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Voraussetzungen des Erlasses eines quotenlosen gemeinschaftlichen Erbscheins

Oberlandesgericht in Bremen – Az.: 5 W 15/20 – Beschluss vom 28.10.2020

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Bremen vom 8.07.2020 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 350.000,00 €.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Erteilung eines sog. quotenlosen Erbscheins.

Am […] 2019 verstarb in Bremerhaven die am […] 1930 geborene X. Diese war die Witwe ihres am […] 2008 vorverstorbenen Ehemannes Y. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen, nämlich der Antragsteller und seine Schwester, die Beteiligte zu 2.), die die Mutter der Beteiligten zu 3.) und 4.) ist. Die Eheleute X und Y waren zu je ½ Miteigentümer des Grundstücks […] in Bremerhaven. Der verstorbene Ehemann wurde ausweislich des Erbscheins des AG Bremerhaven vom 16.04.2009 von der Erblasserin zu ½ sowie dem Antragsteller und der Beteiligten zu 2) zu je ¼ beerbt. Die Erblasserin hatte am 6.08.2012 ein eigenhändiges handschriftliches Testament errichtet. Darin hat sie ihren Anteil an der Immobilie zu je ½ dem Antragsteller und dem Beteiligten zu 3) vererbt. Ihr Bargeld, ihre Kontoguthaben sowie ihren Schmuck sollte die Beteiligte zu 2) erhalten, während sie das von ihrem verstorbenen Ehemann hinterlassene Vermögen, soweit es sich bei der Sparkasse in A befand, dem Beteiligten zu 4) zugewendet hat. Über die Verteilung weiterer Nachlassgegenstände sollte der Antragsteller entscheiden, dem auch die Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten obliegen sollte.

Gestützt auf diese letztwillige Verfügung beantragte der Beteiligte zu 1) in notarieller Urkunde am 6.08.2019 den Erlass eines Erbscheins ohne Erbteilsquoten, weil diese erst nach Aufklärung der Wertverhältnisse des Nachlasses sicher festgestellt werden könnten. Die hierzu angehörte Beteiligte zu 2) hat mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 9.09.2019 dem Erlass eines quotenlosen Erbscheins widersprochen, weil die Auslegung des Testaments ergebe, dass sie Alleinerbin nach der Erblasserin geworden sei. Das ihr zugewandte Geldvermögen überwiege mit rd. 353.207,26 € den Wert des vermachten Immobilienvermögens (rd. 100.000,00 €) deutlich. Dementsprechend hat sie den Erlass eines entsprechenden Erbscheins beantragt. Die Beteiligten zu 3) und 4) haben dem Antrag der Beteiligten zu 2) zugestimmt und dem des Antragstellers widersprochen.

Das Amtsgericht – Nachlassgericht – hat mit Verfügung vom 11.05.2020 darauf hingewiesen, dass ein gemeinschaftlicher quotenloser Erbschein wegen des Widerspruchs der Beteiligten zu 2) und 4) nicht in Betracht komme. Dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2) könne ebenfalls nicht entsprochen werden, weil dieser nicht der Form des § 352 FamFG genüge. Der Antragsteller hat gleichwohl unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschl. v. 17.12.2019, 25 Wx 55/19) an seinem Antrag festgehalten; eine Mitwirkung aller Miterben sei in Anbetracht des Wortlautes des § 352 a Abs. 2 S. 2 FamFG nicht notwendig.

Durch Beschluss vom 8.07.2020 hat das Nachlassgericht die beiden Erbscheinsanträge zurückgewiesen. Dem Antrag der Beteiligten zu 2) fehle es an der gebotenen Form; dem Antrag des Antragstellers fehle die Zustimmung der übrigen Beteiligten. Dabei komme es auf den Meinungsstreit zur Frage der Mitwirkung der übrigen Miterben beim Antrag auf Erlass des quotenlosen Erbscheins nicht an, denn auch nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf habe bei einem Widerspruch der Miterben der Erlass zu unterbleiben.

Gegen diese, dem Antragsteller am 21.07.2020 zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten zugestellte Entscheidung haben diese für den Antragsteller am 21.08.2020 Beschwerde eingelegt. Das Gericht verkenne, dass der Beteiligte zu 1) Antragsteller sei und es nach dem Wortlaut der Norm ausreichend sei, wenn dieser einen quotenlosen Erbschein beantrage. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde unter Hinweis auf seine vorangegangene Entscheidung mit Beschluss vom 17.09.2020 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und gem. §§ 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 FamFG zulässige Rechtsmittel ist unbegründet.

