Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 Wx 29/22 – Beschluss vom 30.12.2022
Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes des Amtsgerichts X vom 04.03.2022 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
I.
Im Grundbuch von U Blatt … des Amtsgerichts X ist der am …2017 verstorbene G1 (im Folgenden: Erblasser) in Abteilung I eingetragen.
Der Erblasser setzte durch notarielles Testament vom …2014 (UR-Nr. … der Notarin S1 aus Y) seine drei Söhne, die Beteiligten zu 1-3, zu je 1/3 als Erben ein. Durch zwei privatschriftliche Testamente vom …04.2017 sowie vom …09.2017 änderte er sein Testament vom …2014. Während in dem Testament vom …04.2017 lediglich Änderungen mit Blick auf die Vermächtnisse enthalten waren, beinhaltete das Testament vom …09.2017 neben einer weiteren Regelung die Vermächtnisse betreffend folgende Änderung zum Testament vom …2014:
„Dieses Testament habe ich niedergeschrieben in der Erwartung, dass meine Söhne mögliche Meinungsverschiedenheiten einvernehmlich beilegen oder gegebenenfalls den Einigungsvorschlag des Testamentsvollstreckers annehmen. Ein Erbe, der Klage erhebt, hat nur Anspruch auf den Pflichtteil“
Alle drei Testamente wurden vor dem Amtsgericht … eröffnet.
Zunächst haben die Antragsteller am 02.08.2019 beantragt, die Beteiligten zu 1-3 als Eigentümer in Erbengemeinschaft im Grundbuch einzutragen und unter anderem einen Erbauseinandersetzungsvertrag vom …2019 (UR-Nr. … der Notarin S1 aus Y) beigefügt.
Hierauf hat das Grundbuschamt des Amtsgerichts nach weiterem Schriftwechsel mit Zwischenverfügung vom 09.12.2019 aufgegeben, einen Erbschein vorzulegen. Das spätere privatschriftliche Testament sei für die Erbfolge nicht unerheblich.
Daraufhin haben die Antragsteller den Antrag mit Schriftsatz vom 14.04.2020 zurückgenommen und die Eigentumsumschreibung auf die Beteiligten zu 1-3 als Miteigentümer zu je 1/3 beantragt. Unter Ziffer II der beigefügten „Änderung zum Erbauseinandersetzungsvertrag vom …2019“, datierend auf den …02.2020 (UR-Nr. … der Notarin S1 aus Y) ist die Übertragung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes durch den Testamentsvollstrecker auf die Beteiligten zu 1-3 zu je 1/3 Miteigentumsanteil geregelt.
Mit Schreiben vom 22.04.2020 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts darauf hingewiesen, dass die nicht entgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers der Zustimmung aller Erben bedürfe, hierzu bedürfe es des Erbnachweises, auf die Zwischenverfügung vom 09.12.2020 werde Bezug genommen.
In der Folge haben die Antragsteller mit Schreiben vom 16.03.2021 den Antrag vom 14.04.2021 zurückgenommen und zugleich beantragt, die Beteiligten zu 1-3 als Eigentümer in Erbengemeinschaft einzutragen. Beigefügt war die Vereinbarung vom …02.2021 (UR-Nr. … der Notarin S1 aus Y), mit der die Urkunde „Änderung zum Erbauseinandersetzungsvertrag vom …2019“, datierend auf den …02.2020, wiederum aufgehoben wurde. Gleichzeitig wurde das Grundstück durch den Testamentsvollstrecker freigegeben. Die Notarin solle den zwischenzeitlich gestellten Antrag zurücknehmen und einen Antrag auf Grundbuchberichtigung (Eintragung der Erben als Eigentümer in Erbengemeinschaft) stellen. In der Urkunde enthalten ist eine eidesstattliche Versicherung, die unter anderem die Erklärung beinhaltet, dass keiner der in dem notariellen Testament vom …2014 (UR-Nr. … der Notarin S1 aus Y) genannten drei Erben Klage erhoben hat. Die in der notariellen Urkunde enthaltenen Erklärungen wurden durch den Testamentsvollstrecker und eine Angestellte der Notarin abgegeben, wobei die Letztgenannte namens und in Vollmacht der Beteiligten zu 1-3 handelte.
Nach weiterem Schriftwechsel hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts X am 04.03.2022 die angegriffene Zwischenverfügung erlassen und die Vorlage eines Erbscheins aufgegeben. Die spätere privatschriftliche Verfügung sei für die Erbfolge erheblich, da ein Erbe, der Klage erhebe, nur einen Pflichtteilsanspruch habe und von der Erbfolge ausgeschlossen sei. Die Vorlage der eidesstattlichen Versicherung schließe die Nachweiskette nicht, weil die Verwirkungsklausel auf der späteren privatschriftlichen Verfügung beruhe. Dabei hat das Grundbuchamt auf die Entscheidung des OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. November 2004 – 20 W 223/2004 –, juris, Bezug genommen.
Hiergegen haben die Antragsteller Beschwerde erhoben. Es handele sich um eine Verwirkungsklausel mit eindeutiger Verhaltensanforderung (vgl. BGH Beschluss vom 2. Juni 2016 – V ZB 3/14). Auch in einem Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht würde nichts anderes verlangt werden als die bereits dem Grundbuchamt vorliegende eidesstattliche Versicherung, dass keiner der Erben Klage erhoben habe. Die Erben würden diese Erklärung kennen und hätten sie sich durch den fehlenden Protest zu eigen gemacht. Die vom Grundbuchamt zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt sei nicht übertragbar.
Das Grundbuchamt des Amtsgerichts X hat der Beschwerde durch Beschluss vom 04.05.2022 nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vorgelegt.
II.
Die gemäß §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde gegen die nach § 18 GBO ergangene Zwischenverfügung ist unbegründet.
