Adoptivsohn erstreitet Pflichtteilsanspruch gegen das Land Rheinland-Pfalz
Einst sollte er Alleinerbe sein, doch nun war er gezwungen, seinen Pflichtteil einzuklagen. Im Kern dieses Rechtsstreits steht ein Adoptivsohn, der nach dem Tod seines Adoptivvaters um seinen gesetzlichen Pflichtteil kämpft. Der Adoptivsohn war testamentarisch als Alleinerbe vorgesehen, doch alle bekannten Erben, einschließlich des Klägers, schlugen das Erbe aus. Dadurch entbrannte ein Rechtsstreit, der schließlich vor dem Landgericht Koblenz verhandelt wurde.
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Übersicht
Hinterlassenes Vermögen als Streitpunkt
Die testamentarische Verfügung des verstorbenen Erblassers, der sein Vermögen hauptsächlich aus Immobilien in M. bestand, sollte ursprünglich zum Alleinerben zugunsten des Klägers fallen. Die restlichen 100.000 € wurden als Vermächtnis zugunsten der Lebensgefährtin des Verstorbenen, und falls dies nicht möglich sei, deren Kinder, festgelegt. Doch alle potenziellen Erben schlugen die Erbschaft aus, was die Bestellung eines Nachlasspflegers erforderlich machte.
Die Klage richtet sich gegen das Land
Da kein anderer Erbe vorhanden war, wurde vom Amtsgericht Cochem das Land Rheinland-Pfalz als Erbe festgestellt. Daraufhin hat der Kläger seine Klage nicht mehr gegen den ursprünglich benannten Nachlasspfleger gerichtet, sondern gegen das Bundesland.
Keine Klageänderung trotz Parteiwechsels
Trotz des Wechsels der beklagten Partei wurde vom Oberlandesgericht Koblenz festgestellt, dass keine Klageänderung vorlag. Dies unterstreicht den juristischen Grundsatz, dass der objektive Klagegrund – in diesem Fall der Anspruch auf den Pflichtteil – unverändert geblieben ist, auch wenn sich die beklagte Partei geändert hat.
Die Einrede der Verjährung
Ein weiterer Aspekt des Falls ist die Einrede der Verjährung, die von der Beklagtenseite erhoben wurde. Trotz dieser Einrede entschied das Gericht zu Gunsten des Klägers und verurteilte das Land Rheinland-Pfalz dazu, den Kläger mit 19.197,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2017 zu entschädigen.
Das Land muss die Kosten tragen
Neben dem Urteil über die Zahlung des Pflichtteils, wurde die Beklagtenseite dazu verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Vollstreckung des Urteils ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages möglich.
In diesem speziellen Fall hat die Hartnäckigkeit eines Adoptivsohnes dazu geführt, dass das Land Rheinland-Pfalz seinen Pflichtteil auszahlen muss. Dabei spielt es keine Rolle, dass ursprünglich alle Erben das Erbe ausgeschlagen haben. Letztlich zeigt dieser Fall einmal mehr, dass das Erbrecht komplex und vielschichtig ist.
Das vorliegende Urteil
LG Koblenz – Az.: 12 O 199/18 – Urteil vom 29.01.2021
1. Die Beklagtenseite wird verurteilt, an den Kläger 19.197,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.12.2017 zu zahlen;
2. Die Beklagtenseite der hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen;
3. das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar, wenn nicht die Beklagtenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagtenseite als Adoptivsohn des am 19.12.2012 verstorbenen Erblassers auf Zahlung von Pflichtteilsansprüchen in Anspruch. Ursprünglich war der Kläger durch testamentarische Verfügung des Erblassers zum allein Erben berufen, wobei der Nachlass mit einem Vermächtnis in Höhe von 100.000 € zugunsten der Lebensgefährtin des Erblassers, ersatzweise deren Kinder beschwert war. Alle namentlich bekannten Erben einschließlich des Klägers haben die Erbschaft ausgeschlagen, sodass das Amtsgericht Cochem zunächst Herrn Rechtsanwalt R. am 09.12.2015 zum Nachlasspfleger bestellte. Der Kläger hat außergerichtlich Pflichtteilsansprüche geltend gemacht.
Der Nachlass des Erblassers bestand im Wesentlichen aus Immobilienvermögen in M.. Im Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft bestanden Verbindlichkeiten des Erblassers in Höhe von insgesamt 3.605,82 €.
Die Klageschrift des Klägers richtete sich ausweislich des dortigen Rubrums im Wortlaut zunächst gegen Herrn Rechtsanwalt R. als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des Erblassers. Der Klageantrag richtete sich im Wortlaut auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 20.107 und, 09 Euro nebst Zinsen. Der Wert des Immobilienvermögens des Erblassers betrug zum Stichtag 42.000 € (1/2 Anteil des Erblassers an den Grundstücken im Gesamtwert von 84.000 €).
