Das Oberlandesgericht Rostock hat in seinem Beschluss vom 11.12.2014 (Az.: 3 W 138/13) die Entscheidung des Amtsgerichts Greifswald abgeändert. Der Kernpunkt des Urteils betrifft die Wirksamkeit einer testamentarischen Pflichtteilsstrafklausel. Das Gericht entschied, dass die Beteiligte zu 2) die Pflichtteilsstrafklausel nicht ausgelöst hat, da sie zum Zeitpunkt der Geltendmachung ihres Pflichtteils keine Kenntnis von der Klausel hatte. Folglich bleibt das Testament vom 19.02.2003 wirksam, und die wechselseitige Schlusserbenbestimmung wird nicht aufgehoben.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Greifswald durch das OLG Rostock.
- Zurückweisung des Erbscheinsantrags des Beteiligten zu 1).
- Feststellung, dass die Pflichtteilsstrafklausel nicht durch die Beteiligte zu 2) ausgelöst wurde.
- Keine Kenntnis der Beteiligten zu 2) von der Strafklausel beim Geltendmachen des Pflichtteils.
- Wirksamkeit des Testaments vom 19.02.2003 bleibt bestehen.
- Die Auslegung der Pflichtteilsstrafklausel erfolgt nach objektivem Empfängerhorizont.
- Keine positiven Hinweise auf die Kenntnis der Strafklausel durch die Beteiligte zu 2).
- Kostenentscheidung: Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 1).
Übersicht
- 1 ✔ Das Wichtigste in Kürze
- 1.1 Pflichtteilsstrafklauseln im Testament: Rechtliche Herausforderungen und Fallstricke
- 1.2 Testamentsgestaltung und Ihre Folgen: Der Fall beim OLG Rostock
- 1.3 Die rechtliche Auseinandersetzung um den Pflichtteilsanspruch
- 1.4 Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock
- 1.5 Testament und Erbfolge: Juristische Feinheiten
- 2 ✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
- 3 Das vorliegende Urteil
Pflichtteilsstrafklauseln im Testament: Rechtliche Herausforderungen und Fallstricke
Testamentarische Pflichtteilsstrafklauseln können dazu führen, dass ein Pflichtteilsberechtigter seinen Erbanspruch verliert, wenn er bestimmte Bedingungen erfüllt. Diese Klauseln werden oft in Testamenten verwendet, um sicherzustellen, dass das Vermögen innerhalb der Familie bleibt und um potenzielle Erben davon abzuhalten, ihren Pflichtteil einzufordern.
Die Verwirkung einer Pflichtteilsstrafklausel muss klar und eindeutig formuliert sein, und die Bedingungen, unter denen der Pflichtteilsberechtigte seinen Erbanspruch verliert, müssen ebenfalls klar definiert sein. Es ist wichtig, dass die Bedingungen für die Verwirkung der Pflichtteilsstrafklausel angemessen und rechtlich zulässig sind.
Ein Beispiel für eine solche Bedingung ist der Mittelabfluss oder das Verlangen bestimmter Informationen über den Nachlass. In beiden Fällen muss der Pflichtteilsberechtigte nicht nur seinen Pflichtteil einfordern, sondern auch bestimmte Handlungen vornehmen, um die Verwirkung der Pflichtteilsstrafklausel auszulösen.
Es ist ratsam, bei der Erstellung eines Testaments mit einer Pflichtteilsstrafklausel einen erfahrenen Rechtsanwalt zu konsultieren, um sicherzustellen, dass die Klausel klar und eindeutig formuliert ist und dass die Bedingungen für die Verwirkung der Pflichtteilsstrafklausel angemessen und rechtlich zulässig sind. Ein konkretes Urteil zu diesem Thema kann dabei helfen, die rechtlichen Herausforderungen und Fallstricke besser zu verstehen.
