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Vertragserben beeinträchtigende Schenkungen – Regelungsumfang § 2287 BGB

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 U 22/21 – Urteil vom 31.08.2021

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 29.01.2021, Az. 4 O 304/20, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Der Berufungsstreitwert beträgt 30.000 €.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Aufteilung des Erbes der am …2020 verstorbenen A… W… P… . Zwischen ihnen ist bei dem Landgericht Potsdam in der Hauptsache ein weiterer Rechtsstreit anhängig (Az. 4 O 54/19).

Der Kläger und die Beklagte sowie die vorabgefundene Frau P… D… sind gemeinsame Abkömmlinge der o.g. Erblasserin und ihres am …2018 vorverstorbenen Ehemannes J… K… P…. Die Erblasserin war Alleinerbin ihres Ehemannes.

Die Verfügungsklägerin begehrt aufgrund erbrechtlicher Festlegungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zur Sicherung eines Anspruchs aus einem behaupteten Vermächtnis. Zur Begründung ihres Anspruches stützt sie sich auf testamentarische Verfügungen der Eheleute P….

Die Eheleute J… und A… P… hatten unter dem 05.02.1999 ein gemeinschaftliches Testament errichtet (Bl. 35 ff GA), in dem sie u.a. folgendes bestimmten:

„Wir haben drei Erben …

P… S…, geb. P…, hat ihren Erbanteil zur Tilgung der Neubaukosten vorzeitig erhalten. Also kein weiteres Erbrecht. Die Höhe des Erbes 200.000 Mark in Bargeld … haben den Enkeln K… und E… später … als Erbfolger zur Verfügung zu stehen.

E… P…, Sohn, erhält mit o.a. Datum [05.02.1999] das Haus Auf dem … (x) sowie dazugehöriges Grundstück mit Brunnen … abzüglich der ca. 350 qm großen Fläche, die dem Neubau (x1) zugeordnet wurde. Abgrenzung wurde durch Steine von uns markiert (Anlage) …

R… P…, Tochter, hat mit o.a. Datum 5.2.1999 ihr Erbe erhalten: Neubau Haus Nr. (x1) mit ca. 350 qm (nicht genau) Grundstück, das sie ab 5.2.1999 kostenlos nutzen darf, d.h. ihr obliegen alle amtlichen Eigentumsrechte. Eine notarische Umschreibung vollziehen wir nicht, unser letzter Wille entscheidet.“

Am gleichen Tag (05.02.1999) hatten die Eheleute P… eine weitere „Festlegung als letzter Wille“ getroffen, in der sie auszugsweise bestimmten (Bl. 39 GA):

„ … Unser Besitz wird an unsere Kinder wie folgt aufgeteilt: …

E… erhält das Haus Auf dem … (x) sowie das dazugehörige Grundstück abzüglich der ca. 400 qm von der Westseite, die der R… mit dem Neubau vererbt werden. Das Haus darf nicht verkauft werden. Das Wegerecht des Altbaus Nr. (x) bleibt so festgelegt, wie der Weg jetzt ist. …

Romana erhält zu unseren Lebzeiten mit oben angegebenen Datum (5.2.1999) den Neubau Nr. (x1) als vorgezogenes Erbe einschließlich ca. 400 qm Grundstücksfläche. Ein hinterer Teil, der Garten, verbleibt zu unseren Lebzeiten in unserer Nutzung. … „

In einer am 28.05.2005 errichteten, ausdrücklich die „Festlegung des Familienbesitzes“ betreffenden, Urkunde hatten die Erblasser weiter ausgeführt:

„Wir sind heut 28.5.2005 fünfzig Jahre verheiratet. Besitz vor der Ehe gab es beiderseits nicht. Alles gemeinsam Geschaffene ist und bleibt beiderseitiger Besitz unabhängig aller amtlicher Festlegungen. Im Falle eines nicht änderbaren Faktes: Todes oder altersbedingter oder krankheitsbedingter Entmündigung fällt der gesamte geschaffene Besitz dem hinterbliebenen Ehegatten zu.“

Am 01.09.2012 hatten J… und W… P… zudem dem Verfügungsbeklagten im Rahmen einer Vorsorgevollmacht umfassende Vertretungsvollmacht erteilt.

