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Vermächtnis – Umfang – Aktie ist keine in Wertpapier verbriefte Geldforderung

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 6 O 5044/18 – Urteil vom 28.02.2019

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 33.156,30 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Vermächtnisanspruch.

Die Eheleute R. und J. M. schlossen am 26.11.2007 einen notariell beurkundeten Erbvertrag (Anlage K 1). Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden und den Beklagten – ein Neffe der Erblasser – zum Schlusserben ein. Herr J. M. verstarb am 30.04.2016, seine Ehefrau R. M. verstarb am 09.03.2017.

Der Erbvertrag enthält unter § 3 Nr. 2. darüber hinaus ein Geld- und ein Sachvermächtnis zugunsten der Frau W., eine Nichte der Erblasser. Im Einzelnen findet sich zum Inhalt des Geldvermächtnisses unter § 4 des Erbvertrages folgende Klausel (Hervorhebungen im Original):

[…]

2. Ausgestaltung des Quotenvermächtnisses am Buchgeld- und Wertpapiervermögen zugunsten von W.

2.1 Leistungspflicht

Dem Vermächtnisnehmer ist ein barer Geldbetrag auszubezahlen, der einer Quote von 30 Prozent vom Wert folgender Vermögensgegenstände entspricht, soweit diese in den Nachlass des Längerlebenden von uns fallen:

(1) Sämtliches vorhandenes Bargeld

(2) Sämtliche Guthaben bei Kreditinstituten, gleichgültig, ob diese aus Sparbüchern, Girokonten oder anderweitigen Geldanlageformen stammen;

(3) In Wertpapieren verbriefte Geldforderungen, soweit sie nicht bereits durch vorstehende Auflistung erfasst sind. Unterliegt der Schuldner der Forderung wegen der Ausgabe des Wertpapiers keiner staatlichen Aufsicht (z.B. bei Forderung aus Scheck und Wechsel), ist der Anteil des Vermächtnisnehmers an einer solchen Forderung vom Erben erst nach Erfüllung durch den Schuldner zu leisten. Der Erbe ist zur Durchsetzung solcher Forderungen verpflichtet, soweit diese nicht nachweisbar ohne Aussicht auf Erfolg ist.

Sonstige in den Nachlass fallende Forderungen sind ausdrücklich nicht Vermächtnisgegenstand, gleichgültig, ob sie auf Zahlung von Geld oder eine andere Leistung gerichtet sind.

[…]

Frau W. ist vorverstorben. Sie hinterließ zwei Kinder, Herrn C. W. sowie die Klägerin. In § 4 Nr. 1.3. des Erbvertrages sind vorrangig die beim Erbfall vorhandenen Abkömmlinge der Frau W. zu gleichen Teilen als Ersatzvermächtnisnehmer benannt worden.

In den Nachlass fallen u.a. Aktien der S. AG mit einem Kurswert von insgesamt 211.441,00 € im Zeitpunkt des Schlusserbfalls sowie Aktien der O. AG mit einem Kurswert von 9.601,00 € (Anlage K 2). Diese Aktien hatte der Erblasser J. M. im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als sog. Mitarbeiteraktien erhalten.

Vorgerichtlich zahlte der Beklagte an die Klägerin auf deren Vermächtnisanspruch 28.179,90 €, wobei der Wert der genannten Aktien unberücksichtigt blieb.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Aktien der S. AG und der O. AG seien mit dem jeweiligen Kurswert bei der Berechnung des Geldvermächtnisses zu berücksichtigen. Zum andere handele es sich hierbei um Guthaben bei Kreditinstituten, nachdem das Aktiendepot bei der Sparkasse N. geführt worden sei. Zum andere handele es sich um Wertpapiere. Eine enge wertpapierrechtliche Unterscheidung hätten die Erblasser nicht treffen wollen, zumal nicht bekannt sei, dass die Eheleute Müller außer den Aktien andere Wertpapiere besessen hätten. Dafür spreche auch die Überschrift des § 4 Nr. 2 des Erbvertrages. Bei der Formulierung unter Ziffer 2.1 (3) handele es sich um eine Standardklausel. Da die Eheleute M. keine eigenen Kindern hatten, sei es ihr Wille gewesen, ihr Vermögen unter Neffe und Nichte in gewisser Weise paritätisch aufzuteilen. Damit sei eine weitere Schmälerung des Vermächtnisses in Bezug auf die Aktien nicht zu vereinbaren.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 33.156,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.05.2018 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, die Eheleute M. hätten ihm sehr nahe gestanden und man habe zeitweise im gleichen Haus gewohnt. Es liege daher nahe, dass die Mitarbeiteraktien allein dem Beklagten zustehen sollten. Dies komme in dem eindeutigen Wortlaut des Erbvertrages zum Ausdruck.

Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen weiteren Anspruch aus §§ 2147 Satz 1, 2174 BGB.

1.

Unstreitig ist der Beklagte aufgrund des Erbvertrages vom 26.11.2017 Schlusserbe der Eheleute M. geworden und u.a. mit einem Quotenvermächtnis beschwert (§§ 1939, 1941 Abs. 1 BGB). Die Klägerin ist als Tochter der ursprünglich Bedachten Frau W. Ersatzvermächtnisnehmerin mit einem Anteil von ½ (§ 2190 BGB).

2.

Der Vermächtnisanspruch der Klägerin ist mit der vorgerichtlich erfolgten Zahlung in Höhe von 28.179,90 € jedoch bereits vollständig erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

Die in den Nachlass fallenden Aktien der S. AG und der O. AG sind nicht mit einem Wert von 30% von dem Vermächtnis umfasst. Sie bleiben bei der Berechnung des Geldvermächtnisses außer Betracht. Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt Gegenteiliges nicht aus § 4 Nr. 2.1 des Erbvertrages.

a)

Bei den hier streitigen Aktien handelt es sich nicht um Bargeld im Sinne der Ziffer (1) und auch nicht um ein Guthaben bei einem Kreditinstitut im Sinne der Ziffer (2). Zwar liegt es nahe und ist auch unstreitig, dass die Aktien auf einem bei einer Bank geführten Depot gebucht waren. Aus dem hierdurch begründeten Verwahrungsverhältnis (§§ 2 ff. DepotG) erwächst dem Depotinhaber jedoch nur ein Herausgabeanspruch, kein Guthaben. Werden die Aktien auftragsgemäß verkauft, so wird der hierbei erzielte Erlös abzüglich der Gebühren auf einem Referenzkonto gutgeschrieben und erst hierdurch entsteht ggf. ein Guthaben.

b)

Eine Aktie stellt auch zweifellos keine in einem Wertpapier verbriefte Geldforderung im Sinne der Ziffer (3) dar.

aa)

Sie verbrieft vielmehr das Mitgliedschaftsrecht in einer Aktiengesellschaft (§§ 8, 10 Abs. 5 AktG; vgl. auch Spindler/Stilz/Vatter, AktG, 4. Aufl., § 10 Rn. 2; Hölters/Solveen, AktG, 3. Aufl., § 10 Rn. 3 f.). Diese Mitgliedschaft vermittelt insbesondere Mitwirkungsrechte, namentlich Stimm- und Auskunftsrechte. Sie vermittelt auch Vermögensrechte in Gestalt eines Dividendenanspruchs (§§ 58 Abs. 4, 60 Abs. 1 AktG). Dieser auf Geldzahlung gerichtete Anspruch ist jedoch von weiteren Voraussetzungen abhängig und wird durch die Aktie gerade nicht verbrieft.

bb)

