OLG Frankfurt – Az.: 21 W 142/19 – Beschluss vom 06.12.2019
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Königstein vom 16. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die unbekannten Erben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 675.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die am XX. XX.20XX in Stadt1 verstorbene Erblasserin war verheiratet. Ihr Ehemann ist vorverstorben. Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor. Die Eltern sind ebenfalls vorverstorben. Geschwister hatte die Erblasserin nicht. Als entferntere Verwandte der Erblasserin ist bislang nur die Beteiligte zu 3) bekannt geworden.
Die Erblasserin errichtete am 30. August 2009 zusammen mit ihrem Ehemann ein handschriftliches Testament. Hierin setzten die Eheleute sich gegenseitig zu alleinigen Erben ein und bestimmten weiterhin, dass nach dem Tod des Längstlebenden ihr Nachlass an eine nicht näher spezifizierte gemeinnützige und mildtätige Einrichtung fallen solle, wobei mit Blick auf den Wortlaut im Einzelnen auf Blatt 3 der Testamentsakte verwiesen wird.
Nach dem Tod der Erblasserin ordnete das Nachlassgericht mit Beschluss vom 9. Januar 2009 Nachlasspflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 1) zum Nachlasspfleger mit dem Wirkungskreis der Ermittlung der Erben sowie der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses (Bl. 36 d. A.). Einer vorläufigen Vermögensübersicht des Nachlasspflegers zufolge umfasst der Nachlass an Anlagevermögen eine Immobilie in Stadt2 im Wert von ca. 700.000 € sowie Ackerländer und Grünflächen im Wert von ca. 55.000 €. Hinzu kommen verschiedene Bankguthaben in einer Gesamthöhe von etwa 2,25 Mio. €. Nennenswerte Verbindlichkeiten weist der Nachlass nicht auf.
Am 21. Mai 2019 schloss der Beteiligte zu 1) mit den Eheleuten Nachename1 einen notariellen Grundstückskaufvertrag über die in den Nachlass fallende Immobilie zu einem Kaufpreis von 675.000 € ab (Bl. 105 ff. d. A.). Der Kaufpreis basierte auf einem zuvor vom Beteiligten zu 1) eingeholten Wertgutachten des A, der den Wert der Immobilie mit 699.000 € bezifferte, aufgrund später sichtbar gewordener Schäden allerdings einen Abzug von 24.000 € vom Kaufpreis für gerechtfertigt hielt. Insoweit wird auf das Ergänzungsgutachten vom 18. Mai 2019 (Bl. 121 ff. d. A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 23. Mai 2019 hat der Beteiligte zu 1) die Genehmigung des vom Notar N1 unter der Urkundennummer …1/2019 beurkundeten Kaufvertrags vom 21. Mai 2019 beantragt (Bl. 104 d. A.). Der für die unbekannten Erben gerichtlich bestellte Verfahrenspfleger ist mit Schriftsatz vom 9. Juli 2019 dem Antrag entgegengetreten. Nachdem sich die Beteiligte zu 3) als mutmaßliche Erbin zu den Akten gemeldet hatte und sich in einem Schreiben an das Nachlassgericht vom 29. August 2019 (Bl. 254 d. A.) dezidiert gegen einen Verkauf der Immobilie ausgesprochen hatte, hat das Nachlassgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Genehmigung des Verkaufs verweigert und zur Begründung ausgeführt, ein Verkauf komme mit Blick auf den Aufgabenkreis des Nachlasspflegers nur in Ausnahmefällen in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall sei vorliegend nicht gegeben (Bl. 265 ff. d. A.).
