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Versendung des Originaltestaments zur Einsichtnahme an das örtlich zuständige Gericht

OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 224/19 – Beschluss vom 06.12.2019

Die Beschwerde der Beteiligten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beteiligten auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren: 5.000,- €

Gründe

I.

Die Beteiligte ist die Schwester des Erblassers. Verfahrensgegenständlich ist ihr Antrag vom 2. August 2019 auf Vorlage des vom Erblasser errichteten privatschriftlichen Testaments im Original, dazu ihrer Verfahrensbevollmächtigten Einsicht in die Nachlassakte zu gewähren und zu diesem Zweck die Nachlassakte im Wege der Rechtshilfe an das Amtsgericht Kiel zu versenden. Zur Begründung ihres Interesses an der Einsicht des Original-Testaments verweist die Beteiligte auf ernsthafte Bedenken an der Wirksamkeit und Authentizität des eröffneten Testaments.

Das Nachlassgericht versandte sodann die Verfahrensakte sowie die weitere Nachlassakte … (Verfahren über den Erbscheinsantrag der Beteiligten) an das Amtsgericht Kiel. Vom Testament des Erblassers befand sich in der Verfahrensakte lediglich eine Kopie versehen mit einem Beglaubigungsvermerk.

Zu dem von der Beteiligten sodann wiederholten Antrag auf Übersendung des Originaltestaments wies das Nachlassgericht mit Verfügung vom 20. September 2019 darauf hin, dass wegen Verlustgefahr eine Übersendung des Original-Testaments nicht erfolgen könne; das gelte auch für die Aktenübersendung an andere Gerichte. Einsicht in das Original könne nur vor Ort beim Nachlassgericht erfolgen.

Den daraufhin von der Beteiligten erneut gestellten Antrag auf Einsicht in das Original-Testament durch Übersendung der Nachlassakten an das Amtsgericht Kiel hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 16. Oktober 2019 zurückgewiesen und sich zur Begründung erneut auf Verlustgefahr gestützt.

Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit ihrer Beschwerde vom 23. Oktober 2019. Zur Begründung ihrer Auffassung zu einem Einsichtsrecht in das Original-Testament auch in Form der Aktenversendung an ein anderes Gericht verweist sie darauf, dass ihre Verfahrensbevollmächtigte als Organ der Rechtspflege gesteigerte Loyalitätspflichten habe. Auch einem Schriftsachverständigen würden Testamente im Original zur Begutachtung in seinen Arbeitsräumen überlassen. Sinn und Zweck der Rechtshilfe sei es, Verfahrensbevollmächtigten einen unverhältnismäßig hohen Zeit- und Kostenaufwand zu ersparen; im hiesigen Verfahren wäre für eine Einsichtnahme beim Amtsgericht Ratingen eine Fahrt mit einer einfachen Strecke von 500 km erforderlich, was einen Zeitaufwand von 10 Stunden sowie Kosten für Verpflegung und Übernachtung verursache. Eine Verlustgefahr sei bei Übermittlung von Akten von einem Gericht an ein anderes nicht gegeben und dürfe auch nicht unterstellt werden; anderenfalls könnte auch im hiesigen Beschwerdeverfahren die das Original-Testament enthaltende Akte nicht dem Beschwerdegericht vorgelegt werden.

Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 28. Oktober 2019 zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie auf den Inhalt der beigezogenen Akte über den Erbscheinsantrag der Beteiligten verwiesen.

II.

Versendung des Originaltestaments zur Einsichtnahme an das örtlich zuständige Gericht
(Symbolfoto: Von Ambient Ideas/Shutterstock.com)

Das Rechtsmittel der Beteiligten ist dem Senat nach der vom Nachlassgericht mit weiterem Beschluss vom 28. Oktober 2019 ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe zur Entscheidung angefallen, § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FamFG.

Bedenken bestehen schon an der Zulässigkeit des als sofortige Beschwerde bezeichneten Rechtsmittels.

