OLG Köln – Az.: 19 U 93/17 – Beschluss vom 19.10.2017
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23.05.2017 (27 O 277/16) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Denn es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von Euro 38.389,58 an die Klägerin verurteilt. Bei der Berechnung der Höhe des der Klägerin zugewandten Vermächtnisses sind sowohl die Eigentumswohnung als auch die Forderungen in Höhe von Euro 5.942,84 mit einzubeziehen.
Zur Begründung kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen werden. Das Berufungsvorbringen gibt zu folgenden Ausführungen Anlass:
1. Der Erblasser hat im Rahmen des Vermächtnisses über den nach Abzug aller Nachlassverbindlichkeiten und dem Vermächtnis über Euro 2.000 verbleibenden in Barmitteln vorhandenen oder umgeschichteten Nachlasses (Geld, Wertpapiere etc.) verfügt, wobei es sich bei dem „umgeschichteten Nachlass“ um Vermögensgegenstände handelt, die in Barmittel umgesetzt werden. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und wird auch von den Parteien so verstanden.
2. Soweit zwischen den Parteien streitig ist, ob die Verwendung der Zeitform „umgeschichtet“ sich auf die Vergangenheit, mithin auf einen Zeitpunkt vor dem Tod des Erblassers, oder auf die Zukunft, mithin auf einen Zeitpunkt nach dem Tod des Erblassers, beziehe, so ist die Formulierung für sich genommen unergiebig. Mit dem Wortlaut lässt sich sowohl die Annahme vereinbaren, dass die Umschichtung schon im Zeitpunkt des Todes des Erblassers erfolgt sein müsse, als auch die Annahme, dass die Umschichtung erst anlässlich des Todes erfolgt. Der Kontext der Bestimmung spricht jedoch dafür, dass auch eine Umschichtung, die erst nach dem Tod des Erblassers erfolgt, erfasst sein sollte: Die Berechnung des Vermächtnisanspruches basiert auf dem Wert des Nachlasses nach Abzug aller Nachlassverbindlichkeiten. Ob und in welchem Umfang Nachlassverbindlichkeiten vorhanden sind, steht naturgemäß erst bei Eintritt des Erbfalles fest. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass zu den Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 1967 Abs. 2 BGB nicht nur die sog. Erblasserschulden, sondern auch die sog. Erbfallschulden zählen, mithin diejenigen, die erst anlässlich des Erbfalls entstehen, lässt sich schließen, dass die endgültige Berechnung der Höhe des Anspruchs erst nach Kenntnis bzw. Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten erfolgen soll und kann. Dem lässt sich entnehmen, dass sich auch die Ermittlung des Wertes des „umgeschichteten Nachlasses“ auf diesen Zeitpunkt beziehen soll. Hierfür spricht auch – worauf die Klägerin zu Recht hingewiesen hat -, dass der Verweis auf den „umgeschichteten Nachlass“ sinnentleert und überflüssig wäre, wenn der Erblasser selbst die Umschichtung vorgenommen hätte, denn dann wären die Vermögenswerte als Barmittel vorhanden. Worauf sich dieser Verweis beziehen sollte, wenn die Umschichtungen allein durch den Erblasser vorgenommen worden sein sollten, erschließt sich nicht und wird insbesondere auch seitens der Beklagten nicht dargelegt. Die Formulierung ist daher im Kontext dahin auszulegen, dass die Umschichtung zeitlich nach dem Eintritt des Erbfalles erfolgt bzw. erfolgen kann.
3. Im Wege der Auslegung lässt sich eine Beschränkung des „umgeschichteten Nachlasses“ auf Vermögenswerte, die ähnlich flüssig wie Bargeld sind, entgegen der Auffassung der Beklagten nicht entnehmen. Im Klammerzusatz wird der „umgeschichtete Nachlass“ mit „Geld, Wertpapiere etc.“ näher beschrieben. Dass diese Aufzählung nicht abschließend ist, ergibt sich schon aus der Verwendung von „etc.“ Zwar ist beiden genannten Beispielen gemein, dass hier ein einfacher Verkauf bzw. eine Abhebung zur Umschichtung möglich ist. Würde man eine Beschränkung hierauf vornehmen, hätte die beispielhafte Aufzählung jedoch nur dann eine sinnvolle Bedeutung, wenn im Nachlass weitere Vermögenswerte vorhanden gewesen wären, welche diese Anforderungen (einfache „Verflüssigung“) erfüllen. Ausweislich der Aufstellung der Beklagten finden sich im Nachlass Wertpapiere, Bankguthaben und Forderungen als Aktiva. Als weiterer in Frage kommender Wert verbliebe dann allenfalls die Forderung(en).
Gestützt wird dieses Auslegungsergebnis durch die Stellungnahme des Notars zum Beurkundungsvorgang sowie die frühere Testierung des Erblassers. Wenn die Auslegung des Wortlautes eines Testamentes nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt, sind für die Auslegung außerhalb des Testamentes liegende Umstände heranzuziehen, wie Äußerungen des Erblassers zu seinem Testament oder Aussagen bei der Testamentserrichtung anwesender Personen, z. B. eines Notars (Linnartz, in: Herberger/Martinek/Rüßmann u. a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 2084 Rn. 18 f.; zum Notar: Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 20.02.1997 – 1 Z BR 44/96 -, juris). Auch frühere Erklärungen von Todes wegen können zur Auslegung herangezogen werden. Hierbei können auch aufgehobene frühere Verfügungen Berücksichtigung finden, wenn es sich nur um die Verdeutlichung eines Willens, der auch in der späteren, gültigen Verfügung Anklang gefunden hat, handelt (Otte, in: Staudinger (2013), Vorbemerkungen zu §§ 2064 – 2086, Rn. 66).