Gegen den ihm am 21. Oktober 2019 (Bl. 267 d. A.) zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) mit einem am 22. Oktober 2019 beim Nachlassgericht eingegangen Beschluss befristete Beschwerde eingelegt. Zur Begründung hat der Beteiligte zu 1) vornehmlich ausgeführt, das Nachlassgericht habe verkannt, dass über die Zweckmäßigkeit des Grundstücksverkaufs der Nachlasspfleger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden habe. Zwar gehöre ein Immobilienverkauf nicht zu den primären Aufgaben eines Nachlasspflegers. Hiervon gebe es allerdings Ausnahmen. Eine Ausnahme liege vorliegend aufgrund des Zustandes der Immobilie und der hierdurch im Fall des Nichtverkaufs erforderlichen Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen vor.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Berichterstatter hat sich beim Nachlassgericht nach dem Stand eines gegebenenfalls von der Beteiligten zu 3) angestrengten Erbscheinverfahrens erkundigt und den Beschwerdeführer hiervon in Kenntnis gesetzt.
II.
Der zulässigen Beschwerde bleibt der Erfolg versagt. Das Nachlassgericht hat zu Recht die Genehmigung des Grundstückkaufvertrags verweigert.
1. Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig und insbesondere fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses beim Nachlassgericht eingegangen, § 63 FamFG. Zudem ist der Beteiligte zu 1) als Antragsteller beschwerdebefugt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Februar 2019 – 3 Wx 8/19, juris Rn. 8).
2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.
a) Bei der Entscheidung über die Erteilung oder Verweigerung einer nachlassgerichtlichen Genehmigung für ein Grundstücksgeschäft nach §§ 1960 Abs. 2, 1915 Abs. 1, 1821 Nr. 1 BGB handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Maßgebendes Kriterium ist dabei das Interesse aller Erben, wie es sich im Entscheidungszeitpunkt darstellt. Ist der Nachlasspfleger – wie hier – mit der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses betraut, so gehört es insbesondere zu seinen Pflichten, den Nachlass zu erhalten und zu verwalten sowie die Vermögensinteressen der künftig festzustellenden Erben wahrzunehmen (vgl. OLG München, Beschluss vom 10. April 2014 – 31 Wx 18/14, juris Rn. 8). Welche Maßnahmen insoweit zweckmäßig sind, entscheidet der Nachlasspfleger nach pflichtgemäßem Ermessen (BGHZ 49, 1 zitiert nach juris Rn. 19).
Wie der Regelungszusammenhang der Absätze 1 und 2 des § 1960 BGB allerdings zeigt, ist es Kernaufgabe eines Nachlasspflegers mit den im gegebenen Fall angeordneten Wirkungskreisen, die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben dadurch wahrzunehmen, dass er den Nachlass erhält; denn das Nachlassgericht hat im Anwendungsbereich des § 1960 BGB „für die Sicherung des Nachlasses zu sorgen“, und zur Erfüllung dieser staatlichen Fürsorgepflicht bedient es sich des Pflegers (vgl. BGH NJW 1983, 226 f). Schon aus diesem Grund hat die Sicherung und der Erhalt des Nachlasses Vorrang vor seiner Vermehrung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.02.2019 – 3 Wx 8/19, juris Rn. 11; OLG Hamm, Beschluss vom 07.04.2017 – 15 W 135/17, juris Rn. 13; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 2013, Rn. 366). Da der Erhalt des Nachlasses im Vordergrund steht, scheidet ein Verkauf von Grundbesitz häufig aus. Zwar ist ein Grundstück nicht unbedingt zu halten, bis sämtliche Erben ermittelt sind, damit diese nach der Erteilung des Erbscheins selbst über die Verwertung entscheiden können. Allerdings ergibt sich aus der Wertung des § 1821 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB, dass nach Auffassung des Gesetzgebers vorhandenes Grundeigentum als eine besonders wertbeständige Art des Vermögens möglichst erhalten bleiben soll (vgl. BGH FGPrax 2017, 30). Es bedarf daher besonderer sachlicher Gründe, um bei der erforderlichen Gesamtabwägung zu dem Ergebnis zu gelangen, dass das Rechtsgeschäft trotz des mit ihm verbundenen Verlustes von Grundvermögen im Interesse der Betroffenen liegt (vgl. BGH FGPrax 2017, 30).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen war es vorliegend zutreffend, die Genehmigung zu versagen. Denn besondere sachliche Gründe, die einen Verkauf der Immobilie vorliegend rechtfertigten könnten, sind nicht gegeben. Daran ändert es nichts, dass es nach der insoweit nur eingeschränkt überprüfbaren Einschätzung des Nachlasspflegers möglicherweise zweckmäßiger wäre, die Immobilien zu dem in dem zur Genehmigung stehenden Kaufvertrag vereinbarten Kaufpreis zu veräußern.