W… P… stand an ihrem Lebensende unter Betreuung. Ihr Betreuer war der Verfügungsbeklagte. Am 12.07.2019 wurde W… P… eine Ergänzungsbetreuerin mit dem Wirkungskreis „Veräußerung des Grundstücks Auf dem … (x) / (x1), … Sch…“ bestellt.

Mit notarieller Urkunde vom 05.08.2019 verkaufte die Ergänzungsbetreuerin dem Verfügungsbeklagten in Ausübung ihres Amtes das Grundstück Auf dem … (x1) einschließlich des darauf stehenden Wohngebäudes, Gesamtgrundstücksgröße 1.336 qm, zu einem Preis von 230.000 €. In der Übertragungsurkunde heißt es unter § 1.4 u.a. ferner: „Der Veräußerer erklärt …, dass der Vertragsgegenstand … von Frau R… W… geb. P… kostenlos genutzt wird. Der Erwerber habe in seiner Eigenschaft als Betreuer seiner Mutter die Bewohner des Vertragsgegenstandes aufgefordert, die Nutzung aufzugeben und den Vertragsgegenstand freizuziehen. Dem wurde nach Angaben des Veräußerers nicht Folge geleistet. Vielmehr besteht keinerlei Gesprächsbereitschaft und der Zutritt zum Vertragsgegenstand wird verwehrt. Die Beteiligten vereinbaren hierzu, dass der Veräußerer die Beendigung dieser Nutzung und die Räumung des Vertragsgegenstandes nicht schuldet. Dies ist allein Sache und Risiko des Erwerbers und von diesem auf eigene Kosten und Gefahr vorzunehmen.“ Die von der Ergänzungsbetreuerin abgegebenen rechtsgeschäftlichen Erklärungen wurden durch Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 26.11.2019 – 55 XVII 24/15 – genehmigt. Der Verfügungsbeklagte ist zwischenzeitlich als Eigentümer des Grundstücks eingetragen worden.

Die Verfügungsklägerin sieht sich zu dem begehrten Rechtshandeln veranlasst aufgrund einer angeblich bestehenden Gefahr der Weiterveräußerung des streitgegenständlichen Grundstücks.

Sie hat bereits erstinstanzlich zur Auslegung der vorliegenden Testamente die Auffassung vertreten, ihr sei der darin bezeichnete Grundstücksteil gemäß § 2087 Abs. 2 BGB als Vermächtnis zugewandt worden; angesichts der bestehenden Rechtsverhältnisse sei nur der Verfügungsbeklagte dazu in der Lage, den Vermächtnisanspruch (in natura) zu erfüllen.

Der Verfügungsbeklagte hat die Auffassung vertreten, die letztwilligen Verfügungen der Eheleute P… vom 05.02.1999 und 28.05.2005 seien mit Blick auf die darin getroffenen Regelungen (einerseits Erbeinsetzung der Parteien, andererseits Einsetzung der Erblasserin als Alleinerbin) widersprüchlich; von einem einheitlichen Testament sei angesichts fehlender Bezugnahmen und des zeitlichen Abstands ihrer Errichtung nicht auszugehen, so dass zu Lebzeiten der Erblasserin das zeitlich spätere Testament Wirkung entfaltet habe und sie zur Veräußerung des streitbefangenen Grundstücks berechtigt gewesen sei; zudem stehe der Verfügungsklägerin ein Anspruch auf Übertragung des streitigen Grundbesitzes nach wirksamem Vollzug der Eigentumsübertragung nicht mehr zu.

