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Vorerbenanspruch gegen Nacherben auf Rückgewähr des Erlöses aus einem Grundstücksverkauf

LG Köln – Az.: 37 O 445/10 – Urteil vom 20.09.2011

1. Der Beklagte wird gesamtschuldnerisch mit den Herren T und T1 verurteilt, an die Klägerin ab November 2010 jeweils monatlich zum Ersten eines Monats einen Betrag in Höhe von 1.833,- EUR bis zum Erreichen des Gesamtbetrages in Höhe von 90.467,19 EUR – aus der Schenkung vom 19.12.2007 bis 74.370,- EUR und alsdann aus der Schenkung vom 28.02.2005 bis 16.097,19 EUR – zu zahlen.

2. Es wird ferner festgestellt, dass der Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, gesamtschuldnerisch mit den Herrn T und T1, an die Klägerin weiteren monatlichen Bedarf der Klägerin, welcher über den Betrag von 1.833,- EUR hinausgeht, bis zum Erreichen des Gesamtbetrages in Höhe von 90.467,19 EUR – aus der Schenkung vom 19.12.2007 bis 74.370,- EUR und alsdann aus der Schenkung vom 28.02.2005 bis 16.097,19 EUR – zu zahlen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Beklagte ist einer von drei Söhnen der am 16.02.1925 geborenen Klägerin.

Der am 14.12.1995 verstorbene Ehemann der Klägerin erstellte unter dem 13.06.1965 ein handschriftliches Testament, in dem es unter anderem hieß:

„Es ist mein letzter Wille, dass das auf meinen Namen eingetragene Flurstück Nr. 30, Flur 31, Gemarkung A, Größe 22 a und 61 qm nebst Wohnhaus und allen Gütern, die mir von meiner Mutter T3 geb. S, verstorben am … . 12.1967 zustehen, nach meinem Tode meiner Ehefrau T4 geb. U, geb. am 16.02.1925 zu Benrath gehören sollen. … Mein Eigentum wird nach dem Tode meiner Ehefrau unseren drei leiblichen lebenden Kindern T, T1, T2 und noch ungeborenen Kindern zu gleichen Teilen zufallen. Der längstlebende Partner darf nicht verkaufen, das oben Genannte nicht belasten, was den ehelichen Kindern zu Schaden wäre.“

Am 01.12.1985 verfasste der Ehemann der Klägerin ein ergänzendes handschriftliches Testament, in welchem es unter anderem wie folgt heißt:

“ … . Das Haus nebst Grundstück knapp 2500 qm soll nach dem Ableben des Letztlebenden, also ich oder meiner Frau meinem Sohn T2 zufallen. … und zwar deshalb, weil mein Sohn T2 seit Jahren für uns die schwere Gartenarbeit macht. … Nach Rücksprache mit meinem Sohn T2 und dessen Ehefrau … . wurde vereinbart: Bei Krankheit eventuell Pflegefall für uns zu sorgen. Den Besitz des Grundstückes in Leichlingen sollen meine drei Söhne je zu 1/3 erben. … “

Die Klägerin ist seit mehreren Jahren schwer erkrankt und lebt in einem Seniorenpflegeheim. Ihr Unterhaltsbedarf beträgt zur Zeit aufgrund der Heimkosten monatlich 4.333,- EUR; hinzu kommt ein Taschengeld in Höhe von 96,93 EUR. Dieser Bedarf wird nach Abzug von Witwenrente in Höhe von 823,64 EUR, Altersruhegeld in Höhe von 132,78 EUR, einer Werksrente in Höhe von 31,02 EUR sowie Leistungen der Pflegekasse in Höhe von monatlich 1.510,- EUR in Höhe des Restbetrages durch Sozialhilfeleistungen der Stadt Mettmann abgedeckt. Hiervon macht die Klägerin einen Betrag in Höhe von 1.833,00 EUR monatlich mit der Klage geltend. Eine weitere Leistungsbewilligung für die Klägerin ist von der Stadt Mettmann davon abhängig gemacht worden, dass die durch die Klägerin in den Jahren 2005 bis 2007 an ihre drei Söhne erbrachten Geldleistungen zurückgefordert werden. Eine Überleitung eventueller Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten auf die Stadt Mettmann ist bislang nicht erfolgt.