Nach § 352a Abs. 1 S. 1 FamFG ist auf Antrag ein gemeinschaftlicher Erbschein zu erteilen, wenn mehrere Erben vorhanden sind. Dieser Antrag kann nach § 352a Abs. 1 S. 2 FamFG von jedem der Erben gestellt werden. Gem. § 352 a Abs. 2 S. 1 FamFG sind in dem Antrag die Erben und ihre Erbteile anzugeben. Nach Abs. 2 S. 2 ist die Angabe der Erbteile nicht erforderlich, wenn alle Antragsteller in dem Antrag auf die Aufnahme der Erbteile in den Erbschein verzichten. In Rechtsprechung und Literatur ist dabei umstritten, ob in Fällen wie dem hier vorliegenden der Antrag eines einzelnen Miterben für die Ausstellung eines quotenlosen Erbscheins ausreicht (so OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.12.2019, I-25 Wx 55/19 = ZEV 2020, 167; Fröhler in: Prütting/Helms FamFG, 5. Aufl. 2020, § 352a Rn. 26; Rellermeyer in: Bork, Jacoby/Schwab FamFG, 3. Aufl. 2018, § 352a Rn. 3; Bumiller/Harders/Harders, 12. Aufl. 2019, FamFG § 352a Rn. 5) oder ob alle in Betracht kommenden Miterben den Antrag stellen (so Grziwotz in: Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2019, § 352a Rn. 18) oder jedenfalls dem Verzicht auf die Quoten zustimmen müssen (OLG München Beschl. v. 10.07.2019, 31 Wx 242/19 = ZEV 2020, 166; Zimmermann in: Keidel, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 352 a Rn. 14; Gierl in: Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, § 352 a Rn. 10; Schlögel in: BeckOK FamFG, 36. Ed., Stand: 1.10.2020, § 352 a Rn. 3).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Entgegen der Annahme der Beschwerde spricht nicht der Wortlaut der Norm für die dort vertretene Annahme, der Antrag eines einzelnen Miterben ermögliche den Erlass eines quotenlosen gemeinschaftlichen Erbscheins, denn der Gesetzgeber hat – in Kenntnis der Regelung in Abs. 1 S. 1 des § 352a FamFG – den Plural („die Antragsteller“) verwendet. Dementsprechend heißt es auch in der Gesetzesbegründung, dass die Angabe der Erbteile der Miterben nicht mehr erforderlich ist, wenn alle Antragsteller im Antrag auf die Angabe der Erbteile verzichten (BT Drucksache 18/4201 S. 60). Wenn der Gesetzgeber die Vorstellung gehabt haben sollte, dass auch der Antrag eines einzelnen Antragstellers zum Erlass eines quotenlosen Erbscheins führen können soll, hätte nichts dagegengesprochen, in § 352 a Abs. 2 S. 2 FamFG den Singular zu verwenden. Zudem kann die Gegenmeinung nicht befriedigend erklären, wie die übrigen Anforderungen, die in Fällen wie dem vorliegenden vom Einzelantragsteller zu erfüllen sind, bewältigt werden können: so muss der Antrag des Einzelantragstellers gem. § 352a Abs. 3 S. 1 FamFG die Angabe enthalten, dass die übrigen Erben die Erbschaft angenommen haben, was gem. §§ 352a Absatz 3 S. 2 i.V.m. § 325 Abs. 3 FamFG vom Antragsteller an Eides Statt genauso zu versichern ist wie deren Verzicht auf die Angabe der Erbquoten (vgl. Zimmermann in: Keidel, FamFG – Familienverfahren, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 20. Auflage 2020, Rn. 14).

Im Übrigen könnte, worauf das Nachlassgericht bereits hingewiesen hat, der Antrag auch vor dem Hintergrund der vom OLG Düsseldorf vertretenen Rechtsauffassung wohl keinen Erfolg haben. Das OLG Düsseldorf lässt nämlich einen Einzelantrag dann nicht zu, wenn gleichzeitig ein anderer Miterbe seinerseits einen Erschein mit Erbquote beantragt hat, weil es dann einen weiteren „Antragsteller“ gibt und dann nicht mehr „die Antragsteller“ übereinstimmend den quotenlosen Erbschein begehren. Auch wenn diese Auffassung den Senat nicht überzeugt, hätte sie vorliegend im Hinblick auf den entgegenstehenden Antrag der Beteiligten zu 2) jedenfalls ebenso zur Versagung des vom Antragsteller verfolgten Antrages führen können, wenn man annimmt, die Ansicht des OLG Düsseldorf umfasse auch formunwirksame Anträge.

Im Hinblick auf die divergierenden Auffassungen in der obergerichtlichen Rechtsprechung lässt der Senat die Rechtsbeschwerde zu (§ 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG; die Wertfestsetzung folgt aus §§ 61, 40 Abs. 1 GNotKG.

 

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