Das Landgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung mit Urteil vom 29.01.2021 abgelehnt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, ein Vermächtnis liege nicht vor; die testamentarischen Bestimmungen der Eheleute P… vom 05.02.1999 erschöpften sich darin, ihre Kinder als Erben einzusetzen; die Erblasserin sei als Alleinerbin ihres Ehemannes in ihrer Verfügungsbefugnis über das streitgegenständliche Grundstück nicht beschränkt gewesen; die letztwilligen Verfügungen vom 05.02.1999 und 28.05.2005 ergänzten sich insoweit im Sinne eines sog. Berliner Testaments, wobei sich ihr Regelungsinhalt darauf beschränkt habe, die gemeinsamen Kinder als Schlusserben nach dem letztversterbenden Ehegatten einzusetzen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Verfügungsklägerin mit ihrer Berufung. Sie wiederholt und vertieft im Rechtsmittelzug zunächst ihre erstinstanzlichen Rechtsausführungen. Den Eheleuten P… sei es gerade darum gegangen, der Verfügungsklägerin den benannten Grundstücksteil zuzuwenden, was im Rahmen der Auslegung ihrer letztwilligen Verfügungen maßgeblich zu berücksichtigen sei; dies werde lediglich durch die rechtliche Einordnung ihrer entsprechenden Verfügung im Sinne eines Vorausvermächtnisses erreicht, das für die Erblasserin mit dem Tod ihres Ehemannes bindend geworden sei; die Erfüllung des Vorausvermächtnisses sei auch nicht aufgrund der Grundstücksveräußerung unmöglich geworden, da der Verfügungsbeklagte zur Rückübertragung in der Lage sei; § 2171 BGB komme daher nicht zum Tragen; selbst wenn vorliegend kein Vermächtnis anzunehmen wäre, schuldete der Verfügungsbeklagte die begehrte Herausgabe gemäß §§ 2287, 812 ff BGB, denn das fragliche Grundstück habe inklusive Aufbauten einen Wert von mindestens 600.000 €; die vom Verfügungsbeklagten zu ihrem Nachteil vorgenommenen Rechtshandlungen stellten sich zudem als nach § 826 BGB schadenersatzbegründende sittenwidrige Handlungen dar, da sie dem einzigen Zweck gedient hätten, den letzten Willen der Erblasser für sie, die Verfügungsklägerin, rechtsnachteilig zu umgehen; ein Eilbedürfnis für die beantragten gerichtlichen Maßnahmen sei wegen vom Verfügungsbeklagten vorangetriebener Veräußerungsbemühungen gegeben.

Zudem, so trägt die Verfügungsklägerin im Berufungsrechtszug sinngemäß vor, hafte der Verfügungsbeklagte ihr gegenüber aus §§ 1833 Abs. 1, 1908 i BGB auf die beantragten Rechtshandlungen; die erteilte betreuungsgerichtliche Genehmigung des Grundstücksverkaufs sei unrechtmäßig ergangen, weshalb sie dagegen und die von der Ergänzungsbetreuerin erteilte Genehmigung Rechtsmittel eingelegt habe, über das noch nicht entschieden sei; der Verfügungsbeklagte habe insoweit rechtswidrig vorgespiegelt, dass die Betreute und nachmalige Erblasserin bedürftig gewesen sei; stattdessen habe sie über Pflegegelder in einer Größenordnung von monatlich bis zu über 1.500 € und Mieteinkünfte über weitere 590 € verfügt; indes habe der Verfügungsbeklagte von ihrem Konto im Zeitraum der Betreuung im großen Stil über den Bezahldienstleister PayPal regelmäßig erhebliche wiederkehrende Abbuchungen vorgenommen, um die Erblasserin „arm zu machen“; das Konto sei regelrecht ausgeplündert worden, um etwa angebliche Verbindlichkeiten des vorverstorbenen Ehegatten der Erblasserin in Höhe von 38.705,93 € zu tilgen oder monatliche Unterbringungskosten von 790 € zu generieren; offenbar habe der Verfügungsbeklagte auch eigene Zahlungsverpflichtungen von dem Konto der Betreuten bedient; insoweit habe er sich der Veruntreuung des ihm anvertrauten Vermögens strafbar gemacht.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 29.01.2021 zum Az. 4 O 304/20, zugestellt am 08.02.2021, zugunsten der Verfügungsklägerin im Grundbuch des Amtsgerichts …, Grundbuch von … Blatt …, Flur 2, Flurstück 46 zur Sicherung ihres Anspruchs auf Auflassung einer Teilfläche wie in Anlage Vk1 mit den Eckpunkten ABCDEFA näher gekennzeichnet bei einer geschätzten Größe von ca. 380 qm eine Auflassungsvormerkung einzutragen und das Grundbuchamt des Amtsgerichts … zu ersuchen, die Auflassungsvormerkung einzutragen;

hilfsweise

2. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam zum Az. 4 O 304/20 vom 29.01.2021, zugestellt am 08.02.2021, dem Verfügungsbeklagten bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache im Verfahren vor dem Landgericht Potsdam zum Az. 4 O 59/19 zu verbieten, bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, über das Eigentum an einer Teilfläche wie in Anlage Vk 1 mit den Eckpunkten ABCDEFA näher bezeichnet, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts …, Grundbuch von … Blatt …, Flur 2, Flurstück 46, zu verfügen und das Grundbuchamt zu ersuchen, das Veräußerungsverbot im Grundbuch einzutragen,

