Verfügungsbefugnis und Testamentsvollstrecker: Einblick in die rechtlichen Feinheiten
Das Erbrecht ist ein komplexes Feld, das viele Menschen betrifft, insbesondere wenn es um die Verfügungsbefugnis eines Testamentsvollstreckers geht. Ein kürzlich ergangenes Urteil des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt beleuchtet genau diese Problematik.
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Übersicht
Hintergrund des Falles
H. und E. B. waren als Eigentümer eines bestimmten Grundstücks eingetragen. Nach dem Tod von H. B. setzte E. B. in ihrem Testament mehrere Erben ein und bestimmte einen Rechtsanwalt, M. R., als Testamentsvollstrecker. Nach ihrem Tod wurden die Erben als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Der Testamentsvollstrecker verkaufte das Grundstück an andere Beteiligte, aber die Eigentumsübertragung im Grundbuch wurde nicht durchgeführt.
Entlassung des Testamentsvollstreckers
Das Amtsgericht Zerbst entließ später den Rechtsanwalt R. aus seiner Rolle als Testamentsvollstrecker. Das Oberlandesgericht Naumburg bestätigte diese Entscheidung. Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung des Eigentumswechsels ab, da die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers vor der Eigentumsumschreibung erloschen war.
Kernargumente und Entscheidung
Die Vertreter der Beteiligten argumentierten, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der Beantragung der Eigentumsumschreibung der Testamentsvollstrecker noch im Amt war. Daher sollte es irrelevant sein, ob er später aus seinem Amt entlassen wurde. Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt sah dies jedoch anders. Es betonte, dass die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers zum Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch entscheidend ist. Da der Testamentsvollstrecker zum Zeitpunkt der Eintragung nicht mehr im Amt war, fehlte ihm die Befugnis, über das Grundstück zu verfügen.
Rechtliche Grundlagen und Präzedenzfälle
Das Gericht stützte seine Entscheidung auf verschiedene rechtliche Bestimmungen und Präzedenzfälle. Es wurde argumentiert, dass die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers mit seiner Entlassung verloren ging. Zudem wurde klargestellt, dass der Zeitpunkt der Eintragung im Grundbuch entscheidend für die Verfügungsbefugnis ist. Das Gericht lehnte auch den Versuch ab, eine Regelung des BGB analog anzuwenden, die besagt, dass eine Verfügungserklärung nicht unwirksam wird, wenn der Verfügungsberechtigte nach Abgabe der Erklärung in seiner Verfügungsmacht beschränkt wird.
Abschließende Bemerkungen
Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der genauen Kenntnis der rechtlichen Bestimmungen und der aktuellen Rechtsprechung im Erbrecht. Es zeigt auch, wie wichtig es ist, die Rolle und die Befugnisse eines Testamentsvollstreckers zu verstehen, insbesondere wenn es um die Übertragung von Grundstücken geht.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 12 Wx 51/19 – Beschluss vom 18.03.2020
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Zerbst – Grundbuchamt – vom 16. September 2019 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
H. und E. B. waren seit dem 20. Mai 1997 als Eigentümer des im Grundbuch des Amtsgerichts Zerbst von C. Blatt … eingetragenen Flurstücks … der Flur 8 eingetragen.
Nach dem Tod von H. B. errichtete E. B. unter dem 18. November 2004 ein Testament, mit dem sie W. L. , M. K. und B. J. zu ihren Erben einsetzte und Rechtsanwalt M. R. aus C. zum Testamentsvollstrecker bestimmte.
Nach dem Tod von E. B. am 11. April 2013 wurden am 14. Dezember 2015 die vorgenannten Erben in Erbengemeinschaft als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Am 30. November 2015 veräußerte Rechtsanwalt R. das Grundstück mit dem vor dem Notar Bh. in W. geschlossenen Vertrag an die Beteiligten. Unter dem 11. Januar 2016 beantragte Notar Bh. die Umschreibung des Eigentums auf die Beteiligten. Zu einer Eintragung des Eigentumswechsels kam es in der Folge nicht.
Mit Beschluss vom 25. April 2018 entließ das Amtsgericht Zerbst Rechtsanwalt R. als Testamentsvollstrecker, dessen hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht Naumburg mit Beschluss vom 18. Oktober 2018 zurück.