Den vorgenannten Zahlungen liegt die Tatsache zugrunde, dass die Klägerin vor dem Jahr 2005 Eigentümerin zweier Grundstücke war. Zum einen handelte es sich dabei um das Hausgrundstück D-Straße 7 in 40764 Langenfeld, welches sie am 07.03.2005 zu einem Kaufpreis in Höhe von 170.000,- EUR veräußerte. Nach Abzug von Kosten und Belastungen ergab sich ein Nettoerlös von 153.591,57 EUR, welcher gedrittelt am 28.02.2005 in Höhe von jeweils 51.197,19 EUR auf das jeweilige Konto der Söhne überwiesen wurde.

Darüber hinaus veräußerte die Klägerin unter dem 27.11.2007 das Grundstück „Am B-Straße in 42799 Leichlingen“ zum Kaufpreis von 264.000,- EUR. Abzüglich eines Betrages in Höhe von 35.410,- EUR, welcher bei der Klägerin verblieb, zahlte sie hiervon an den Beklagten 74.370,- EUR.

Demnach erhielt der Beklagte aus den Veräußerungserlösen einen Gesamtbetrag von 125.567,19 EUR.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten die Rückzahlung der gewährten Leistungen aus dem Gesichtspunkt der zwischenzeitlichen Verarmung gem. § 528 BGB.

Die Klägerin beantragt, wie erkannt.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat zunächst vorgetragen, dass die Klägerin kein Grundvermögen, sondern lediglich Geldbeträge verschenkt habe. Später trug er vor, dass die Klägerin lediglich ihrer Verpflichtung als Vorerbin nachgekommen sei. Damit stelle sich, so meint er, die Zahlung an ihn lediglich als Auflösung einer durch Vor- und Nacherbschaft rechtlich gesicherten Stellung dar. Jedenfalls hätte die Klägerin die für die Söhne gedachten Vermögenswerte auch ohne die Veräußerung nicht antasten dürfen. Soweit das Ergänzungstestament eine persönliche Pflegeverpflichtung enthalte, so sei der Beklagte dieser bereits über Jahre hinweg nachgekommen.

Der Beklagte behauptet weiter, was von der Klägerin mit Nichtwissen bestritten wird, einen Teilbetrag in Höhe von 10.800,- EUR zurückgezahlt zu haben. Ferner, so hat er ursprünglich und insoweit unbestritten – behauptet, seien von ihm von den erhaltenen Beträgen 24.300,- EUR sowie weitere Kleinbeträge verbraucht worden. Nach der Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Klägerin hat er seinen Vortrag diesbezüglich dahin ergänzt, dass die gesamten Gelder verbraucht worden seien. Hinsichtlich des diesbezüglichen Vortrages wird auf Bl. 4-9 des Schriftsatzes vom 30.05.2011 (Bl. 71-76 d.A.) nebst Anlagen sowie auf Bl. 2-5 des Schriftsatzes vom 15.08.2011 (Bl. 88-91 d.A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch gemäß § 528 Abs. 1 BGB zu.