Testamentsgestaltung und Ihre Folgen: Der Fall beim OLG Rostock
Im Zentrum dieses Rechtsfalls steht ein Berliner Testament, das vom Erblasser und seiner Ehefrau am 19.02.2003 errichtet wurde. Sie setzten sich gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmten ihre Kinder, den Beteiligten zu 1) und die Beteiligte zu 2), als Schlusserben. Eine besondere Klausel des Testaments besagte, dass ein Kind, welches nach dem Erstversterbenden den Pflichtteil fordert, auch nach dem Letztversterbenden auf den Pflichtteil beschränkt sein soll. Dies ist eine typische Pflichtteilsstrafklausel, die darauf abzielt, den Nachlass ungeschmälert zu erhalten und den überlebenden Ehegatten vor Auseinandersetzungen zu schützen.
Die rechtliche Auseinandersetzung um den Pflichtteilsanspruch
Nach dem Tod der Ehefrau im Jahr 2003 begann eine Reihe von rechtlichen Schritten, die den Kern dieses Falles bilden. Die Beteiligte zu 2) wurde durch Rechtsanwalt O. vertreten, der in ihrem Namen den Pflichtteil vom Erblasser forderte. Dies führte zur zentralen Frage des Falles: Hat die Beteiligte zu 2) mit diesem Schritt die Pflichtteilsstrafklausel ausgelöst und sich somit selbst von der Erbfolge nach dem Tod des zweiten Elternteils ausgeschlossen?
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock
Das OLG Rostock kam zu dem Schluss, dass die Beteiligte zu 2) zum Zeitpunkt der Geltendmachung ihres Pflichtteils keine Kenntnis von der Strafklausel hatte. Daher konnte sie den Pflichtteil nicht bewusst in Kenntnis der Klausel geltend machen. Dies ist ein entscheidender Punkt, denn das Gericht betonte, dass für die Auslösung der Pflichtteilsstrafklausel sowohl ein objektives Element – das Fordern des Pflichtteils – als auch ein subjektives Element – das Bewusstsein über die Existenz der Strafklausel – notwendig sind.
Testament und Erbfolge: Juristische Feinheiten
Die Komplexität dieses Falles wird durch die verschiedenen Schritte und rechtlichen Überlegungen deutlich. Einerseits musste das Gericht feststellen, ob die Pflichtteilsstrafklausel tatsächlich ausgelöst wurde. Andererseits spielte auch das spätere Testament des Erblassers eine Rolle, in dem er den Beteiligten zu 1) als alleinigen Erben bestimmte. Das Gericht hielt jedoch das erste Testament für weiterhin wirksam, da die Pflichtteilsstrafklausel nicht ausgelöst worden war. Dies bedeutet, dass die ursprüngliche Bestimmung der Schlusserben weiterhin Gültigkeit hatte.
Das Gericht entschied, dass die Beteiligten jeweils ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen sollten. Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden dem unterlegenen Beteiligten zu 1) auferlegt. Diese Entscheidung basiert auf § 81 Abs. 1 FamFG, der dem Gericht Ermessen bei der Kostenverteilung gibt.
Zusammenfassend hat das OLG Rostock mit seinem Beschluss vom 11.12.2014 im Fall Az.: 3 W 138/13 entschieden, dass die Beteiligte zu 2) die Pflichtteilsstrafklausel nicht ausgelöst hat, da sie keine Kenntnis von dieser Klausel hatte, als sie den Pflichtteil forderte. Dieses Urteil verdeutlicht die Wichtigkeit der genauen Kenntnis testamentarischer Bestimmungen für alle Beteiligten und die rechtlichen Feinheiten, die bei der Erbfolge zu beachten sind.
Den vollständigen Text des Urteils können Sie weiter unten nachlesen.
✔ Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt
Was ist eine testamentarische Pflichtteilsstrafklausel und wie funktioniert sie im deutschen Erbrecht?
