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Wechselbezüglichkeit Ehegattentestament

Änderung Testamentsvollstrecker durch Überlebenden

AG Flensburg – Az.: 8 VI 735/18 – Beschluss vom 13.11.2018

1. Die zur Begründung des Antrags vom 14.06.2018 auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.

Beantragtes Testamentsvollstreckerzeugnis: Frau Rechtsanwältin H. K., geb. G., geboren 1957, F. ist zur Testamentsvollstreckerin über den Nachlass der M. K., geb. N., geboren 1930, verstorben 2017, letzte Anschrift: F.. ernannt worden. Der Testamentsvollstreckerin sind keine Beschränkungen auferlegt worden.

2. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt.

Die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.

3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die am 1930 geborene und am 2017 verstorbene M.K. errichtete mit ihrem am 2012 vorverstorbenen Ehemann H.-W. W. K.K.am 29.06.2001 ein gemeinschaftliches notarielles Testament, in dem die Eheleute jeweils ihre gemeinsamen Kinder zu ihren Erben zu je 1/3 einsetzten. Als Vorausvermächtnis erhielt der jeweils Überlebende vom Erstversterbenden alle zum ehelichen Haushalt gehörenden Sachen, soweit sie in dessen Eigentum stehen. Im Übrigen wurden Vermächtnisse zugunsten der Tochter S. K. ausgesprochen. Gemäß Ziff. 3 des Testaments sollten sämtliche Bestimmungen des Testaments wechselbezüglich sein. Unter Ziff. 4 ordneten die Eheleute Testamentsvollstreckung an. Der Ehemann setzte den Sohn Dr. M. K. zum Testamentsvollstrecker ein, die Erblasserin selbst setzte zunächst ihren Ehemann, hilfsweise den Sohn Dr. M. K. zum Testamentsvollstrecker ein. Dieser sollte die Aufgabe jeweils unentgeltlich ausüben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Testament vom 29.06.2001, Bl. 46 ff. d. A. 8 IV 55-56/18 verwiesen.

Am 21.09.2007 errichteten sie ergänzend einen notariellen Erbvertrag, mit dem sie jedoch ausdrücklich das ursprüngliche gemeinschaftliche Testament nicht ändern wollten. Es wurde lediglich ein Vermächtnis in Form einer Darlehensforderung gegenüber dem Sohn Dr. M.K. ausgesprochen.

Am 09.04.2015 errichtete die Erblasserin allein ein neues ergänzendes notarielles Testament, mit dem sie das ursprüngliche gemeinschaftliche Testament dahingehend ergänzte, dass sie die Testamentsvollstreckereinsetzung vom 29.06.2001 wiederrief, nämlich die Einsetzung ihres Sohnes Dr. M. K. als Testamentsvollstrecker. Zur Testamentsvollstreckerin bestellte sie stattdessen Rechtsanwältin H. K. aus F.. Ersatzweise, sollte H. K. das Amt nicht annehmen können oder wollen, solle ein Testamentsvollstrecker von dem Nachlassgericht Flensburg bestimmt werden. Keinesfalls dürfe dies der Sohn M. K., seine Ehefrau oder Tochter sein. Ebenso wenig sollten dies ihre Töchter M. oder S. oder deren Ehemänner sein. Genauso wenig solle dies Rechtsanwältin U. C. sein. Die Testamentsvollstreckervergütung richte sich nach den Empfehlungen des Deutschen Notarvereins für die Vergütung des Testamentsvollstreckers (Fortentwicklung der Rheinischen Tabelle). Für den Fall, dass ihr die Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers nicht möglich sei aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments, solle die Testamentsvollstreckung vollumfänglich entfallen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf das Testament vom 09.04.2015, Bl. 60 ff. der T-Akte verwiesen.

Am 19.10.2017 errichtete die Erblasserin ergänzend ein handschriftliches Testament, in dem sie nochmals bestimmte, dass ihr Sohn Dr. M. K. nach ihrem Tod auf keinen Fall Testamentsvollstrecker sein solle. Sie widerrief seine Einsetzung und setzte Rechtsanwältin H. K. ein. Auch insoweit wird hinsichtlich der Einzelheiten auf das handschriftliche Testament, Bl. 65 d.T-Akte, verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 19.03.2018, eingegangen beim Nachlassgericht Flensburg am 20.03.2018, hat Rechtsanwältin H. K. die Annahme des Amts als Testamentsvollstreckerin erklärt.

Am 14.06.2018 hat sie die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragt.

Der Antragsgegner widerspricht der Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses.

