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Überleitung von Pflichtteilsansprüchen eines Betreuten

Ein Mann unter Betreuung kämpft um sein Erbe: Im Mittelpunkt steht der Pflichtteilsanspruch eines Mannes, der nach dem Tod seines Vaters Sozialhilfe bezieht. Das Sozialamt schaltete sich ein und übernahm die Durchsetzung des Erbanspruchs, was zu einem Rechtsstreit um die Notwendigkeit eines zusätzlichen Betreuers führte. Das Amtsgericht Mannheim musste entscheiden, ob die bestehende Betreuung ausreicht, um die Interessen des Mannes zu wahren.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Betroffene steht unter Betreuung bezüglich Vermögenssorge, Aufenthalt und Gesundheitsfürsorge.
  • Nach dem Tod seines Vaters steht dem Betroffenen ein Pflichtteil von 1/4 der Erbmasse zu.
  • Das Sozialamt hat die Pflichtteilsansprüche aufgrund von geleisteter Eingliederungshilfe übergeleitet.
  • Ein Rechtsanwalt wurde als Ergänzungsbetreuer zur Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche eingesetzt.
  • Die Ergänzungsbetreuung wurde aufgehoben, da sie aufgrund der Überleitung der Ansprüche an das Sozialamt nicht mehr erforderlich ist.
  • Die Betreuerin muss prüfen, ob und in welcher Höhe Pflichtteilsansprüche bestehen, die nicht auf das Sozialamt übergeleitet wurden.
  • Das Sozialamt darf übergeleitete Ansprüche direkt gegenüber der Erbin geltend machen.
  • Der Betroffene ist nicht verpflichtet, seinen Pflichtteil gegenüber der Erbin geltend zu machen, solange das Sozialamt seine Ansprüche verfolgt.
  • Ein ergänzender Betreuer ist nicht notwendig, da die Betreuerin in der Lage ist, anwaltlichen Rat in Anspruch zu nehmen, um Pflichtteilsansprüche durchzusetzen.
  • Das Sozialamt darf Leistungen nicht mit der Begründung einstellen, dass der Pflichtteilsanspruch nicht vom Betroffenen geltend gemacht wurde.

Pflichtausübung trotz Betreuung: Gericht stärkt Rechte von Menschen mit Behinderung

Die Übertragung von Eigentum ist ein komplexes Rechtsgebiet, das mit vielen Regeln und Vorschriften verbunden ist. Oftmals müssen hierbei verschiedenste Aspekte berücksichtigt werden, insbesondere wenn es um die Rechte von Personen geht, die aufgrund ihrer persönlichen Situation nicht in der Lage sind, ihre eigenen Interessen selbst zu vertreten. So kommen beispielsweise im Bereich der Erbschaft einige Sonderregelungen zum Tragen, die darauf abzielen, die Rechte von sogenannten Pflichtteilserben zu schützen.

Zu diesen Erben zählen zum Beispiel Menschen, die aufgrund von Krankheit oder Behinderung unter Betreuung stehen. Diese Personen sind in ihren Handlungsfähigkeiten eingeschränkt und bedürfen daher eines besonderen Schutzes. So ist es beispielsweise gesetzlich geregelt, dass Betreute, die ein Pflichtteilsrecht haben, dieses auch geltend machen können, wenn sie aufgrund ihrer persönlichen Situation nicht in der Lage sind, dies selbst zu tun. Im Folgenden möchten wir Ihnen einen spannenden Gerichtsfall vorstellen, der sich mit diesem Thema beschäftigt und zeigt, wie Gerichte mit diesen rechtlichen Fragen umgehen.

Der Fall vor Gericht


Pflichtteilsansprüche und Sozialhilfe: Komplexer Erbschaftsfall vor dem Amtsgericht Mannheim

Der Fall, der vor dem Amtsgericht Mannheim verhandelt wurde, dreht sich um die Pflichtteilsansprüche eines betreuten Mannes und die damit verbundenen Auswirkungen auf seine Sozialhilfeleistungen. Der Betroffene steht unter Betreuung für die Bereiche Vermögenssorge, Aufenthalt und Gesundheitsfürsorge. Nach dem Tod seines Vaters am 10. September 2008 ergab sich für ihn ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von einem Viertel der Erbmasse.