Eine testamentarische Pflichtteilsstrafklausel ist eine Regelung, die in einem Testament festgehalten wird, um zu verhindern, dass die Nachkommen ihren Pflichtteil einfordern, nachdem der erste Elternteil verstorben ist. Diese Klausel wird oft im sogenannten Berliner Testament angewendet, in dem Ehepartner sich gegenseitig als alleinige Erben einsetzen. Die Kinder erben in diesem Fall erst beim Tod des zweiten Elternteils. Die Pflichtteilsstrafklausel soll verhindern, dass der überlebende Elternteil durch die Auszahlungsverpflichtung des Pflichtteils in finanzielle Schwierigkeiten gerät.
Wenn ein Pflichtteilsberechtigter gegen den Willen des Erblassers seinen Pflichtteil einfordert, werden er und seine Nachkommen durch die Pflichtteilsstrafklausel von der Erbfolge ausgeschlossen. Es ist zu beachten, dass bereits das Verlangen nach Auskunft über den Wert des Nachlasses als Verstoß gegen die Pflichtteilsstrafklausel gewertet werden kann.
Die Pflichtteilsstrafklausel kann jedoch auch Ausnahmen enthalten, um bestimmte Situationen zu berücksichtigen. Beispielsweise könnte die Klausel so gestaltet sein, dass sie nur dann greift, wenn der Pflichtteil ernsthaft und bewusst geltend gemacht wird.
Es ist wichtig, dass die Pflichtteilsberechtigten über die Existenz und die Bedingungen der Pflichtteilsstrafklausel informiert sind, da sie sonst unwissentlich gegen diese verstoßen könnten. Daher wird empfohlen, die Eröffnung des Testaments abzuwarten und sorgfältig abzuwägen, bevor man den Pflichtteil geltend macht.
Die Pflichtteilsstrafklausel verfolgt das Ziel, den Nachlass zunächst dem überlebenden Ehegatten ungeschmälert zukommen zu lassen. Sie kann jedoch auch dazu führen, dass die Kinder beim Tod des ersten Elternteils zunächst vom Erbe ausgeschlossen sind. Daher sollten Eltern sorgfältig überlegen, ob sie eine solche Klausel in ihr Testament aufnehmen möchten.
In welchen Fällen kann ein Erbschein durch ein Gericht zurückgewiesen werden?
Ein Erbschein kann durch ein Gericht aus verschiedenen Gründen zurückgewiesen werden:
- Unrichtige Angaben: Wenn der Antrag auf einen Erbschein falsche Angaben enthält, kann das Gericht den Antrag ablehnen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die im Antrag angegebene Erbquote nicht korrekt ist.
- Fehlende Erbberechtigung: Ein weiterer Grund für die Ablehnung eines Erbscheinsantrags kann sein, dass dem Antragsteller kein Erbrecht zusteht. In einem Fall wurde beispielsweise der Antrag eines nichtehelichen Kindes abgelehnt, weil der Rechtspfleger fälschlicherweise davon ausging, dass diesem kein Erbrecht zusteht.
- Verfahrensfehler: Schwerwiegende Verfahrensfehler im Erteilungsverfahren, wie zum Beispiel der Erlass durch ein örtlich unzuständiges Nachlassgericht oder durch einen Rechtspfleger statt des zuständigen Richters, können ebenfalls zur Ablehnung eines Erbscheins führen.
- Unklare Testamentsbestimmungen: Wenn das Testament des Erblassers unklare oder widersprüchliche Bestimmungen enthält, kann das Gericht den Antrag auf einen Erbschein ablehnen. In einem Fall wurde beispielsweise ein Antrag abgelehnt, weil das Testament des Erblassers handschriftliche Notizen enthielt, die als Änderungen der ursprünglichen Bestimmungen interpretiert wurden.
Es ist wichtig zu beachten, dass gegen die Ablehnung eines Erbscheinsantrags durch das Gericht Beschwerde eingelegt werden kann.