Die vorgenannte Vorschrift setzt voraus, dass der Schenker nach dem Vollzug der Schenkung außer Stande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten oder seine gesetzlichen Unterhaltspflichten im Sinne der § 360 ff., 1569 ff., 1601 ff. BGB zu erfüllen. Dies ist vorliegend aufgrund des Sozialhilfebescheides des Kreises Mettmann vom 20.05.2010, welche die Klägerin ausdrücklich zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat, belegt und wird auch von den Beklagten nicht weiter in Abrede gestellt. Liegt aber ein Notbedarf des Schenkers vor, so steht ihm ein Herausgabeanspruch nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung zu. Dabei handelt es sich um einen Rechtsgrundverweis, der grundsätzlich dazu führt, dass der Schenker die Naturalrückgabe des Schenkungsgegenstandes verlangen kann (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Es ist auch ein Fall der Schenkung gegeben. Zwar ist die Klägerin in Bezug auf die streitgegenständlichen Immobilien durch ihren Ehemann per Testament vom 13.06.1965 grundsätzlich als nicht befreite Vorerbin eingesetzt worden. Jedoch ist der Vorerbe bis zum Eintritt des Nacherbfalls der alleinige Eigentümer (Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2100, Rdnr. 109). Der nicht befreite Vorerbe darf ererbte Gegenstände nutzen, aber nicht veräußern. In diesem Fall muss er den Nacherben grundsätzlich Wertersatz leisten, § 2134 BGB. Bei Grundstücken bewirkt § 2113 BGB eine absolute Unwirksamkeit eines Verkaufes bei Eintritt des Nacherbfalls. Stimmen die Nacherben der Veräußerung zu, so fehlt die weiterhin nach dieser Vorschrift erforderliche Beeinträchtigung (Palandt, a.a.O., § 2113, Rdnr. 5). Ob in Zeiten der Not der Vorerbe das ererbte Kapital angreifen darf, hängt von der Auslegung des Testamentes ab; d.h., dem objektiven Erklärungswert der letztwilligen Verfügung muss sich der Wille des Erblassers entweder auf die vornehmliche Sicherung des Gutes für den Nacherben oder die Absicherung des Vorerben entnehmen lassen (Palandt, a.a.O., § 2134, Rdnr. 1). Aus dem Ursprungstestament sowie der Ergänzung vom 01.12.1985 ergibt sich, dass die Klägerin keine Verfügungen „zum Schaden“ der Söhne vornehmen durfte. Außerdem wurde in der Ergänzung aus dem Jahre 1985 eine Pflegeverpflichtung des Beklagten aufgenommen. Soweit es um die Begrifflichkeit „zum Schaden“ geht, so dürfte diese Wendung bei lebensnaher Betrachtung nicht als Übernahme der Wortwahl in § 2113 BGB als rein rechtliche Beeinträchtigung zu verstehen sein. Vorliegend spricht vielmehr die Kombination beider Verfügungen dafür, dass vornehmlich die hinreichende Versorgung, insbesondere die Pflege der Klägerin gesichert werden sollte. Damit bezog sich das Verbot zur Verfügung „zum Schaden“ der Söhne erkennbar nur darauf, dass die Klägerin die Vermögenswerte nicht „ohne Not“, also allein aus konsumtiven Gründen verbrauchen würde. Da die Klägerin sich jedoch vorliegend unstreitig in einer Notlage befindet, wäre sie dementsprechend gemäß den letztwilligen Verfügungen ihres Ehemannes zum Verkauf der Grundstücke zum Zwecke der Finanzierung ihres Pflegebedarfs berechtigt gewesen.

Hinzu kommt, dass der Beklagte kraft einer Auflage im Testament vom 11.12.1985 zur Pflege der Klägerin verpflichtet war. Dies bezieht sich, anders als er meint, nicht nur auf die Vergangenheit, sondern auch auf die aktuelle und zukünftige Situation. Dann aber folgt aus § 2196 BGB, dass der mit der Auflage Beschwerte, hier also der Beklagte, sich in einem solchen Falle wirtschaftlich nicht besser stehen soll, als wenn er die Auflage erfüllt hätte. Daraus folgt, dass ein Anspruch nicht nur dann entstehen kann, wenn die Auflage eine geldwerte Leistung zum Gegenstand hatte, sondern ausreicht, dass ihre Erfüllung mit Kosten verbunden gewesen wäre (MüKo/Schlichting, BGB, § 2196, Rdnr. 6). Auch aus diesem Rechtsgedanken heraus, könnte sich ungeachtet der Darlegungen zur befreiten Vorerbschaft ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der Zuwendungen in dem Umfange ergeben, in dem diese zur Vollziehung der Auflage hätten verwendet werden können.

Damit handelt es sich bei der Zustimmung und bei der „Belassung“ von Geld auch nicht – wie der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13.09.2011 meint – um eine Gegenleistung, die der Annahme einer Schenkung entgegen stehen würde.

Soweit der Beklagte aus der Testamentsergänzung einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Klägerin geltend macht, verbietet sich dieser bereits aus den genannten Gründen. Im Übrigen sind aber auch keinerlei Anhaltspunkte für ein schuldhaftes Verhalten der Klägerin erkennbar. Denn offenbar handelte es sich bei dem Verkauf und der Aufteilung der Verkaufserlöse um ein mit allen Beteiligten vorab vereinbartes Vorgehen. Die testamentarischen Verfügungen des Ehemanns des Klägers müssen dem Beklagten zu dem Zeitpunkt der Geldzuwendungen auch bekannt gewesen sein. Denn anders erklärt sich nicht sein Vortrag, wonach die drei Söhne der Klägerin dem Verkauf der Grundstücke nur zugestimmt hätten, weil ihnen der Ertrag aus dem Verkauf der Immobilien zum Zwecke der Erfüllung der Nacherbenauflage habe ausgekehrt werden sollen. Dem widerspricht allerdings der Umstand, dass der Beklagte andererseits bereits 10.800,- EUR auf die Schenkung an die Klägerin zurückgezahlt haben will.

