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Unwirksamkeit der teilunentgeltlichen Verfügung eines befreiten Vorerben

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 76/19 und 20 W 77/19 – Beschluss vom 06.06.2019

Die angefochtenen Zwischenverfügungen werden aufgehoben.

Gründe

I.

Als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundbesitzes ist der am XX.XX.2016 verstorbene Vorname1 A in Abt. I lfd. Nr. 2 des Grundbuchblattes eingetragen. Ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts Stadt1 – Nachlassgericht – vom 22.09.2017 ist Alleinerbin des Vorname1 A dessen Tochter Vorname2 A.

Zuvor waren die Eltern von Vorname1 A, die Eheleute Vorname3 und Vorname4 A, als Eigentümer zu jeweils ½ in Abt. I lfd. Nr. 1.1 und 1.2 des Grundbuchblattes eingetragen. Vorname3 A errichtete mit Datum vom 31.05.1999 ein notarielles Testament (UR-Nr. …/1999 des Notars E, Bl. 16 ff. d. A.). In diesem setzte er seine Ehefrau Vorname4 A zur alleinigen Erbin ein und ordnete Vor- und Nacherbschaft dergestalt an, dass seine Ehefrau Vorname4 A befreite Vorerbin ist, erster Nacherbe und damit zweiter, in gleicher Weise befreiter Vorerbe sein Sohn Vorname1 A und mit dessen Tode weiterer Nacherbe der Antragsteller zu 1). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 31.05.1999 (UR-Nr. …/1999 des Notars E, Bl. 16 ff. d. A.), verwiesen.

Nach dem Tod des Vorname3 A am XX.XX.1999 erteilte das Amtsgericht Stadt1 – Nachlassgericht – mit Datum vom 21.03.2000 einen entsprechenden Erbschein (Bl. 5/3 d. A.). In der Folge wurde Vorname3 A als Alleineigentümerin im Grundbuchblatt eingetragen. In Abt. II lfd. Nr. 2 wurde ein Nacherbenvermerk eingetragen, wonach Vorname3 A befreite Vorerbin ist, erster und damit zweiter, in gleicher Weise befreiter Vorerbe Vorname1 A und Nacherbe nach Vorname1 A der Antragsteller zu 1).

Vorname4 A und ihr Sohn Vorname1 A schlossen am 11.03.2000 einen Erbauseinandersetzungs- und Übergabevertrag mit Auflassung (UR-Nr. …/2000 G des Notars F, Bl. 6/1 d. A.). In diesem übertrug Vorname4 A ihrem Sohn ihren Miteigentumsanteil von ½ sowie den von ihrem Ehemann Vorname3 A ererbten Miteigentumsanteil von ½ an dem streitgegenständlichen Grundstück. Als Entgelt für die Übertragung gewährte Vorname1 A seiner Mutter ein lebenslängliches Altenteil, bestehend aus Wohnrecht und Pflegerecht. In § 4 Abs. 3 S. 3 des Übergabevertrages wird der Wert des Altenteils mit DM 800,- monatlich angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde vom 11.03.2000 (UR-Nr. …/2000 des Notars F, Bl. 6/1 ff. d. A.), verwiesen. Die Eintragung des Vorname1 A als Alleineigentümer erfolgte am 01.11.2000, die Eintragung des Altenteils für Vorname4 A in Abt. II lfd. Nr. 3 des Grundbuchblattes am 02.05.2000.

Vorname4 A verstarb am XX.XX.2008. Alleinerbe der Vorname4 A ist deren Sohn Vorname1 A (Erbschein des Amtsgerichts Stadt1 – Nachlassgericht – vom 11.12.2008, Bl. 9/4 d. A.), der seinerseits am XX.XX.2016 verstarb.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 – Nachlassgericht – vom 21.11.2016 wurde der Erbschein nach Vorname3 A vom 21.03.2000 wegen Eintritt des Nacherbfalls als unrichtig eingezogen (Bl. 9/13 d. A.).

