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Treuhandkontoanlage durch Behindertentestaments-Vollstreckerin

LG Heidelberg – Az.: 4 O 131/18 – Urteil vom 31.10.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Umschreibung des von der Beklagten für ihn bei der Sparkasse H. auf ihren Namen als Treuhandkonto geführten Kontos auf seinen Namen beziehungsweise die Übertragung des Guthabens auf ein eigenes Konto des Klägers unter Anbringung eines Testamentsvollstreckervermerks.

Der Kläger, der wegen einer geistigen Behinderung unter Betreuung steht, ist der Sohn des am 01.04.2013 verstorbenen, zuletzt im Bezirk des Landgerichts H. wohnhaften C. (im Folgenden: Erblasser), die Beklagte ist die Tochter dessen vorverstorbener Tochter.

Mit notariellem Testament vom 04.12.2007 (AH Kläger, Anl. K1) wurde die Beklagte neben ihrem Bruder als Miterbin des Erblassers eingesetzt. Der Kläger wurde enterbt.

Die Erben wurden zugleich zugunsten des Klägers mit einem Vermächtnis in Höhe von 27 % des Reinwerts des Nachlasses und damit in Höhe von etwas mehr als der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils beschwert. Hinsichtlich des Vermächtnisses ordnete der Erblasser an, dass dieses nach Wahl der beschwerten Erben auch durch Übertragung von Grundbesitz, Wertpapieren und anderen Vermögensgegenständen erfüllt werden kann. Des Weiteren bestimmte der Erblasser, dass der Kläger nur Vorvermächtnisnehmer ist, das Nachvermächtnis mit dem Tod des Klägers anfällt und bis dahin die Nutzungen aus dem als Vorvermächtnis zugewandten Geldbetrag dem Vorvermächtnisnehmer zustehen.

Zudem ordnete der Erblasser Dauertestamentsvollstreckung beschränkt auf die Beteiligung des Klägers am Nachlass, d. h. an den ihm vermächtnisweise zugewandten Vermögensgegenständen, an, da er davon ausgehe, dass dieser im Hinblick auf seine Schwerbehinderung nicht dauerhaft in der Lage sein werde, die ihm zugewandten Vermögenswerte zu verwalten. Zugleich befreite der Erblasser den Testamentsvollstrecker von allen Beschränkungen, von denen eine Befreiung erteilt werden kann, insbesondere auch von dem Verbot des § 181 BGB (In-Sich-Geschäft). Dabei führte der Erblasser weiter aus, dass er durch die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung erreichen wolle, dass seinem Sohn, bei dem er davon ausgehe, dass er aufgrund seiner Schwerbehinderung weiterhin nicht in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten, aus den ihm zugewandten Vermögensgegenständen dauerhaft ein angemessener Lebensstandard ermöglicht werde, der über das Niveau der Sozialhilfe als staatlicher Grundversorgung hinausgehe. Diese Zielsetzung wolle er auch dann beachtet wissen, wenn in Zukunft aufgrund einer Änderung der Rechtslage die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung in der hier getroffenen Weise nicht möglich sein sollte.

Demgemäß traf der Erblasser für den Testamentsvollstrecker insbesondere die folgenden verbindlichen Anordnungen unter Verweis auf die Geltung der gesetzlichen Vorschriften im Übrigen:

„Der Testamentsvollstrecker hat meinem behinderten Sohn D. aus den jährlichen Reinerträgnissen nur solche Geld- und Sachleistungen zuzuwenden, die der Verbesserung der Lebensqualität meines Sohnes dienen, auf die der Sozialhilfeträger nach sozialhilferechtlichen Vorschriften nicht zugreifen kann und hinsichtlich derer eine Anrechnung auf die unserem Sohne gewährte Sozialhilfe nicht in Betracht kommt. Der Testamentsvollstrecker soll meinem Sohn daher insbesondere zuwenden:

– Geldzuwendung in Höhe des jeweiligen Rahmens, der nach den einschlägigen Gesetzen einem Behinderten maximal zur freien persönlichen Verfügung stehen kann;

– Geschenke zu Weihnachten, […];

– Für welche der genannten Leistungen die jährlichen Reinerträgnisse verwendet werden sollen, ob diese also auf sämtliche Leistungen gleichmäßig […] verteilt werden oder ob diese in einem Jahr nur für eine oder mehrere der genannten Leistungen verwendet werden, entscheidet der Testamentsvollstrecker nach billigem Ermessen […].