Das vorliegende Urteil
OLG Rostock – Az.: 3 W 138/13 – Beschluss vom 11.12.2014
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Greifswald vom 21.08.2013 wird der Beschluss abgeändert:
1. Der Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) vom 25.03./28.03.2013 wird zurückgewiesen.
2. Die Tatsachen, die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins erforderlich sind, werden als festgestellt erachtet.
Beantragter Erbschein:
Es wird bezeugt, dass der am 06.01.2013 in G. verstorbene H. R. T., geboren am 08.06.1942, beerbt worden ist aufgrund testamentarischer Erbfolge von:
– O. T., geb. am 30.01.1965,
– K. C., geb. T., geb. am 27.12.1967,
zu je 1/2.
3. Die Gerichtsgebühren des Beschwerdeverfahrens trägt der Beteiligte zu 1). Ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten jeweils selbst.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 75.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1) und die Beteiligte zu 2) sind die Kinder des Erblassers. Der Erblasser war mit der vorverstorbenen R. T. verheiratet.
Am 19.02.2003 errichteten der Erblasser und seine Ehefrau ein Testament, in welchem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten. Der überlebende Ehegatte sollte von den Beteiligten zu 1) und 2) beerbt werden. Weiter enthielt das Testament folgende Formulierung:
„Sollte eines unserer Kinder nach dem Erstversterbenden den Pflichtteil fordern, soll es auch nach dem Letztversterbenden auf den Pflichtteil beschränkt sein.“
Frau R. T. verstarb am 11.07.2003. Mit Schreiben des Notars A. vom 28.11.2003 ließ der Erblasser das Testament vom 19.02.2003 beim Amtsgericht Schwarzenbek einreichen und beantragte die Erteilung eines Erbscheins. Das Schreiben ging beim Amtsgericht am 01.12.2003 ein. Das Testament wurde im Termin vom 12.12.2003 eröffnet. Ausweislich Blatt 8 der Akte des Amtsgerichts Schwarzenbek – AZ: 7 IV 462/03 – wurden eine beglaubigte Abschrift der Verfügung von Todes wegen und des Eröffnungsprotokolles am 16.12.2003 an die Beteiligte zu 2) persönlich durch das Gericht abgesandt.
Mit Schreiben vom 13.11.2003 meldete sich Rechtsanwalt O. bei dem Erblasser und zeigte an, die Beteiligte zu 2) zu vertreten. In dem Schreiben heißt es:
„Als Kümmling ist unsere Mandantin pflichtteils berechtigt. Ihr gesetzlicher Pflichtteil entspricht bekanntlich die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruches. Unsere Mandantin hat uns beauftragt, diesen Anspruch Ihnen gegenüber geltend zu machen. Als Erbe bzw. Erbschaftsbesitzer sind Sie gegenüber unserer Mandantin verpflichtet, insoweit Auskunft über Bestand und die Höhe des Erbes zu erteilen. Dies vorausgeschickt haben wir Sie namens und in Vollmacht unserer Mandantin aufzufordern, binnen einer Frist bis zum 28.11.2003 schriftlich und in Form einer detaillierten Aufstellung vollständig und abschließend Auskunft über das Erbe zu erteilen.“
Mit Schreiben vom 21.11.2003 teilte Rechtsanwalt A. für den Erblasser mit, dass dieser zur Kenntnis nehme, dass die Beteiligte ihren Pflichtteil fordere und kündigte Auskunftserteilung an. Mit weiterem anwaltlichen Schreiben vom 01.12.2003 erteilte er sodann Auskunft und errechnete einen Pflichtteil. Rechtsanwalt O. beanstandete für die Beteiligte zu 2) mit Schreiben vom 22.12.2003 die Bewertung einer Reihe von Gegenständen, wozu Rechtsanwalt A. seinerseits mit Schreiben vom 08.01.2004 detailliert Stellung nahm.
Der Erblasser errichtete am 22.12.2010 ein weiteres Testament. Hierin bestimmte er den Beteiligten zu 1) zu seinem alleinigen Erben. Das Testament vom 19.02.2003 fand keine Erwähnung. Er verstarb am 06.01.2013.