Auf den genauen Wortlaut und Inhalt der Eintragungsvermerke wird ergänzend Bezug genommen.

Mit notariellem Kaufvertrag mit Auflassung vom 30.11.2018 veräußerten Vorname2 A und der Antragsteller zu 1) das streitgegenständliche Grundstück an die Antragsteller zu 2) und zu 3) (UR-Nr. …/2018 des verfahrensbevollmächtigten Notars G, Bl. 12/1 ff. d. A.). In dem Kaufvertrag heißt es in § 1 unter Punkt 1.3. Grundbuchberichtigung:

Der derzeit eingetragene Eigentümer Vorname1 A … wurde … von seiner Tochter Vorname2 A … allein beerbt … . Der Beteiligte J ist Nacherbe nach Vorname3 A. … Die unentgeltliche Übertragung des in den Nachlass des Miteigentümers Vorname3 A fallenden Miteigentumsanteils am Grundstück durch seine Witwe Vorname4 A ist gegenüber dem Beteiligten J gemäß § 2113 Abs. 2 BGB unwirksam. Mit Eintritt des Nacherbfalls ist der Beteiligte daher Miteigentümer des vertragsgegenständlichen Grundbesitzes geworden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Kaufvertrag vom 30.11.2018 verwiesen (UR-Nr. …/2018 des verfahrensbevollmächtigten Notars G, Bl. 12/1 ff. d. A.).

Mit Schriftsatz des verfahrensbevollmächtigten Notars G vom 08.02.2019 haben die Antragsteller Grundbuchberichtigung im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse am streitgegenständlichen Grundbesitz beantragt, zudem Eintragung einer Auflassungsvormerkung zu Gunsten der Antragsteller zu 2) und zu 3) sowie die Löschung der zu Gunsten von Vorname4 A eingetragenen Rechte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 08.02.2019, Bl. 12 d. A., verwiesen.

Mit Schriftsatz des verfahrensbevollmächtigten Notars G vom 18.02.2019 haben die Beteiligten zu 2) und zu 3) unter Vorlage einer am 15.02.2019 protokollierten Grundschuldbestellungsurkunde (UR-Nr. …/2019 des Notars G, Bl. 13/1 d. A.) beantragt, zu Gunsten der Bausparkasse Stadt2 Aktiengesellschaft in Stadt2 eine Grundschuld über EUR 295.000,- im Grundbuchblatt einzutragen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 18.02.2019, Bl. 13 f. d. A., verwiesen.

Die Grundbuchrechtspflegerin hat mit Zwischenverfügung vom 19.02.2019 mitgeteilt, die Grundbuchberichtigung könne derzeit nicht erfolgen. Die Wirksamkeit der seinerzeitigen Übertragung von Vorname4 A auf Vorname1 A durch Übertragungsvertrag vom 11.03.2000 könne durch das Grundbuchamt nicht geprüft werden. Nötigenfalls sei die Unentgeltlichkeit durch gerichtliches Feststellungsurteil in Form des § 29 GBO nachzuweisen. Der Nachweis der Erbfolge nach Vorname3 A könne durch Vorlage eines neuen Erbscheins, der die Erbfolge nach Eintritt des Nacherbfalls (Tod des Vorerben Vorname1 A) ausweise, erbracht werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Zwischenverfügung vom 19.02.2019, Bl. 12/5 d. A., verwiesen.

Mit Zwischenverfügung vom 05.03.2019 hat die Grundbuchrechtspflegerin mitgeteilt, der beantragten Eintragung der Grundschuld stehe ein Hindernis entgegen. Zur Belastung des Kaufgegenstandes durch die Erwerber sei die Voreintragung der Erben nach Vorname3 A erforderlich. Ein Erbschein nach dem Erblasser Vorname3 A alleine bringe keine Klärung über die Wirksamkeit der Übertragung der Vorerbin Vorname4 A auf Vorname1 A. Dieser Nachweis könne nur durch ein gerichtliches Feststellungsurteil in Form des § 29 GBO erbracht werden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Zwischenverfügung vom 05.03.2019, Bl. 13/2 d. A., verwiesen.