Werden die jährlichen Reinerträgnisse in einem Jahr nicht in voller Höhe […] meinem Sohn zugewendet, sind die entsprechenden Teile vom Testamentsvollstrecker nach seinem Ermessen gewinnbringend anzulegen und entsprechend der genannten Ziele zu verwenden. Eine mündelsichere Geldanlage obliegt ihm nicht.

Sind für meinen Sohn größere Anschaffungen […] beabsichtigt, hat der Testamentsvollstrecker entsprechende Rücklagen zu bilden, die dann zu gegebener Zeit zugunsten meines Sohnes zu verwenden sind.“

Die Erben erfüllten das Vermächtnis mittels Geldzahlung. Der Betrag in Höhe von circa 330.000,00 € wurde von der Beklagten bei der Sparkasse H. angelegt. Hierzu eröffnete die Beklagte ein Konto auf ihren eigenen Namen, das mit dem Zusatz „Treuhandkonto“, d.h. als offenes Treuhandkonto, geführt wird (AH Kläger, Anlage K12). Als wirtschaftlicher Berechtigter, in dessen wirtschaftlichen Interesse und auf dessen Veranlassung der Kontoinhaber handelt, wurde der Kläger eingetragen (AH Kläger, Anlage K7). Zudem wurde das Konto als „privat genutzt“ und nicht als „betrieblich genutzt“ bezeichnet.

Mit Schreiben vom 24.08.2017 forderte das Amtsgericht – Betreuungsgericht – M. den Ergänzungsbetreuer des Klägers dazu auf, das Sparkonto auf den Namen des Klägers umschreiben zu lasse (AH Kläger, Anlage K7). Daraufhin wurde die Beklagte von dem Ergänzungsbetreuer des Klägers mit Schreiben vom 30.08.2017 aufgefordert, einen entsprechenden Nachweis zu erbringen und mit weiterem Schreiben vom 08.09.2017 unter Fristsetzung bis 20.09.2017 zur Kontoumschreibung auf den Kläger unter Anbringung eines entsprechenden Sperrvermerks aufgefordert. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.

Das Amtsgericht – Betreuungsgericht – M. forderte daher den Ergänzungsbetreuer des Klägers unter dem 15.02.2018 dazu auf, die Frage der korrekten Geldanlage gerichtlich klären zu lassen. Die der Beklagten daraufhin gesetzte Frist zur Umschreibung des Kontos bis zum 08.03.2018 lief erfolglos ab.

Der Kläger befürchtet, im Falle finanzieller Probleme der Beklagten hätte er bei einem Pfändungszugriff eines Dritten auf das Treuhandkonto nur die Möglichkeit der Erhebung einer Drittwiderspruchsklage und im Falle einer Insolvenz stünde ihm nur ein zeit- und kostenintensives Aussonderungsrecht zu. Weitere Probleme würden sich im Fall des Versterbens oder Untertauchens der Beklagten sowie bei einem Verwalterwechsel ergeben. Außerdem habe der Kläger so kein Auskunftsrecht gegenüber dem Geldinstitut. Auch der Betreuer habe aufgrund der gewählten Anlageform erhebliche Schwierigkeiten bei der Kontrolle der Testamentsvollstreckerin.