Mit notarieller Urkunde vom 11.03.2013 beantragte die Beteiligte zu 2) einen Erbschein zugunsten des Beteiligten zu 1) und der Beteiligten 2) als gemeinschaftliche Erben zu erteilen. Der Beteiligte zu 1) seinerseits beantragte mit notarieller Urkunde vom 25.03.2013 einen Erbschein zu erlassen, der ihn als Alleinerben ausweist. Zur Begründung führte er aus, dass die Beteiligte zu 2) nach dem Wortlaut des Testaments auf den Pflichtteil beschränkt sei, da sie nach dem Tod der Mutter gegenüber dem Erblasser ihren Pflichtteil geltend gemacht habe.
Mit Beschluss vom 21.08.2013 hat das Amtsgericht Greifswald festgestellt, dass die Tatsachen, die für die Erteilung des vom Beteiligten zu 1) beantragten Erbscheins erforderlich sind, für gegeben erachtet werden. Wegen der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf den Beschluss Bezug.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die unter dem 25.09.2013 erhobene Beschwerde der Beteiligten zu 2). Sie rügt die Annahme eines ernsthaften Verlangens des Pflichtteils durch die Beteiligte zu 2) nach dem Tode der Frau R.T. Dem Schreiben des Rechtsanwalts O. vom 13.11.2003 sei eine solche Bedeutung nicht beizumessen. Dieses Schreiben beschränke sich auf die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs. Diesem Auskunftsverlangen sei ein Streit zwischen der Beteiligten zu 2) und dem Erblasser vorausgegangen, in dem er ihr gegenüber erklärt habe, sie habe durch ihren Lebenswandel in letzter Zeit ihren Pflichtteil bereits erhalten.
Sie trägt auf Nachfrage des Senates vor, dass sie erst durch die Übersendung des Eröffnungsprotokolls vom 12.12.2003 Kenntnis vom Inhalt des gemeinschaftlichen Testaments vom 19.02.2003 erlangt habe. Bei Beauftragung des Rechtsanwalts O. habe sie keine Kenntnis vom Inhalt des Testaments gehabt. Der Beglaubigungsvermerk auf der Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls trage das Datum 18.12.2003. Dies sei ein Donnerstag gewesen. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie Testament und Eröffnungsprotokoll vor dem 22.12.2003 mit Rechtsanwalt O. besprochen habe. Herr Rechtsanwalt O. habe sich auf Nachfrage der Beteiligten zu 2) auch nicht mehr erinnern können, ob er mit der Einholung der Auskunft oder der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs beauftragt gewesen sei. Die Handakte habe er nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet.
Der Beteiligte zu 1) begehrt die Zurückweisung der Beschwerde. Er trägt vor, dass beide Beteiligten bereits vor dem Ableben der Mutter vom Vorhandensein eines Berliner Testaments gewusst hätten. Die Eltern hätten den Beteiligten dies in einem Gespräch mitgeteilt zu einem Zeitpunkt, als es der Mutter schon sehr schlecht gegangen sei. Dies sei zwischen März und Mai 2003 im Haus der Eltern geschehen. Das Testament sei aber weder vorgelesen noch gezeigt worden. Beide Beteiligten hätten also bereits damals gewusst, dass im ersten Schritt der überlebende Ehegatte alles erben würde, während die Kinder als Schlusserben erst nach dem zweiten Sterbefall etwas erhalten würden.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 02.10.2013 nicht abgeholfen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. In der Sache führt sie zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Das Nachlassgericht hat dem Erben auf Antrag ein Zeugnis über sein Erbrecht zu erteilen (§ 2353 BGB). Der Erbschein bezeugt demnach das Erbrecht zur Zeit des Erbfalles (Palandt/Weidlich, BGB 73. Aufl., § 2353 Rn. 2). Der Erbschein ist gemäß § 2359 BGB nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Das Amtsgericht hat die Tatsachen unzutreffend festgestellt.
