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Unwirksamkeit eines unauffindbaren Testaments

OLG Köln – Az.: 2 Wx 115/18 – Beschluss vom 26.02.2018

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. vom 27.12.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Brühl vom 27.11.2017 – 79 VI 200/16 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beteiligte zu 1. zu tragen.

Gründe

I.

Am 25.05.1997 hatte der Erblasser mit seiner Ehefrau S L ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, von welchem nur noch Kopien vorliegen (Bl. 19 ff., 38 ff., 64 ff. der Testamentsakte). Der Testamentstext war von der Ehefrau des Erblassers geschrieben worden.

Darin heißt es:

„I.

Ich, der Ehemann X L, setze hiermit meine Ehefrau S L geb. X2 zu meiner alleinigen und unbeschränkten Erbin meines ganzen Nachlasses ein, gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigte bei meinem Ableben vorhanden sind.

Sollte meine Ehefrau als Erbin vor oder nach Eintritt des Erbfalles wegfallen, so sollen deren beide Töchter aus deren erster Ehe, nämlich:

1. Frau Q … .

2. Frau I, …

Je zur Hälfte als Ersatzerben an ihrer Stelle treten.

… “

Die Kopien Bl. 19 ff. und 38 ff. sind von den Beteiligten zu 2. und 3., den Töchtern der vorverstorbenen Ehefrau, die Kopie Bl. 64 ff. ist von dem Beteiligten zu 1., dem Bruder des Erblassers, bei dem Nachlassgericht eingereicht worden. Die drei Seiten der letztgenannten Kopie, die der Beteiligte zu 1. nach seinen Angaben in den Unterlagen des Erblassers fand, sind durchgestrichen, wobei sich auf Seite 1 rechts neben dem Testamentstext der Zusatz „Nein 17.04.201.“ findet.

Die Ehefrau des Erblassers verstarb am 15.06.2014.

Am 16.01.2016 errichtete der Erblasser ein privatschriftliches Testament, in welchem er den Beteiligten zu 1. zum Alleinerben berief (Bl. 6 der Testamentsakte).

Der Beteiligte zu 1. hat am 13.12.2016 die Erteilung eines Alleinerbscheins beantragt (Bl. 5 d.A.). Er hat mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 08.02.2017 (Bl. 62 f. der Testamentsakte) im Wesentlichen geltend gemacht, die von ihm aufgefundene und mit jenem Schriftsatz überreichte Kopie des gemeinschaftlichen Testaments zeige, dass es vom Erblasser offensichtlich durchgestrichen worden sei. Insbesondere der Vermerk „Nein 17.04.2012“ lasse den Schluss zu, dass die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2. und 3. nicht mehr gewollt gewesen sei. Ernsthaftes Indiz dafür, dass das gemeinschaftliche Testament von den Eheleuten einvernehmlich vernichtet worden sei, sei der Umstand, dass es sich im Gegensatz zu dem Testament des Erblassers vom 16.01.2016 nicht bei den Unterlagen des Erblassers auffinden lasse, obwohl dieser ansonsten wichtige Dokumente äußerst sorgfältig aufbewahrt und abgeheftet habe. Der Vernichtung des Testaments am 17.04.2012 sei ein großer Streit unter den Eheleuten wegen der Vaterschaft eines der Stiefkinder des Erblassers vorangegangen.

Mit Beschluss vom 27.11.2017 (Bl. 54 ff. d.A.) hat der Nachlassrichter den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1. mit der Begründung zurückgewiesen, der Erbeinsetzung im Einzeltestament des Erblassers stehe die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments entgegen, dessen Widerruf durch die Eheleute nicht festzustellen sei.