Ergibt sich dementsprechend ein grundsätzlicher Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Zuwendungen gegenüber den Söhnen gemäß § 528 Abs. 1 BGB, so ist dieser Anspruch in Höhe von 125.567,19 EUR gemäß § 818 Abs. 3 BGB wegen Entreicherung des Beklagten in Höhe von insgesamt 35.100,- EUR auf dann noch 90.467,19 EUR zu kürzen. Dies folgt zum einen daraus, dass der Beklagte von der Klägerin unbestritten einen Teilverbrauch der Gelder für diverse Urlaube und Anschaffungen in Höhe von 24.300,- EUR vorgetragen hat. Damit dürfte jedenfalls insoweit eine Entreicherung eingetreten sein (vgl. hierzu: Palandt/Sprau, BGB, 70. Aufl., § 818, Rdnr. 35). Soweit der Beklagte darüber hinaus eine Rückzahlung von 10.800,- EUR behauptet, wird diese zwar bestritten. Angesichts der insoweit vorgelegten Zahlungsbelege, die unter anderem die Unterschrift des Bankmitarbeiters und den Hinweis „T“ enthalten, wäre es aber an der Klägerin gewesen, diesen Vortrag substantiiert – etwa in Bezug auf die Kontonummer – zu bestreiten. Dies ist jedoch nicht geschehen. Insoweit ist also auch dieser Betrag in Abzug zu bringen.

Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlungen aus der früheren Schenkung in Höhe von 51.197,19 EUR erbracht wurden, so dass hier noch ein Restbetrag in Höhe von 16.097,19 EUR verbliebe.

Weitere Abzüge kommen hingegen nicht in Betracht. Zwar hat der Beklagte im Laufe des Verfahrens nunmehr vorgetragen, dass sämtliche Gelder von ihm für eigene Zwecke verbraucht worden sind. Dies geschah aber trotz mehrfachen Hinweises der Kammer bis zuletzt vollkommen unsubstantiiert und damit unerheblich. So enthält die von ihm vorgenommene Auflistung im Schriftsatz vom 30.05.2011 (dort Bl. 5 ff. = Bl. 72 ff d.A.) an den meisten Stellen nur unspezifische Erläuterungen wie etwa den Hinweis auf „Unterhalt der Familie“. Die Beträge belaufen sich dabei häufig auf Größenordnungen, die mit einem normalen Lebensunterhalt, insbesondere bei dem ansonsten von dem Beklagten dargestellten Zuschnitt der Familie, nicht erklärlich sind. Es muss sich dabei also um größere Anschaffungen gehandelt haben, die durchaus im Einzelnen erläutert werden könnten. An vielen Stellen fehlt es an jeglicher Erläuterung zu größeren Abhebungen in vierstelliger Höhe. Sofern etwa Zahlungen in Höhe von jeweils 5.000,- EUR mit den Namen der Söhne versehen sind, so ergibt sich insbesondere daraus nicht, dass diese Gelder tatsächlich verbraucht worden sind. In diesem Zusammenhang ist es auch auffällig, dass die vorgelegten Kontenbelege – worauf die Kammer ebenfalls im letzten Termin hingewiesen hat – insgesamt nur von dem Girokonto der Familie stammen. Es erscheint aber sehr fernliegend, dass die Familie ansonsten über keinerlei Spareinlagen verfügen soll. Hier wäre es gerade interessant und erforderlich gewesen, die gesamten Kontobestände im Einzelnen darzulegen. Mithin ist es nicht möglich, über die bereits erfolgten Anrechnungen weitere Zahlungen als Entreicherung zu berücksichtigen. Soweit der Beklagte im letzten Schriftsatz vom 15.08.2011 für die Tatsache, dass die Gelder tatsächlich verbraucht worden sein sollen, auf eine eidesstattliche Versicherung des Beklagten bzw. auf dessen Parteivernehmung rekurriert, so reicht dieser Beweisantritt weder in der Form, noch in der Sache aus. Denn eine bloße Glaubhaftmachung genügt in diesem Zusammenhang nicht. Auch würde eine Parteivernehmung allein darauf hinauslaufen, nunmehr im Einzelnen zu ermitteln, wofür die Gelder tatsächlich verbraucht worden sind. Dies wäre aber eine unzulässige Ausforschung. Damit kann dem Beklagten über die bereits berücksichtigten Beträge keine darüber hinausgehende Entreicherung zugerechnet werden.

