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Vermächtnisnehmer – Anspruch auf Einsichtnahme in Nachlassakten

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 86/21 – Beschluss vom 04.04.2022

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberhausen vom 5. März 2021 wird zurückgewiesen.

II. Der Beteiligte zu 1. hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

IV. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1. ist durch letztwillige Verfügung des Erblassers mit zwei Vermächtnissen bedacht worden. Das eine Vermächtnis räumt dem Beteiligten zu 1. das lebenslange Recht ein, die Erdgeschosswohnung des Erblassers im Hause …. sowie das zu dieser Wohnung gehörende Zimmer im 1. Obergeschoss unentgeltlich zu bewohnen. Das zweite Vermächtnis bezieht sich auf die Wohnungseinrichtung des Erblassers nebst dem dazugehörigen Hausrat.

Der Beteiligte zu 2. ist vom Erblasser zum Testamentsvollstrecker berufen worden. Das notariell beurkundete Testament vom 14. November 2006 sieht dazu eine Abwicklungsvollstreckung sowie nach erfolgter Erbauseinandersetzung eine daran anschließende Dauervollstreckung vor, diese allerdings befristet bis zum 31. Dezember 2020.

Das Amtsgericht Oberhausen führt den Vorgang über die Ernennung des Beteiligten zu 2. als Testamentsvollstrecker in dem Verfahren 6 VI 978/20 sowie in einem unwesentlichen Umfang ergänzend unter dem Aktenzeichen 6 VI 936/20. Das Testamentsvollstreckerzeugnis ist am 5. November 2020 erteilt und mit Beschluss vom 26. November 2020 wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit dahin berichtigt worden, dass alleine die Dauervollstreckung bis zum 31. Dezember 2020 befristet ist.

Der Beteiligte zu 1. möchte an beiden Verfahren beteiligt werden und begehrt Einsicht in die betreffenden Akten des Nachlassgerichts.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht das Verlangen zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Als bloßer Vermächtnisnehmer stehe dem Beteiligten zu 1. ein Beteiligungsrecht nicht zu; § 345 Abs. 3 FamFG sehe eine Verfahrensbeteiligung nur für Erben und den Mitvollstrecker vor. Mangels einer Verfahrensbeteiligung des Beteiligten zu 1. scheide damit auch ein Akteneinsichtsrecht nach § 13 Abs. 1 FamFG aus. Als Dritter könne der Beteiligte zu 1. gemäß § 13 Abs. 2 FamFG nur dann Einsicht in die Gerichtsakte beanspruchen, wenn er ein berechtigtes Interesse besitze. Daran fehle es. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern der Beteiligte zu 1. durch eine Einsichtnahme in die Testamentsvollstreckerakte die Erfüllung seiner Vermächtnisse beschleunigen könne.

Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seiner Beschwerde. Er meint, die reklamierten Ansprüchen folgten aus §§ 13 Abs. 2, 345 Abs. 4 Satz 2 und 3 FamFG. Außerdem sei für ihn von Bedeutung, gegen wen er den Anspruch auf Erfüllung der beiden Vermächtnisse zu richten habe, gegen den Testamentsvollstrecker oder nach Beendigung der Testamentsvollstreckung gegen die beiden Erben.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Nachlassakten 6 VI 978/20 und 6 VI 936/20 sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

A. An dem Verfahren, dass das Nachlassgericht zur Ernennung des Beteiligten zu 2. zum Testamentsvollstrecker und über die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses geführt hat (6 VI 978/20 und 6 VI 936/20), ist der Beteiligte zu 1. nicht zu beteiligen (gewesen).