Dem schließt sich die Beteiligte M. K. an.

Der Antragsgegner ist der Ansicht, die Ernennung von Rechtsanwältin K. zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass von M. K. sei unwirksam. Der Wechsel des Testamentsvollstreckers durch die Erblasserin verstoße gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB, da er allein dem Zweck diene, den Nachlass zulasten der Beteiligten Dr. M. K. und M. K. auszuhöhlen. Der Wechsel des Testamentsvollstreckers beruhe auf einer tiefgreifenden Abneigung der Erblasserin gegenüber Dr. M. K.und auch M. K. und solle lediglich die über einen längeren Zeitraum vor dem Tode der Erblasserin begonnene Aushöhlung des Nachlasses zugunsten der Beteiligten S. M. absichern. Der liquide Nachlass der Erblasserin müsste sich auf mindestens 240.000 € belaufen, tatsächlich sei gemäß des vorläufigen Verzeichnisses der Rechtsanwältin K. lediglich ein Betrag von 115.000 € vorhanden. Es fehlten somit mindestens 125.000 €. Es sei zu vermuten, dass hier viele Einzelbeträge von den Konten der Erblasserin in bar entnommen worden seien, um den Weg zu den tatsächlichen Empfängern zu verschleiern. Insgesamt habe die Erblasserin ihr gesamtes liquides Vermögen bis auf eine sogenannte Reserve von 50.000 € weggegeben und damit ihren Nachlass weitestgehend ausgehöhlt.

Um die Aushöhlung des Nachlasses zugunsten der Beteiligten S.M. tatsächlich sicherzustellen, habe die Erblasserin Rechtsanwältin K. als Testamentsvollstreckerin eingesetzt, die mit der rechtlichen Beraterin der Beteiligten M., Rechtsanwältin C., befreundet und entsprechend einstellbar sei.

Auch Rechtsanwältin K. betreibe ihr Amt unter dem vorgegebenen Primat der Aushöhlung des Nachlasses der Erblasserin zugunsten der Beteiligten M.. Zum einen habe Rechtsanwältin K. auf Frage angegeben, nicht zu wissen, weshalb die Erblasserin sie als Testamentsvollstreckerin ernannt habe. Auch kümmere sich Rechtsanwältin K. nicht hinreichend um die Aufklärung von Zuwendungen seitens der Erblasserin an die testamentarischen Erben. Sie sei dringlich darauf hingewiesen worden, dass dies kurzfristig zu erfolgen habe. Die Testamentsvollstreckerin erwecke den Eindruck, dass das wichtige Thema Zuwendungen immer weiter in die Zukunft und damit zugunsten der Beteiligten M. verschoben werden solle.

Weiterhin sei die Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers aufgrund der Wechselbezüglichkeit des notariellen Testaments vom 29.06.2001 unzulässig. Sie widerspreche dem durch beide Ehegatten geäußerten Willen in dem gemeinschaftlichen Testament, in dem nur familieneigene Personen als Testamentsvollstrecker vorgesehen waren, ohne Entgelt.

Das Gericht hat die Beteiligten persönlich angehört. Hierbei wurden die bisherigen Argumente neu ausgetauscht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Niederschrift vom 29.10.2018, Bl. 219 ff. d.A., verwiesen.

II.

Dem Antrag der Antragstellerin auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses stattzugeben.

Die Antragstellerin ist gemäß notariellem Testament vom 09.04.2015 mit ergänzendem handschriftlichem Testament vom 19.10.2017 wirksam zur Testamentsvollstreckerin über den Nachlass der M. K. bestellt worden, § 2197 BGB.

Der Bestellung von Rechtsanwältin H. K. zur Testamentsvollstreckerin steht nicht die angeordnete Wechselbezüglichkeit des gemeinschaftlichen Testaments vom 29.06.2001 entgegen.