Der Kläger beantragt, die Beklagte als Testamentsvollstreckerin zu verurteilen, das von ihr als Testamentsvollstreckerin für den Kläger bei der Sparkasse H., K… Anlage 10-12, … H., unter Sparkonto-Nr. …, IBAN: …, auf den Namen der Beklagten angelegte Sparguthaben auf den Kläger als Kontoinhaber umzuschreiben und einen Testamentsvollstreckervermerk dergestalt anzubringen, dass die Beklagte über das Guthaben verfügungsberechtigt ist.

Hilfsweise beantragt der Kläger, festzustellen, dass die bisherige Anlageform in Form eines offenen Treuhandkontos nicht der Form einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie verfüge über ausreichend Vermögen, so dass ihr weder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, insbesondere auch nicht in das Treuhandkonto, noch ein Insolvenzverfahren drohen würden.

Der Kläger hat bei dem Amtsgericht H. einen dort am 03.04.2018 eingegangenen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt. Mit Beschluss vom 02.05.2018, Az. 22 C 117/18, hat das Amtsgericht H. den Streitwert auf 9.900,00 € festgesetzt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers nach Anhörung der Gegenseite an das Landgericht H. verwiesen.

Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 19.06.2018 hat der Kläger seine Klage versehentlich an das Amtsgericht H. übersandt. Die Klage wurde beim Amtsgericht H. unter dem Aktenzeichen 20 C 22/18 neu eingetragen und der Rechtsstreit nach Festsetzung des Streitwerts auf 30.000,00 € an das Landgericht H. verwiesen. Dort wurden beide Verfahren zusammengeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht H. gemäß § 1 ZPO i. V. m. §§ 23, 71 Abs. 1 GVG sachlich und nach § 27 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig und es besteht keine doppelte Rechtshängigkeit. Mit der versehentlich an das Amtsgericht H. adressierten, jedoch eindeutig für das Landgericht bestimmten Klageschrift wollte der anwaltlich vertretene Kläger zweifelsfrei nicht das Amtsgericht, sondern das Landgericht anrufen. Das ergibt eine Auslegung der Klageschrift nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen. Danach kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die Klageschrift ungeachtet ihrer Adressierung an das Amtsgericht H. für das Landgericht bestimmt war. Die Klageschrift nimmt einleitend ausdrücklich Bezug auf „den PKH-Bewilligungsbeschluss des LG H. vom 19.06.2018 (4 O 131/18)“. Daraus geht hervor, dass sich die Klageschrift auf das unter Nennung des Aktenzeichens bezeichnete landgerichtliche Verfahren erster Instanz bezieht, in dem Prozesskostenhilfe bewilligt wurde. Insofern ist offensichtlich, dass die Klage in dem Verfahren, in dem Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, erhoben werden sollte. Der beim Amtsgericht eingegangene und an das Landgericht verwiesene offenkundige „Irrläufer“ begründete daher keine neue Rechtshängigkeit.

II.

Die Klage hat jedoch in der Sache weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Umschreibung des Kontos auf sich selbst als Kontoinhaber unter Anbringung eines Sperrvermerks beziehungsweise auf Übertragung des Sparguthabens auf ein eigenes Konto mit einem Testamentsvollstreckervermerk.

Die Beklagte hat als Testamentsvollstreckerin durch die bisherige Anlageform eines offenen Treuhandkontos bereits nicht gegen die ihr obliegende Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gegenüber dem Kläger als Vermächtnisnehmer aus § 2216 BGB verstoßen.