Der Beteiligte zu 1) hat gegen die Zwischenverfügung vom 19.02.2019 mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 07.03.2019, auf den wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 12/9 ff. d. A.), Beschwerde eingelegt. Gegen die Zwischenverfügung vom 05.03.2019 hat der Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten am 14.03.2019, auf den ebenfalls verwiesen wird (Bl. 13/5 ff. d. A.), Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung hat er jeweils im Wesentlichen ausgeführt, die Vorlage eines Erbscheins sei nach § 35 Abs. 1 S. 2 GBO entbehrlich. Die Eigentumsstellung des Beteiligten zu 1) als Nacherbe des Vorname3 A folge aus dem notariellen Testament des Vorname3 A vom 31.05.1999. Die seinerzeit erfolgte Übertragung des Miteigentumsanteils von Vorname4 A auf Vorname1 A sei wegen Unentgeltlichkeit unwirksam. Die Unentgeltlichkeit ergebe sich aus dem Übergabevertrag vom 11.03.2000 selbst. Im Übrigen sei auch Vorname2 A als Erbin des Vorname1 A dieser Auffassung, wie sie mit Schreiben ihrer Rechtsanwältin vom 22.09.2017 (Bl. 12/10 d. A.) bekräftigt habe.

Die Grundbuchrechtspflegerin hat den Beschwerden mit Beschluss vom 20.03.2019, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Bl. 13/7 f. d. A.), jeweils nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Sie hat im Wesentlichen ihre Auffassung wiederholt, die Wirksamkeit der damaligen Übertragung von Vorname4 A auf Vorname1 A durch den Übertragungsvertrag vom 11.03.2000 könne durch das Grundbuchamt nicht geprüft und festgestellt werden. Ein diesbezüglicher Nachweis müsse in der Form des § 29 GBO erbracht werden.

Die Berichterstatterin hat mit Schreiben vom 27.03.2019 unter Verweis auf die im Übergabevertrag enthaltene Wertangabe zum Altenteil darauf hingewiesen, dass von einer Unentgeltlichkeit und damit Unwirksamkeit einer Verfügung auch dann auszugehen sei, wenn die Verfügung als teilunentgeltlich zu werten sei.

Mit Schriftsatz des verfahrensbevollmächtigten Notars G vom 12.04.2019, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, haben sich die Beteiligten zu 2) und zu 3) dem Beschwerdeverfahren angeschlossen und ihrerseits Beschwerde gegen die Zwischenverfügungen vom 19.02.2019 und vom 05.03.2019 eingelegt. Es bedürfe keines Nachweises der Erbfolge nach Vorname3 A durch Vorlage eines neuen Erbscheins, da die Erbfolge auf notariellem Testament beruhe. Die Grundstücksverfügung im Übergabevertrag vom 11.03.2000 sei wegen Teilunentgeltlichkeit unwirksam, so dass es keines Feststellungsurteils bedürfe.

II.

Die Beschwerden der Beteiligten gegen die Zwischenverfügungen vom 19.02.2019 und vom 05.03.2019, über die nach der hier erfolgten Nichtabhilfe gemäß §§ 72, 75 GBO das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, sind zulässig (§§ 71 Abs. 1, 73 GBO).

Der Senat hat vorliegend davon abgesehen, auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und zu 3) vom 12.04.2019 die Akte zur (erneuten) Durchführung eines Abhilfeverfahrens an das Grundbuchamt zurückzugeben. Denn dieses hatte bereits auf die gleichlautenden Beschwerden des Beteiligten zu 1) mit Datum vom 20.03.2019 einen Nichtabhilfebeschluss erlassen. Insofern ist nicht davon auszugehen, dass die Grundbuchrechtspflegerin nunmehr auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2) und zu 3) ihre Auffassung im Abhilfeverfahren ändern würde. Zudem steht es dem Senat als Beschwerdegericht frei, auch ohne formale Durchführung eines Abhilfeverfahrens in der Sache sogleich selbst zu entscheiden (OLG Stuttgart, FGPrax 2012, 158; OLG München FGPrax 2013, 155; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 75 Rz. 1).