Das Grundbuchamt hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. September 2019 den Antrag auf Eintragung des Eigentumswechsels mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers vor der Eigentumsumschreibung weggefallen sei. Die Zustimmung zu dem Kaufvertrag durch den Alleinerben W. L. habe nicht beigebracht werden können.
Die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2019 hiergegen Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass der damalige Testamentsvollstrecker im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses und der Beantragung der Eigentumsumschreibung im Amt gewesen sei. Dann sei es unerheblich sei, ob der Testamentsvollstrecker abberufen worden sei, ehe die Eigentumsumschreibung im Grundbuch tatsächlich erfolge. Ausreichend sei, dass im Zeitpunkt der Antragstellung alle notwendigen Voraussetzungen für die Eigentumsumschreibung vorgelegen hätten.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 8. Oktober 2019 ohne weitere Begründung nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Grundbuchamt dem Antrag der Beteiligten auf Eintragung als Eigentümer nicht entsprochen.
Gemäß § 20 GBO darf die Auflassung eines Grundstücks im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Rechtsübergang (Auflassung, § 925 BGB) und daneben gemäß § 19 GBO die Bewilligung des in dem Recht Betroffenen erklärt und dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO nachgewiesen sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Denn der Beteiligte zu 1) hat mit seiner Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers vor Vollendung der Übertragung des Eigentums auf die Beteiligte zu 2) seine Verfügungsbefugnis verloren.
Dem veräußernden Rechtsanwalt R. fehlt nunmehr seine Befugnis gemäß § 2205 Satz 2 BGB, über den gegenständlichen Grundbesitz zu verfügen, nachdem ihn das Amtsgericht Zerbst mit Beschluss vom 25. April 2018 als Testamentsvollstrecker entlassen hat. Entscheidend für die Beurteilung der Verfügungsbefugnis ist aber der Zeitpunkt der Eintragung, weil sich erst in diesem Augenblick die verfahrensrechtliche Verfügung über das betroffene Recht verwirklicht (z. B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. November 2002, 3 Wx 321/02, zitiert nach Juris). Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht gemäß § 878 BGB, wonach eine Verfügungserklärung des Verfügungsberechtigten nicht dadurch unwirksam wird, dass er in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamt gestellt worden ist. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht, weil Rechtsanwalt R. als Berechtigter nicht in seiner Verfügungsmacht beschränkt worden ist, sondern diese gänzlich verloren hat. Auch eine analoge Anwendung des § 878 BGB scheidet nach der einheitlichen Rechtsprechung der Obergerichte aus (z. B. OLG Celle, Beschluss vom 21. Januar 1953, 4 Wx 55/52, zitiert nach Beckonline; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26. November 1979, 20 W 724/79, zitiert nach Juris; OLG Köln, Beschluss vom 27. Au-
gust 1980, 2 Wx 26/80, MittRhNotK 1981, 139; BayObLG, Beschluss vom 20. August 1998, 2Z BR 45/98, zitiert nach Juris; BayObLG, Beschluss vom 22. April 1975, BReg. 2 Z 24/75, MittBayNot 1975, 228). Anders als die Beteiligten vorbringen, hat das Brandenburgische Oberlandesgericht (Urteil vom 24. November 1994, 5 W 48/94, zitiert nach Juris) nicht etwa gemeint, dass es ausreiche, dass zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags beim Grundbuchamt alle notwendigen Voraussetzungen vorgelegen haben. Es hat vielmehr ausgeführt, dass derjenige, der über ein Grundstücksrecht verfügt, grundsätzlich auch noch im Zeitpunkt der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch verfügungsbefugt sein muss. Allein aus den dort – anders als im vorliegenden Fall – anwendbaren speziellen Regelungen des Vermögensgesetzes hat das Brandenburgische Oberlandesgericht einen besonderen Vertrauensschutz abgeleitet.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 80, 84 FamFG. Der Geschäftswert ist nach § 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG festzusetzen und – mangels näherer Anhaltspunkte – nach § 36 Abs. 3 GNotKG zu bemessen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.