Die genaue Höhe des Anspruchs war zum Zeitpunkt der Verhandlung noch nicht geklärt, wurde jedoch auf maximal etwa 14.000 Euro geschätzt. Der verstorbene Vater hatte in einem Erbvertrag vom 29. Juli 2003 seine zweite Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt.

Überleitung der Pflichtteilsansprüche durch das Sozialamt

Eine entscheidende Wendung nahm der Fall, als das Sozialamt der Stadt am 19. Februar 2009 sowohl die Erbin als auch die Betreuerin des Betroffenen schriftlich darüber informierte, dass es die Pflichtteilsansprüche übergeleitet hat. Der Grund dafür lag darin, dass der Betroffene Eingliederungshilfe vom Sozialamt erhielt.

Diese Überleitung bedeutete, dass das Sozialamt nun berechtigt war, die Ansprüche gegenüber der Erbin direkt geltend zu machen. Allerdings drohte das Amt am 9. April 2009 damit, die Leistungen einzustellen, da der Betroffene seinen Pflichtteil nicht selbst gegenüber der Erbin geltend gemacht hatte.

Rechtliche Auseinandersetzung um die Ergänzungsbetreuung

Um die Interessen des Betroffenen zu wahren, wurde am 12. März 2009 ein Rechtsanwalt als Ergänzungsbetreuer eingesetzt. Seine Aufgabe sollte es sein, die Pflichtteilsansprüche des Betroffenen gegen die Erben durchzusetzen. Doch schon kurz darauf, am 24. März 2009, regte der Ergänzungsbetreuer selbst an, diese Betreuung wieder aufzuheben. Er argumentierte, dass aufgrund der Überleitung der Ansprüche auf das Sozialamt nichts mehr zu regeln sei.

Diese Anregung wurde zunächst am 27. April 2009 abgelehnt. Doch die Situation änderte sich, als das Sozialamt am 15. Juni 2009 dem Ergänzungsbetreuer eine Aufstellung übermittelte. Daraus ging hervor, dass seit dem Eintritt des Erbfalls Leistungen in Höhe von etwa 24.000 Euro an den Betroffenen erbracht worden waren.

Entscheidung des Gerichts: Aufhebung der Ergänzungsbetreuung

Das Amtsgericht Mannheim kam zu dem Schluss, dass die Ergänzungsbetreuung aufzuheben sei, da sie nicht erforderlich ist. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die bereits bestehende Betreuerin im Rahmen der Vermögenssorge verpflichtet ist, die Pflichtteilsansprüche des Betroffenen zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen.

Das Gericht stellte klar, dass das Sozialamt berechtigt ist, die übergeleiteten Ansprüche direkt gegenüber der Erbin geltend zu machen. Es betonte jedoch auch, dass dem Sozialamt keine Ansprüche gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Betroffenen zustehen.

Wichtig ist auch die Feststellung des Gerichts, dass die Betreuerin befugt ist, anwaltschaftlichen Rat in Anspruch zu nehmen, um die komplexe rechtliche Situation zu beurteilen. Ein Ergänzungsbetreuer sei dafür nicht erforderlich.

Das Gericht wies zudem darauf hin, dass das Sozialamt nicht berechtigt ist, Leistungen mit der Begründung zu verweigern, der Leistungsempfänger müsse zuvor seine Pflichtteilsansprüche realisieren. Es betonte, dass es dem Betroffenen freisteht, ob er seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der bestehenden Betreuung bei der Wahrung von Pflichtteilsansprüchen und begrenzt gleichzeitig die Rolle des Sozialamts. Es stellt klar, dass eine Ergänzungsbetreuung nicht erforderlich ist, wenn bereits eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge besteht. Zudem wird betont, dass das Sozialamt zwar übergeleitete Ansprüche geltend machen kann, aber nicht berechtigt ist, Leistungen einzustellen, nur weil der Betroffene seinen Pflichtteil nicht selbst einfordert.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie unter Betreuung stehen und einen Pflichtteilsanspruch erben, müssen Sie sich keine Sorgen machen, dass eine zusätzliche Betreuung nötig wird. Ihre bestehende Betreuerin ist dafür zuständig, Ihre Pflichtteilsansprüche zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen. Wichtig für Sie ist auch, dass das Sozialamt Ihnen Ihre Leistungen nicht einfach streichen darf, nur weil Sie Ihren Pflichtteil nicht selbst einfordern. Es liegt in Ihrer Hand, ob Sie den Pflichtteil geltend machen möchten. Sollten Sie Sozialhilfe beziehen, kann das Sozialamt zwar einen Teil Ihres Pflichtteils beanspruchen, muss dies aber direkt mit der Erbin klären. Ein Teil Ihres Erbes bleibt Ihnen als Schonvermögen in jedem Fall erhalten.