1. Der Testamentsvollstrecker hat gemäß § 2203 BGB die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen. Er hat den Nachlass in Besitz zu nehmen und dann insbesondere für die Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten sowie die Erfüllung oder Sicherstellung von Vermächtnissen und Auflagen zu sorgen (vgl. Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018, § 2203 Rn.3). Gemäß § 2223 BGB kann der Erblasser einen Testamentsvollstrecker auch zu dem Zwecke ernennen, dass dieser für die Ausführung der einem Vermächtnisnehmer auferlegten Beschwerungen sorgt. Wird eine Dauervollstreckung gemäß § 2209 BGB in Bezug auf den Vermächtnisgegenstand angeordnet, hat der Testamentsvollstrecker diejenigen Rechte des Testamentsvollstreckers, die dieser in Bezug auf den Nachlass hat, wenn er den gesamten Nachlass verwaltet. Er kann also auf die Dauer der Testamentsvollstreckung den Vermächtnisgegenstand in Besitz nehmen, verwalten und hierüber verfügen. Eine Dauervollstreckung über den Vermächtnisgegenstand ist nach herrschender Meinung zulässig (Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2223, Rn. 5).

Nach § 2216 BGB ist der Testamentsvollstrecker – soweit er zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt ist – auch zu dessen ordnungsmäßiger Verwaltung verpflichtet (Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2216 Rn. 1). Die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses besteht gegenüber den Erben beziehungsweise den Vermächtnisnehmern (vgl. §§ 2219, 2223 BGB), die den Testamentsvollstrecker auf Erfüllung dieser Verpflichtung verklagen können (Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2216 Rn. 14).

a) Was unter „ordnungsmäßiger Verwaltung“ zu verstehen ist, richtet sich nach den letztwilligen Anordnungen des Erblassers, nach dem Zwecke der Verwaltung und nach den Umständen des einzelnen Falls (Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2216 Rn. 4). Der Begriff der Ordnungsmäßigkeit ist in erster Linie ein objektiver, so dass selbst eine von persönlichen Interessen des Testamentsvollstreckers geleitete Verwaltung nicht ordnungswidrig ist, wenn er bei pflichtmäßiger Einstellung so hätte handeln dürfen, wie er es getan hat (Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2216 Rn. 9 f.).

Zu den Pflichten des Testamentsvollstreckers nach den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung gemäß § 2216 BGB gehört es, das ihm anvertraute Vermögen zu sichern und zu erhalten, Verluste zu verhindern und Nutzungen zu gewährleisten. Dabei muss er Möglichkeiten zu besserem Erfolg wahrnehmen und ist zu Kontrollmaßnahmen verpflichtet, um rechtzeitig drohenden Gefahren und Verlusten zu begegnen (vgl. Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018, § 2216 Rn. 2 m.w.N.).

Zu berücksichtigen ist aber auch, dass der Testamentsvollstrecker in eigener Verantwortung weitgehend nach seinem Ermessen entscheidet (vgl. Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018, § 2216 Rn. 2 m.w.N.). Er handelt erst dann pflichtwidrig, wenn er die Grenze seines Ermessens überschreitet (OLG Hamm, Urt. v. 24.07.2012 – I-10 U 85/09 – ZEV 2013, 140, 144 m. w. N.). Dabei wird die Grenze der objektiven Handlungsmaßstäbe insbesondere dort erreicht, wo die Struktur des Nachlasses eine besondere Eigeninitiative des Testamentsvollstreckers erfordert; hier ist ein Ermessensspielraum anzuerkennen, innerhalb dessen eine ordnungsmäßige Verwaltung möglich ist, ohne dass es auf die objektiv günstigste Maßnahme ankommt (Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2216 Rn. 12 f.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verbietet es sich daher insbesondere bei Anlageentscheidungen des verwaltenden Testamentsvollstreckers, die Grenzen der ordnungsmäßigen Nachlassverwaltung bereits dort zu ziehen, wo der sogenannte „sicherste Weg verlassen wird“. Das Gesetz schreibt, wo es den Gesichtspunkt der Sicherheit ganz in den Vordergrund rückt, sogenannte mündelsichere Anlagen vor. Das gilt etwa für den Vormund und auch im Erbrecht gibt es eine derartige Anlagevorschrift für den Vorerben, § 2119 BGB, nicht jedoch für den Testamentsvollstrecker (vgl. Auch BGH, Urt. v. 03.12.1986 – IV a ZR 90/85 – NJW 1987, 1070, 1071). Eine äußerste Grenze des Ermessens des Testamentsvollstreckers bildet § 2205 S. 3 BGB, der dem Testamentsvollstrecker unentgeltliche (und nicht voll entgeltliche) Verfügungen grundsätzlich verbietet (vgl. auch BGH, a. a. O.). Das Kriterium der Ordnungsmäßigkeit im Sinne von § 2216 BGB findet daher seine Linie in den angemessenen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit (vgl. BGH, a. a. O.; OLG Hamm, a. a. O.). Die Ermessensgrenze wird demnach insbesondere bei absehbaren Schädigungen des Nachlasses und bei nicht mehr abwägbaren Risiken erreicht sein (vgl. Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2216 Rn. 12).

