bestimmten Sachverhalt zu geben. Im rechtlichen Kontext wird es oft benötigt, um die Testierfähigkeit einer Person zu beurteilen. Solche Gutachten beinhalten medizinische Einschätzungen und können entscheidend für die gerichtliche Beurteilung sein.

Beispiel: Ein psychiatrisches Gutachten bewertete den Gesundheitszustand eines Verstobenen, um festzustellen, ob er testierfähig war.

Gutachten sind gegenüber einfachen Zeugenaussagen umfassender, da sie auf Fachwissen basieren.


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Erbschein

Ein Erbschein ist ein amtliches Dokument, das die Erbenstellung einer oder mehrerer Personen bestätigt, wenn ein Testament nicht eindeutig ist oder angefochten wird. Er dient als Nachweis gegenüber Banken, Behörden und anderen Institutionen und wird vom Nachlassgericht auf Antrag erteilt.

Beispiel: Eine Frau beantragt einen Erbschein, um nach dem Tod ihres Vaters Zugriff auf seine Konten zu erhalten.

Ein Erbschein ist kein Urteil über die Testierfähigkeit, sondern klärt die formale Erbenstellung.


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Alleinerbin

Eine Alleinerbin ist eine Person, die durch ein Testament zur alleinigen Erbin bestimmt wurde und so den gesamten Nachlass erhält. Im Erbrecht bedeutet das, dass diese Person alle Rechte und Pflichten des Erbes übernimmt.

Beispiel: In einem Testament setzt ein Mann seine Tochter als Alleinerbin ein, wodurch sie sein gesamtes Vermögen erbt.

Die Alleinerbin unterscheidet sich von Miterben, die den Nachlass untereinander aufteilen.


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Beschwerdeverfahren

Ein Beschwerdeverfahren ist ein rechtliches Verfahren, in dem eine gerichtliche Entscheidung von einer höheren Instanz überprüft wird. Es wird oft genutzt, um Einsprüche gegen Urteile oder Beschlüsse einzulegen, wie im Fall eines abgelehnten Erbschein-Antrags.

Beispiel: Die Schwester des Erblassers legt Beschwerde gegen die Erteilung des Erbscheins für die Ziehtochter ein, da sie die Testierfähigkeit des Erblassers angezweifelt hat.

Im Erbrecht bezieht sich das Beschwerdeverfahren häufig auf Streitigkeiten um die Gültigkeit von Testamenten.


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Suizid

Ein Suizid ist die absichtliche Selbsttötung eines Menschen. Bei der Beurteilung der Testierfähigkeit kann der Suizid eines Erblassers ein Indiz für dessen Alltagsbelastung sein, beeinflusst aber allein nicht die Testierfähigkeit. Vielmehr wird geprüft, ob der Erblasser zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung die Tragweite seiner Entscheidung verstehen konnte.

Beispiel: Ein Mann begeht Suizid und hinterlässt ein Testament, das von den Angehörigen aufgrund vermuteter Testierunfähigkeit angefochten wird.

Suizid kann umso mehr die Notwendigkeit eines Gutachtens zur Feststellung der Testierfähigkeit unterstreichen.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 2229 BGB (Erbfolge): Dieser Paragraph regelt die Testierfähigkeit und die Wirkung des Testaments eines Erblassers. Er besagt, dass eine Testamentserrichtung nur dann rechtlich wirksam ist, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung die Fähigkeit besitzt, die Bedeutung seiner Verfügung zu erfassen. Im vorliegenden Fall wird die Testierfähigkeit des Erblassers angefochten, da die Antragsgegnerin auf seine psychischen Erkrankungen hinweist, die möglicherweise seine Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt haben könnten.
  • § 104 BGB (Geschäftsunfähigkeit): Dieser Paragraph definiert, wann eine Person geschäftsunfähig ist, und nennt insbesondere Fälle von Personen mit psychischen Störungen. Im vorliegenden Fall ist relevant, ob die psychischen Erkrankungen des Erblassers, speziell die bipolare Störung, ihn in seiner Fähigkeit, ein wirksames Testament zu erstellen, eingeschränkt haben. Der Gutachter kam jedoch zu dem Schluss, dass der Erblasser die Tragweite seiner rechtlichen Handlungen im relevanten Zeitraum verstanden hat.
  • § 105 BGB (Teil-Geschäftsunfähigkeit): Diese Norm sieht vor, dass eine teilweise Geschäftsunfähigkeit vorliegen kann, dies jedoch nicht für die Testierfähigkeit gilt. Der Erblasser hatte im Zeitpunkt der Testamentserrichtung in den Augen des Gutachters keine solche Einschränkung, auch wenn er aufgrund seiner Krankheiten in anderen Lebensbereichen Einschränkungen erleben musste. Diese Unterscheidung ist besonders wichtig für die Beurteilung, ob das Testament wirksam ist oder nicht.
  • § 2080 BGB (Testamentäre Verfügungen): Hierbei handelt es sich um die Vorschriften zur Anfechtung von Testamenten. Sollte die Testierfähigkeit des Erblassers aufgrund psychischer Erkrankungen in Frage gestellt werden, könnte dies die Grundlage für eine Anfechtung des Testaments oder der Erbschaft bilden. In diesem Fall liegt kein ausreichender Nachweis vor, dass der Erblasser nicht testierfähig war, weshalb die Anfechtung durch die Schwester des Erblassers nicht Erfolg hatte.
  • § 16 ErbStG (Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz): Dieses Gesetz regelt die steuerlichen Aspekte der Erbschaft und die damit verbundenen Verpflichtungen der Erben. Es spielt eine Rolle im Kontext des Erbes, das die Antragstellerin antreten möchte, und könnte Einfluss auf die Entscheidung im Fall der rechtlichen Erbauseinandersetzung haben. Dennoch steht im Fokus des Falls die Klarstellung der Testierfähigkeit, während die steuerlichen Implikationen lediglich eine nachgelagerte Rolle spielen.

Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 28/24 – Beschluss vom 21.03.2024


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