FAQ – Häufige Fragen

Erben und Vererben ist ein komplexes Thema, das viele Fragen aufwirft. Pflichtteilsansprüche und Sozialhilfe spielen dabei eine wichtige Rolle und können schnell zu Unsicherheiten führen. Diese FAQ-Rubrik soll Ihnen mit verständlichen Antworten auf häufig gestellte Fragen zu diesem Thema helfen und Ihnen Orientierung bieten.


Was passiert mit Pflichtteilsansprüchen, wenn ein Erbe Sozialhilfe bezieht?

Diese Frage ist zentral für Betroffene, die Sozialhilfe erhalten und gleichzeitig pflichtteilsberechtigt sind. Sie beleuchtet die rechtliche Situation, in der Pflichtteilsansprüche auf das Sozialamt übergeleitet werden und wie dies die Sozialhilfeleistungen beeinflusst. Relevant ist hierbei, dass der Sozialhilfeempfänger eventuell verpflichtet ist, seinen Pflichtteil geltend zu machen, oder ob das Sozialamt diesen Anspruch direkt verfolgen kann. ___ Beachte thematischen Zusammenhang: Überleitung von Pflichtteilsansprüchen eines Betreuten (Az.: Az.: Go 2 XVII 1717/92 – AG Mannheim, vom 12.03.2009) ohne jedoch das Urteil explizit zu thematisieren___

Kann das Sozialamt Leistungen einstellen, wenn ein Pflichtteilsanspruch nicht geltend gemacht wird?

Pflichtteilsansprüche von Sozialhilfeempfängern unterliegen besonderen rechtlichen Regelungen. Das Sozialamt kann diese Ansprüche auf sich überleiten, um geleistete Sozialhilfe zurückzufordern. Dies basiert auf dem Grundsatz, dass staatliche Hilfe nachrangig sein soll.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch auch gegen den Willen des Berechtigten geltend machen kann. Dies weicht vom Grundsatz ab, dass ein Pflichtteilsberechtigter normalerweise selbst entscheiden darf, ob er seinen Anspruch geltend macht.
Die Überleitung erfolgt kraft Gesetzes nach § 93 SGB XII. Der Sozialhilfeträger tritt dabei in die Rechtsposition des Pflichtteilsberechtigten ein und kann den Anspruch in eigenem Namen durchsetzen. Dies gilt auch für bereits vor dem Erbfall bezogene Sozialhilfe.
Für den Sozialhilfeempfänger bedeutet dies, dass er den Pflichtteil nicht ablehnen oder darauf verzichten kann, um weiterhin Sozialhilfe zu beziehen. Der Pflichtteil wird als verfügbares Vermögen betrachtet und muss vorrangig zur Deckung des Lebensunterhalts eingesetzt werden.
Es gibt jedoch Ausnahmen: Bei einem sogenannten Behindertentestament kann unter Umständen verhindert werden, dass das Sozialamt auf den Pflichtteil zugreift. Hierbei wird der behinderte Erbe nur als Vorerbe eingesetzt, während das Vermögen durch einen Testamentsvollstrecker verwaltet wird.

Welche Rolle spielt der Betreuer bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen?