Auch in der Sache haben die Beschwerden Erfolg. Denn die von der Grundbuchrechtspflegerin aufgezeigten Eintragungshindernisse bestehen nicht. Weder bedarf es vorliegend der Vorlage eines neuen Erbscheins nach Vorname3 A noch der Vorlage eines Feststellungsurteils im Hinblick auf die Unwirksamkeit der Grundstücksverfügung im Übergabevertrag vom 11.03.2000.

Für die Betrachtung der Eigentumsverhältnisse an dem streitgegenständlichen Grundbesitz ist zu differenzieren zwischen dem Miteigentumsanteil von ½, der ursprünglich im Eigentum von Vorname4 A stand, und dem Miteigentumsanteil von ½, der ursprünglich im Eigentum von Vorname3 A stand.

Insofern dürften sich die Ausführungen der Grundbuchrechtspflegerin in den angefochtenen Zwischenverfügungen und ihrem Nichtabhilfebeschluss allein auf den Miteigentumsanteil von ½ beziehen, der ursprünglich im Eigentum von Vorname3A stand. Denn im Hinblick auf den anderen Miteigentumsanteil von ½ stellen sich die von der Grundbuchrechtspflegerin aufgeworfenen Rechtsfragen bereits nicht.

Die Voraussetzungen für die Eintragung von Vorname2 A als Eigentümerin des ursprünglich im Eigentum der Vorname4 A stehenden Miteigentumsanteils von ½ sind gegeben, da der Nachweis der Erbfolge nach dem noch als Eigentümer eingetragenen Vorname1 A nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO durch Erbschein geführt ist.

Die ursprünglich eingetragene Eigentümerin dieses Miteigentumsanteils Vorname4 A hat ihren Miteigentumsanteil von ½, der durch keine Rechte wie etwa Vor- und Nacherbschaft belastet war, im Übergabevertrag vom 11.03.2000 auf ihren Sohn Vorname1 A übertragen. Die diesbezügliche Eintragung des Vorname1 A als Eigentümer zu ½ im Grundbuchblatt erfolgte am 01.11.2000. Hinsichtlich dieses Miteigentumsanteils von ½ der Vorname4 A spielt die Frage, ob die im Übergabevertrag erfolgte Übertragung entgeltlich oder unentgeltlich war, keine Rolle. Insofern hätte es Vorname4 A auch freigestanden, ihren Miteigentumsanteil von ½ ihrem Sohn schenkungsweise zu überlassen. Der am XX.XX.2016 verstorbene Vorname1 A wurde von seiner Tochter Vorname2 A allein beerbt. Diesbezüglich liegt der Erbschein des Amtsgerichts Stadt1 vom 22.09.2017 vor.

Im Hinblick auf den weiteren Miteigentumsanteil von ½, der ursprünglich im Eigentum des Vorname3 A stand, ist die Erbfolge im Hinblick auf den Beteiligten zu 1) als Nacherben zwar nicht durch Erbschein nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO nachgewiesen. Allerdings beruht die Erbfolge auf einer eröffneten in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO, so dass es der Vorlage eines Erbscheins zum Nachweis der Erbfolge nach Vorname3 A nicht bedarf.

Vorname3 A hat mit Datum vom 31.05.1999 ein notarielles Testament errichtet (UR-Nr. …/1999 des Notars E, Bl. 16 ff. d. A.). In diesem hat er zunächst seine Ehefrau Vorname4 A als alleinige Erbin bestimmt und sodann Anordnungen zu einer Vor- und Nacherbschaft getroffen. Hiernach war Vorname4 A befreite Vorerbin, „erster Nacherbe“ und damit „zweiter, in gleicher Weise befreiter Vorerbe“ war der gemeinsame Sohn Vorname1 A. Ferner enthält das Testament den Passus, dass mit dem Tode des Vorname1 A „weiterer Nacherbe“ der Beteiligte zu 1) wird.