Das zu bezeugende Erbrecht ergibt sich aus dem Testament vom 19.02.2003. Dieses hat seine Wirksamkeit nicht verloren, denn die Wirkung der Pflichtteilsstrafklausel ist durch die Beteiligte zu 2) nicht ausgelöst worden.
1.
Die Pflichtteilsstrafklausel verfolgt allgemein das Ziel, dem überlebenden Ehegatten den Nachlass möglichst ungeschmälert zu erhalten (BayObLG, Beschl. v. 23.10.1990, BReg 1 a Z 50/90, MDR 1991, 252 = FamRZ 1991, 494). Der Erblasser will in der Regel mit der Sanktionsklausel seinen überlebenden Ehegatten nicht nur vor einer vorzeitigen Schmälerung der als Einheit gesehenen Erbmasse oder Gefahr einer solchen schützen, sondern ihm auch und gerade die persönlichen Belastungen ersparen, die mit einer Auseinandersetzung mit dem (angeblich) Pflichtteilsberechtigten regelmäßig verbunden sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.07.2011, 3 Wx 124/11, FamRZ 2012, 331; OLG München, Beschl. v. 29.01.2008, 31 Wx 68/07, FamRZ 2008, 1118 = NJW-RR 2008, 1034). Gegen eine solche Pflichteilsstrafklausel bestehen allgemein keine Bedenken, sie stellt vielmehr eine typische letztwillige Verfügung dar.
2.
Die Pflichtteilsstrafklausel wird durch das bewusste Geltendmachen des Pflichtteils in Kenntnis der Klausel ausgelöst (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2269 Rn. 14; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG München, a.a.O.; OLG Hamm, Beschl. v.13.02.2013, 15 W 421/12, FamRZ 2014, 420 m.w.N.). Für eine von diesem Allgemeinverständnis abweichende Auslegung der Ziffer 3 des Testaments nach dem Willen der Testierenden ist nichts ersichtlich.
3.
Objektiv erfordert die Verwirkung der in Ziffer 3 des Testaments enthaltenen Pflichtteilsstrafklausel ein Fordern des Pflichtteils gegenüber dem Erblasser durch die Beteiligte zu 2). Der Senat geht davon aus, dass die Verwendung des Wortes „fordern“ der allgemein üblichen Verwendung des Wortes „verlangt“ gleichsteht. Ein Verlangen wird in Rechtsprechung und Literatur immer dann angenommen, wenn der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem Überlebenden ausdrücklich und ernsthaft deutlich macht, dass er seinen Pflichtteil geltend machen will. Nicht erforderlich ist, dass er diesen bereits gerichtlich geltend macht oder der Pflichtteil bereits ausgezahlt ist (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG München, a.a.O.; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2269 Rn. 14). Nicht hingegen ausreichen soll es hierfür, dass der Pflichtteilsberechtigte allein Auskunft begehrt. Zwar wird der Erbe auch durch die Erstellung des Nachlassverzeichnisses im Wege der Auskunft schon durch die Auseinandersetzung mit dem Pflichtteilsberechtigten belastet. Der Pflichtteilsberechtigte hingegen benötigt zumindest die Auskunft über den Umfang des Nachlasses, um sich entscheiden zu können, ob er seine Schlusserbeneinsetzung bestehen lassen oder lieber seinen Pflichtteil in Anspruch nehmen möchte (BayObLG, a.a.O.). Diese Differenzierung ergebe sich schon daraus, dass der Gesetzgeber mit dem Auskunftsanspruch in § 2314 BGB und dem Pflichtteilsanspruch in § 2303 BGB zwei unterschiedliche Ansprüche geregelt hat.