Das Sozialamt kann Leistungen einstellen, wenn ein Pflichtteilsanspruch nicht geltend gemacht wird. Dies basiert auf dem Grundsatz, dass Sozialhilfe nachrangig zu anderen Einkommensquellen gewährt wird. Der Pflichtteilsanspruch gilt als verwertbares Vermögen, das vorrangig zur Deckung des Lebensunterhalts einzusetzen ist.
Nach § 93 SGB XII kann der Sozialhilfeträger den Pflichtteilsanspruch auf sich überleiten. Dies bedeutet, dass er den Anspruch selbst geltend machen kann, auch gegen den Willen des Berechtigten. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bestätigt, dass diese Überleitung zulässig ist und nicht gegen den Grundsatz der Privatautonomie verstößt.
Für Betreute und deren Betreuer ist es wichtig zu wissen, dass sie verpflichtet sind, dem Sozialamt den Anfall eines Pflichtteilsanspruchs mitzuteilen. Unterlassen sie dies oder weigern sie sich, den Anspruch geltend zu machen, kann das Sozialamt die Leistungen kürzen oder einstellen. Dies gilt auch dann, wenn der Pflichtteilsanspruch noch nicht durchgesetzt oder anerkannt wurde.
In der Praxis prüft das Sozialamt zunächst, ob der Pflichtteilsanspruch wirtschaftlich sinnvoll durchsetzbar ist. Ist dies der Fall, wird es in der Regel die Geltendmachung verlangen oder den Anspruch selbst überleiten. Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn die Durchsetzung aussichtslos erscheint oder unverhältnismäßig wäre, könnte von einer Einstellung der Leistungen abgesehen werden.
Betreuer sollten daher sorgfältig abwägen, ob die Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruchs im besten Interesse des Betreuten liegt, da dies erhebliche finanzielle Konsequenzen haben kann. Eine frühzeitige und offene Kommunikation mit dem Sozialamt ist ratsam, um mögliche Konflikte zu vermeiden und die bestmögliche Lösung für den Betreuten zu finden.

Was bedeutet die Überleitung von Pflichtteilsansprüchen für die Erben?

Der Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge ist grundsätzlich verpflichtet, Pflichtteilsansprüche des Betreuten geltend zu machen. Dies dient der Wahrung der finanziellen Interessen des Betreuten. Allerdings muss der Betreuer dabei den Willen des Betreuten berücksichtigen, sofern dieser zu einer freien Willensbildung fähig ist.
Entscheidend ist die finanzielle Situation des Betreuten. Ist dieser auf Sozialhilfe angewiesen oder droht eine Bedürftigkeit, wäre es pflichtwidrig, den Pflichtteil nicht einzufordern. In solchen Fällen kann der Sozialhilfeträger den Anspruch sogar direkt auf sich überleiten und selbständig geltend machen.
Der Betreuer muss sorgfältig prüfen, ob die Geltendmachung des Pflichtteils im Interesse des Betreuten liegt. Dabei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, wie mögliche familiäre Konflikte oder die Gefahr einer Überschuldung der Erben. In komplexen Fällen ist es ratsam, einen Fachanwalt für Erbrecht hinzuzuziehen.
Für bestimmte Handlungen benötigt der Betreuer die Genehmigung des Betreuungsgerichts. Dies gilt insbesondere für die Ausschlagung einer Erbschaft oder den Verzicht auf einen Pflichtteilsanspruch. Das Gericht prüft dabei, ob die Entscheidung dem Wohl des Betreuten dient.
Bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen muss der Betreuer aktiv vorgehen. Er hat Auskunftsansprüche geltend zu machen, den Nachlass zu bewerten und gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten. Dabei ist stets das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten.

Kann ein Betreuer die Unterstützung eines Anwalts in Anspruch nehmen, um Pflichtteilsansprüche durchzusetzen?