Das Recht auf Akteneinsicht ist in § 13 FamFG geregelt und nach Absatz 1 der Vorschrift können die Beteiligten eines Verfahren die Gerichtsakten auf der Geschäftsstelle des Gerichts einsehen, wenn nicht schwerwiegende Interessen eines anderen Beteiligten oder eines Dritten entgegenstehen. Soll die Akteneinsicht von einem Rechtsanwalt wahrgenommen werden, können diesem die Akten in seine Kanzleiräume überlassen werden, § 13 Abs. 4 Satz 1 FamFG. Die Entscheidung über die Überlassung von Verfahrensakten zur Einsichtnahme in die Kanzleiräume eines Rechtsanwalts liegt im Ermessen des Gerichts, ein Anspruch auf Überlassung besteht nicht (BGH NJW 1961, 559 f.; Senat FGPrax 2008, 252 f.; Groll/Steiner-Waxenberger, Praxis-Handbuch Erbrechtsberatung, 5. Aufl. 2019, Rn. 30.187). Entsprechendes ist in § 13 Abs. 4 Satz 2 FamFG für die Überlassung von Beweisstücken in § 13 Abs. 4 ausdrücklich festgehalten.

Zur Frage eines Rechtsmittels gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Akteneinsicht ist im Gesetz nur geregelt, dass die Entscheidung über eine Aktenüberlassung an einen Verfahrensbevollmächtigten nicht anfechtbar ist, § 13 Abs. 4 Satz 3 FamFG. Die Anfechtbarkeit im übrigen ist streitig: überwiegend wird angenommen, die Verletzung des Akteneinsichtsrechts könne der Betroffene nur zusammen mit der Hauptsacheentscheidung im Wege der Beschwerde geltend machen; soweit die Beschwerde für statthaft gehalten wird, werden unterschiedliche Auffassungen zum anwendbaren Verfahrensrecht vertreten und entweder §§ 58 ff. FamFG, §§ 567 ff. ZPO oder § 23 EGGVG für einschlägig gehalten (vgl. zum Streit: Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 13 Rn. 69 mit weiteren Nachweisen in Fn. 192; Groll/Steiner-Waxenberger, a.a.O., Rn. 30.191).

Für Verfahren in Nachlassangelegenheiten – wie hier – gilt neben § 13 FamFG die Vorschrift des § 357 Abs. 1 FamFG. Danach besteht ein Recht zur Einsicht in eine eröffnete Verfügung von Todes wegen, wenn ein rechtliches Interesse an der Einsicht glaubhaft gemacht wird.

Zur Frage nach dem statthaften Rechtsbehelf gegen die Verweigerung der Einsicht in die letztwillige Verfügung wird vertreten, richtiger Rechtsbehelf sei die befristete Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG dann, wenn die Einsichtnahme insgesamt verweigert werde. Sofern die Art und Weise der Einsichtsgewährung angegriffen werden solle, bestehe lediglich die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Das gelte auch dann, wenn – wie hier – die Versendung einer Verfügung von Todes wegen an ein anderes Gericht im Wege der Rechtshilfe abgelehnt worden sei (vgl. hierzu MüKoFamFG/Griwotz, 3. Aufl. 2019, § 357 Rn. 11 m.w.N.).

Eine Entscheidung darüber, welcher der vorstehend skizzierten Auffassungen für Fälle wie den vorliegenden zu folgen ist, kann der Senat hier dahinstehen lassen, denn das Rechtsmittel der Beteiligten ist jedenfalls unbegründet.

Das Nachlassgericht hat mit nicht zu beanstandender Begründung die Versendung des Original-Testaments des Erblassers im Wege der Rechtshilfe an das örtlich zuständige Amtsgericht Kiel abgelehnt und die Beteiligte deshalb richtigerweise auf die Möglichkeit der Einsichtnahme am Ort des Nachlassgerichts selbst verwiesen.

