Grundschuldeintragung: Voreintragung des Erben erforderlich
In einem aktuellen Gerichtsentscheid wurde geklärt, ob die Voreintragung eines Erben im Grundbuch zwingend erforderlich ist, bevor eine Finanzierungsgrundschuld eingetragen werden kann. Der Fall betraf den Verkauf eines Grundstücks, bei dem der Erbe eine Auflassungsvormerkung bewilligte und die Käufer zur Sicherung der Kaufpreisfinanzierung eine Grundschuld bestellen sollten.
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Übersicht
Eintragungshindernis und Beschwerde
Das Grundbuchamt stellte fest, dass die Voreintragung des Erben gemäß § 39 Abs. 1 GBO fehlte und eine Ausnahme nach § 40 Abs. 1 GBO nicht vorlag. Daraufhin wurde eine Frist zur Behebung des Eintragungshindernisses durch Antrag auf Grundbuchberichtigung gesetzt. Der Notar legte Beschwerde ein und berief sich auf die Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte, die von der entsprechenden Anwendbarkeit von § 40 Abs. 1 GBO ausgingen.
Entscheidung des Gerichts
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg, da das Grundbuchamt die Eintragung der Grundschuld zu Recht von der Voreintragung des Erben abhängig machte. Die entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1 GBO, der als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, kam in diesem Fall nicht in Betracht. Es fehlte an einer planwidrigen Regelungslücke, da das Problem seit einer Entscheidung des Reichsgerichts von 1916 bekannt war, ohne dass der Gesetzgeber dies zum Anlass genommen hätte, § 40 GBO zu ändern.
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Das vorliegende Urteil
Thüringer Oberlandesgericht – Az.: 3 W 8/22 – Beschluss vom 18.02.2022
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Weimar vom 05.11.2021 – Nichtabhilfeentscheidung vom 12.01.2022 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller zu tragen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 500,- € festgesetzt. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
In dem im Betreff bezeichneten Grundbuch ist als Eigentümerin des dort gebuchten Grundstücks Frau I F eingetragen, die ausweislich eines in der Grundakte befindlichen Erbscheins des Amtsgerichts W vom 05.03.2021 (6 VI 57/21) von J K F (im folgenden Erbe) allein beerbt wurde. Mit notarieller Urkunde des verfahrensbevollmächtigten Notars vom 22.10.2021 (Ur.-Nr. . /21) verkaufte der Erbe das Grundstück an die Antragsteller; die Vertragsbeteiligten erklärten
die Auflassung. Eine von dem Erben bewilligte Auflassungsvormerkung für die Antragsteller wurde am 29.10.2021 im Grundbuch eingetragen. In Ziff. IV der Urkunde trafen die Vertragsbeteiligten Vereinbarungen zur Kaufpreisfinanzierung; der Erbe bevollmächtigte die Antragsteller insbesondere, ihn bei der Bestellung entsprechender Grundschulden zur Sicherung der Kaufpreisfinanzierung – auch in Bezug auf die dazu erforderlichen Erklärungen gegenüber dem Grundbuchamt – zu vertreten. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Urkunde. Unter Bezugnahme auf diese Vollmacht bestellten die Antragsteller mit Urkunde des verfahrensbevollmächtigten Notars vom 27.10.2021 (Ur.-Nr. /2021) zugunsten der Sparkasse M eine Grundschuld in Höhe von 300.000,- € nebst Zinsen und Nebenleistungen. Sie bewilligten und beantragten die Eintragung im Grundbuch.
Auf den am 04.11.2021 beim Grundbuchamt eingegangenen Vollzugsantrag des Notars erließ das Grundbuchamt am 05.11.2021 eine Zwischenverfügung. Es beanstandete die fehlende Voreintragung des die Eintragung bewilligenden Erben nach § 39 Abs. 1 GBO. Die Ausnahmevorschrift des § 40 Abs. 1 GBO sei nicht einschlägig, weil es sich nicht um die Übertragung oder Aufhebung eines Rechts handele. Auch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift komme nicht in Betracht; insbesondere sei die Eintragung einer Grundschuld nicht mit derjenigen einer Auflassungsvormerkung zu vergleichen. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat Bezug auf die Zwischenverfügung. Die Grundbuchrechtspflegerin setzte zur Behebung des Eintragungshindernisses durch Antrag auf Grundbuchberichtigung eine Frist und kündigte für den Fall deren fruchtlosen Ablaufs die Zurückweisung des Eintragungsantrags an. Dagegen richtet sich die durch den Notar eingelegte Beschwerde, die geltend macht, in Übereinstimmung mit der jüngeren Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte bei Bewilligung von Finanzierungsgrundschulden aufgrund postmortaler Vollmachten sei auch in der vorliegenden Konstellation von der entsprechenden Anwendbarkeit von § 40 Abs. 1 GBO auszugehen. Die Vorschrift ziele nach ihrem Sinn und Zweck darauf, den Beteiligten die Kosten einer unnötigen Eintragung zu ersparen und das Grundbuch von unnötigen Eintragungen freizuhalten, wenn wie hier bei vertragsgemäßem Vollzug des Kaufvertrages feststehe, dass der Erbe durch Übertragung des ererbten Rechts alsbald ohnehin wieder aus dem Grundbuch ausscheidet. Zudem sei die Finanzierungsgrundschuld im Grundbuch durch die zeitliche Nähe zum Kaufvertrag ohne weiteres identifizierbar.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist nach den §§ 71 ff. GBO an sich statthaft und auch sonst zulässig. Die Berechtigung des Notars, für die Antragsteller Beschwerde einzulegen, ergibt sich aus § 15 Abs. 2 GBO. In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg; das Grundbuchamt hat zu Recht die Eintragung der Grundschuld von der Voreintragung des Erben (§ 39 Abs. 1 GBO) abhängig gemacht und zur Beseitigung dieses Eintragungshindernisses nach § 18 GBO eine auf Berichtigung des Grundbuchs in Bezug auf die Eigentümereintragung gerichtete Zwischenverfügung erlassen.