Zunächst steht allein der Umstand, dass das Testament vom 01.03.2015 in dem notariellen Testament vom 30.04.2015 widerrufen worden ist, einer Heranziehung zur Auslegung des vorliegenden Testamentes nicht grundsätzlich entgegen. Ein Erfahrungssatz dahingehend, dass dem Widerruf eines Testamentes immanent ist, dass der Erblasser die Dinge grundsätzlich neu regeln und insbesondere Abstand von seinem bisherigen Willen nehmen wollte, existiert nicht. Die Gründe für eine Neutestierung können vielfältig und auch schlicht daran begründet sein, dass der Erblasser Zweifel an der Formulierung hegt oder daran, dass er absichern möchte, dass sein letzter Wille auch praktisch durchführbar ist. Für die Annahme, dass dies auch vorliegend die Motivation des Erblassers gewesen ist, spricht, dass der Notar in seiner Stellungnahme vom 14.03.2016 angegeben hat, dass der Abfassung seines Entwurfs das privatschriftliche Testament vom 01.03.2015 zu Grunde gelegen hat. Auf diesem habe er sich sinngemäß notiert, dass die Beklagte den Nachlass abwickeln und dann auszahlen sollte und es keine Anwachsung bei Wegfall eines Erben geben sollte. Deshalb sei die Beklagte als Erbin eingesetzt worden und zugunsten der anderen jeweils ein Vermächtnis. Diese Änderung ergibt aus praktischer Sicht Sinn, da bei der früheren Formulierung fraglich gewesen wäre, ob das Testament nicht dahin auszulegen ist, dass alle Vermächtnisnehmer als Erben anzusehen wäre, so dass eine Miterbengemeinschaft entstanden wäre. Eine Nachlassabwicklung allein durch die Beklagte wäre dann nicht sichergestellt gewesen, da es hierfür der Anordnung einer Testamentsvollstreckung bedurft hätte. Eine Abkehr von dem grundsätzlichen Verteilungswillen ist dem nicht immanent. Dass der Erblasser sich inhaltlich nicht von seinem früheren Willen abwenden wollte, wird auch dadurch dokumentiert, dass die jeweiligen Quoten von 30 % für die Beklagte zu 70 % für die fünf (gleichbleibenden) Vermächtnisnehmer geblieben sind. In dem früheren Testament hat der Erblasser über seinen gesamten Besitz verfügt, mithin sowohl über die Finanzmittel als auch weitere Vermögensgegenstände wie die Eigentumswohnung und auch Forderungen. Dass und warum der Erblasser zwischen dem 01.03.2015 und dem 30.04.2015 seinen Willen dahingehend geändert haben sollten, dass zwar die Vermächtnisnehmer mit gleichem Quoten am Nachlass beteiligt werden sollten, aber wirtschaftlich ein erheblicher Vermögensgegenstand nicht mehr allen, sondern lediglich der Beklagten zugewendet werden sollte, ist seitens der Beklagten nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Die Annahme der Beklagten, dass der Erblasser schon in dem früheren Testament die Wohnung der Beklagten allein zuwenden wollte, da der Erblasser bei ihrer Nennung „Woh.“ aufführt, geht ersichtlich fehl. Im Zusammenhang der Formulierung ist erkennbar dass hiermit der Wohnort „C“ der Beklagten gemeint gewesen ist. Wenn man einen Zusammenhang mit der Eigentumswohnung herstellen wollte, ergäbe die Formulierung „Woh.C“ nur dann Sinn, wenn die Eigentumswohnung sich in C befinden würde. Diese befindet sich aber unstreitig in L.
4. Für den vorliegenden Rechtsstreit kann dahinstehen, ob dem Testament eine Verpflichtung der Beklagten zu entnehmen ist, den Nachlass insgesamt zu veräußern. Die Vermächtnisse sind darauf gerichtet, dass den Vermächtnisnehmern ein bestimmter Geldbetrag zugewendet wird, der sich auf der Grundlage des Nachlassbestandes errechnet. Insoweit dürfte – ohne dass es hierauf entscheidend ankäme – der Erblasser die Vorstellung gehabt haben, dass der Nachlass insgesamt in Barmittel umgeschichtet und dann an die Vermächtnisnehmer verteilt wird.
5. Letztlich ist daher sowohl der Wert der Eigentumswohnung als auch der Wert der Forderung in die Berechnung der Höhe des Vermächtnisanspruches einzubeziehen. Die Berechnung des Landgerichtes ist rechnerisch zutreffend, dies wird auch von den Parteien nicht angegriffen. Dahinstehen kann, ob das im Testament unter 4. A. genannte Vermächtnis in Höhe von Euro 2.000 bereits von den Nachlassverbindlichkeiten erfasst ist und daher nicht nochmals in der Berechnung abgesetzt werden musste. Denn dies wirkt sich allenfalls zugunsten der Beklagten aus. Wäre der Betrag von Euro 2.000 entgegen der Berechnung nicht nochmals abzusetzen, dann ergäbe sich ein höherer Anspruch der Klägerin.
Auf die dem Rechtsmittelführer bei förmlicher Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO verloren gehende Möglichkeit einer Kosten sparenden Rücknahme (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG) wird vorsorglich hingewiesen.