Ob der Pflichtteilsberechtigte zu erkennen gibt, den Pflichtteil ernsthaft geltend machen zu wollen, ist dabei aus der Sicht des Erben unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizonts zu beurteilen. Vorliegend ist dies in einer Gesamtschau der Anschreiben des Rechtsanwalts O. an den Erblasser sowie dessen bevollmächtigten Rechtsanwalt vom 13.11.2003 und 22.12.2003 zu beurteilen. Im Schreiben vom 13.11.2003 heißt es, die Beteiligte zu 2) habe den Rechtsanwalt O. mit der Geltendmachung des Pflichtteils beauftragt. Diese Formulierung für sich genommen, ist aus Sicht des Erblassers bereits recht eindeutig. Sie wird allerdings dadurch relativiert, dass im weiteren Text mitgeteilt wird, dass diese Information vorweggeschickt wird und Auskunft verlangt werde. Das Schreiben vom 22.12.2003, welches auf eine umfassende Auskunftserteilung und Pflichtteilsberechnung hin eine Korrektur begehrt, ist hingegen durchaus geeignet, aus Sicht des Erblassers den Eindruck zu vermitteln, dass es um die Berechnung tatsächlicher Ansprüche geht und nicht nur um eine Überlegungshilfe für die Beteiligte zu 2). Dort werden eigene Wertvorstellungen der Beteiligten zu 2) sowie die Berücksichtigung früherer Zuwendungen an die Beteiligte zu 2) erörtert und es ist von Berechnungsgrundlagen die Rede. In Anbetracht dessen und des Umstandes, dass der Bevollmächtigte des Erblassers bereits eine Pflichtteilsberechnung vorgenommen und um die Übermittlung einer Bankverbindung gebeten hatte, durfte seitens des Erblassers der Eindruck entstehen, dass die Beteiligte zu 2) es nicht mit der Auskunftserteilung bewenden, sondern die ernsthafte Verfolgung von Zahlungsansprüchen in Betracht ziehen würde. Abschließend entscheiden braucht der Senat dies indes nicht.
4.
Subjektiv erfordert die Verwirkung der Pflichtteilsstrafklausel, dass die Beteiligte zu 2) ihren Anspruch auf den Pflichtteil bewusst in Kenntnis der Strafklausel geltend gemacht hat. Das ist zur Überzeugung des Senats nicht der Fall.
Bei Abfassung des Schreibens vom 13.11.2003 war der Beteiligten zu 2) eine Abschrift des Testaments noch nicht übersandt, da es zu diesem Zeitpunkt noch nicht eröffnet war. Dafür, dass es der Beteiligten zu 2) vor dem 13.11.2003 anderweitig bekannt geworden war, dass das Testament eine Strafklausel enthält, ist nichts ersichtlich. Der Beteiligte zu 1) selbst trägt vor, dass beiden Beteiligten das Testament anlässlich eines Gesprächs im Frühjahr 2003 weder vorgelesen noch gezeigt worden sei. Sie seien lediglich darüber unterrichtet worden, dass ihre Eltern ein Berliner Testament errichtet hätten und sie infolge dessen erst nach dem Ableben auch des zweiten Elternteils erben würden. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Pflichtteilsstrafklausel durch die Eltern sei nicht erfolgt. Doch sei bekannt, dass derartige Klauseln in Testamenten wie diesem üblich seien. Eine positive Kenntnis der Beteiligten zu 2) von der verwendeten Klausel trägt dies nicht. Auch dafür, dass ihr die Verwendung der Klausel anderweitig bekannt war, ergibt sich nichts. Soweit der Beteiligte zu 1) eine Kenntnis daraus herleiten will, dass mit dem Schreiben vom 13.11.2003 auf die Pflichtteilsberechtigung hingewiesen wurde, geht dies fehl. Hieraus lässt sich nämlich nicht ableiten, dass der Beteiligten zu 2) der vollständige Text des Testaments bekannt gewesen ist. Sie konnte bereits aus der Information durch die Eltern im Frühjahr 2003 über die Errichtung des Testaments ihre Pflichtteilsberechtigtenstellung herleiten.