Das Grundbuchamt hat den Antragstellern mit der angegriffenen Zwischenverfügung zurecht aufgegeben, einen Erbschein zum Nachweis der Erbfolge vorzulegen, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO, bevor die Beteiligten zu 1-3 als Eigentümer in Erbengemeinschaft im Wege der Grundbuchberichtigung eingetragen werden.
Gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge durch Vorlage eines Erbscheins zu führen. Der Vorlage eines Erbscheins bedarf es dann nicht, wenn die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen beruht, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, § 35 Abs. 1 S. 2 GBO.
Vorliegend beruht die Erbfolge nicht allein auf dem notariell beurkundeten Testament, weil ein späteres privatschriftliches Testament des Erblassers existiert, welches die Erbfolge berührt.
Liegt neben dem öffentlichen Testament ein eigenhändiges Testament vor, so bleibt es bei der Regel des § 35 Abs. 1 S. 1 GBO sofern die Erbfolge nicht mehr ausschließlich auf dem öffentlichen Testament, sondern (auch) auf dem privatschriftlichen Testament beruht (vgl. Volmer in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht, § 35 Rn. 95). Existiert neben dem öffentlichen Testament ein späteres privatschriftliches Testament, ist – auch wenn kein Widerruf gemäß §§ 2254 -2256 BGB vorliegt – insbesondere § 2258 BGB zu beachten, demzufolge ein früheres Testament insoweit aufgehoben wird, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht (vgl. OLG München, Beschluss vom 21. Oktober 2016 – 34 Wx 331/16 –, Rn. 15, juris; Senat, Beschluss vom 12.06.2018 – 2 Wx 38/18). Andere Beschwerungen mit Bezug zur Erbeinsetzung (etwa Nacherbfolge, Testamentsvollstreckung) können ebenfalls die Erbfolge beeinträchtigen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 6. September 2012 – I-15 W 260/12 –, Rn. 3, juris, für die spätere Änderung der Anordnung einer Testamentsvollstreckung durch privatschriftliches Testament).
Bei Konkurrenz zwischen einem öffentlichen Testament und einer später errichteten privatschriftlichen Verfügung von Todes wegen kann das Grundbuchamt daher regelmäßig bereits dann auf der Vorlage eines Erbscheins bestehen, wenn das eigenhändige Testament nicht offenbar ungültig, widerrufen oder für die Erbfolge bedeutungslos ist (OLG München, Beschluss vom 21. Oktober 2016 – 34 Wx 331/16 –, Rn. 14, juris; Senat, Beschlüsse vom 12.06.2018 – 2 Wx 38/18 und vom 10.07.2017 – 2 Wx 41/16; OLG Hamm, Beschluss vom 6. September 2012 – I-15 W 260/12 –, Rn. 3, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. November 2004 – 20 W 223/2004 –, Rn. 15, juris; Böhringer ZEV 2017, 68 (70); vgl. auch Volmer in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht, § 35 Rn. 95).
Vorliegend ist das privatschriftliche Testament nicht offensichtlich unwirksam oder widerrufen. Es kann auch für die Erbfolge Bedeutung erlangen, weil es geeignet ist, die in der öffentlichen Urkunde getroffene Erbfolgeanordnung zu modifizieren oder zu beseitigen (vgl. OLG München, Beschluss vom 21. Oktober 2016 – 34 Wx 331/16 –, Rn. 14, juris). Die Auswirkung auf die Erbfolge ergibt sich aus der in der privatschriftlichen Verfügung enthaltenen Regelung, dass derjenige Erbe, der Klage erhebt, lediglich Anspruch auf seinen Pflichtteil haben soll. Eine derartige Verwirkungsklausel führt zum Verlust des Erbrechts für denjenigen oder diejenigen Erben, die gegen die sanktionsbewehrte Verhaltensanordnung verstoßen. Die nachträgliche Einfügung einer solchen auflösenden Bedingung ist für die Erbfolge von Bedeutung.
Soweit die Antragsteller auf die Entscheidung des BGH vom 2. Juni 2016 – V ZB 3/14 – Bezug nehmen, übersehen sie, dass bei dem der zitierten Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt die Verwirkungsklausel in dem notariell beurkundeten Testament enthalten war. Schon aus diesem Grund vermögen sie das von ihnen verfolgte Ziel einer Eintragung ohne Vorlage eines Erbscheins nicht auf diese Entscheidung zu stützen.
In diesem Zusammenhang merkt der Senat – ohne dass es nach den vorstehenden Ausführungen hierauf noch ankäme – an, dass die vorliegende eidesstattliche Versicherung seitens des Testamentsvollstreckers und der durch die Beteiligten zu 1-3 bevollmächtigten Notarfachangestellten auch dann nicht ausgereicht hätte, wenn die Verwirkungsklausel bereits in dem notariell beurkundeten Vertrag enthalten gewesen wäre. In diesem Fall hätte es einer entsprechenden eidesstattlichen Versicherung zumindest seitens aller Beteiligter bedurft (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 13. Dezember 2021 – 5 W 70/21 –, Rn. 13, juris; Volmer in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht, § 35 Rn. 123; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 20 W 413/12 –, Rn. 14, juris: eidesstattliche Versicherungen sämtlicher (bedingt eingesetzter) Schlusserben, ebenso: Böhringer ZEV 2017, 68 (71)). Die eidestattliche Versicherung der bevollmächtigten Notarfachangestellten vermag eine Erklärung der beteiligten Erben nicht zu ersetzen, weil es sich bei der Erklärung, dass keiner der Erben Klage erhoben hat, nicht um eine Willenserklärung handelt, sondern um eine die festzustellende Tatsachengrundlage betreffende Wissenserklärung.