In der Rechtsprechung der Oberlandesgericht wurde die Frage, ob die Voreintragung der Erben nach §§ 39, 40 GBO bei Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld erforderlich ist, soweit ersichtlich bislang nur in der hier nicht vorliegenden Konstellation beurteilt , dass ein postmortal Bevollmächtigter über ein Grundstück verfügt und es mit einer Finanzierungsgrundschuld belastet hat; sie wird in diesen Entscheidungen und der Literatur kontrovers beurteilt (zum Streitstand vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 29.11.2021, 3 W 22/21, zitiert nach juris). Das Erfordernis der Voreintragung wird in diesen Fällen teilweise mit der Begründung verneint, das Handeln des postmortal Bevollmächtigten sei rechtskonstruktiv mit dem Handeln eines Nachlasspflegers vergleichbar. Für diesen gelte aber ausdrücklich die Ausnahme vom Voreintragungsgrundsatz nach § 40 Abs. 1 Alt. 2 Fall 2 GBO (OLG Frankfurt FamRZ 2018, 787 f.; OLG Köln Rpfleger 2018, 444 ff.; OLG Stuttgart Rpfleger 2019, 76 f.; 189 ff; OLG Celle FGPrax 2020, 10 ff.; KG Rpfleger 2021, 210 f.; ablehnend OLG Oldenburg Rpfleger 2021, 484 f.; OLG Bremen, a.a.O.). Ob dem zu folgen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, weil die Bestellung der Grundschuld hier nicht aufgrund postmortaler Vollmacht erfolgte.
Für einen Verzicht auf die Voreintragung spreche nach einer teilweise vertretenen Auffassung aber auch der Sinn und Zweck des § 40 GBO. Dieser bestehe darin, den Erben die Kosten einer unnötigen Eintragung zu ersparen und das Grundbuch von unnötigen Eintragungen freizuhalten, wenn die Erben durch Übertragung des ererbten Rechts ohnehin alsbald wieder aus dem Grundbuch ausscheiden würden. Hinzu komme, dass eine Differenzierung zwischen der Eintragung der Auflassungsvormerkung, bei der nach allgemeiner Meinung keine Voreintragung der Erben erforderlich sein solle, und der Eintragung von Finanzierungsbelastungen auch der Sache nach nicht gerechtfertigt erscheine. Denn in beiden Konstellationen stehe von vornherein fest, dass eine Eintragung des Käufers im Grundbuch innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit nachfolgen werde (OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.; Meikel/Böttcher, GBO, § 40 Rn. 28). Würde diese Auffassung zutreffen, bedürfte es auch im hier zu entscheidenden Fall der Voreintragung des Erben nicht. Der Senat folgt ihr jedoch nicht.
§ 40 Abs. 1 GBO ist nach seinem Wortlaut im Falle der Belastung eines Grundstücks mit einem Grundpfandrecht durch den noch nicht im Grundbuch eingetragenen Erben nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich weder um die Übertragung noch um die Aufhebung eines Rechts handelt. Das stellt auch die Beschwerde nicht in Frage. Auch eine entsprechende Anwendung von § 40 Abs. 1 GBO, der als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist (OLG München FGPrax 2006, 148 f.), kommt nach Auffassung des Senats in der vorliegenden Fallkonstellation nicht in Betracht. Eine Analogie ist nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, dieser wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (BGHZ 155, 380 ff.). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Es fehlt schon, worauf das Grundbuchamt zutreffend hingewiesen hat, an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn die grundsätzliche Problemlage ist spätestens seit einer Entscheidung des Reichsgerichts vom 28. Juni 1916 (RGZ 88, 345, 348) bekannt, ohne dass der Gesetzgeber dies zum Anlass genommen hätte, § 40 GBO zu ändern (OLG Bremen, a.a.O.; Kramer FGPrax 2019, 13, 14). Entscheidend gegen eine planwidrige Regelungslücke spricht der Umstand, dass für das Gebiet der neuen Länder die entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 1 GBO für die Eintragung von Belastungen in der Übergangsvorschrift des § 11 Abs. 2 GBBerG ausdrücklich – befristet – vorgesehen war. Das lässt nur den Schluss zu, dass dem Gesetzgeber das Problem bewusst war, er für eine entsprechende generelle unbefristete Einbeziehung der Eintragung von Grundstücksbelastungen allgemein oder speziell von Grundpfandrechten in den Anwendungsbereich von § 40 Abs. 1 GBO aber offenbar kein Bedürfnis gesehen hat.