Rechtliche Bedenken gegen diese in dem notariellen Testament vom 31.05.1999 seitens des Erblassers Vorname3 A angeordnete gestaffelte Nacherbfolge, bei der mehrere Personen nacheinander in der Weise zu Nacherben eingesetzt sind, dass der zunächst berufenen Nacherbe zunächst wieder als Vorerbe dem ihm folgenden Nacherben gegenübersteht, bestehen nicht (OLG Zweibrücken Rpfleger 1977, 305; BayObLG FamRZ 1998, 196, 324, Palandt-Weidlich, BGB, 78. Aufl., § 2100 Rz. 1). Soweit diesbezüglich die zeitliche Beschränkung des § 2109 BGB von 30 Jahren gilt (OLG Köln NJW-RR 2008, 602; Palandt-Weidlich, a.a.O., § 2100 Rz. 1, § 2109 Rz. 1, 4), ist dieser Zeitraum vorliegend nach Errichtung des Testaments im Jahr 1999 bis zum Eintritt des zweiten Nacherbfalls im Jahr 2016 nicht überschritten.

Aus dem notariellen Testament vom 31.05.1999 folgt, dass mit dem Tod des Vorname1 A der zweite Nacherbfall zu Gunsten des Beteiligten zu 1) als Schlusserben eintritt. Insofern beruht die Erbenstellung des Beteiligten zu 1) auf dem notariellen Testament des Vorname3 A vom 31.05.1999, welches am 06.08.1999 eröffnet wurde (Eröffnungsprotokoll des Amtsgerichts Stadt3 – Nachlassgericht – vom 06.08.1999 sowie diesbezüglicher Vermerk des Amtsgerichts Stadt1 – Nachlassgericht – vom 08.11.1999, Bl. 5 f. d. A.). Damit bedarf es zum Nachweis der Erbfolge nach Vorname3 A keines neuen Erbscheins.

Soweit Vorname4 A als befreite Vorerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann Vorname3 A diesen Miteigentumsanteil von ½ mit Übergabevertrag vom 11.03.2000 auf ihren Sohn Vorname1 A übertragen hat und diesbezüglich die Eintragung des Vorname1 A im Grundbuchblatt am 01.11.2000 erfolgt ist, ist diese als unentgeltlich einzuordnende Verfügung nach § 2113 Abs. 1, 2 BGB gegenüber dem Beteiligten zu 1) unwirksam, da sie sein Recht als zweiter Nacherbe und Schlusserbe vereiteln würde.

Der im Grundbuchblatt eingetragene Nacherbenvermerk bewirkt keine Grundbuchsperre (Senat FamRZ 2012, 745; BayObLG Rpfleger 1968, 221; Demharter, a.a.O., § 51 Rz. 31 f.). Deshalb hat das Grundbuchamt im Jahr 2000 zutreffend dem Eintragungsantrag von Vorname4 und Vorname1 A stattgegeben und die Eintragung des Vorname1 A als Eigentümer auch des streitgegenständlichen Miteigentumsanteils von ½ mit Datum vom 01.11.2000 vollzogen. Den Eintragungsanträgen der Vorerbin und des ersten Nacherben war insofern ohne Rücksicht auf das Recht des Beteiligten zu 1) als weiterem Nacherben stattzugeben; auf die Fragen, ob eine befreite oder nicht befreite Vorerbschaft sowie eine entgeltliche oder unentgeltliche Verfügung vorlagen, kam es zu diesem Zeitpunkt nicht an (Demharter, a.a.O., § 51 Rz. 32).