Als besonderer sachlicher Grund für den Verkauf einer zum Nachlass gehörenden Immobilie ist anerkannt, dass liquide Mittel benötigt werden, um Verbindlichkeiten des Nachlasses decken zu können. Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Denn der Nachlass verfügt über liquide Mittel in Höhe von über 2 Mio. €, ohne dass diesem liquiden Bestand Verbindlichkeiten in nennenswerter Höhe entgegenstünden.
Anerkannt ist weiterhin eine drohende Enteignung der unbekannten Erben (vgl. BayObLG FamRZ 1998, 455; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft, 2013, Rn. 525). Doch auch eine Enteignung droht nicht. Insbesondere können die von dem Beteiligten zu 1) angeführten, notwendigen Verkehrssicherungsmaßnahmen ohne Weiteres aus dem liquiden Nachlassvermögen finanziert werden.
Im Rahmen der Betreuung können im Einzelfall besonders zu beachtende Wünsche des Betroffenen den Verlust von Grundvermögen rechtfertigen (vgl. BGHZ 182, 116). Ob eine solche Konstellation im Fall der Nachlasspflegschaft vor dem Hintergrund, dass der Nachlasspfleger die Interessen der unbekannten Erben zu wahren hat, die naturgemäß nicht bekannt sind, überhaupt denkbar ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Denn selbst wenn man überhaupt die besonderen Wünsche der derzeit zwar noch unbekannten, aber nach Aktenlage vermutlichen (Mit-)Erben berücksichtigen wollte, spräche das hier gegen und nicht für den Abschluss des zu genehmigenden Immobilienverkaufs. Denn die Beteiligte zu 3) als zurzeit einzig in Betracht kommende, bekannte (Mit-)Erbin der Erblasserin hat sich ausdrücklich gegen einen Verkauf der Immobilie ausgesprochen. Dass dies dem Beteiligten zu 1) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags nicht bekannt war und nicht bekannt sein konnte, steht dem nicht entgegen, da es für die Beurteilung der Erteilung der Genehmigung auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt.
Entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1) vermag demgegenüber allein eine etwaig überwiegende Zweckmäßigkeit vor dem Hintergrund der gesetzlichen Wertung in §§ 1821 Abs. 1 Nr. 1 und 4 BGB den Verkauf der Immobilie nicht zu rechtfertigen. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob sich auch unter Berücksichtigung denkbarer Wertsteigerungen ein Verkauf in Anbetracht ansonsten notwendiger Kosten für die Instandsetzung und den Erhalt des Hauses als wirtschaftlich sinnvoll erweisen würde. Denn jedenfalls fällt die erforderliche Gesamtabwägung nicht derart eindeutig aus, dass auch unter Berücksichtigung der Einschätzungsprärogative des Nachlasspflegers mit Blick auf die Zweckmäßigkeit allein ein Verkauf als im Interesse der unbekannten Erben angesehen werden könnte, weswegen es unter anderem mit Blick auf den von der Beteiligten zu 3) geäußerten Wunsch und der in absehbarer Zeit zu erwartenden Klärung der Erbfolge nach der Erblasserin bei dem grundsätzlichen Erhalt des vorhandenen Grundvermögens zu verbleiben hat.