Die Wechselbezüglichkeit bezieht sich jeweils nur auf die Erbeinsetzung, ggf. noch auf die Anordnung der Testamentsvollstreckung als solcher. Sie bezieht sich jedoch nicht auf die Einsetzung der Person des Testamentsvollstreckers als solcher, § 2270 Abs. 3 BGB. Die Einsetzung des Sohnes zum Testamentsvollstrecker dürfte seiner beruflichen Qualifikation zuzuschreiben sein, als Rechtsanwalt und auch Steuerberater. Diese Qualifikation hat die Erblasserin jedoch auch bei der Änderung der Person des Testamentsvollstreckers bedacht, in dem sie die Fachanwältin für Erbrecht und gleichzeitige Steuerberaterin Frau H. K. anstelle des Sohnes eingesetzt hat. Es ist bei dem gemeinschaftlichen Testament nicht erkennbar, dass sich die Wechselbezüglichkeit auch auf die Person des eingesetzten Testamentsvollstreckers beziehen sollte. Schließlich haben die Eheleute auch unterschiedliche Personen eingesetzt, der Ehemann nämlich allein den Sohn, die Ehefrau zunächst den Ehemann, nur ersatzweise den Sohn. Es ist nicht erkennbar, dass diese Einzeleinsetzung nur aufgrund der gemeinsamen Entscheidung erfolgt ist. Vielmehr dürfte vom gemeinsamen Willen der Eheleute getragen gewesen sein, dass auf jeden Fall ein Testamentsvollstrecker bestellt werden sollte. Dieser sollte mit Sicherheit auch fachlich geeignet sein. Eine Schlechterstellung der Erben durch den Wechsel der Person des Testamentsvollstreckers ist auch nicht erkennbar. Die Erblasserin hat lediglich die Person des Testamentsvollstreckers ausgetauscht, nicht jedoch deren Befugnisse geändert.

Es liegt weiterhin kein wichtiger Grund gemäß § 2227 BGB vor, um die eingesetzte Testamentsvollstreckerin zu entlassen.

Die Antragstellerin ist zu einer ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte eines Testamentsvollstreckers in der Lage und gewillt. Die Beibehaltung des Amtes widerspricht nicht den Interessen des Nachlasses und der Erben.

Gegen eine ordnungsgemäße Geschäftsführung spricht zunächst nicht, dass die Testamentsvollstreckerin bislang noch kein vollständiges Nachlassverzeichnis erstellt hat. Eine vorläufige Aufstellung hat die Testamentsvollstreckerin den Erben erteilt. Ein vollständiges Verzeichnis ist jedoch erst möglich nach Einsicht in sämtliche Bankunterlagen. Hierzu ist die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlich, da die Banken bislang teilweise die Auskunft verweigert haben. Dass das Testamentsvollstreckerzeugnis bis heute noch nicht erteilt werden konnte, liegt nicht der Testamentsvollstreckerin, sondern an den von den Beteiligten K. erhobenen Einwendungen gegen die Erteilung und die daher notwendige Anhörung der Beteiligten vor einer Entscheidung.

Es ist zudem nicht erkennbar, dass die Testamentsvollstreckerin zulasten der Beteiligten K. handeln und an einer Aushöhlung des Nachlasses zu Lasten der Beteiligten K. aktiv mitwirken würde.

Die Testamentsvollstreckerin hat den Nachlass in Besitz genommen, insbesondere eine Vielzahl von Kontoauszügen, die nach Vervollständigung durch die noch ausstehenden Bankunterlagen auszuwerten sind. Allein die Tatsache, dass die Testamentsvollstreckerin nicht unverzüglich mit der Prüfung möglicher Nachlassschädigung oder -aushöhlung in den vorangegangenen Jahren tätig geworden ist, wie vom Beteiligten Dr. M. K. verlangt, führt nicht zu einer Schädigung des Nachlasses.

Es ist nicht erkennbar, dass aktuell durch reinen Zeitablauf mögliche Zahlungsvorgänge, die zu berücksichtigen sein könnten, nicht mehr nachvollziehbar seien, da die Testamentsvollstreckerin bereits sämtliche Unterlagen, soweit für sie erreichbar, vorliegen hat. Es ist von der Testamentsvollstreckerin nicht zu verlangen, dass sie vor Vervollständigung der Unterlagen eine Gesamtprüfung vornehmen muß.

Es ist vorliegend gerade die Aufgabe einer neutralen Testamentsvollstreckerin, sich umfassend einen Überblick zu verschaffen und nicht einseitig auf bisher reine Vermutungen eines oder mehrerer Beteiligter übereilt tätig zu werden.

Die Antragstellerin ist auch geeignet, das Amt als Testamentsvollstreckerin zu übernehmen. Die pauschale Unterstellung des Antragsgegners, sie arbeite bewusst mit Rechtsanwältin C. zusammen, um den Nachlass der Erblasserin zugunsten der weiteren Beteiligten M. auszuhöhlen, entbehrt jeglicher Grundlage. Gerade die Einsetzung einer F. Fachanwältin für Erbrecht als Testamentsvollstreckerin, die mit der Erblasserin bislang nichts zu tun hatte, spricht für eine neutrale Amtsausführung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 FamFG.

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