Vorliegend haben die Beteiligten hinsichtlich des ursprünglich im Eigentum des Vorname3 A stehenden Miteigentumsanteils von ½ nunmehr den Antrag auf Grundbuchberichtigung zu Gunsten des Beteiligten zu 1) wegen Eintritts des zweiten Nacherbfalls gestellt. Diesbezüglich hat das Grundbuchamt zu prüfen, ob der in Abt. II lfd. Nr. 2 des Grundbuchblattes eingetragene Nacherbenvermerk möglicherweise nachträglich gegenstandslos geworden ist. Dies wäre dann der Fall, wenn die Grundstücksverfügung der Vorname4 A als befreiter Vorerbin gegenüber dem Beteiligten zu 1) wirksam war, der Beteiligte zu 1) also entweder zugestimmt hat oder es sich um eine entgeltliche und damit ihm gegenüber wirksame Verfügung gehandelt hat (MüKo-Grunsky, BGB, 7. Aufl. § 2113 Rz. 41). Da eine Zustimmungserklärung des Beteiligten zu 1) nicht vorliegt, kommt es vorliegend auf die Frage der Entgeltlichkeit der im Übergabevertrag vom 11.03.2000 enthaltenen Verfügung an.

Wirksam gegenüber dem Beteiligten zu 1) als Nacherben wäre diese Verfügung der Vorerbin Vorname4 A nur dann, wenn es sich um eine entgeltliche Verfügung der befreiten Vorerbin über ihren Miteigentumsanteil nach §§ 2136, 2112, 2113 Abs. 1 BGB handelt (Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl., § 51 Rz. 139 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rz. 3485; KEHE-Munzig, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 51 Rz. 29 ff.; Demharter, a.a.O., § 51 Rz. 35, jeweils m.w.N.).

Zwar ist grundsätzlich die Entgeltlichkeit der Verfügung in der Form des § 29 GBO nachzuweisen, wie die Grundbuchrechtspflegerin in den angefochtenen Zwischenverfügungen und ihrem Nichtabhilfebeschluss ausgeführt hat. Allerdings stellt die Praxis an den Nachweis keine strengen Anforderungen. Vielmehr hat das Grundbuchamt unter Berücksichtigung der Gesamtumstände in freier Beweiswürdigung zu bewerten, ob eine entgeltliche oder eine unentgeltliche Verfügung über den streitgegenständlichen Grundbesitz vorliegt (Senat, Beschluss vom 15.08.2011, juris Rz. 11 m.w.N.; MüKo-Grunsky, a.a.O., § 2113 Rz. 41). Zu berücksichtigen sind hierbei durch das Grundbuchamt die Gesamtumstände des Falles und die natürlichen Gegebenheiten. Auch wenn der Nachweis der Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit nicht in der Form des § 29 GBO zu führen ist, darf das Grundbuchamt bei seiner gebotenen Prüfung andererseits keine zu geringen Anforderungen stellen. Zu berücksichtigen sind hierbei auch Lebenserfahrungen sowie Wahrscheinlichkeiten, wobei eine allzu ängstliche, auch die entferntesten Möglichkeiten noch berücksichtigende Betrachtungsweise nicht angebracht ist. Lediglich eine Beweiserhebung von Amts wegen findet durch das Grundbuchamt nicht statt. Kann die Entgeltlichkeit nicht nachgewiesen werden, so ist von einer Unentgeltlichkeit auszugehen (Senat, Beschluss vom 15.08.2011, juris Rz. 11 m.w.N.; KEHE-Munzig, a.a.O., § 51 Rz. 430, 45 m.w.N.).

Nach den oben genannten Kriterien handelt es sich bei der im Übergabevertrag vom 11.03.2000 enthaltenen Verfügung über den Miteigentumsanteil von ½ an dem streitgegenständlichen Grundbesitz um eine unentgeltliche und damit gegenüber dem Beteiligten zu 1) als Nacherben unwirksame Verfügung.