und weiter hilfsweise

3. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 29.01.1021 zum Az. 4 O 304/20, zugestellt am 08.02.2021, zugunsten der Verfügungsklägerin sowie des Verfügungsbeklagten und Berufungsbeklagten im Grundbuch des Amtsgerichts …, Grundbuch von … Blatt …, Flur 2, Flurstück 46, zur Sicherung des Anspruchs auf Nachlassauseinandersetzung gemäß § 2042 BGB in Ansehung des Grundstücks zur Blatt-Nr. … nach der am …2020 verstorbenen Frau A… W… P… eine Auflassungsvormerkung an rangbereiter Stelle einzutragen.

Der Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er stützt mit näheren Ausführungen die erstinstanzliche Entscheidung. Insoweit verweist er u.a. auf sein erstinstanzliches Vorbringen, die Erblasserin habe lediglich über Renteneinkünfte von monatlich 670 € verfügt und sei auf liquide Mittel für den eigenen Unterhalt angewiesen gewesen, deren Zurverfügungstellung der Grundstücksverkauf gedient habe, weshalb auch eine Benachteiligungsabsicht gefehlt habe; ein in dem die Erblasserin betreffenden Betreuungsverfahren eingeholtes Sachverständigengutachten habe insoweit einen Verkehrswert in kaufpreisidentischer Höhe ermittelt; im übrigen komme, so meint er, den letztwilligen Verfügungen vom 05.02.1999 keine Bindungswirkung zu, sei doch nicht anzunehmen, die Erblasser hätten sich auch für den Fall der Notwendigkeit eines ihnen notwendigen Grundstücksverkaufs binden wollen; vielmehr habe erst der Letztversterbende über die Verteilung des beiderseitigen Nachlasses bestimmen können sollen (“unser letzter Wille entscheidet“).

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Verfügungsklägerin stehen die streitgegenständlichen Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, und auch ein Verfügungsgrund ist nicht ersichtlich.

1. Bei den das von der Berufungsklägerin seit 1999 genutzte Teilgrundstück betreffenden testamentarischen Anordnungen der Eheleute P… handelt es sich um eine Teilungsanordnung im Sinne von § 2048 BGB. Der Testamentsinhalt ist seinem Wortlaut nach eindeutig und entsprechend dem Willen der Erblasser in dem Sinne zu verstehen, dass die Parteien gleichberechtigte Schlusserben zumindest des gemeinsamen unbeweglichen Nachlasses werden sollten. Dies hat die angefochtene landgerichtliche Entscheidung zutreffend und ausführlich herausgearbeitet. Entscheidend ist, dass die Parteien in den Verfügungen vom 05.02.1999 ausdrücklich als Erben bezeichnet worden sind, während die Testamente sich nicht dazu verhalten, welche Regelungen für den Fall des Todes des erstversterbenden Ehegatten gelten sollten. Insofern ergänzt der Inhalt der letztwilligen Verfügung vom 28.05.2005 diejenigen vom 05.02.1999. Dafür, dass die Ehegatten mit ihrer Verfügung vom 28.05.2005 die vorausgehenden Testamente aufheben wollten, spricht nichts. Vor allem finden sich in dem Testament vom 28.05.2005 dafür keine Anhaltspunkte. Es hätte aber gerade nahegelegen, dass die Erblasser ihre früheren letztwilligen Verfügungen ausdrücklich aufgehoben hätten, wenn sie dies tatsächlich gewollt hätten. Umgekehrt erscheint es gerade als wahrscheinlich, dass die Ehegatten an ihren früheren Regelungen zur Rechtsnachfolge in ihr unbewegliches Vermögens festhalten wollten, lag ihnen doch ausweislich des Wortlauts der Testamente vom 05.02.1999 augenscheinlich viel an dem Verbleib ihres Immobilienbesitzes in der eigenen Familie (“Das Haus darf nicht verkauft werden.“). Zudem haben die Erblasser ihr unbewegliches Vermögen nicht bereits zu Lebzeiten unter ihren Kindern aufgeteilt, sondern auf eine für den Eigentumsübergang jedoch konstituierende Grundbuchumschreibung entsprechend dem Inhalt ihrer Verfügungen vom 05.02.1999 ausdrücklich und bewusst verzichtet, abgesehen davon, dass sie kein entsprechendes Rechtsgeschäft – Schenkung oder Verkauf – eingegangen sind.