Ein Betreuer kann durchaus die Unterstützung eines Anwalts in Anspruch nehmen, um Pflichtteilsansprüche für den Betreuten durchzusetzen. Dies ist sogar in vielen Fällen ratsam und notwendig.
Der Betreuer hat die Pflicht, die Vermögensinteressen des Betreuten zu wahren. Dazu gehört auch die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen, sofern dies dem Wohl des Betreuten dient. Da es sich hierbei um komplexe rechtliche Fragen handeln kann, ist die Einschaltung eines spezialisierten Anwalts oft sinnvoll.
Besonders wenn der Pflichtteilsanspruch vor Gericht durchgesetzt werden muss, ist anwaltliche Hilfe unerlässlich. Bei Klagen vor dem Landgericht – was bei Pflichtteilsansprüchen aufgrund der Höhe des Streitwerts häufig der Fall ist – besteht Anwaltszwang. Der Betreuer muss dann zwingend einen Rechtsanwalt beauftragen.
Allerdings muss der Betreuer bei der Beauftragung eines Anwalts einige Punkte beachten. Er sollte zunächst prüfen, ob die Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten Nutzen stehen. Zudem benötigt der Betreuer für bestimmte Rechtsgeschäfte, wie etwa einen Vergleich über den Pflichtteilsanspruch, die Genehmigung des Betreuungsgerichts.
Bei der Auswahl des Anwalts sollte der Betreuer auf entsprechende Fachkenntnisse im Erbrecht achten. Ein spezialisierter Fachanwalt für Erbrecht kann hier von Vorteil sein, um die Interessen des Betreuten bestmöglich zu vertreten.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Pflichtteilsanspruch: Der Pflichtteilsanspruch sichert nahen Verwandten des Erblassers, die im Testament übergangen wurden, einen gesetzlichen Mindestanteil am Erbe. Dieser Anspruch besteht auch, wenn der Erblasser anders verfügt hat. Beispielsweise haben Kinder des Verstorbenen Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils.
  • Ergänzungsbetreuung: Ergänzungsbetreuung wird angeordnet, wenn die Aufgaben eines Betreuers so umfangreich sind, dass sie von einer Person nicht bewältigt werden können. Im beschriebenen Fall wurde diese Betreuung aufgehoben, weil das Gericht entschied, dass die vorhandene Betreuerin ausreicht.
  • Überleitung von Ansprüchen: Dies bedeutet, dass Ansprüche eines Sozialhilfeempfängers auf einen Dritten, wie z.B. Pflichtteilsansprüche, auf den Sozialhilfeträger übergehen. Dadurch kann das Sozialamt diese Ansprüche direkt geltend machen, um die geleisteten Sozialhilfezahlungen zu kompensieren.
  • Schonvermögen: Das Schonvermögen bezeichnet Vermögenswerte, die bei der Berechnung von Sozialhilfeleistungen nicht berücksichtigt werden und dem Betroffenen erhalten bleiben. Zum Beispiel kann ein Pflichtteil, der im Rahmen des Schonvermögens liegt, nicht vom Sozialamt beansprucht werden.
  • Vermögenssorge: Vermögenssorge ist ein Teil der Betreuung, bei dem der Betreuer die finanziellen Angelegenheiten des Betreuten regelt. Dies umfasst die Verwaltung des Vermögens, die Geltendmachung von Ansprüchen wie dem Pflichtteil und die Sicherstellung, dass die finanziellen Interessen des Betreuten gewahrt bleiben.
  • Eingliederungshilfe: Eingliederungshilfe ist eine Form der Sozialhilfe, die Menschen mit Behinderungen dabei unterstützt, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Diese Hilfe kann Leistungen umfassen, die es dem Betreuten ermöglichen, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 1908d Abs. 1 Satz 1 BGB (Ergänzungsbetreuung): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungsbetreuung. Eine Ergänzungsbetreuung kann angeordnet werden, wenn die Aufgaben des Betreuers so umfangreich sind, dass sie von einer Person nicht bewältigt werden können. Im vorliegenden Fall wurde die Ergänzungsbetreuung aufgehoben, da das Gericht der Ansicht war, dass die Aufgaben von der bestehenden Betreuerin bewältigt werden können.
  • §§ 1896 Abs. 1+2 BGB (Umfang der Betreuung): Dieser Paragraph bestimmt den Aufgabenkreis des Betreuers. Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Im vorliegenden Fall war die Betreuerin mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge betraut und hatte daher die Pflicht, die Pflichtteilsansprüche des Betreuten zu prüfen und gegebenenfalls geltend zu machen.
  • § 93 Abs. 1 SGB XII (Überleitung von Ansprüchen): Dieser Paragraph erlaubt es dem Sozialhilfeträger, Ansprüche des Leistungsberechtigten gegen Dritte zu übernehmen (überzuleiten). Im vorliegenden Fall hat das Sozialamt die Pflichtteilsansprüche des Betreuten übergeleitet, da es ihm Sozialhilfeleistungen gewährte. Dadurch wurde das Sozialamt berechtigt, die Ansprüche direkt gegenüber der Erbin geltend zu machen.
  • §§ 19 Abs. 5, 92 Abs. 1 SGB XII (Anrechnung von Einkommen und Vermögen): Diese Paragraphen regeln, inwieweit Einkommen und Vermögen des Leistungsberechtigten auf die Sozialhilfeleistungen angerechnet werden. Im vorliegenden Fall war zu prüfen, ob der Pflichtteilsanspruch auf die Sozialhilfeleistungen anzurechnen ist und inwieweit er das Schonvermögen des Betreuten übersteigt.
  • § 1908i Abs. 1 BGB (Beendigung der Betreuung): Dieser Paragraph regelt die Aufhebung der Betreuung. Eine Betreuung ist aufzuheben, wenn sie nicht mehr erforderlich ist. Im vorliegenden Fall wurde die Ergänzungsbetreuung aufgehoben, da das Gericht der Ansicht war, dass die Aufgaben von der bestehenden Betreuerin wahrgenommen werden können.