Mit Beschluss des Amtsgerichts Cochem vom 20.12.2018 wurde festgestellt, dass kein anderer Erbe als der Fiskus des Landes Rheinland-Pfalz vorhanden sei. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16.1.2019 teilte der Kläger unter Bezugnahme auf diesen Beschluss mit, dass sich die Klage nunmehr nicht mehr gegen Rechtsanwalt R. als Nachlasspfleger für die unbekannten Erben, sondern gegen das Land Rheinland-Pfalz richte.
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Koblenz vom 11.06.2019 wurde festgestellt, dass eine Klageänderung in Form eines Parteiwechsels auf Beklagtenseite nicht vorliegt.
Die Beklagtenseite hat für das im Nachlass befindliche Grundstück R.-straße XX in XXXXX M. ein Verkehrswertgutachten eingeholt, welches einen Verkehrswert von 84.000 € für das vorgenannte Grundstück ausweist.
Unter Berücksichtigung der bestehenden Nachlassverbindlichkeiten errechnet sich insgesamt ein Nachlasswert in Höhe von 38.394,18.
Der Kläger hat ursprünglich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 20.197,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2017 zu zahlen,
Mit Schriftsatz vom 18.9.2019 hat der Kläger die die Klage in Höhe eines Teilbetrages von 1000 € zurückgenommen und beantragt nunmehr, das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 19.197,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 21.12.2017 zu zahlen.
Die Beklagtenseite hat der Teilklagerücknahme zugestimmt und beantragt im Übrigen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagtenseite hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Wegen des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 15.4.2019 und 18.12.2020.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im Umfang des vorstehenden Tenors begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagtenseite gemäß § 2306 BGB einen Zahlungsanspruch in Höhe von 19.197,09 €. Gemäß § 2306 BGB kann auch derjenige Erbe, der ein mit einem Vermächtnis beschwertes Erbe ausgeschlagen hat seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen.
Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass sich dieser Anspruch gegen das beklagte Land als Fiskalerben richtet. Unstreitig geblieben ist ferner der Wert des Nachlasses und der sich hieraus der Höhe nach ergebende Zahlungsanspruch. Unter Berücksichtigung des unstreitigen Vortrages der Klägerseite dahingehend, dass der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils des Erblassers an den Grundstücken in M. 42.000 € zum Stichtag betrug und unter Berücksichtigung des ebenfalls unstreitig gebliebenen Vortrages, dass Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von 3.605,382 € bestanden haben, errechnet sich ein Nachlasswert in Höhe von 38.394,18 €. Der hiervon auf den Kläger gemäß § 2303 BGB entfallende Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte der eigentlichen Erbteilsquote, vorliegend also 50 %. Hieraus errechnet sich ein Zahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 19.197,09 €.
Die Ansprüche des Klägers sind auch nicht verjährt. Die Verjährung richtet sich vorliegend nach § 199 BGB und den dort genannten kumulativen Voraussetzungen. Gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hat die Verjährungsfrist vorliegend mangels vorheriger Kenntnis der Erben erst mit Ablauf des Jahres 2015 zu laufen begonnen. Der Nachlasspfleger ist nämlich nicht Schuldner des Anspruchs im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, sondern lediglich zur Erfüllung einer fremden Schuld, nämlich einer solchen der unbekannten Erben, befugt. Die Möglichkeit von Nachlassgläubigern, ihren Anspruch bei Unbekanntheit der Erben gegenüber dem Nachlasspfleger geltend zu machen, soll die Gläubiger in die Lage versetzen, ihren Anspruch zeitnah geltend machen zu können und damit von der Dauer oft langwieriger Erbscheinsverfahren abzukoppeln. Mit der Schaffung dieser Klagemöglichkeit geht aber nicht eine zeitliche Vorverlagerung des Verjährungsbeginns einher. Damit wäre der Nachlassgläubiger faktisch gezwungen, den Anspruch zeitnah nach Einrichtung einer Nachlasspflegschaft zwecks Verjährungshemmung gerichtlich geltend zu machen. Wollte man den Nachlasspfleger als „Schuldner“ im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB qualifizieren, setzte dies zudem eine analoge Anwendung der Norm voraus. Eine solche scheidet vorliegend aber bereits deshalb aus, weil eine planwidrige Regelungslücke nicht ersichtlich ist. (vgl. LG Köln, Teilurteil vom 15. Juli 2014 – 2 O 534/13 –, Rn. 102, juris)
Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB. Der Ausspruch über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Soweit die Klage teilweise zurückgenommen wurde, war die Zuvielforderung gering. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 20.197,09 € festgesetzt.