Eine unentgeltliche Verfügung im Sinne von § 2113 Abs. 2 BGB liegt vor, wenn der Vorerbe im Zeitpunkt ihrer Vornahme, objektiv betrachtet, ohne gleichwertige Gegenleistung ein Opfer aus der Erbmasse bringt und, subjektiv betrachtet, entweder weiß, dass der Erbmasse für dieses Opfer keine gleichwertige Gegenleistung zufließt, oder dies bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen. Es kommt dabei auf das wirtschaftliche Ergebnis an und nicht darauf, ob zwischen den Beteiligten Einigkeit über die Unentgeltlichkeit bestand. Die Entgeltlichkeit bzw. Unentgeltlichkeit darf nicht nur an objektiven Merkmalen gemessen werden; vielmehr ist bei Abwägung von Leistung und Gegenleistung auch das dem Vorerben zustehende Ermessen zu berücksichtigen (Meikel-Böhringer, GBO, 11. Aufl., § 51 Rz. 148). Zudem setzt Entgeltlichkeit voraus, dass die Gegenleistung dem Nachlass zufließt, wobei es ausreicht, wenn die Gegenleistung allgemein dem Vermögen des befreiten Vorerben zugutekommt. Eine teilweise unentgeltliche Verfügung ist einer voll unentgeltlichen gleichzusetzen (Meikel-Böhringer, a.a.O., § 51 Rz. 149; MüKo-Grunsky, a.a.O., § 2113 Rz. ). Bei dem Nachweis der Entgeltlichkeit ist das der Auflassung zu Grunde liegende schuldrechtliche Geschäft für deren Beurteilung mit heranzuziehen. Im Falle der Übertragung eines Grundstücks an einen nahen Angehörigen begründen hierbei die engen verwandtschaftlichen Beziehungen in der Regel bereits Zweifel hinsichtlich der Entgeltlichkeit der Verfügung (OLG Braunschweig Rpfleger 1977, 170; Schöner/Stöber, a.a.O., Rz. 3485).

Die Übertragung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks bei einem vorbehaltenen Mitbenutzungs- und Wohnungsrecht ist dann als entgeltlich (und damit dem Nacherben gegenüber wirksam) einzustufen, wenn die Kapitalisierung des Nießbrauchs bzw. Wohnungsrechts und der Wert der weiteren Gegenleistung insgesamt ein angemessenes Entgelt darstellen (BGH NJW 1977, 1631; Meikel-Böhringer, a.a.O., § 51 Rz. 152 f.). Werden als Entgelt Rechte auf Lebenszeit eingeräumt, ist insofern etwa bei einer eingeräumten Leibrente für deren Kapitalisierung zunächst die normale statistische Lebenserwartung zu berücksichtigen. Hiernach ist deren Mindestdauer festzulegen, damit der kapitalisierte Rentenbetrag eine gleichwertige Gegenleistung ohne Äquivalenzdefizit darstellt. Für den Fall eines früheren Versterbens des veräußernden Vorerben sind grundsätzlich wirtschaftliche Vorkehrungen zu treffen. Dies kann im Wege einer vertraglichen Regelung erfolgen, wonach die im Todeszeitpunkt des veräußernden Vorerben noch ausstehenden Gegenleistungen im Umfange des Nacherbenrechts dem Nacherben zufließen (OLG Hamm Rpfleger 1991, 299; OLG Düsseldorf, Rechtspfleger 2008, 299).

Diese für eine Bejahung der Entgeltlichkeit der Verfügung zu berücksichtigenden Vorgaben erfüllt der Übergabevertrag zwischen Vorname4 A und Vorname1 A vom 11.03.2000 nicht im Ansatz. Damit ist eine als Unentgeltlichkeit zu wertende Teilunentgeltlichkeit der Verfügung und damit deren Unwirksamkeit für das Grundbuchamt offenkundig im Sinne des § 29 Abs. 1 S. 2 GBO.