Das vorliegende Urteil

AG Mannheim – Az.: Go 2 XVII 1717/92 – Beschluss vom 10.07.2009


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Die mit Beschluss vom 12.03.2009 angeordnete Ergänzungsbetreuung wird aufgehoben.

Gründe

I.

Der Betroffene steht hinsichtlich der Aufgabenkreise Vermögenssorge, Aufenthalt und Gesundheitsfürsorge unter Betreuung.

Sein am 10.09.2008 verstorbener Vater schloss mit seiner zweiten Ehefrau, C. D. G., am 29.07.2003 einen Erbvertrag (AS. 238). Nach III § 1 des Erbvertrages hat die Ehefrau ihren Ehemann zum Erben eingesetzt, zum Nacherben ihre Kinder aus erster Ehe. Unter § 2 hat der Ehemann seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt. Der beurkundende Notar hat unter V auf die Pflichtteilsrechte hingewiesen.

Nach dem Tod des Vaters des Betroffenen steht dem Betroffenen 1/4 der Erbmasse als Pflichtteil zu. Die Höhe des Anspruchs ist ungeklärt, beläuft sich jedoch nach bisherigen Kenntnissen auf maximal ca. 14.000,00 Euro.

Mit Schreiben vom jeweils 19.02.2009 an die Erbin (AS. 245) und an die Betreuerin des Betroffenen (AS. 246) hat die Stadt, Sozialamt, die Pflichtteilsansprüche übergeleitet, da sie Eingliederungshilfe an den Betroffenen leistet. Mit Schreiben vom 09.04.2009 (AS 273) kündigte das Sozialamt an, die Leistungen einzustellen, da der Betroffen nicht den Pflichtteil gegenüber der Erbin geltend gemacht habe.

Mit Beschluss vom 12.03.2009 (AS. 253) wurde Rechtsanwalt H. zum Ergänzungsbetreuer zur Durchsetzung der Pflichtteilsansprüche des Betroffenen gegen die Erben eingesetzt. Der Ergänzungsbetreuer hat mit Schriftsatz vom 24.03.2009 angeregt, die Ergänzungsbetreuung aufzuheben, da aufgrund der Überleitung der Ansprüche auf das Sozialamt nichts mehr zu regeln sei. Die Aufhebung wurde mit Beschluss vom 27.04.2009 abgelehnt. Inzwischen hat das Sozialamt am 15.06.2009 dem Ergänzungsbetreuer eine Aufstellung übersandt, wonach seit Eintritt des Erbfalls Leistungen in Höhe von ca. 24.000,00 Euro an den Betroffenen erbracht worden seien.

II.

Die Ergänzungsbetreuung war aufzuheben, da sie nicht erforderlich ist (§§ 1908 d Abs.1 Satz 1, 1896, Abs. 1+2 BGB).