b) Die Ordnungsmäßigkeit der Nachlassverwaltung ist darüber hinaus von Fall zu Fall nach dem Zweck der Testamentsvollstreckung, nach den dem Testamentsvollstrecker vom Erblasser übertragenen Aufgaben und den maßgeblichen letztwilligen Anordnungen zu beurteilen (vgl. auch Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl. 2018, § 2216 Rn. 2 m.w.N.). Die Pflichten des Testamentsvollstreckers werden so im Einzelnen vom Umfang und von der Art seiner Obliegenheiten bestimmt (vgl. auch OLG Hamm, ZEV 2013, 140, 145 m.w.N.). Welche Maßnahmen eine ordnungsmäßige Verwaltung dem Testamentsvollstrecker konkret abverlangt, hängt mithin vom individuellen Aufgabenbereich ab und ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. auch OLG Hamm, a. a. O. m.w.N.).

aa) Im vorliegenden Fall hat der Erblasser den Kläger mit letztwilliger Verfügung vom 04.12.2007 enterbt, als Vorvermächtnisnehmer eingesetzt und diesbezüglich Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Letztere hat er ausdrücklich damit begründet, dass er davon ausgehe, dass der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung dauerhaft nicht in der Lage sein werde, die ihm zugewandten Vermögenswerte zu verwalten. Weiter betont der Erblasser in seinem notariellen Testament vom 04.12.2007 explizit, dass er – da er davon ausgehe, dass sein Sohn aufgrund seiner Schwerbehinderung weiterhin nicht in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu bestreiten – durch die Anordnung der Dauertestamentsvollstreckung erreichen wolle, dass seinem Sohn aus den ihm zugewandten Vermögensgegenständen dauerhaft ein angemessener Lebensstandard, der über das Niveau der Sozialhilfe als staatlicher Grundversorgung hinausgeht, ermöglicht wird. Insoweit führt er weiter aus, dass er diese Zielsetzung auch dann beachtet wissen wolle, wenn in Zukunft aufgrund einer Änderung der derzeitigen Rechtslage die Anordnung von Dauertestamentsvollstreckung in der von ihm getroffenen Weise nicht möglich sein sollte. Dementsprechend hat der Erblasser explizit weiter ausgeführt, dass die Aufgabe des Testamentsvollstreckers die Verwaltung der Beteiligung seines behinderten Sohnes, des Klägers, am Nachlass, d. h. an den ihm vermächtnisweise zugewandten Vermögensgegenständen sein soll.

Zur Verwirklichung dieser Ziele hat der Erblasser für den Testamentsvollstrecker verbindliche Verwaltungsanordnungen gemäß § 2216 Abs. 2 BGB getroffen. Demnach hat der Testamentsvollstrecker insbesondere dem Kläger aus den jährlichen Reinerträgnissen nur solche Geld- und Sachleistungen zuzuwenden, die der Verbesserung der Lebensqualität des Klägers dienen, auf die der Sozialhilfeträger nach sozialhilferechtlichen Vorschriften nicht zugreifen kann und hinsichtlich derer eine Anrechnung auf die dem Kläger gewährte Sozialhilfe nicht in Betracht kommt.