Wie oben bereits dargestellt, ist zu § 13 Abs. 4 FamFG anerkannt, dass ein Anspruch auf Überlassung der Verfahrensakten an einen Rechtsanwalt in dessen Kanzleiräume nicht besteht, sondern dass die Entscheidung über die Art der Akteneinsicht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt. In Betracht kommt neben der Überlassung der Akten an einen Rechtsanwalt in dessen Geschäftsräume entweder die Akteneinsicht in der Geschäftsstelle des aktenführenden Gerichts selbst oder die Akteneinsicht in der Geschäftsstelle des um Rechtshilfe ersuchten Gerichts (vgl. BeckOK FamFG/Burschel, 32. Edition, Stand: 1. Oktober 2019, § 13 Rn. 37). Zu berücksichtigen sind bei der vom Gericht zu treffenden Ermessensentscheidung stets die Umstände des Einzelfalls und zu diesen gehört auch die Gefahr des Verlustes unersetzlicher Akten (MüKo/Papst, a.a.O., § 13 Rn. 36). Dabei gilt für Nachlasssachen, dass die Gefahr eines Verlustes der Akten weit schwerer wiegt als in sonstigen Zivilverfahren. Sie enthalten regelmäßig Urkunden im Original, die sich im Falle des Aktenverlustes nicht mehr rekonstruieren lassen, so dass ein solcher Verlust mit schwerwiegenden oder selbst unersetzlichen Nachteilen für die Beteiligten verbunden sein kann (Senat FGPrax 2008, 252 f.).

Die besondere Bedeutung von Originalurkunden kommt auch in § 13 Abs. 4 Satz 2 FamFG zum Ausdruck. Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Reform des Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit wegen der mit einem Verlust von Beweismitteln (hierzu gehören handschriftliche Testamente als Originalurkunden) verbundenen Nachteile dem Gericht die Möglichkeit geschaffen, bei seiner Entscheidung zwischen einer Aktenüberlassung insgesamt und den in der Akte enthaltenen Beweismitteln zu differenzieren und Beweismittel von der Überlassung an einen Rechtsanwalt auszunehmen (vgl. BT Drucksache 16/6308, S. 364).

In Bezug auf das in § 357 Abs. 1 FamFG geregelte Einsichtsrecht ist es anerkannt, dass das Nachlassgericht die Einsichtnahme auch im Wege der Rechtshilfe ermöglichen und dazu das Testament an ein anderes Amtsgericht versenden kann. Wegen der mit einer Versendung verbundenen Gefahr des Verlustes des Testaments wird für Fälle der Einsichtsgewährung im Wege der Rechtshilfe vertreten, dass regelmäßig nur die Versendung von Kopien des Testaments in Betracht kommt. Deshalb wird die Empfehlung ausgesprochen, zum Gerichtsort zu fahren, wenn das Original in Augenschein genommen werden soll (so Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 357 Rn. 23).

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden hält die Entscheidung des Nachlassgerichts einer Überprüfung durch den Senat stand.

Ein Anspruch der Beteiligten auf Aktenübersendung inklusive des Originaltestaments an das Amtsgericht Kiel als Rechtshilfegericht besteht unter keinem Gesichtspunkt.

Die Weigerung der Übersendung auch des Originaltestaments an das Rechtshilfegericht mit der Begründung des Verlustrisikos ist nicht zu beanstanden, eine fehlerhafte Ermessensausübung ist nicht erkennbar. Dass das Verlustrisiko bzw. die Vermeidung seines Eintritts ein beachtlicher Gesichtspunkt für die Ermessensausübung ist, wurde oben bereits allgemein dargestellt. Auch liegt es auf der Hand, dass das Verlustrisiko bei einer Herausgabe von Akten – gleiches gilt für Aktenbestandteile – regelmäßig deutlich höher einzuschätzen ist als bei einem dortigen Verbleib (so schon Senat FGPrax 2008, 252 f.).