Abgesehen davon kann die Bestellung einer Belastung, auch wenn es sich um eine Finanzierungsgrundschuld handelt, nicht mit der in § 40 Abs. 1 GBO vorausgesetzten Übertragung eines Rechtes gleichgesetzt werden. Der Verzicht auf eine Voreintragung rechtfertigt sich in den gesetzlich bestimmten Fällen aus dem Umstand, dass in den Fällen der Aufhebung bzw. Übertragung eines Rechtes die Einhaltung des Erfordernisses des § 39 GBO eine reine Förmelei darstellen würde, weil mit Eintragung der Aufhebung bzw. Übertragung des Rechts der Voreingetragene sofort wieder seine Rechtsposition verliert, so dass auch für den interessierten Rechtsverkehr kein Bedarf besteht, diesen Zwischenerwerb im Grundbuch zu verlautbaren. Hiervon unterscheidet sich die Eintragung einer Belastung grundlegend, da der Bewilligende seine Rechtsposition mit dieser Eintragung nicht verliert, sondern sie lediglich inhaltlich verändert wird. Es besteht dabei die nicht fernliegende Gefahr, dass beim Scheitern des Erwerbsvorganges ein Grundpfandrecht eingetragen bleibt, hinsichtlich dessen aus dem Grundbuch nicht erkennbar ist, auf wen die dauerhafte Belastung des Grundstücks zurückzuführen ist (OLG Bremen, a.a.O.; OLG Oldenburg, a.a.O.; OLG Stuttgart, a.a.O.; KG, a.a.O. jeweils m.w.N.; Hügel/Zeiser, GBO, § 40 Rn. 20; a.A. OLG Frankfurt, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.; OG Celle, a.a.O.). Diese Problematik besteht im Grundsatz zwar auch bei der Auflassungsvormerkung, hinsichtlich deren Eintragung bei Bewilligung durch den Erben § 40 Abs. 1 GBO nach inzwischen nahezu einhelliger Auffassung entsprechend anzuwenden ist (BGH NJW 2018, 3310 ff. m.w.N.). Indessen unterliegt die Auflassungsvormerkung wegen ihrer Abhängigkeit vom Bestehen des zu sichernden Anspruches der Grundbuchberichtigung, sollte dieser Anspruch entweder erfüllt werden oder im Falle des Scheiterns des Übertragungsgeschäftes untergehen (KG, a.a.O). Das rechtfertigt bei der Vormerkung einen Verzicht auf das Erfordernis der Voreintragung anders als bei der Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld, die als abstraktes Sicherungsrecht auch beim Scheitern der angestrebten Eigentumsübertragung im Grundbuch eingetragen bliebe, ohne dass bei fehlender Voreintragung erkennbar wäre, auf wessen Bewilligung diese Belastung zurückzuführen ist. Die Argumentation, auch bei der Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld aufgrund Bewilligung durch den Erben im Zusammenhang mit dem Verkauf des Grundstücks stehe von vornherein fest, dass eine Eintragung des Käufers im Grundbuch innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit nachfolgen werde, trifft nur vordergründig zu, weil sie nur den (zeitnahen) Vollzug der Grundstücksübertragung in den Blick nimmt. Diese kann sich indessen wie dem Senat aus einer Vielzahl von Beschwerdeverfahren bekannt ist, aus den unterschiedlichsten Gründen verzögern oder auch endgültig scheitern.
Dass die Finanzierungsgrundschuld wirtschaftlich der Übertragung eines Grundstücks dient und sie im sachlichen Zusammenhang mit dieser im Grundbuch eingetragen wird, rechtfertigt keine rechtliche Gleichstellung mit dieser und mithin auch keine analoge Anwendung der Norm des § 40 Abs. 1 GBO (OLG Bremen, a.a.O., m.w.N.).
III.
Die Antragsteller haben die Kosten ihrer erfolglosen Beschwerde nach § 84 FamFG zu tragen. Geht es wie hier um die Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung, ist für die Festsetzung des Gegenstandswerts insbesondere von Bedeutung, welchen Aufwand und welche Schwierigkeit die Beseitigung des beanstandeten Eintragungshindernisses verursacht (Demharter, a.a.O., § 77 Rn. 45). Im Hinblick darauf, dass hier der zur Berichtigung des Grundbuchs erforderliche Erbschein bereits vorliegt, hat der Senat auf den Mindestwert nach § 34 Abs. 1 GNotKG zurückgegriffen. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde wegen der in Rechtsprechung und Literatur kontrovers beurteilten entsprechenden Anwendung von § 40 Abs. 1 GBO bei Bestellung von Finanzierungsgrundpfandrechten wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, § 78 Abs. 2 Nr. 1 und 2 GBO