Ein die Parteien als demzufolge jeweils hälftige Miterben des Nachlasses der Erblasserin ausweisender Erbschein ist zwischenzeitlich am 24.02.2021 auch ergangen.

Den Parteien als Schlusserben steht mithin ein dem Wertanteil der ihnen zugewandten Gegenstände entsprechender Anteil am Gesamtnachlass zu. Ein Vorausvermächtnis zugunsten der Verfügungsklägerin ist vorliegend nicht anzunehmen, weil für eine von den Erblassern gewollte derartige Wert- bzw. Vermögensverschiebung nach dem Testamentsinhalt nichts ersichtlich ist: Die Verfügungsklägerin sollte gerade keinen weiteren Vermögenswert zusätzlich zu ihrem Erbteil erhalten, sondern ihr Erbteil sollte den ihr ausdrücklich zugeordneten Nachlassgegenständen entsprechen. Insofern liegt die Annahme einer Teilungsanordnung nahe; hierbei handelt es sich wohl nach zutreffender Auffassung weder um eine Auflage noch um ein Vermächtnis, sondern um eine Verfügung eigener Art (vgl. BeckOGK/Rißmann/Szalai § 2048 Rz. 6 m.w.N.). Die Teilungsanordnung ist indes erst im Rahmen der Auseinandersetzung zu beachten – kein Recht auf Teilauseinandersetzung (BGH NJW 1985, 51 f) -, der Berufungsklägerin steht mithin kein bereits fälliger Anspruch auf Vermächtniserfüllung zu (vgl. §§ 2176, 271 Abs. 1 BGB). Die Teilungsanordnung ist zudem qua definitionem wertneutral, so dass Anrechnungen auf die Erbquote stattfinden.

Während das Gesetz sich zum Wegfall bzw. der fehlenden Nachlasszugehörigkeit eines Vermächtnisgegenstandes in § 2169 BGB äußert, fehlt eine entsprechende Regelung für von Erblassern getroffene Teilungsanordnungen über nicht oder nicht mehr nachlasszugehörige Gegenstände. Soweit ersichtlich, finden sich nur wenige Veröffentlichungen zu diesem Problem (Kohler AcP 91 (1901), 309 ff, 334 f; Berolzheimer AcP 177 (1977), 404). In Betracht käme eine analoge Anwendung der Vorschriften über Vermächtnisse, hier insbesondere von § 2169 Abs. 3 BGB (Vermächtnis hinsichtlich des Wertersatzanspruches). Eine derartige Analogie trüge letztlich aber nicht, da der Erblasserwille wie ausgeführt gerade nicht auf die Gewährung eines zusätzlichen Vermögensvorteils gerichtet war, und die Teilungsanordnung wertneutral ist: Bei der Teilungsanordnung will der Erblasser dem Begünstigten kein „Mehr“ zuwenden, ihn also nicht wirtschaftlich privilegieren, so dass ein Rückgriff auf § 2169 Abs. 3 BGB überflüssig ist (so Berolzheimer aaO S. 410; zum ganzen vgl. BeckOGK/Rißmann/Szalai aaO Rz. 44, 46). Die Teilungsanordnung wird daher mit der Veräußerung des betreffenden Nachlassgegenstandes „gegenstandslos“ und daher unbeachtlich, wobei es jedoch bei den testamentarisch vorgegebenen Erbquoten verbleibt).

2. Dass sich die im Rahmen der Grundstücksveräußerung gesetzlich vertretene letztverstorbene Erblasserin über die mutmaßlich bindenden Anordnungen in den Ehegattentestamenten der Jahre 1999/2005 hinweggesetzt hatte, erweist sich vorliegend ebenfalls als unerheblich, berechtigt jedenfalls die Verfügungsklägerin gegenüber dem Verfügungsbeklagten weder, die Rückübertragung noch ein Veräußerungsverbot hinsichtlich des streitbefangenen Grundstück(steils) durchsetzen zu können.