Dem Erblasser kam es demnach entscheidend darauf an, sicherzustellen, dass ein Zugriff der Träger der Sozialhilfe nicht erfolgen kann. Dies zeigt sich auch in der Zuwendung des Vermächtnisses, dessen Wert mit 27 % des Reinwerts des Nachlasses leicht oberhalb des Pflichtteils des Klägers liegt, so dass das Entstehen von auf den Träger der Sozialhilfe überleitbarer Pflichtteilsansprüche verhindert wird. Die angeordnete Testamentsvollstreckung schränkt die Verfügungsbefugnis des Klägers gemäß § 2211 BGB ein; demgemäß können sich die Gläubiger des Klägers nicht an die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Vermächtnisgegenstände halten, § 2214 BGB (vgl. Staudinger/Reimann, BGB, Neubearb. 2016, § 2223, Rn. 17 sowie allgemein zum Testamentsvollstrecker BGH, Beschl. v. 10.5.2017 – XII ZB 614/16, NJW-RR 2017, 974, 975, Rn. 12 m.w.N.).

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum so genannten Behindertentestament sind Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer – mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen – Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich auch nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus (s. BGH, Beschl. v. 10.5.2017 – XII ZB 614/16, NJW-RR 2017, 974, 975, Rn. 12 m.w.N.). Entsprechendes muss auch dann gelten, wenn das behinderte Kind – wie hier – nicht Miterbe, sondern nur Vermächtnisnehmer unter Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung mit Verwaltungsanordnung wird.

bb) Darüber hinaus hat der Erblasser gemäß § 2216 Abs. 2 BGB angeordnet, dass die jährlichen Reinerträgnisse aus dem beziehungsweise den zur Erfüllung des Vermächtnisses übertragenen Gegenständen nach dem billigen Ermessen des Testamentsvollstreckers dem Kläger unter Berücksichtigung dessen Wohles und dessen Wünsche gemäß den von dem Erblasser getroffenen Bestimmungen zugewendet werden sollen. Soweit die Reinerträgnisse in einem Jahr nicht in voller Höhe dem Kläger zugewendet werden, sind sie nach dem expliziten Willen des Erblassers vom Testamentsvollstrecker nach dessen Ermessen gewinnbringend anzulegen und entsprechend der genannten Ziele zu verwenden. Insofern räumt er dem Testamentsvollstrecker einen von ihm nicht begrenzten weiten Ermessensspielraum bezüglich der gewinnbringenden Anlage der Reinerträgnisse ein. Zugleich stellt er klar, dass diesem keine mündelsichere Geldanlage obliegt.

cc) Ferner hat der Erblasser den Testamentsvollstrecker von allen Beschränkungen befreit, von denen Befreiung erteilt werden kann, einschließlich von dem Verbot des In-sich-Geschäfts nach § 181 BGB. Der Erblasser hat dem Testamentsvollstrecker damit möglichst umfassende Rechte eingeräumt.

2. Unter diesen Umständen liegt kein Verstoß der Beklagten als Testamentsvollstreckerin gegen die ihr obliegende Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses gegenüber dem Kläger als Vermächtnisnehmer durch die bisherige Anlageform eines offenen Treuhandkontos vor. Mit der Anlage des vermächtnisweise zugewandten Geldbetrages in der Form eines Treuhandkontos hat die Beklagte die Grenze pflichtgemäßen Ermessens nicht überschritten. Die Anlage des vermächtnisweise zugewandten Geldbetrages in der Form eines offenen Treuhandkontos stellt insbesondere weder nicht mehr abwägbare Risiken dar noch liegt hierin eine absehbare Schädigung.