Auch ein Ausschluss des Rückforderungsanspruches gemäß § 529 Abs. 2 BGB ist nicht gegeben. Dies setzte voraus, dass ernsthaft damit zu rechnen sein muss, dass der Beschenkte bei Erfüllung des Rückforderungsanspruches nicht mehr genügend Mittel für seinen eigenen angemessenen Unterhalt oder zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten zur Verfügung hätte. Da es sich um einen Ausnahmetatbestand handelt, trägt der Beschenkte die Beweislast für die eigene Bedürftigkeit im Sinne des § 529 Abs. 2 BGB. Dieser Beweis ist ihm aber bereits deshalb nicht gelungen, weil aufgrund der bereits ausführlich dargelegten Umstände davon ausgegangen werden muss, dass sich der genannte Restbetrag noch in seinem Vermögen befindet, aus dem dann auch die erforderlichen Raten erbracht werden können. Aber selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so würden die von ihm dargestellten Vermögensverhältnisse nicht zu einem gänzlichen Ausschluss der Zahlungspflicht führen. Zum einen deckt sich seine Behauptung über ein monatliches Nettoeinkommen bis höchstens 2.300,- EUR nicht mit den vorgelegten Bankunterlagen. Die Kontoauszüge für das Jahr 2008 weisen nämlich monatliche Zuweisungen seines Arbeitgebers im Umfang von 2.440,- EUR bis ca. 2.950,- EUR aus. Bei der für Januar 2011 vorgelegten Entgeltabrechnung (Bl. 40 d.A.), welche mit 2.317,53 EUR endet, dürfte es sich damit um eine Vergütung am unteren Rande der in der Höhe schwankenden Auszahlungen handeln. Dies belegt auch ein Blick in die Abrechnung aus dem Jahr 2008, wo ebenfalls die Januar-Auszahlung im Verhältnis zu späteren Auszahlungen besonders gering war. Bei der von ihm vorgelegten Aufstellung der Anlage 1. a) zum Schriftsatz vom 15.08.2011 (Bl. 92 d.A.) kann darüber hinaus die dargestellte Nebenkostennachzahlung für 2010 nicht für das gesamte Jahr in Anspruch genommen werden. Auch führt der Beklagte aus, dass bei dieser Abrechnung die Lebenshaltungskosten der Ehefrau wegen eigener Verdienstmöglichkeiten, die im Einzelnen aber nicht dargestellt werden, nicht in Ansatz gebracht wurden. Dann aber dürfte ein Betrag von 800,- EUR für einen Erwachsenen und zwei Kinder zur bloßen Bestreitung der Lebensmittel- und Bekleidungskosten erheblich zu hoch sein. Geht man damit also einmal von einem Mindesteinkommen des Klägers von 2.400,- EUR aus und rechnet das Kindergeld von 368,- EUR hinzu, so verfügt die Familie über ein monatliches Nettoeinkommen – ungeachtet der Einkünfte der Ehefrau – von 2.768,- EUR. Bringt man bei den dargestellten Kosten die Nebenkostennachzahlungen von 77,90 EUR in Abzug und kalkuliert wohlwollend die Lebensmittelkosten für die Beklagten sowie die beiden Söhne mit 600,- EUR monatlich, so verbleiben Gesamtkosten von 2.128,91 EUR. Damit stünde dem Beklagten als Differenz pro Monat ein noch unverbrauchter Geldbetrag von 639,09 EUR zu. Würde man das Einkommen des Beklagten nach Prozesskostenhilfe-Grundsätzen untersuchen, so ergäbe sich eine zu zahlende monatliche Rate von mindestens 300,- EUR.