1. § 345 FamFG listet für verschiedene Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit abschließend diejenigen Personen auf, die von Amts wegen oder auf Antrag hinzugezogen werden müssen und die das Gericht darüber hinaus am Verfahren beteiligen kann. Das Verfahren zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers und zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses ist in § 345 Abs. 3 FamFG geregelt. An jenem Verfahren ist der Testamentsvollstrecker zwingend beteiligt (§ 345 Abs. 3 Satz 1 FamFG). Daneben kann das Gericht die Erben und einen etwaigen Mitvollstrecker hinzuziehen (§ 345 Abs. 3 Satz 2 FamFG); auf ihren Antrag hin sind diese Personen an dem Verfahren zu beteiligen (§ 345 Abs. 3 Satz 3 FamFG). Der Vermächtnisnehmer zählt demgegenüber nicht zum Personenkreis, für den die Vorschrift eine Verfahrensbeteiligung vorsieht. Das ist nach dem Wortlaut des § 345 Abs. 3 FamFG eindeutig und entspricht überdies dem erklärten Willen des Gesetzgebers. In der Gesetzesbegründung zu § 345 FamFG (BT-Drucks. 16/6308 Seite 278) heißt es allgemein:

„Die Vorschrift enthält besondere Regelungen zum Beteiligtenbegriff in Nachlassverfahren, die nur auf Antrag eingeleitet werden. Diese Vorschriften ergänzen als Sondervorschriften die Bestimmungen des Allgemeinen Teils in § 7. Abweichende Bestimmungen enthält die Vorschrift insbesondere hinsichtlich der im Allgemeinen Teil in § 7 Abs. 2 geregelten Voraussetzungen für die Hinzuziehung von Personen, die durch das Verfahren in ihren Rechten betroffen sind (Unterstreichungen hinzugefügt).“

Speziell zum Verfahren auf Ernennung eines Testamentsvollstreckers und zur Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses führt die Gesetzesbegründung in Bezug auf § 345 Abs. 3 FamFG aus (BT-Drucks. 16/6308 Seite 278):

„Absatz 3 normiert – ebenfalls als Spezialnorm zu § 7 – den Beteiligtenkreis im Verfahren zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers und zur Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses. Nach Satz 1 ist der Testamentsvollstrecker als Beteiligter gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 2 hinzuzuziehen. Darüber hinaus kann das Gericht die Erben sowie einen eventuellen Mitvollstrecker gemäß Satz 2 zu dem Verfahren hinzuziehen; auf ihren Antrag hin sind diese Personen gemäß Satz 3 hinzuzuziehen. Die Beteiligteneigenschaft eines Nachlassgläubigers, der einen Antrag auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses stellt (§§ 792, 896 ZPO), ergibt sich unmittelbar aus § 7 Abs. 1 (Unterstreichung hinzugefügt).“

2. Auf § 345 Abs. 4 FamFG kann der Beteiligte zu 1. – anders als die Beschwerde reklamiert – einen Anspruch auf Verfahrensbeteiligung von vornherein nicht stützen. Das ist offensichtlich. Die genannte Vorschrift regelt den Kreis der verfahrensbeteiligten Personen für „die sonstigen“ auf Antrag durchzuführenden Nachlassverfahren und damit ausschließlich für die nicht unter § 345 Abs. 3 FamFG fallenden Verfahren.

3. Ohne Erfolg verweist der Beteiligte zu 1. schließlich auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Beschwerdebefugnis eines Vermächtnisnehmers gegen die Ablehnung der Ernennung eines Testamentsvollstreckers (BGH, Beschluss vom 24.4.2013, IV ZB 42/12). Jene Gerichtsentscheidung ist zur Beschwerdeberechtigung des Vermächtnisnehmers nach § 59 Abs. 1 FamFG und nicht zur Beteiligung eines Vermächtnisnehmers an einem Antragsverfahren im Sinne von § 345 Abs. 3 FamFG ergangen. Sie lässt sich – entgegen der Ansicht der Beschwerde – auch nicht dahin deuten, dass von der Beschwerdeberechtigung des Vermächtnisnehmers auf einen Anspruch auf Beteiligung an dem zugrunde liegenden Nachlassverfahren zu schlussfolgern ist. Die Beschwerdebefugnis nach § 59 Abs. 1 FamFG knüpft nämlich nicht an eine vorausgegangene Verfahrensbeteiligung des Beschwerdeführers an, sondern erfordert eine Beeinträchtigung in eigenen Rechten. Das betont auch die Gesetzesbegründung zu § 59 Abs. 1 FamFG (BT-Drucks. 16/6308 Seite 204). Dort heißt es auszugsweise:

„Die Vorschrift regelt, welcher Personenkreis beschwerdeberechtigt ist. Absatz 1 entspricht inhaltlich dem bisherigen § 20 Abs. 1 FGG. Er bestimmt, dass es für die Beschwerdeberechtigung auf die Beeinträchtigung eigener Rechte ankommt. Auf die Beteiligtenstellung in erster Instanz kommt es demgegenüber nicht an. Mithin ist es unerheblich, ob der Beschwerdeberechtigte tatsächlich Beteiligter des erstinstanzlichen Verfahrens war oder aufgrund seiner Rechtsbetroffenheit hätte hinzugezogen werden müssen. Umgekehrt ist ein Beteiligter im erstinstanzlichen Verfahren nicht beschwerdeberechtigt, wenn er vom Ergebnis der Entscheidung in seiner materiellen Rechtsstellung nicht betroffen ist…“

B. Mit Recht hat das Amtsgericht auch einen Anspruch des Beteiligten zu 1. auf Einsicht in die Testamentsvollstreckerakte verneint.

1. Ein Akteneinsichtsrecht aus § 13 Abs. 1 FamFG scheidet auf erste Sicht aus. Denn der Beteiligte zu 1. ist (und war) an dem Verfahren zur Ernennung des Testamentsvollstreckers und zur Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses nicht zu beteiligen.

2. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen für ein Einsichtsrecht nach § 13 Abs. 2 FamFG vor. Nach der genannten Vorschrift kann Personen, die nicht an dem Verfahren beteiligt sind, Einsicht in die Verfahrensakten nur gestattet werden, wenn und soweit sie ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen. Erforderlich ist dazu kein rechtliches Interesse; ausreichend ist vielmehr ein vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse tatsächlicher, wirtschaftlicher oder wissenschaftlicher Art (Senat, Beschluss vom 10.3.2022, I-3 Wx 52/21). Zutreffend hat das Amtsgericht ein solches berechtigtes Interesse verneint.

Es kann sich – weil der Beteiligte zu 2. längst als Testamentsvollstrecker ernannt worden ist und die Beschwerde hiergegen keine Einwände erhebt – alleine aus der Rechtsposition des Beteiligten zu 1. als Vermächtnisnehmer ergeben. Indes ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, inwieweit die begehrte Akteneinsicht dem Beteiligten zu 1. die Durchsetzung seines Anspruchs aus den beiden Vermächtnissen erleichtern könnte. Obschon bereits das Amtsgericht seine Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt gestützt hat, trägt die Beschwerde zu einem diesbezüglichen Interesse nachvollziehbar nichts vor. Ihr Hinweis auf den Erhalt eines Erbschaftssteuerbescheides ist ohne Belang, weil der Steuerbescheid keinerlei Bedeutung für die Erfüllung der Vermächtnisse besitzt. Unbehelflich ist ebenso das Argument der Beschwerde, der Inhalt der Testamentsvollstreckerakte sei für den Beteiligten zu 1. von Bedeutung, weil der Anspruch auf Erfüllung der beiden Vermächtnisse zunächst gegen den Testamentsvollstrecker und nach Beendigung der Testamentsvollstreckung zum 31. Dezember 2020 gegen die beiden Erben zu richten sei. Das gilt schon deshalb, weil die Prämisse unzutreffend ist. Nach dem klaren Wortlaut der letztwilligen Verfügung des Erblassers ist nicht die – vorliegend alleine relevante – Abwicklungsvollstreckung, sondern alleine die daran anschließende Dauervollstreckung zeitlich befristet.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht die Kosten eines erfolglos gebliebenen Rechtsmittels demjenigen der Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat. Für einen Ausnahmefall ist hier nichts ersichtlich.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 3 GNotKG.

 

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