Die Übertragung des gesamten Grundbesitzes der Vorname4 A, von dem ein Miteigentumsanteil von ½ mit dem Nacherbenrecht nicht nur des Erwerbers Vorname1 A, sondern auch – als zweitem Nacherben und Schlusserben – des Beteiligten zu 1) belastet war, erfolgte gegen Einräumung eines lebenslänglichen Altenteils. In § 4 des Übergabevertrages haben die Vertragsparteien formuliert, das Altenteil stelle ein „Entgelt“ für die Übertragung dar. Der Übergabevertrag regelt des Weiteren, dass dieses Altenteil zu Gunsten der Vorname4 A aus zwei Einzelleistungen besteht, nämlich einem lebenslangen Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht der Vorname4 A hinsichtlich bestimmter Räume des Hauses sowie einer Pflegeverpflichtung des Erwerbers Vorname1 A in einem diesem zumutbaren Umfang (Gesundheitszustand der Übergeberin bis einschließlich Pflegestufe I). Den Wert des Altenteils für die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 7X Jahre alte Vorname4 A haben die Vertragsparteien in § 4 des Übergabevertrages mit DM 800,- monatlich angegeben. Weitere Vereinbarungen, etwa für den Fall eines kurz nach Vertragsschluss erfolgenden Ablebens der Übergeberin Vorname4 A, haben die Vertragsparteien nicht getroffen. Den Wert des streitgegenständlichen Grundbesitzes haben die Vertragsparteien in § 6 des Übergabevertrages mit DM 170.000,- angegeben. Dies bedeutet für die zu beurteilende Frage der Unwirksamkeit der Verfügung über den ursprünglich im Eigentum des Vorname3 A stehenden Miteigentumsanteils von ½ nach § 2113 Abs. 2 BGB, dass einem von den Parteien selbst angesetzten Wert von damals DM 85.000,- nur (ebenfalls mit hälftigem Wert anzusetzende) Gegenleistungen mit einem Wert von monatlich DM 400,- entgegenstehen. Hiernach betrug im Verfügungszeitpunkt der Jahreswert der Gegenleistung DM 4.800,-. Wenn man statistisch davon ausgehen wollte, dass die 7X-jährige Übergeberin Vorname4 A noch ca. zehn Jahre zu leben hätte, läge der als Entgelt zu wertende Gegenwert bei nur DM 48.000,-. Dies entspricht – nach den eigenen Angaben der Vertragsparteien im Übergabevertrag – wenig mehr als der Hälfte des Wertes. Stellt man etwa auf die Wertvorschriften des GNotKG für Nutzungs- und Leistungsrechte ab, so ist bei auf Lebensdauer beschränkten Rechten von Personen über 70 Jahren wie der Übergeberin Vorname4 A nur der auf die ersten fünf Jahre entfallende Wert maßgeblich (§ 52 Abs. 4 S. 1 GNotKG). Dies entspräche vorliegend einem Entgeltbetrag von insgesamt nur DM 24.000,- für einen mit DM 85.000,- bezifferten Grundstücksanteil. Weitere Regelungen für den Fall eines zeitnahen Versterbens der Vorname4 A haben die Vertragsparteien des Übergabevertrages nicht getroffen. Ein bestehendes Äquivalenzdefizit im Hinblick auf das als Entgelt vereinbarte Altenteil zu Gunsten der Übergeberin Vorname4 A ist damit offenkundig, was auch in subjektiver Hinsicht für die Vertragsparteien erkennbar war. Somit ergibt sich eine Teilunentgeltlichkeit der Grundstücksverfügung bezüglich des ursprünglich im Eigentum des Vorname3 A bestehende Miteigentumsanteils von ½ bereits aus dem Übergabevertrag selbst. Insofern ist von einer Offenkundigkeit der Teilunentgeltlichkeit der Verfügung im Sinne des § 29 Abs. 1 S. 2 GBO auszugehen, ohne dass es hierfür weiterer Nachweise bedarf.

Diese bestehende Teilunentgeltlichkeit ist – wie erläutert – einer vollen Unentgeltlichkeit der Verfügung gleichzusetzen und führt nach § 2113 Abs. 2 BGB zur Unwirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Beteiligten zu 1) als Nacherben.

Da die von der Grundbuchrechtspflegerin mit den angefochtenen Zwischenverfügungen vom 19.02.2019 und vom 05.03.2019 bezeichneten Hindernisse nicht bestehen, waren die angefochtenen Zwischenverfügungen aufzuheben.

Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerden bedarf es weder einer Entscheidung über die Kosten noch einer Wertfestsetzung. Auch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst.

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