Es besteht eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge. Die Betreuerin ist im Rahmen der Vermögenssorge verpflichtet zu überprüfen, ob und in welcher Höhe Pflichtteilsansprüche des Betroffenen gegen die Erbin bestehen, die nicht auf das Sozialamt übergeleitet worden sind, weil sie entweder zum Schonvermögen gehören oder weil noch keine Leistungen des Sozialhilfeträgers in dieser Höhe erfolgt sind. Des Weiteren hat sie zu prüfen, ob mögliche Ansprüche im wohlverstandenen Interesse des Betroffenen gegenüber der Erbin überhaupt geltend gemacht werden sollen.

Das Sozialamt hingegen ist berechtigt, übergeleitete Ansprüche gegenüber der Erbin direkt geltend zu machen. Ansprüche gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Betroffenen stehen ihm nicht zu.

1. Die Betreuerin hat, sofern dies dem Interesse des Betroffenen entspricht, den Pflichtteilsanspruch gegen die Erbin geltend zu machen, soweit er nicht auf das Sozialamt übergeleitet wurde.

Die Überleitung wurde durch die Schreiben vom 19.02.2009 wirksam erklärt.

Nach § 93 Abs. 1 SGB XII kann der Träger der Sozialhilfe durch schriftliche Anzeige einen Anspruch der leistungsberechtigten Person (hier: des Betroffenen) gegen einen Drittschuldner (hier: der Erbin) überleiten. Dies gilt grundsätzlich auch bezüglich einmaliger Leistungen (hier: Pflichtteilsanspruch), im Hinblick auf laufende Sozialhilfeleistungen (VGH, Urteil vom 02.02.1983, 6 S 2216/82, FEVS 33, 286).

Hinsichtlich des Anteils des Pflichtteilsanspruchs, der unter Berücksichtigung des übrigen Vermögens des Betroffenen den Schonbetrag überschreitet, tritt durch die Überleitung ein Gläubigerwechsel ein, wonach das Sozialamt gegenüber der Erbin allein anspruchsberechtigt ist (Gerenkamp, in: Mergler/Fink, SGB XII, Stand August 2008, § 93 Rd.-Nr. 28). Der Übergang des Anspruchs auf den Sozialhilfeträger erfolgt bis zur Höhe der von diesem seit Fälligkeit des Anspruchs geleisteten Aufwendungen. Nach Satz 3 der genannten Vorschrift wird der Übergang des Anspruchs nur insoweit bewirkt, als bei rechtzeitiger Leistung des Drittschuldners die Sozialhilfeleistung nicht erbracht worden wäre oder – wie hier – Aufwendungsersatz oder Kostenbeitrag von der leistungsberechtigten Person zu leisten gewesen wäre. Das bedeutet , dass als fiktiver Tatbestand zu prüfen ist, welche Leistungen nicht erbracht worden wären, wenn die geschuldeten Zahlungen durch den Drittschuldner an die leistungsberechtigte Person zu dem Zeitpunkt bewirkt worden wären, zu dem der Leistungsberechtigte sie erstmals hätte verlangen können. (Gerenkamp, a.a.O. § 93 Rd.-Nr. 31). Der Übergang dieses Anspruchs auf das Sozialamt erfolgt aufgrund der Überleitung jedoch erst mit den tatsächlichen (nach dem genannten Datum) erbrachten Leistungen des Sozialamts in deren Höhe(vgl. Gerenkamp, a.a.O. Rd.-Nr. 28, Münder, in LPK-SGB XII, § 93 Rd.-Nr. 30). Es muss eine kausale Verknüpfung bestehen zwischen der Nichtleistung des Dritten und der erfolgten Zahlung des Sozialhilfeträgers, damit der Sozialhilfeträger nicht im Wege der Überleitung eine günstigere Lage erhält, als er sie hätte, wenn der Dritte an den Leistungsberechtigten gezahlt hätte (Münder, a.a.O. Rd.-Nr. 35).