Soweit der Kläger anführt, im Falle eines Pfändungszugriffs eines Dritten auf das Treuhandkonto bliebe ihm nur die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage, wobei er befürchte, von der Bank über die Pfändung gar nicht informiert zu werden, und daneben darauf verweist, dass ihm im Falle einer Insolvenz der Beklagten nur ein zeit- und kostenintensives Aussonderungsrecht zustünde, ist dem entgegenzuhalten, dass gerade aufgrund der in solchen Fällen gegebenen Rechte beziehungsweise Rechtsbehelfe keine absehbare Schädigung und auch kein nicht mehr abwägbares Risiko in der gewählten Anlageform liegt. Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist die Beklagte gerade nicht dazu verpflichtet, die Gelder mündelsicher anzulegen und jegliches Risiko zu meiden, mag es auch noch so fernliegend sein. Die Gelder sind nach dem Willen des Erblassers vom Testamentsvollstrecker nach dessen Ermessen gewinnbringend anzulegen. Dabei ist die Beklagte als Testamentsvollstreckerin nach dem Willen des Erblassers aber vorrangig auch dazu verpflichtet, einen Zugriff durch Sozialleistungsträger unbedingt zu vermeiden. Dies gilt insbesondere auch für einen Zugriff infolge einer konkludenten Freigabe im Sinne des § 2217 Abs. 1 BGB. Eine solche gilt es jedenfalls für die Beklagte in jedem Fall zu verhindern (vgl. zur konkludenten Freigabe BGH, Beschl. v. 10.05.2017 – XII ZB 614/16, NJW 2017, 974, 975, der in Rn. 15 jedoch explizit offen lässt, ob die dortige Testamentsvollstreckerin durch die Eröffnung eines Kontos auf die Betroffene den angelegten Betrag im Sinne des § 2217 BGB freigegeben hat, sowie vorgehend LG Darmstadt, Beschl. v. 07.12.2016 – 5 T 582/15, BeckRS 2016, 122928, das die Freigabe aufgrund der konkreten Umstände des Falles verneint hat; der Entscheidung des LG Darmstadt lässt sich entgegen der Ansicht des Klägers umgekehrt aber auch keinesfalls entnehmen, dass die von der dortigen Testamentsvollstreckerin gewählte Anlageform die einzig richtige Anlageform im Sinne des § 2216 Abs. 1 BGB darstelle; vgl. dazu auch die Anmerkung in NJW-Spezial 2017, 520). Die Beklagte hat daher die Ermessensgrenze insofern jedenfalls nicht überschritten.

Eine Ermessensüberschreitung hinsichtlich der gewählten Anlageform ergibt sich darüber hinaus aber auch nicht mit dem Argument des Klägers, er könne bei der von der Beklagten gewählten Anlageform nicht mehr an das Treuhandkonto und damit an seine Gelder gelangen, falls die Beklagte plötzlich versterben, untertauchen oder nicht (mehr) reagieren sollte; in solchen Fällen müsste er die Freigabe des Kontos veranlassen, was Zeit und Geld beanspruche. Soweit der Kläger zudem darauf verweist, dass im Falle des Wechsels des Testamentsvollstreckers eine Umschreibung des Kontos zu erfolgen habe, ist insofern zum einen zu berücksichtigen, dass auch bei einer Änderung eines Testamentsvollstreckervermerks ein gewisser Aufwand erforderlich wäre und auch ein Mehraufwand nicht zu einer Überschreitung der Grenze pflichtgemäßen Ermessens führt. Zum anderen kann allein aus einer befürchteten späteren Pflichtverletzung (Untertauchen, unterbleibende Reaktion) noch keine Überschreitung der Ermessensgrenze in Bezug auf das bisherige Handeln abgeleitet werden. Hinzu kommt, dass der Kläger einen Betreuer hat, der den Testamentsvollstrecker überwacht und jährliche Rechnungslegung verlangen kann (s. BeckOGK/Tolksdorf, Stand: 01.08.2018, BGB, § 2218 Rn. 13). Damit ergibt sich – auch in einer Gesamtschau aller Aspekte – keine Überschreitung der Ermessensgrenze durch die Beklagte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.

 

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