Gegen eine ganz überwiegende wirtschaftliche Zweckmäßigkeit spricht bereits, dass der vereinbarte Kaufpreis dem vorgelegten Gutachten zufolge unter Berücksichtigung der erforderlichen Beseitigung des aufgetretenen Wasserschadens zwar dem Verkehrswert der Immobilie im Wesentlichen entspricht. Ein aus Sicht der unbekannten Erben außergewöhnlich gutes Angebot ergibt sich daraus allerdings etwa im Gegensatz zu der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. November 2016 (FGPrax 2017, 30) nicht. Zugleich ist schon in Anbetracht der Lage des Objektes in Stadt1 nicht mit einem nachhaltigen Wertverfall in näherer Zukunft zu rechnen und wird vom Beschwerdeführer konsequenter Weise auch nicht geltend gemacht. Soweit der Beteiligte zu 1) demgegenüber auf durchaus umfangreiche, notwendige Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen verweist, können diese unzweifelhaft aus den liquiden Mitteln des Nachlasses gedeckt werden. Entsprechend mögen sie geeignet sein, den Verkauf als zweckmäßig anzusehen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund einer nach Angaben des Beteiligten zu 1) derzeit nicht möglichen Vermietung des Objektes und der Unsicherheit, inwieweit etwaige Instandhaltungsmaßnahmen sich wertsteigernd niederschlagen. Ob eine solche Konstellation im Fall einer völlig unabsehbaren Klärung der Erbfolge eine Veräußerung zu rechtfertigen vermag, kann dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls vorliegend ist zwar nicht mit einer zeitnahen, aber dennoch zeitlich überschaubaren Klärung der Erbfolge nach der Erblasserin zu rechnen. So spricht vieles dafür, dass die Beteiligte zu 3) jedenfalls Miterbin, wenn nicht sogar Alleinerbin der Erblasserin ist. Zugleich ist sie neben dem vom Beteiligten zu 1) beauftragten Erbenermittler sichtlich bemüht, die Erbfolge zu klären, und hat ihrerseits bereits zahlreiche Unterlagen und Urkunden zu den Nachlassakten gereicht. Entsprechend ist, obgleich es sich um eine gesetzliche Erbfolge in der vermutlich vierten Ordnung handelt, mit einer Klärung in absehbarer Zeit zu rechnen. Dann aber vermögen auch erforderliche Instandsetzungs- und Erhaltungsaufwendungen in einer durchaus namhaften Größenordnung, denen gleichzeitig nicht zwingend entsprechende Wertsteigerungen und keine unmittelbaren (Miet-)Einkünfte gegenüberstehen, eine Veräußerung der zum Nachlass gehörenden Immobilien entgegen dem geäußerten Willen der vermutlichen Erbin nicht zu rechtfertigen.
3. Die Entscheidung hinsichtlich der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens (vgl. Korintenberg/H. Schneider, GNotKG, 19. Auflage, Nr. 12320 KV Rn. 3) beruht auf §§ 84, 81 Abs. 1 S.1 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne des § 81 Abs. 1 S.1 FamFG, dass die im Rahmen einer angeordneten Nachlasspflegschaft anfallenden Gerichtskosten für das Verfahren über gesetzlich vorgeschriebene gerichtliche Genehmigungsentscheidungen im Regelfall von den Erben zu tragen sind. Ob im Ausnahmefall hinsichtlich entstehender Gerichtskosten dann etwas Anderes gelten kann, wenn ein vom Nachlass- bzw. vom Ergänzungspfleger vertretener Standpunkt von vornherein verfehlt und den Interessen der unbekannten Erben ersichtlich konträr zuwiderlaufend ist, ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung. Für eine Verpflichtung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens besteht keine Veranlassung.
Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 S.1 FamFG für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor. Folglich ist die Entscheidung nicht mit einem ordentlichen Rechtsmittel angreifbar.
Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 61 Abs.1, 60 Abs.1 GNotKG.