Auch im hiesigen Verfahren ist die Gefahr eines Verlustes des Originaltestaments von beachtlichem Gewicht. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Versendung der das Testament enthaltenden Verfahrensakte von Ratingen nach Kiel per Post erfolgen würde. Für diesen Versendungsweg ist die Verlustgefahr vergleichsweise hoch. Es ist gerichtsbekannt, dass per Post versandte Schriftstücke relativ häufig verloren gehen, sei es auf dem Transport selbst, sei es, dass sie in einen falschen Briefkasten eingeworfen werden, sei es, dass sie einem Dritten ausgehändigt werden, der sich nicht zuverlässig um die Aushändigung an den Empfänger kümmert oder der das nicht an ihn adressierte Schriftstück selbst öffnet. Diese so umrissene Verlustgefahr besteht nicht nur für einfache Briefe, sondern auch – und ggfls. in sogar erhöhtem Maße – für Briefe, die ein Gericht als Absender und ein anders Gericht als Adressaten ausweisen und von ihrem äußeren Umfang her erkennbar Gerichtsakten enthalten. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher gerichtlicher Brief in die Hände eines Unbefugten gelangt, bei welchem dann – aus welchem Grunde auch immer – die Akte oder Bestandteile abhandenkommen.

Soweit die Beteiligte darauf verweist, dass auch in Beschwerdeverfahren in Nachlassangelegenheiten Gerichtsakten – diese mit Original-Testamenten – dem Beschwerdegericht vorgelegt werden, verfängt dieser Gesichtspunkt im Ergebnis nicht. Die Aktenvorlage an das Beschwerdegericht erfolgt nämlich nicht per Versendung durch die Post, sondern die Verfahrensakten werden von den Wachtmeistern entweder des Ausgangsgerichts oder des Beschwerdegerichts transportiert. Dieser „interne“ Transportweg ist zuverlässiger als die Versendung per Post und bietet einen vergleichsweise hohen Schutz gegen die Gefahr eines Aktenverlusts.

Kein anderes Ergebnis rechtfertigt auch der von der Beteiligten gezogene Vergleich mit einer Aktenübersendung an einen Schriftsachverständigen zum Zwecke der Begutachtung eines Original-Testaments. Zum einen handelt es sich um in ihrer Anzahl deutlich seltenere Fälle als die Fälle, in denen ein Verfahrensbeteiligter bzw. sein Verfahrensbevollmächtigter um Akteneinsicht ersucht. Zum anderen erfolgt die Versendung in solchen Fällen regelmäßig per Paket-Post mit der Möglichkeit einer Sendungsverfolgung. Der Senat verkennt nicht das Bestehen einer Verlustgefahr auch in derartigen Fällen, hält es aber für geboten, die Versendung von Original-Testamenten auf solche Ausnahmefälle zu beschränken, in denen eine Versendung unumgänglich ist. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier indes nicht vor: der hohe zeitliche und finanzielle Aufwand, der für die Beteiligte bzw. ihre Verfahrensbevollmächtigte mit einer Einsichtnahme des Original-Testaments in Ratingen verbunden ist, stellt sich als noch hinnehmbar dar und muss bei einer Abwägung hinter dem Interesse der Vermeidung eines Verlustes eines Original-Testaments zurücktreten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da sich die Frage nach einem Recht auf Übersendung von Nachlassakten, einschließlich des in der Nachlassakte enthaltenen Originaltestaments, zur Einsichtnahme beim Rechtshilfegericht häufig stellt und bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist, § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

Die Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergeht gemäß §§ 61, 36 Abs. 3 GNotKG.

Berichtigungsbeschluss vom 23. Dezember 2019

Der Beschluss des Senats vom 6. Dezember 2019 wird von Amts wegen dahin berichtigt, dass folgende Rechtsbehelfsbelehrung angefügt wird:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen und muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Wegen der weiteren Details wird auf § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG Bezug genommen.

Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.

Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.

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