Danach sind die Pflichtteilsansprüche des Betroffenen nur in der Höhe auf das Sozialamt übergegangen, in der Anrechnungen nach §§ 19 Abs. 5, 92 Abs. 1 SGB XII zu Lasten des Betroffenen auf die seit dem Todestag des Erblassers erfolgten Zahlungen des Sozialhilfeträgers bis heute hätten erfolgen müssen, wenn dem Betroffenen der Pflichtteilsbetrag umgehend seit dem Erbfall zur Verfügung gestanden hätte (vgl. Gerenkamp a.a.O. Rd.-Nr. 37). Dies gilt jedoch nur insoweit, als der Pflichtteilsanspruch nicht im Rahmen des Schonvermögens dem Zugriff des Sozialamts entzogen ist.

Da vorliegend nach bisheriger Sachlage die erbrachten Leistungen des Sozialamts den Pflichtteilsanspruch bei Weitem übersteigen, kann es hier allenfalls darum gehen, zu klären, ob ein Teil des Pflichtteilsanspruchs dem Schonvermögen zufällt

Um zu beurteilen, ob und in welcher Höhe ein Pflichtteilsanspruch besteht, der noch nicht übergeleitet wurde und ob, gegebenenfalls wie er durchzusetzen ist, bedarf es großer Sachkunde. Daher ist die Betreuerin befugt, anwaltschaftlichen Rat – gegebenenfalls im Rahmen der Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe – in Anspruch zu nehmen. Ein Ergänzungsbetreuer ist hierzu nicht erforderlich.

2. Sollte das Sozialamt die Leistungen einstellen mit der im Schreiben vom 09.04.2009 angekündigten Begründung, der Pflichtteilsanspruch sei vom Betroffenen nicht gegenüber der Erbin geltend gemacht worden, wird es Sache der Betreuerin sein, im Rahmen der Vermögenssorge – gegebenenfalls auch unter Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts – dagegen vorzugehen. Denn das Sozialamt ist nicht berechtigt, Leistungen zu verweigern mit der Begründung, der Leistungsempfänger müsse zuvor ihm zustehende Pflichtteilsansprüche realisieren. Gem. § 2317 BGB steht dem Betroffenen der Pflichtteilsanspruch zwar zu, doch steht ihm frei, ob er diesen geltend macht (vgl. BGH ZB 30/08, Beschluss vom 26.02.2009, zitiert nach Juris Rd.-Nr. 20; BGH ZR 116/92, Urteil vom 08.07.1993, zitiert nach Juris Rd.-Nr. 10). Um den Grundsatz nachrangiger Hilfegewährung gegenüber dem Sozialhilfeträger zu verwirklichen, um also zu vermeiden, dass Vermögen zu Lasten des Sozialamts dem Betroffenen entzogen wird, sieht § 93 SGB XII die Möglichkeit der Überleitung des Pflichtteilsanspruch in Höhe der erbrachten Leistung vor, und zwar unabhängig davon, ob der Betroffene seinen Pflichtteil in Anspruch nimmt ( BGH Urteil vom 08.12.2004, IV ZR 223/03). Den dem Sozialamt durch die Überleitung allein zustehenden Anspruch in der übergeleiteten Höhe direkt gegen die Erbin – notfalls klageweise- geltend zu machen, ist dann aber Sache des Sozialamtes. Dieses hat hierfür die Höhe des Pflichtteilsanspruchs zu ermitteln und die Höhe der erbrachten Leistungen darzulegen. Die Erbin kann dann – gegebenenfalls unterstützt durch den Betroffenen nach Streitverkündung und Nebenintervention – die Höhe eines möglichen Schonvermögens darlegen.

3. Von einer von §§ 92, 93 KostO abweichenden Kostenentscheidung wird abgesehen, da bislang die Frage der Erforderlichkeit einer Ergänzungsbetreuung im Hinblick auf die Überleitung von Pflichtteilsansprüchen im hiesigen Gerichtsbezirk noch nicht entschieden wurde. Zumindest in Fälle wie dem vorliegenden, in dem ein Betreuer/eine Betreuerin im Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt ist, ist – wie ausgeführt – keine Ergänzungsbetreuung zur Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche erforderlich. Sollte dies in gleichgelagerten Fällen erneut angeregt werden, könnten die Kosten nach § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG dem Antragsteller auferlegt werden.


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