Gegen diesen, ihm am 01.12.2017 zu Händen seines Verfahrensbevollmächtigten zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1. mit einem am 28.12.2017 bei dem Amtsgericht per Telefax eingegangenen Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 27.12.2017 (Bl. 75 ff. d.A.) Beschwerde eingelegt. Er macht im Wesentlichen geltend, alles spreche dafür, dass die Eheleute das gemeinschaftliche Testament einvernehmlich vernichtet hätten. Der Nachlassrichter hat der Beschwerde durch Beschluss vom 23.01.2018 (Bl. 83 f. d.A.) nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.

Vor dem Amtsgericht Brühl und dem Landgericht Köln haben die Beteiligten zu 2. und 3. gegen den Beteiligten zu 1. Pflichtteilsklagen erhoben.

II.

1.

Eine Aussetzung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nach § 21 Abs. 1 FamFG im Hinblick auf die von den Beteiligten zu 2. und 3. angestrengten Prozesse vor dem Amtsgericht Köln und dem Landgericht Köln ist nicht geboten. Ein wichtiger Grund zur Aussetzung ist in der Regel anzunehmen, wenn eine Bindungswirkung der zivilprozessualen Entscheidung für das Erbscheinsverfahren besteht, wie dies bei einer Erbenfeststellungsklage der Fall ist (Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 21 Rz. 17). Die Beteiligten zu 2. und 3. haben eine solche Klage indes nicht erhoben, vielmehr handelt es sich um Pflichtteilsklagen, im Rahmen deren es sich bei der Frage der Erbenstellung lediglich um eine Vorfrage handelt. Entscheidungserhebliche Tatsachenfragen, die sich im zivilprozessualen Verfahren zuverlässiger klären ließen, sind im Streitfall nicht ersichtlich.

2. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1. mit Recht zurückgewiesen, da er nicht aufgrund des Einzeltestaments des Erblassers Alleinerbe geworden ist.

Diese Erbeinsetzung ist unwirksam; aufgrund der vom Erblasser im Ehegattentestament mit Bindungswirkung vorgenommenen Einsetzung der Beteiligten zu 2. und 3. für den – eingetretenen – Fall, dass die Ehefrau „vor … Eintritt des Erbfalls“ verstirbt, war der Erblasser an einer anderweitigen Erbeinsetzung gehindert, § 2271 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Einsetzung der Stieftöchter ist wechselbezüglich zu der letztwilligen Verfügung der Ehefrau, mit welcher diese den Erblasser zu ihrem Vorerben berufen hatte. Denn es handelt sich bei der Verfügung des Erblassers um eine solche im Sinne des § 2270 Abs. 2 BGB, bei der im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen ist. Anhaltspunkte dafür, dass die Ehegatten entgegen dieser Zweifelsregelung eine Wechselbezüglichkeit nicht wollten, sind nicht ersichtlich.

Die vom Erblasser im Ehegattentestament demgemäß mit Bindungswirkung vorgenommene Erbeinsetzung zugunsten der Beteiligten zu 2. und 3. ist entgegen der Auffassung der Beschwerde auch wirksam geblieben. Weder ist seitens des Erblassers zu Lebzeiten der Ehefrau ein Rücktritt in notarieller Form (§ 2271 Abs. 1 Satz 1 BGB) erklärt worden, noch ist – wie die Beschwerde geltend macht – seitens der Ehegatten ein Widerruf erfolgt. Insoweit kann auf die zutreffende Würdigung der Umstände im angefochtenen Beschluss Bezug genommen werden.

Rechtsirrig ist die Ansicht der Beschwerde, das Amtsgericht habe die „Darlegungslast“ für die Vernichtung des gemeinschaftlichen Testaments zu Unrecht dem Antragsteller aufgebürdet, und die Beteiligten zu 2. und 3. hätten zu beweisen, dass das vor mehr als 20 Jahren errichtete Testament heute noch Gültigkeit habe. Ist – wie im Streitfall das Ehegattentestament im Jahre 1997 – ein Testament wirksam errichtet worden, so ist zunächst einmal von einer fortdauernden Gültigkeit auszugehen und trifft die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltende Feststellungslast für Umstände, die zu einer späteren Unwirksamkeit der vorgenommenen Verfügung führen würden, denjenigen Beteiligten, der sich auf diese Unwirksamkeit beruft, hier also den Beteiligten zu 1. Dies hat im Übrigen bereits das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss unter Zitierung der einschlägigen Rechtsprechung zutreffend dargestellt.

Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht allein wegen seiner Unauffindbarkeit ungültig (Palandt/Weidlich, BGB, 77. Aufl. 2018, § 2255 Rn. 9). Es besteht im Falle der Unauffindbarkeit eines Testamentes auch keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser vernichtet worden und deshalb gem.§ 2255 BGB als widerrufen anzusehen ist (Senat, FamRZ 2016, 342; OLG Schleswig, Beschluss vom 12.08.2013 – 3 Wx 27/13, NJW-RR 2014, 73-76; Staudinger/Baumann, BGB, Neubearb. 2018, § 2255 Rn. 34).

Im Streitfall fehlt es an einem einvernehmlichen Widerruf, wie das Amtsgericht richtig angenommen hat. Eine Widerrufserklärung durch einvernehmliche Vernichtung oder Veränderung der Urkunde nach § 2255 BGB ist nicht festzustellen, was nach dem vorstehend dargestellten Grundsatz zu Lasten des Beteiligten zu 1. geht. Weder die vom Beteiligten zu 1. vorgebrachten Gesichtspunkte noch sonstige Umstände lassen diesen Schluss zu. Die Tatsache, dass der Erblasser mit dem Einzeltestament abweichend testiert hat, bildet insoweit kein Indiz. Darin kommt nicht etwa eine „Gewissheit, dass das ursprüngliche Testament nicht mehr vorhanden war“, sondern vielmehr lediglich der Wille des Erblassers zu einer abweichenden Erbeinsetzung im Jahr 2016 zum Ausdruck; der Umstand bietet indes keinen Anhalt dafür, dass das Ehegattentestament im Einvernehmen beider Ehegatten zuvor vernichtet oder mit dem auf der vom Beteiligten zu 1. vorgelegten Kopie am rechten Rand angebrachten Zusatz geändert worden war. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die aus der vom Beteiligten zu 1. vorgelegten Kopie ersichtlichen Durchstreichungen und der Zusatz am rechten Rand – auch wenn sie noch aus der Zeit vor dem Tod der Ehefrau stammen würden – im Einvernehmen mit der Ehefrau angebracht worden sind. Lediglich ergänzend, ohne dass dies ausschlaggebend ist, bringt der Senat seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass der Beteiligte zu 1. im Schriftsatz vom 08.02.2017 (Bl. 62 der Testamentsakte) die Jahreszahl des Vermerks („Nein … „) auf der nach seinen Angaben in den Akten des Erblassers vorgefundenen und überreichten Kopie mit „2012“ angeben kann, obwohl auf eben dieser zu den Akten gereichten Kopie am rechten Rand die letzte Ziffer dieser Jahreszahl nicht zu sehen ist (Bl. 64 der Testamentsakte). Einen Rückschluss auf eine einvernehmliche Vernichtung lässt auch nicht der Umstand zu, dass sich nach den Angaben des Beteiligten zu 1. ein Original trotz sorgfältigen Umgangs der Eheleute/des Erblassers mit ihren/seinen Unterlagen nicht auffinden ließ. Denn für einen Verlust des Originals ist eine Vielzahl von Gründen denkbar, ohne dass eine einvernehmliche Vernichtung durch die Ehegatten erfolgt sein muss.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG). Die Entscheidung beruht ausschließlich auf einer Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls, ohne dass sich Rechtsfragen stellen, die grundsätzlicher Natur oder in der Rechtsprechung streitig sind und einer Klärung durch das Rechtsbeschwerdegericht bedürften.

Geschäftswerte des Beschwerdeverfahrens: 100.000,- EUR

(entsprechend der Festsetzung des Amtsgerichts)

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