Die Klägerin kann allerdings keine einmalige Geldzahlung, sondern lediglich die Zahlung des monatlichen Mehrbedarfs verlangen. Denn der Herausgabeanspruch wird dadurch eingeschränkt, dass er nach § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB nur so weit reicht, wie der Notbedarf vorliegt. Bei wiederkehrendem Bedarf (z.B. Heimunterbringungs- oder Pflegekosten) schuldet der Empfänger einer Geldzuwendung wiederkehrende Teilleistungen (BGHZ 94, 141, 143; BGHZ 96, 380, 382; BGH NJW-RR 2006, 699, 701), jedoch jeweils nur bis der Gesamtwert des Schenkungsgegenstandes erschöpft ist (BGH NJW 1996, 987, 988; BGH NJW-RR 2003, 53, 54). Die unstreitigen Angaben in der Klageschrift ergäben dabei sogar einen von der Sozialhilfe zu tragenden Restbedarf von 1835,56 + 96,93 EUR Taschengeld. Wegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO war die Kammer aber an den Antrag der Klägerin gebunden.

Der Beklagte haftet insoweit gesamtschuldnerisch mit seinen beiden Brüdern, jedoch in der Höhe begrenzt auf die bei ihm verbliebenen Zahlungen in Höhe von 16.097,19 EUR und 74.220,- EUR für die zweite Schenkung. Mehrere gleichzeitig Beschenkte (z.B. die von den Eltern in einem Zuwendungsakt beschenkten Kinder) haften als Gesamtschuldner gleichrangig nebeneinander. Der Umfang der Haftung jedes einzelnen Beschenkten wird aber durch § 528 Abs. 1 BGB und § 818 Abs. 2 und 3 BGB begrenzt, d.h. jeder Beschenkte haftet nur bis zur Obergrenze des Notbedarfs des Schenkers und nur bis zur Höhe der noch vorhandenen eigenen Bereicherung. Im zuvor aufgezeigten Rahmen kann daher der verarmte Schenker nach seiner Wahl den einen oder den anderen Beschenkten in Anspruch nehmen ohne Rücksicht darauf, ob zwischen dem Beschenkten eine Ausgleichspflicht besteht (MüKo/J. Koch, BGB, § 528, Rdnr. 27 m.w.N.).

Gemäß § 528 Abs. 2 BGB haftet zwar der früher Beschenkte nur nachrangig bis zur Obergrenze des Restbedarfs, der sich ergibt, wenn man den vollen Bedarf des Schenkers um die Herausgabepflicht des später Beschenkten mindert (MüKo, a.a.O., Rdnr. 26).Hier war es jedoch so, dass die Brüder zu zwei verschiedenen Zeitpunkten für sich gesehen jeweils gleichzeitig eine Schenkung erhielten, für die sie jeweils – begrenzt auf ihre individuelle Bereicherung – gesamtschuldnerisch haften. Damit wirkt sich die vorgenannte Norm hier nicht dahingehend aus, dass die Klägerin sich aus der zweiten Schenkung zunächst vollständig gegenüber den anderen Brüdern befriedigen müsste. Die Tatsache, dass der Beklagte demnach zunächst nur zu der Rückgabe der ersten Schenkung und alsdann erst zur Rückgabe der zweiten Schenkung verpflichtet ist, wird hinreichend durch die betragsmäßige Begrenzung der Herausgabepflicht berücksichtigt.

Die gestellten Klageanträge orientieren sich insgesamt an den obengenannten Grundsätzen.

Unbestritten ist schließlich von dem Klägervertreter im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt worden, dass von dem Sozialhilfeträger keine Überleitung des Anspruches gemäß § 93 SGB XII vorgenommen wurde.

Soweit der Beklagte im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.09.2011 zu einer Erkrankung der Ehefrau vorträgt, ist dieser neue Vortrag gem. § 296a ZPO unbeachtlich. Er gebietet aber auch keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Denn aus dem vorgelegten Attest folgt nur, dass ein orthopädischer Eingriff ärztlicherseits vorgeschlagen wurde; ob ein solcher mit den dargestellten Folgen auch tatsächlich beabsichtigt ist, kann dem Attest hingegen nicht entnommen werden. Schließlich wäre der neue Vortrag aber auch aus den grundsätzlichen Erwägungen der Kammer heraus unbeachtlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz, 709 Satz 1, 2 ZPO.

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