§ 2287 i.V.m. § 818 ff BGB sanktionieren dabei grundsätzlich lediglich erbvertragswidrige Handlungen zum Nachteil des Begünstigten. Die Vorschrift ist zwar auf wechselbezügliche (vgl. §§ 2270, 2271 BGB) letztwillige Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments, das nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich geworden ist, entsprechend anzuwenden (BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11, ZEV 2012, S. 37 f; Urteil v. 26. 11. 1975, – IV ZR 138/74, BGHZ 66, S. 8 ff, 15, NJW 1976, S. 749). § 2270 BGB gilt jedoch nicht für Teilungsanordnungen (vgl. § 2270 Abs. 3 BGB; BGHZ 82, S. 277 f; BayObLG FamRZ 1988, 660). Außerdem setzt § 2287 BGB das Vorliegen beeinträchtigender Schenkungen voraus, ist mithin auf entgeltliche Rechtsgeschäfte des Erblassers nicht anwendbar: Veräußert dieser ein Grundstück, für das der Erbe bereits Aufwendungen getätigt hat, hat dieser gegen den Erblasser allenfalls einen Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 Satz 2, 818, 819 BGB (BGH bei Johannsen WM 1977, 280). Anderes mag allenfalls hinsichtlich gemischter Schenkungen gelten, indes bedarf es darüber vorliegend keiner Entscheidung, da Teilungsanordnungen, wie skizziert, dessen ungeachtet nicht wechselbezüglich sind.

3. Ansprüche auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung stehen der Verfügungsklägerin auch nicht, soweit sie für die Erbengemeinschaft nach der Erblasserin geltend gemacht worden sind, zu. Voraussetzung dafür wäre, dass der Verfügungsbeklagte das Eigentum an dem streitbefangenen Grundstück rechtsgrundlos erworben hätte. Der Erwerb hat jedoch auf der Grundlage eines wirksamen Kaufvertrages stattgefunden. Die zu dessen Wirksamkeit erforderlichen, vor allem betreuungsrechtlichen, Genehmigungen liegen vor.

Dass die Verfügungsklägerin die Genehmigungen angefochten hat, kann deren erneute materiellrechtliche Überprüfung nicht begründen, so dass sie als fortdauernd rechtskräftig anzusehen sind. Die von der Berufungsführerin in diesem Zusammenhang eingelegte Beschwerde ist unzulässig, denn sie ist insofern nicht beschwert (§ 59 FamFG). Am betreuungsrechtlichen Genehmigungsverfahren sind lediglich der Betreute und der Betreuer beteiligt, der Vertragsgegner hingegen nicht, da er durch die gerichtliche Entscheidung nicht in seinen Rechten berührt wird: denn der Betreuer ist nicht verpflichtet, von einer erteilten betreuungsgerichtlichen Genehmigung Gebrauch zu machen. Aber auch die Angehörigen des Betreuten dürfen an dem Verfahren nicht schon deshalb beteiligt werden, weil sie dessen Erben werden können: ihnen steht ein Beschwerderecht im Genehmigungsverfahren – mangels Betroffenheit eigener Rechte – ebenfalls nicht zu (BayObLG, Beschluss vom 19.05.1994 – 3 Z BR 130/94 – FamRZ 1995, 302; BayObLGZ 1993, 234; OLG Saarbrücken FGPrax 2001, 70 f – Grundstücksverkauf; vgl. Jürgens, Betreuungsrecht, 6. Aufl. 2019, § 1828 BGB Rz. 13). Mithin wird der mit dem Verfügungsbeklagten abgeschlossene Grundstückskaufvertrag wirksam bleiben.

4. Der Verfügungsbeklagte haftet der Berufungsführerin des weiteren nicht aus §§ 1833 Abs. 1, 1908 i BGB auf Schadenersatz, denn er hat das streitgegenständliche Grundstück nicht veräußert, sondern es lediglich erworben. Allenfalls schuldete folglich die Ergänzungsbetreuerin der Verfügungsbeklagten Schadenersatz aufgrund etwaiger Pflichtverletzungen im Zuge des Grundstücksverkaufs, nicht aber der Verfügungsbeklagte. Es ist zudem nicht zu ersehen, inwieweit der Verfügungsbeklagte unlauter auf die Entscheidungsfindung der Ergänzungsbetreuerin oder des Betreuungsgerichts im Zuge der vorgeschriebenen Genehmigungserteilung eingewirkt haben sollte. Beiden standen in diesem Zusammenhang eigene Prüf- und Kontrollpflichten zu, die sie objektiv und ohne Einflussmöglichkeiten Dritter zu erfüllen hatten. Auch insoweit gilt, dass am betreuungsgerichtlichen Genehmigungsverfahren nur die Betreute und der Betreuer, in vorliegender Sache an dessen Statt die Ergänzungsbetreuerin, beteiligt waren.

5. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch aus § 826 BGB scheitert schließlich daran, dass auch auf der Grundlage des Sachvorbringens der Verfügungsklägerin nicht hinreichend deutlich geworden ist, inwieweit der Verfügungsbeklagte im Zuge des Grundstückskaufs im Jahre 2019 auf die Entscheidungsfindung der Ergänzungsbetreuerin bzw. des Betreuungsgerichts rechtswidrig und in Benachteiligungsabsicht eingewirkt hat. Die Verfügungsklägerin stützt sich in diesem Zusammenhang auf bloße Vermutungen, für die jedenfalls derzeit nichts spricht. Dem Grundstückskauf soll ein den Kaufpreis abbildendes Wertgutachten zugrunde gelegen haben; weshalb der Grundstückswert mehr als doppelt so hoch sein soll, hat sie nicht näher erläutert. Den den Grundstücksverkauf prüfenden Institutionen hätten zudem angesichts der bestehenden Rechnungslegungspflichten des Verfügungsbeklagten etwaige Unregelmäßigkeiten in den Kontobewegungen der späteren Erblasserin auffallen können und müssen, aus denen auf Veruntreuungshandlungen hätte geschlossen werden können; indes sind alle erforderlichen Erlaubnisse anstandslos erteilt worden. Dafür, dass der Verfügungsbeklagte plant, das erworbene Grundstück seinen Söhnen zu übertragen, wie die Berufungsführerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 01.12.2020 gemeint hat, lassen sich keine Anknüpfungstatsachen feststellen, zumal auch andere Kaufinteressenten aufgetreten sein sollen, was jedoch ebenfalls bestritten worden ist.

6. Einen Verfügungsgrund hat die Verfügungsklägerin gleichfalls nicht hinreichend glaubhaft zu machen vermocht. Es ist nicht zu erkennen, dass ihr derzeit und vor der Entscheidung im Hauptsacheverfahren des Landgerichts Potsdam in dieser Sache (Az. 1 O 54/19) unmittelbare Rechtsnachteile drohten. Wie bereits ausgeführt, besteht derzeit kein hinreichender Grund anzunehmen, der Verfügungsbeklagte werde das streitbefangene Grundstück weiterveräußern, wodurch die Berufungsführerin eigener Rechtspositionen verlustig ginge. Die Verfügungsklägerin stützt sich in diesem Zusammenhang auf nicht ansatzweise belegbare Vermutungen. Es mag zwar sein, dass die Parteien „miteinander nicht auskommen können“, wie auch der Verfügungsbeklagte dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat. Daraus kann aber noch nicht auf einen vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens beabsichtigten drittseitigen Erwerb geschlossen werden. Woraus die Berufungsführerin insbesondere ihre angebliche Erkenntnis herleitet, der Verfügungsbeklagte beabsichtige einen Verkauf an die eigenen Kinder, hat sie nicht dargelegt. Auch hierfür sprechen indes keine offensichtlichen Gründe, vor allem nicht mit Blick auf den Zeitablauf bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens. Daher ist es ihr zuzumuten, den Ausgang der Hauptsache abzuwarten.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

8. Der Streitwert des Berufungsrechtszuges wurde unter Berücksichtigung des rechtlichen Interesses der Verfügungsbeklagten mit Blick auf die gestellten Anträge bestimmt, dabei unter Berücksichtigung eines Abschlages von 2/3 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Zöller/Herget ZPO, 33. Aufl. § 3 Rz. 16.63 m.w.N.). Daraus ergab sich bei Ansatz des für die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugrundezulegenden Grundstückskaufpreises von 230.000 €, § 6 ZPO (Musielak/Voit/Heinrich, Grundkurs ZPO, § 3 Rz. 37; Zöller/Herget,aaO § 3 Rz. 16.199), und des Umstands, dass lediglich eine Teilrückauflassung in einer Größe von geschätzt etwa 40 % des Gesamtgrundstücks verlangt worden ist (dem entsprechen ca. 90.000 €) der tenorierte Betrag.

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