Auch zum Zeitpunkt der Abfassung des Schreibens des Rechtsanwalts O. vom 22.12.2003, welches ernsthafte Verfolgungsabsichten betreffend den Pflichtteil noch erkennen lässt, war die subjektive Komponente zur Überzeugung des Senats nicht gegeben. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass die Beteiligte zu 2) am 22.12.2003 über das Wissen um die Existenz der Strafklausel verfügte. Gemäß Verfügung Blatt 8 der vom Senat beigezogenen Nachlassakte des Amtsgerichts Schwarzenbek zum Az. 7 IV 462/03 ist eine Abschrift des Testaments am 16.12.2003 von dort an die Beteiligte zu 2) persönlich abgegangen. Ein Nachweis einer förmlichen Zustellung existiert nicht. Somit ist davon auszugehen, dass unter Zugrundelegung einer Postlaufzeit von drei Tagen der Beteiligten zu 2) das Testament am 19.12.2003 vorlag. Da dies ein Freitag war, war nicht zu erwarten, dass sie bis zum 22.12.2003 ihren Bevollmächtigten anweisen würde, keine weiteren Tätigkeiten zu entfalten. Es ist auch nichts ersichtlich dafür, dass es ihr bekannt gewesen wäre, dass Rechtsanwalt O. gerade am 22.12.2003 ein weiteres Schreiben verfassen würde. Weitere Feststellungen können hierzu nicht getroffen werden, da Rechtsanwalt O. bereits schriftlich angegeben hat, sich nicht mehr erinnern zu können und seine Handakte vernichtet zu haben.
Vielmehr ist subjektiv zugunsten der Beteiligten zu 2) zu bewerten, dass diese nach dem Schreiben vom 22.12.2003 und in Kenntnis der Pflichtteilsstrafklausel nichts mehr unternommen hat, um einen möglichen Pflichtteilsanspruch zu verfolgen. Dass dies nur deshalb der Fall war, weil Rechtsanwalt A. in seinem Schreiben vom 01.12.2003 nur einen sehr geringen Pflichtteil errechnet hatte, ist allein eine Vermutung des Amtsgerichts, die durch nichts getragen wird. Vielmehr lässt das Schreiben des Rechtsanwalts O. vom 22.12.2003 erkennen, dass dort von anderen Wertvorstellungen und Berechnungen ausgegangen wurde, was bei einem ernsthaften Verfolgungswillen des Anspruchs dessen gerichtliche Geltendmachung als näherliegend annehmen lässt.
5.
Das Testament des Erblassers vom 22.12.2010 ändert an dieser Sachlage nichts. Da die wechselseitige Schlusserbenbestimmung im Testament vom 19.02.2003 ihre Wirksamkeit behalten hat, war der Erblasser gehindert, einseitig diese durch eine neue letztwillige Verfügung abzuändern.
6.
Die Entscheidung über die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Hiernach kann das Gericht den Beteiligten die Kosten des Verfahrens ganz oder zum Teil nach billigem Ermessen auferlegen. Dabei ist eine Abwägung des Einzelfalls vorzunehmen, so dass dem im Verfahren Unterliegenden die Kosten des Verfahrens nicht oder nicht vollständig auferlegt werden müssen. Vorliegend hält es daher der Senat aufgrund der Schwierigkeit der Sache für angemessen, dass die Beteiligten jeweils ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens selbst tragen. Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt hingegen der Beteiligte zu 1) allein, da er im Beschwerdeverfahren unterlegen ist. Die Kosten des Erbscheinserteilungsverfahrens vor dem Amtsgericht bleiben von der Kostenentscheidung des Senats im Beschwerdeverfahren unberührt.
Den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat nach dem Interesse der Beteiligten zu 2) an dem von ihr begehrten Erbschein unter Zugrundelegung des von den Beteiligten übereinstimmend benannten Nachlasswerts festgesetzt.
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, sieht der Senat nicht.