Dementsprechend sind von den Mitgliedschaftspapieren die Forderungspapiere bzw. Geldpapiere zu unterscheiden (vgl. BeckOGK/Vogel, BGB, § 793 Rn. 18 [Stand: 1.1.2019]; NK-BGB/Schödel, 3. Aufl., § 793 Rn. 3). Bei letzteren besteht das verbriefte Recht in einer Geldforderung. Hierunter fallen insbesondere die in der fraglichen Klausel des Erbvertrages explizit genannten Wechsel und Schecks, aber auch Schuldverschreibungen (§§ 793 ff. BGB) oder das Sparbuch (§ 808 BGB). Dieser Unterscheidung waren sich die Erblasser offenkundig bewusst, nachdem ausdrücklich und nur von solchen Forderungspapieren die Rede ist und auch erkannt worden ist, dass bestimmte Forderungspapiere – wie das Sparbuch – bereits durch die vorstehende Auflistung unter Ziffern (1) und (2) erfasst sein könnten. Für das enge wertpapierrechtliche Verständnis spricht ferner, dass die Erbvertragsparteien erkannt haben, die verbriefte Geldforderung unter Umständen erst gegen den (Dritt-)Schuldner durchgesetzt werden muss und vor der Erfüllung durch den (Dritt-)Schuldner auch der Vermächtnisanspruch nicht fällig ist. Dieses Szenario ist bei Aktien und einer ggf. erfolgenden Dividendengutschrift nicht vorgesehen.

cc)

Zu berücksichtigen ist zudem, dass sonstige Forderungen – insbesondere auf andere Leistungen als Geld – gemäß Ziffer 2.1 a.E. ausdrücklich vom Vermächtnis ausgenommen worden sind. Nichts anderes ergibt sich aus der Überschrift der Ziffer 2 von § 4 des Erbvertrages. Hier ist zwar nur von „Wertpapiervermögen“ die Rede. Es handelt sich dabei jedoch offensichtlich nur um eine grobe Umschreibung des wesentlichen Regelungsgehalts der nachfolgenden Klausel, während der eigentliche – und hier maßgebliche – Regelungsteil deutlich differenzierter ausgefallen ist.

dd)

Es mag sein, dass es sich bei dem Inhaber der Aktien, dem Erblasser J. M., um einen juristischen Laien gehandelt hat, der im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages bereits 80 Jahre alt war. Der Vertrag ist jedoch entsprechend der Vorschrift des § 2276 Abs. 1 Satz 1 BGB in notarieller Form und angesichts der einzelfallbezogenen Anordnungen nach juristischer Beratung durch den Notar/Notarassessor geschlossen worden. Daher ist davon auszugehen, dass auf eine juristisch präzise Formulierung Wert gelegt worden ist und deren Sinn auch Gegenstand der Beratung war. Da es sich unstreitig um Mitarbeiteraktien gehandelt hat, war der Erblasser J. M. im Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages bereits Inhaber der hier streitigen Aktien. Es wäre daher überaus naheliegend gewesen, diese Aktien ausdrücklich als solche zu erwähnen, wenn sie Gegenstand des Vermächtnisses sein sollten. Jedenfalls hätte dann keine Notwendigkeit bestanden, eine wertpapierrechtlich differenzierende Formulierung zu wählen und es wäre ein leichtes gewesen, allgemein von „Wertpapieren“ zu sprechen, wie dies einschlägige Mustertexte empfehlen (vgl. etwa Hannes, Formularbuch Vermögens- und Unternehmensnachfolge, 2. Aufl., Formular B. 1.01; Sammet, Beck’sche Online-Formulare Vertrag, Formular 5.1.7.3). Die Kammer schließt daher aus, dass es sich bei der vorliegenden Formulierung um eine Falschbezeichnung handelt.

ee)

Dem vorstehenden Verständnis der Erbvertragsklausel steht schließlich auch nicht entgegen, dass die Erblasser – wie behauptet – im Zeitpunkt der Beurkundung des Erbvertrages neben den genannten Aktien über keine anderen Wertpapiere verfügte. Denn dass Ziffer 2.1 (3) im Zeitpunkt des Vermächtnisanfalls ohne praktische Anwendung bleiben könnte, haben die Vertragsschließenden Parteien erkannt und von vornherein nur solche Vermögensgegenstände erfassen wollen, die „in den Nachlass des Längerlebenden von uns fallen“.

c)

Nach alledem erweist sich der Erbvertrag weder als unvollständig noch seinem Inhalt nach als mehrdeutig. Er ist in dem hier entscheidenden Zusammenhang daher nicht auslegungsbedürftig (§§ 2084, 133, 157 BGB; vgl. auch BeckOK-BGB/Litzenburger, § 2084 Rn. 8 [Stand: 1.11.2018]).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

 

 

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